Kapitel 4

"Jetzt warte mal!", gab die Frau von sich und beeilte sich, mir zu folgen. Sie schloss ohne Probleme zu mir auf, doch ich wandte mich ihr nicht zu, sondern lief ungehindert weiter. Normalerweise mochte ich Gesellschaft, aber durch die Sache mit Kalin war meine Laune so gesunken, dass ich am liebsten den Rest des Tages alleine wäre.

"Ich weiss, dass er derjenige ist, der sich entschuldigen sollte, aber das wird er nicht tun. Ich versuche nur Konflikte zu vermeiden", versuchte sie zu erklären und sah mich von der Seite an. Ich seufzte, blieb stehen und drehte mich zu ihr herum.

Ich konnte nicht anders, als in ihre braunen Augen zu sehen.

"Warum tust du das für ihn? Warum entschuldigst du dich für ihn und nimmst ihn in den Schutz?", wollte ich wissen und verschränkte die Arme vor der Brust. Die Geste sorgte dafür, dass ich mich wenigstens ein bisschen mehr so fühlte, als wäre ich mit ihr auf einer Ebene, auch wenn das absolut nicht der Fall war.

Wenn ich ehrlich war, fühlte ich mich ihr weit unterlegen und bewunderte sie sogar ein wenig. Anhand ihrer Körperhaltung und den feinen Muskeln, die unter ihrer Haut hervortraten, ließ sie sich als gute Kriegerin kennzeichnen. Sie schien regelmäßig zu trainieren. Ihre Ausstrahlung war außerdem so anmutig und selbstsicher, dass mir sofort klar war, dass sie ein enormes Selbstbewusstsein haben musste. Ich war nicht mal ansatzweise auf ihrem Level.

Die Orangehaarige seufzte und sah mich versöhnlich an. "Kalin und Ich kennen uns schon seit wir klein sind, also praktisch unser gesamtes Leben. Wir sind befreundet, irgendwie zumindest", erklärte sie und ich sah sie prüfend an, schwieg. Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte.

"Zwingt er dich dazu, dich für ihn einzusetzen?", fragte ich stattdessen, denn es war mir rätselhaft, wie eine solche Frau für sojemanden wie Kalin soetwas tun konnte. Sie würde ohne Kalin klar kommen und hätte dabei nicht mal Probleme.

"Nein, tut er nicht. Ich weiss was du denkst. Du verstehst nicht, wie ich mit ihm befreundet sein kann. Aber wie schon gesagt, eigentlich ist er ein guter Mensch. Und er war auch nicht immer so, wie er jetzt ist."

Erneut hörte ich zu und antwortete nichts darauf, sondern musterte die Frau nur, ließ dann meine Arme wieder an meine Seiten fallen, wandte mich ab und setzte mich wieder in Bewegung. Ich musste darüber nachdenken, was ich davon halten sollte.

"Jetzt war-"
"Du bist echt ganz schön hartnäckig", unterbrach ich sie und drehte mich wieder zu ihr rum. Sie wollte etwas antworten, doch ich hob meine Hand um ihr Einhalt zu gebieten.

"Was willst du eigentlich von mir?", fragte ich und sah sie an. "Mich entschuldigen, für Kalin. Und Bekanntschaft mit dir machen. Es ist nicht gerade zum Vorteil, wenn man sich direkt am Anfang Feinde macht, vorallem wenn man später während den Prüfungen in Teams arbeiten muss. Leider tut Kalin genau das, er macht sich Feinde. Aber du bist die erste Person, der ich heute über den Weg gelaufen bin, mit der ich eine Zusammenarbeit und vielleicht auch Freundschaft in Betracht ziehen würde. Du erscheinst mir vernünftig", erklärte sie sich geschlagen und teilte mir so endlich den wahren Grund mit, warum sie mich nicht in Ruhe ließ.

Ein zaghaftes Lächeln trat auf ihre Lippen, was überhaupt nicht zu ihrem sonst so sicheren Auftreten passte. Doch als sich ihre Mundwinkel zu dem Lächeln gehoben hatten, war die Sonne aufgegangen. Mir fiel auf, dass sie die ganze Zeit einen ernsten Gesichtsausdruck getragen hatte, doch jetzt, wo sie lächelte, war sie noch zehnmal schöner als eh schon und erschien mir direkt sympathischer. Außerdem kam es mir so vor, dass ich mich nun mehr mit ihr auf einer Ebene befand.

"Du willst also eine Zweckfreundschaft?", fragte ich und zog eine Augenbraue nach oben, wahrte meinen ernsten Gesichtsausdruck. Ihr Lächeln verrutschte. "Nein, so war das ni-", sie unterbrach sich selbst, als sie sah, wie ich anfing zu Lächeln. Ich hatte sie nur auf den Arm genommen und das wusste sie nun. Ihr Lächeln erschien wieder und wurde breiter als vorher.

Sie streckte mir ihre Hand hin. "Ich bin Suha", stellte sie sich vor und ich ergriff ihre Hand, nur um sie leicht zu schütteln. "Ayumi, schön dich kennenzulernen", erwiderte ich und sah, wie sich Freude auf ihrem Gesicht ausbreitete.

Ich ließ ihre Hand wieder los und setzte mich erneut in Bewegung. Ich musste langsam wirklich zurück nach Mondstadt City, wenn ich es noch bis Sonnenuntergang schaffen wolllte. Ich wollte ungern einen Teleportationspunkt verwenden.

Entgegen meinen Erwartungen lief Suha neben mir her. "Willst du nicht zurück zu Kalin?", fragte ich verwundert und Suha schüttelte den Kopf. "Nein, er kommt gut ohne mich klar. Wir sind zwar befreundet, aber wir kleben nicht aneinander. Jeder von uns macht sein eigenes Ding", erklärte sie mir und ich nickte verstehend.

"Sind die anderen Beiden, die bei ihm waren, eigentlich genauso unmöglich wie er?", fragte ich schmunzelnd und Suha lachte. "Nun ja, sie sind eigentlich ganz nett, aber es kommt darauf an, ob sie dich mögen oder nicht. Sie können auch sehr gemein sein", erklärte sie und ich nickte nur, wusste nicht, was ich darauf antworten sollte.

Suha schien sehr gesprächig zu sein, denn sie redete direkt weiter.

"Kalin und ich kommen aus einem kleinen Dorf in Sumeru. Wir sind zusammen aufgewachsen, haben zusammen trainiert und hatten beide den Wunsch, Abenteurer zu werden. Wir kamen auch zusammen her. Er ist zwar ein Jahr älter als Ich, aber wir waren, was Training und Kampf angeht, schon immer auf derselben Wellenlänge", gab sie von sich, mit einem Lächeln auf den Lippen.

"Du stammst aus Sumeru? Wow", gab ich von mir und staunte nicht schlecht. Ich war noch nie in Sumeru. Generell war ich bisher noch nirgendwo anders außer in Liyue und in Mondstadt. Ich hatte einfach keine Gelegenheit, groß irgendwo hinzureisen.

Suha nickte und lächelte. Sie liebte Sumeru, das sah man ihr an.

"Ich frage mich, wie es wird, wenn Kalin und Ich nach Sumeru zurückkehren - falls wir zurückkehren." Ich sah sie von der Seite an.

"Hast du Angst, einer von euch beiden könnte sterben?", fragte ich und die Orangehaarige seufzte, während sie nickte.

"Die Angst deshalb ist immer gegenwärtig und ich glaube, wenn Kalin sterben würde, würde sich mein Leben ziemlich verändern. Es wäre so seltsam ohne ihn zurükzukehren, obwohl das hier unser gemeinsamer Traum ist."

Erneut schwieg ich und fand es erstaunlich, dass sie so einfach über ihre Empfindungen reden konnte. Sie schien damit kein Problem zu haben und es zeigte außerdem, dass sie bereits dabei war, mir zu vertrauen, was mich igrendwie stolz machte. Suha hatte recht, man sollte sich definitiv ein paar Leute suchen, mit denen man auskam, denn dies konnte bei den Prüfungen noch sehr hilfreich sein.

Wir liefen den gesamten Weg bis nach Mondstadt City zusammen und kamen gut voran, weil wir nicht weiter aufgehalten wurden. Suha erzählte mir, dass sie zwanzig war, wodurch ich ebenfalls realisierte, dass Kalin einundzwanzig sein musste. Außerdem erfuhr ich, dass sie schon trainierte, seit sie klein war und eine Pyro Vision besaß. Sie erklärte mir, dass sie ursprünglich mit einem Großschwert gekämpft hatte, aber irgendwann auf einen Speer umgestiegen war, da dieser für sie leichter zu führen war. Ich musste feststellen, dass der silberne, lange Speer auf ihrem Rücken wirklich gut mit ihrer anmutigen Art harmonierte.

Die Ältere erzählte und erzählte und ich hörte lächelnd zu, warf meine Meinungen ein und lachte mit ihr zusammen über Dinge, die sie erlebt hatte. Als wir die Brücke überquert hatten und beim Tor von Mondstadt City ankamen, hatte ich das Gefühl, Suha schon ewig zu kennen. Allein in dieser kurzen Zeit hatte ich so viel über sie erfahren, was ich von manch anderen nach mehreren Jahren Freundschaft nicht mal wusste.

Als wir dann begannen, die Treppen bis zu dem großen Platz nach oben zu gehen, stand die Sonne bereits tief und tauchte den Himmel in rosane und orange Farben. Das sanfte Licht malte die Dächer von Mondstadt City in einem warmen Gold an.

Auf dem Platz um die Anemo Archon Statue, war einiges los. Ich sah viele Teilnehmer, die sich über den Platz bewegten. Auch Suha und ich gingen auf eine der Öffnungen des Wandelgangs zu, die die Statue umgaben.

In dem Wandelgang standen mehrere Tische, an denen verschiedene Leute saßen. Wir gingen auf einen der Tische zu.Die blonde Frau, die hinter dem Tisch saß, fragte nach meinem Namen.

"Hagimoto Ayumi", gab ich von mir und zog die Materialien aus der Tasche, die ich von den Hilichurls entwendet hatte und legte sie auf den Tisch. Die Frau zog diese zu sich und machte große Augen, als sie die unheilvolle Maske entdeckte. "Du hast eine gute Ausbeute gemacht", sagte sie und nickte mir anerkennend zu, bevor sie irgendwas in eine Tabelle eintrug.

Nach mir war Suha an der Reihe, doch ich bekam nicht mit, welche Worte sie mit der blonden Frau hinter dem Tisch wechselte. Ich war viel zu sehr auf die Menschen konzentriert, die sich hier auf dem Platz sammelten.

Ich war eine von ihnen und ich hatte gerade meine erste Prüfung hinter mich gebracht.

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Ich habe letzte Woche meine letzte Abiturprüfung abgelegt und bin endlich, ENDLICH durch mit Schule. Meine schriftlichen Ergebnisse bekomme ich zwar erst nächste Woche, aber ich denke sie liefen ganz gut. Und Mathe mündlich hab ich mit 14 Punkten bestanden 🥳 (wer das System nicht kennt: 15 Punkte ist das höchste, was man erreichen kann und entsprechen einer 1+. 14 Punkte sind demnach genau eine 1).
Aber wen interessiert das hier schon XD

Wichtig ist: Ich kann endlich wieder schreiben 🎊 Mal sehen, wie ich diesen Sommer mit dieser Story hier voran komme.

Aber für jetzt wünsche ich euch allen erst einmal eine schöne restliche Woche! ^^

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