Kapitel 33

"Am Anfang, wenn dir diese Technik noch nicht in Fleisch und Blut übergegangen ist, dann lass deinen Gegner dich ein paar Mal zuerst angreifen und du versuchst einfach nur auszuweichen oder zu parieren. Nicht angreifen! Wenn du dann einmal seine Vorgehensweise verstanden hast, dann kannst du zum Angriff übergehen", erklärte mir Chiyo sachlich und ich hörte ihr zu. Bei ihr klang das Alles so leicht, doch ich wusste, dass es das ganz und gar nicht war, noch bevor ich es überhaupt erst ausprobiert hatte. 

"Lass es uns versuchen", gab die Jüngere von sich und ging in ihre Kampfhaltung, ihr Schwert lag sicher in ihrer Hand und auch ich spürte die beruhigende Kälte der Waffe in meiner Handfläche. 

Ohne weitere Wartezeit griff Chiyo mich an. Sie hatte deutlich ihr Tempo gezügelt, war langsamer. Ich tat wie mir geheißen und wich aus. Bei dem nächsten Angriff versuchte ich bewusst auf sie zu achten. Das Erste was mir auffiel war, dass sie ihren kleinen Finger ein Stück weit von dem Schwert anhob, bevor sie mich angriff, was es mir zumindest schonmal ein wenig erleichterte, auszuweichen, da ich ungefähr wusste, wann sie ihr Schwert auf mich zu schnellen ließ. Es dauerte einige Angriffe, bis ich herausgefunden hatte, dass Sie ihr Handgelenk in eine Richtung bog, wenn sie angriff. Bog sie es nach innen, würde sie von rechts angreifen. Beugte sie es jedoch nach außen, griff sie von links an. 

Allmählich begriff ich, warum ihre Technik so effektiv war, denn sobald ich diese beiden Sachen herausgefunden hatte, konnte ich geschickt von einer Richtung angreifen, auf die sie in diesem Moment nicht achtete. Doch ich wusste genau, dass das nur funktionierte, weil Chiyo sich gerade wirklich zurücknahm. In einem Kampf auf Leben und Tod, wäre ich in einer Minute am Boden gewesen, wenn nicht sogar weniger. Denn in einem richtigen Kampf war es nicht leicht, auf solche Details zu achten.

Keuchend schnappte ich nach Luft, als Chiyo mir endlich eine Pause gönnte. "Ja, die Technik ist wirklich nicht einfach. Ich habe Jahre gebraucht um sie zu perfektionieren. Und das war auch nur der erste Schritt." 

"Nur der Erste?", keuchte ich entsetzt und spürte schon jetzt das Stechen in meinen Lungen. Ich war froh, dass die Sonne heute nicht auf uns niederbrannte, das wäre momentan die reinste Folter gewesen. Chiyo nickte lächelnd. "Genau genommen war das nur die Grundlage. Der eigentliche Stil liegt in den tanzenden Bewegungen. Durch sie ist es ein leichtes, dem Gegner auszuweichen und man ist schneller." 

"Warum ist man dadurch schneller?", fragte ich immer noch außer Atem und Chiyo grinste. Es machte ihr wirklich Spaß, ihren Kampfstil endlich an jemanden weiterzugeben, das sah man ihr deutlich an. "Weil die Bewegungen in diesem Stil nahtlos ineinander übergehen. Es ist eine Art Strom. Und dadurch, dass zwischen den Bewegungen keine Zeit verloren wird, ist man deutlich schneller", gab sie als Erklärung von sich und ich nickte. Das klang einleuchtend. Es erinnerte mich an den  inneren Fluss, den ich bei dem Training mit Albedo gespürt hatte und wie sauber und präzise meine Bewegungen ineinander übergegangen waren.

"Lektion vier, spüre deinen inneren Fluss, lass dich von ihm leiten und richte deine Bewegungen danach aus", gab sie von sich und ich nickte. 

"Aber auf die Lektion greifen wir zurück, wenn du Lektion drei besser beherrscht. Denn sie ist die Grundlage dafür, dass das klappt." Mich beschlich die Vorahnung, dass das Ganze deutlich schwieriger werden würde, als ich es mir vorstellte und dass ich vermutlich sehr viel Training brauchte. Aber ich war gewollt, diese Technik zu lernen, zu übernehmen und sie zu meistern, egal wie lang ich brauchen würde. 

Also nahmen Chiyo und ich wieder Kampfhaltung ein und traten wieder gegeneinander an. Dieses Mal erhöhte sie ihr Tempo und es war nicht mehr so einfach ihre Bewegungen vorauszusagen wie vorhin. Dieses Mal strengte es mich auch deutlich mehr an und das Schwert in meinen Händen wurde mit jedem Durchlauf schwerer. Chiyo hingegen war noch voll bei der Sache und auch ihre Space Buns sahen nicht so aus, als hätte sie die ganze Zeit gekämpft. Sie saßen fest auf ihrem Kopf, nicht eine Strähne löste sich daraus hervor.

Irgendwann legten wir eine längere Pause ein und wie aßen und tranken etwas. Danach fühlte ich mich deutlich stärker. Ich wollte gerade wieder auf Chiyo zugehen, um mich bereit für den nächsten Durchgang zu machen, als Kalin mich zurückhielt. Ich hatte nicht einmal mitbekommen, dass er hier auch die ganze Zeit trainiert hatte. 

"Ich bin ab jetzt dein Partner", erklärte er mir und bohrte dabei seine helllila Augen in meine. Sein Blick war stechend und ich wusste nicht ob er sich freute oder genervt war. Ich seufzte und sah den Größeren an. "Kalin hör zu, du musst mich nicht trainieren, wenn du nicht willst. Selbst wenn Suha gesagt hat, du sollst mir helfen, musst du-", er unterbrach mich indem er eine Hand hob und auf mich herunter sah. Nun lag ein provozierendes Grinsen auf seinen Lippen. 

"Ich bin hier, weil ich mich selbst dazu entschieden habe, dir zu helfen. Also hör auf sinnlosen Mist zu erzählen und zeig mir was du kannst." Ich hatte nur wenig Zeit, über seine Worte ernsthaft nachzudenken, denn da hatte er mich schon angegriffen. Ich parierte etwas wackelig seinen Schlag. Doch Kalin war größer, stärker, schneller und erfahrener als ich. Und nur kurze Zeit später rutschte ich durch einen seiner Schläge so nach hinten, dass ich das Gleichgewicht verlor und hart auf dem Gras aufkam. Der Sturz presste mir jegliche Luft aus den Lungen. Doch ich hatte keine Zeit liegen zu bleiben und erinnerte mich an Suhas erste Lektion. Also stand ich wieder auf, griff mein Schwert fester und griff Kalin an. 

"Du hast Willenskraft, das muss man dir lassen", bemerkte er, während er spielend leicht meinem Schwert auswich, nur um es mir wenig später einfach aus der Hand zu schlagen. So ging es eine ganze Weile und er entwaffnete und schlug mich immer wieder. Entweder trat er mir während eines Angriffs die Füße unter dem Körper weg und ich landete hart im Dreck oder er lenkte mich in irgendeiner Weise ab. Egal was ihm einfiel und egal wie banal es war, er schaffte es dadurch immer wieder ohne große Anstrengung mich zu besiegen. Auch wenn er das vermutlich auch so geschafft hätte. Kalin war ein exzellenter Krieger, das musste man dem Älteren zugestehen.

"Ach Prinzessin, so wird das nie etwas, wenn du kämpfst wie... eine Prinzessin", gab er von sich, ein schelmisches Grinsen im Gesicht. Ein wenig verärgerte es mich, denn ich gab mein Bestes, doch gegen ihn konnte ich einfach nicht ankommen, er war zu gut. Ich konnte bei ihm nicht einmal das anwenden, was Chiyo mir beigebracht hatte. Er war zu schnell und schaffte es, meine Konzentration immer auf etwas anderes zu lecken. 

Doch ich schluckte meinen Ärger herunter und sah ihn stattdessen einfach abwartend an. "Wie meinst du das?", fragte ich ihn und er sah mich an, während er mich wie eine Raubkatze umkreiste. "Dein Problem ist, dass du viel zu sehr versuchst ehrenhaft zu kämpfen. Manchmal kann das gut sein, bei Duellen beispielsweise, wenn jeder eine gleiche Chance haben soll. Aber bei einem Kampf auf Leben und Tod tut man doch alles, um zu überleben, oder nicht?", fragte er mich und ich nickte langsam. "Ja, man möchte ja am Leben bleiben", bestätigte ich und Kalin nickte. 

"Genau und deshalb nutze alle Möglichkeiten die du hast", sagte er und brachte sich wieder vor mir in Kampfposition. Doch  kaum wollte ich angreifen, pustete er mir die Samen einer Pusteblume ins Gesicht und ich kniff meine Augen zusammen und hob meine Arme vor mein Gesicht um mich zu schützen, doch dann fiel mir mein Fehler auf. Kaum hatte ich die Arme gesenkt und die Augen geöffnet, stand Kalin schon hinter mir und hielt mir die Schneide seines Schwertes an den Hals. "Wenn du eine Pusteblume findest, puste sie dem Gegner ins Gesicht", fing er an und ich drehte mich zu ihm herum, nur um festzustellen, dass er genau in diesem Moment einen Apfel in Richtung meines Gesichtes warf. Ich konnte mich gerade noch wegducken, doch da hatte ich sein Schwert schon wieder an der Seite. 

"Wenn du einen Apfel findest, bewirf deinen Gegner damit", fügte er hinzu und setzte sich erneut in Bewegung. Gerade als ich ihn angreifen wollte, stellte er mir einen Fuß und ich sah es nicht kommen. Erneut war ich dabei zu fallen, doch Kalin fing mich rechtzeitig auf und stellte mich wieder sicher hin. "Stell deinem Gegner einen Fuß, wenn er es nicht kommen sieht. Tu beim Kampf so, als würdest du hinter deinem Gegner etwas komisches sehen. Wenn er sich rumdreht, hast du ihn. Findest du losen Dreck, schmeiß ihm den Gegner in die Augen", führte Kalin seine Erzählung weiter und dann  hörte er auf um mich zu laufen und blieb stehen. Er sah mich eindringlich an. 

"Wenn du die Chance hast, wie ein Pirat  mit unfairen Mittel zu kämpfen, dann tu das", sagte er mir und ich nickte, dass ich verstanden hatte. Dann nahm Kalin wieder seine Kampfposition ein. 

"Lektion fünf, nutze alles aus der Umgebung, was dir im Kampf nützlich sein könnte", sagte er, bevor er mich erneut angriff.

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Mögt ihr Kalin eigentlich? Ich muss gestehen, ich liebe ihn, obwohl er ein kleines Arschloch ist ^^

Übermorgen geht endlich mein Urlaub los. Wir fahren über Ostern nach Bremen und ich freue mich so unendlich sehr darauf!

Habt einen tollen Abend :)

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