Kapitel 32
Den darauffolgenden Morgen ging es mir schon wieder etwas besser und Albedo war daran nicht unbeteiligt. Wenn er gestern nicht gewesen wäre, hätte ich mich bestimmt nicht so schnell wieder gefangen. Ich hatte die halbe Nacht darüber nachgedacht, was ich tun konnte, um die Chance zu senken, dass sowas in Zukunft nochmal passieren würde. Ich durfte keine Punkte mehr verlieren und um das zu schaffen, musste ich meine Erfolgschancen erhöhen.
Eine wilde Entschlossenheit hatte meinen Körper ergriffen, als ich aus der Tür der Pension heraus trat. Das Erste was ich tun konnte, um ein besserer Abenteurer zu werden, war zu trainieren und genau das hatte ich jetzt vor. Ich war mir ziemlich sicher, dass Suha heute wieder trainieren wollte, also machte ich mich direkt auf den Weg zu den Wiesen vor Mondstadt City.
Die Sonne musste gerade erst aufgegangen sein, denn es wurde gerade erst hell, aber so richtig konnte ich es nicht feststellen, denn der Himmel war heute von grauen Wolken verhangen.
Als ich die Wiesen erreichte, erkannte ich, dass ich Recht behielt. Es waren bereits ein paar Leute, inklusive Suha, da, obwohl ich nicht erwartet hatte, bereits so zeitig jemand anzutreffen. Die Orangehaarige war sichtlich erfreut, als sie mich entdeckte. "Ayumi, ich hatte gehofft, dass du hier auftauchen würdest", gab sie von sich, während sie auf mich zukam.
"Ich habe mir gedacht, du wiederholst erst die Übungen, die ich dir zuletzt beigebracht hatte und dann wird dein heutiger Gegner Chiyo sein. Es ist wichtig, dass du mit so viel verschiedenen Leuten wie möglich trainierst. Jeder kann dir etwas anders beibringen", erzählte sie mir und schenkte mir eins ihrer wunderschönen Lächeln, bei denen die Sonne aufzugehen schien. Ihre tiefbraunen Augen glitzerten, als ich nickte, um zu symbolisieren dass ich verstanden hatte.
Mit einer fließenden Bewegung holte ich das Schwert von meinem Rücken, während Chiyo neben mich trat und mich voller Euphorie begrüßte, so wie sie es immer trat. Wir nahmen nebeneinander Stellung ein und jeder ging erst seine Kampfbewegungen durch.
Ich erinnerte mich an die Lektion mit Albedo und schloss kurzerhand meine Augen, atmete tief durch und achtete dann auf die Geräusche die mich umgaben. Klingen, die aufeinander trafen, Füße, die durchs Gras streiften, Stimmen die sich unterhielten, Vögel die sangen und ein leiser Wind, der durch die Bäume glitt. Als ich das Gefühl hatte, dass ich alles erfasst hatte, öffnete ich meine Augen wieder und mich durchströmte eine absolute innere Ruhe. Meine Konzentration war auf mein Schwert gerichtet, dass kühl in meinen Händen lag. Und dann begann der Fluss. Der Fluss an Bewegungen, als ich die Übungen ausführte, die Suha und Albedo mir beigebracht hatten. Zunächst führte ich sie langsam aus, mit der größtmöglichen Präzision, damit diese mir in Fleisch und Blut überging. Und dann erhöhte ich das Tempo.
Als ich dann fertig war, war auch Chiyo so weit. Sie platzierte sich mir gegenüber und lächelte mich an. "Bist du bereit?", fragte Sie und ich nickte voller Entschlossenheit. Und dann griff sie mich urplötzlich an. Ich konnte nur um Haaresbreite ihren Schlag parieren, doch kaum eine Sekunde später, griff sie schon wieder aus einer anderen Richtung an.
Genau wie Suha war sie unglaublich schnell. Dennoch unterschieden sich ihre Kampfstile wirklich sehr. Suhas Kampfstil war mehr auf Stärke ausgerichtet und auf eine direkte Kampfkonfrontation. Bei Suha ging es darum, denn Gegner möglichst schnell zu entwaffnen oder zu besiegen. Chiyos Kampfstil hingegen baute völlig auf Geschwindigkeit auf. Ihr Stil glich einem Tanz. Alle ihre Bewegungen waren seidig, sauber und fließend und sie wich meinen Angriffen mit Drehungen und schwungvollen, rhythmischen Bewegungen aus. Ihr Ziel schien es zu sein, den Gegner möglichst schnell aus jeder möglichen Perspektive anzugreifen, ihn damit zu verwirren, nur damit sie dann einen endgültigen Schlag ausführen konnte, der ihren Sieg markierte. Genau so hatte sie es gerade bei mir getan. Ich saß keuchend im Gras und sie hielt mir ihre Schwertspitze triumphierend vors Gesicht.
Es war alles unglaublich schnell gegangen und jedes Mal wenn ich versucht hatte, ihr auf einer Seite etwas entgegenzusetzen, griff sie urplötzlich von einer anderen Seite an. Ich konnte nicht anders, als sie zu bewundern. Ihr schlanker Körper schien für diesen tanzenden Kampfstil wie gemacht zu sein. Sie ließ das Kämpfen so leicht aussehen. "Wie machst du das? Wie bist du immer schneller als dein Gegner?", fragte ich die Jüngere und ein glockenhelles Lachen drang aus ihrem Mund. Die Space Buns auf ihrem Kopf wippten leicht. Sie war einfach nur liebenswert.
"Also zuallererst einmal habe ich ein besonders leichtes Schwert. Es ist eine Sonderherstellung und extra für mich gemacht worden", erklärte sie mir und brachte mir ein stolzes Lächeln entgegen. "Hier, halte es mal", sagte sie, nachdem sie mir mit einer Hand aufgeholfen hatte. Sie legte mir ihr Schwert in die Hände und ich schwang es leicht hin und her. Es war wirklich leichter als mein Schwert, allerdings auch kürzer, was bedeutete, dass sie näher an ihre Gegner ran musste. Doch mit ihrem Kampfstil schien das kein Problem zu sein. Jedoch war es nicht nur das Gewicht des Schwertes. Nein, es war auch ganz anders gefertigt und vor allem perfekt ausbalanciert. Ich konnte es mit nur einem Finger an der Klinge halten, ohne dass es aus dem Gleichgewicht geriet.
"Ein wirklich tolles Schwert", fing ich an und gab ihr die Klinge mit dem Griff voran zurück. "Doch man kann ein noch so gutes Schwert haben und trotzdem ein schlechter Kämpfer sein. Die Waffe allein macht einen nicht zu einem würdigen Gegner", fügte ich hinzu und Chiyo nickte.
Heute trug Sie einen lila Cheongsam. So nebenbei fragte ich mich, wie viele Dinger sie davon eigentlich hatte. "Das Geheimnis liegt in meinen Augen", sagte sie und grinste mich an. Ich musste schmunzeln, weil sie es so geheimnisvoll klingen ließ und ich trotzdem nicht verstand, was mir das sagen sollte.
"Ich beobachte meine Gegner genau. Man braucht nicht lange um herauszufinden, wie sie sich verhalten, wenn sie einen gleich angreifen oder ausweichen wollen. Du beispielsweise richtest deine Fußspitzen leicht nach rechts oder links, wenn du aus der jeweiligen Richtung angreifen willst. Sobald du deinen Gegner durchschaut hast, ist es ein leichtes, ihn aus unerwarteten Richtungen anzugreifen. Man muss nur schnell genug sein und den Gegner überraschen. Ich weiß, dass du immer den Überraschungsmoment ausnutzt, weil er dir wertvolle Sekunden und einen technischen Vorteil verschaffen kann. Einen Teil meiner Technik hast du damit schonmal drauf und das wird es dir deutlich leichter machen", erklärte mir Chiyo in einem Wasserfall an Worten und so langsam blickte ich hinter ihre Technik.
Dennoch erschien sie mir äußerst schwierig, denn es war nicht leicht, den Gegner so zu beobachten und auf solche Kleinigkeiten zu achten, wenn man mit ihm kämpfte.
"Wirst du mir deine Technik beibringen?", fragte ich hoffnungsvoll und fühlte mich in diesem Moment ihr deutlich unterlegen, obwohl sie drei Jahre jünger war als ich. Erneut lachte Chiyo ein wunderschönes Lachen und nickte dann hastig. "Natürlich Ayumi. Wir alle sind hier, um dir zu helfen. Dein Name wird unter den Teilnehmern überall geflüstert und wir, deine Freunde, werden dich zur besten Abenteurerin machen. Wir werden dich dem Getuschel gerecht werden lassen", erzählte sie mir grinsend und ein Gefühl durchströmte meine Bahnen, was ich nicht genau benennen konnte. Wieder sagte mir jemand, dass ich anscheinend bekannter war, als ich glaubte. Ich schien einen Namen unter den Teilnehmern zu haben, doch ich verstand nicht wieso. Ich wusste nicht, was an mir anders sein sollte.
"Warum reden sie über mich? Warum bin ich so bekannt unter den andern Teilnehmern?", fragte ich, weil ich es wirklich nicht wusste. Chiyos Lächeln nahm einen liebevollen Zug an. "Weil du mutig bist, Ayumi. Die Prüfungen können ein reines Selbstmordkommando sein, aber du nimmst an ihnen Teil ganz ohne göttliches Auge, ohne jahrelanges Training und ohne überhaupt wirklich kämpfen zu können. Und bisher hast du dich wirklich gut geschlagen. Das fasziniert die Menschen."
Ich sah Chiyo an und blinzelte ein paar Mal. Es war ein so banaler Grund und doch konnte ich es irgendwie verstehen. Ich hatte nie darüber nachgedacht, dass andere Menschen so etwas begeistern könnte, ich hatte eher damit gerechnet, dass sie mich auslachen würden, doch dass genaue Gegenteil war der Fall und irgendwie verlieh es mir eine flügelleichte Freude.
"Doch die Prüfungen werden ab jetzt viel schwerer werden und uns allen liegt etwas daran, dass du überlebst. Wir wollen dich gewinnen sehen, also bringen wir dir alles bei, was nur möglich ist", fügte sie noch hinzu und es bildeten sich kleine Tränen der Freude und Dankbarkeit in meinen Augenwinkeln. Manchmal wünschte ich, ich wäre nicht so sentimental.
"Nun denn, deine wievielte Lektion ist das?", fragte die Jüngere und ich antwortete mit neuer Kraft und einem Lächeln im Gesicht: "Drei."
"Lektion drei, studiere deinen Gegner genau und handle, bevor er es tun kann."
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Nun ist schon wieder Freitag. Was sind eure Pläne fürs Wochenende? Ich fahre mit meiner besten Freundin essen und ansonsten wird gelesen, ein Tanz gelernt und kdrama geguckt ;)
Lest ihr eigentlich auch richtige Bücher? Wenn ja, was ist euer Lieblingsbuch/eure Lieblingsreihe?
Meine ist definitiv "Das Lied der Krähen" und "Das Gold der Krähen" von Leigh Bardugo.
Habt ein tolles Wochenende!
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