Kapitel 3
Der Kerl sah meinen wütenden Blick und sein Lächeln wurde noch ein wenig spöttischer. Er kam auf mich zu.
"Oh oh, hab ich dir etwa dein Ziel weggenommen? Tut mir leid", sagte er und rutschte dabei in eine Tonlage ab, mit der man eindeutig Kinder ansprach. Er verspottete mich und das so offensichtlich, dass ich ihn am liebsten direkt als Idiot betiteln wollte, obwohl ich ihn nicht mal richtig kannte. Ihm tat es eindeutig nicht leid, er hatte das so geplant. Und zwar von vornherein.
"Aber weißt du was?" Der Typ kam auf mich zu und beugte sich zu mir herunter, sodass er mit mir auf Augenhöhe war. Er wollte mich damit einschüchtern und zu meinem Bedauern funktionierte es auch in gewisser Weise. Allerdings hatte ich nicht vor, ihm einfach klein beizugeben. Ich sah ihm trotzig entgegen. "Du darfst die Materialien von denen da gerne mitnehmen. Ich schenke sie dir, damit du nicht ganz mit leeren Händen zurück kommen musst", gab er von sich. Während er sprach, hatte er seine Hand gehoben und eine haselnussbraune Haarsträhne von mir in die Hand genommen, um sie sich um den Finger zu wickeln. Aufgebracht schlug ich seine Hand weg, woraufhin er nur spöttisch grinste. Ich schnaubte erneut und trat einen Schritt zurück. Ich wollte nicht, dass er mir zu nahe kam.
"Danke, aber ich kann mir meine Materialien selber besorgen, ich brauche deine Hilfe nicht", gab ich von mir und bemühte mich um einen neutralen Ton, aber verzog dennoch abgeneigt das Gesicht.
"Tja, nicht meine Schuld, wenn du bei der Prüfung Punkte verlierst, ich hab dir meine Hilfe angeboten", gab er von sich und hob unschuldig die Hände, doch seine Augen blitzten belustigt. Von wegen, Hilfe angeboten. Er hatte mir die Prüfung mit seiner Aktion erschwert und das wusste er auch.
"Hey, Kalin! Hast du die Materialien schon eingesammelt?", ertönte eine Stimme und mein Blick glitt zu den aufragenden Felsen, die in einigen Metern Entfernung rechts von mir standen. Auf den Felsen standen ein weiterer Kerl und ein Mädchen. In einem Sprung hatten sie die Klippen verlassen und landeten gekonnt auf dem Boden. Sie wussten genau, wie sie springen und landen mussten, um sich nicht zu verletzen. Sie hatten definitiv einiges an Erfahrung.
Die Beiden kamen auf uns zu und musterten mich nur mit einem seltsamen Blick, bevor sie sich dem Kerl zuwandten, der anscheinend Kalin hieß.
"Nein, hab ich noch nicht. Ich musste dem Mädchen hier erst helfen", gab er in einem überheblichen Ton von sich und ich wollte gerade verärgert etwas antworten, als von weiter hinten eine weitere Stimme erklang.
"Hör auf sie zu schickanieren!", ertönte eine weibliche Stimme, die ebenfalls auf uns zu kam. Kalin hob seinen Blick und wandte sich dem Mädchen zu. Ich nutzte den kurzen Moment der Ablenkung und entfernte mich von der Gruppe.
Ich zog mich in den Schutz der Bäume zurück und tauchte in einige Büsche unter. Ich bewegte mich geduckt weiter, damit Kalin mich nicht unmittelbar sehen konnte und vielleicht auf die Idee kam, mir zu folgen, um mich noch weiter auf die Palme zu bringen. Es war wirklich erbärmlich, was ich hier tat. Ich zog den Kopf wegen irgendeinem blöden Kerl ein, der sich für besser als alle anderen hielt. Ich sollte drüber stehen und einfach normal weiter machen. Doch Kalin nervte mich jetzt schon auf eine Weise, die ich am liebsten vermeiden wollte. Also vermied ich ihn.
Als ich mir sicher war, dass ich außerhalb seines Blickfeldes war, richtete ich mich wieder auf und streifte weiter vorsichtig durch den Schutz der Bäume. Ich bewegte mich auf den linken Rand der Felsen zu und dann entdeckte ich plötzlich in ein paar Metern Entfernung zwei Hilichurls.
Sie lagen schlafend unter einem der Bäume, die den Rand des Waldes markierten. Das war meine Chance. Ich war zwar keine Meisterin im Kämpfen, dafür war ich in anderen Bereichen stärker. Ich verstand es, mich leise fortzubewegen und, wenn nötig, auch so gut wie ungesehen.
Ich ging leicht in die Hocke und bewegte mich leise und vorsichtig von Baum zu Baum. Ich entdeckte unmittelbar vor den Hilichurls einen Streifen Moos, der wie gerufen kam. Ich verlagerte mein Gewicht auf meine Oberschenkel, um möglichst keine Geräusche zu erzeugen.
Dann zog ich langsam mein Schwert und umfasste es mit beiden Händen. Sobald das getan war, betrat ich den Streifen mit Moos und wählte jeden Schritt mit Bedacht. Als ich mich unmittelbar vor den Hilichurls befand, blieb ich stehen und richtete meinen Blick auf die zwei Kreaturen vor mir.
Mein Herz zog sich leicht zusammen, bei dem Gedanken, sie gleich zu töten. Ich schloss meine Augen und atmete durch. Eine innere Ruhe breitete sich von meinem Herz aus, erfasste meine Adern, durchdrang meinen gesamten Körper, beherrschte mich. Als ich meine Augen wieder öffnete, war ich ganz ruhig und meine Finger zitterten nicht einmal.
Leise und langsam führte ich das Schwert in die Kehle des ersten Hilichurls. Es gab kaum einen Laut, außer ein leises Schnittgeräusch. Aus dem Hals des Hilichurls strömte augenblicklich Blut und ich war mir sicher, dass er sofort tot war. Bei dem zweiten Hilichurl ging ich genauso vor. Ein schlechtes Gewissen ergriff mich, als ich das Schwert aus seiner Kehle zog und noch im selben Moment Blut zu Boden lief.
Ich mochte es nicht sonderlich, Kreaturen zu töten, aber es war nun mal gefordert. Wenigstens hatten sie geschlafen und mussten dadurch keinen Schmerz spüren. Das warme Blut, was aus den Kehlen drang, färbte das Fell ihrer leblosen Körper, und den grünen Waldboden unter ihnen, rot.
Ich kniete mich hin und achtete darauf, mich nicht in die Blutlache zu knien. Ich zog dem ersten Hilichurl die Maske ab und darunter erschien ein kleines Gesicht, was ich geflissentlich ignorierte. Ich betrachtete die Maske in meinen Händen. Es war eine unheilvolle Maske. Selten, aber ein absoluter Glücksgriff für mich. Ich konnte mir ein kleines Lächeln nicht verkneifen.
Der zweite Hilichurl trug eine zerbrochene Maske. Beide verstaute ich sicher in der kleinen Stofftasche, die ich mitgenommen hatte. Dann begann ich damit, die Hilichurls zu durchsuchen, um herauszufinden, was sie noch am Körper trugen.
Ich war gerade dabei, ein schweres Horn von dem Hilichurl zu entfernen, als eine Stimme hinter mir ertönte. Ich drehte mich herum und entdeckte ein Mädchen. Sie konnte nicht viel älter als ich sein. Sie war leicht außer Atem, wahrscheinlich weil sie gerannt war, aus welchem Grund auch immer.
"Wie ich sehe, hast du doch noch Hilichurls gefunden", gab sie von sich und ich bedachte sie nur mit einem nachdenklichen Blick, doch antwortete ihr nicht. Ich realisierte, dass sie das Mädchen von vorhin war, was Kalin gesagt hatte, dass er mich in Ruhe lassen sollte. Ich betrachtete sie genauer. Sie hatte leicht oranges Haar, was zu einem dicken Zopf geflochten war. In den Zopf war irgendeine Art Band eingebunden. Sie trug leichte Kleidung in Form einer Art weißem Kleid. Es hatte weite Ärmel und darunter baumelte Samt hervor, der ebenfalls ein zartes Orange aufwies, genauso wie der breite Samtgürtel, der ihre Taille zierte und ihre Figur betonte. Das Kleid hatte ab dem obersten Teil ihrer Oberschenkel rechts und links einen Schlitz, wodurch sie ihre Beine ohne Probleme bewegen konnte.
Als sie merkte, dass ich nicht antworten würde, seufzte sie und betrachtete mich mit ihren tiefbraunen Augen.
"Hör zu, Kalin ist eigentlich kein schlechter Mensch. Er bildet sich nur zu viel auf seine Fähigkeiten und sein Aussehen ein und er muss in allem immer der Beste sein. Aber wenn es hart auf hart kommt, kann man sich auf ihn verlassen", gab sie von sich und ihre Stimme klang ungewöhnlich geschmeidig, fast wie Honig.
"Mag sein, dass er vielleicht kein schlechter Mensch ist, aber er hat mir meine Ziele weggenommen. Er hat mir die Prüfungen erschwert und mich verspottet. Sowas ist nicht in Ordnung. Warum tut er das?" Ich sah die Frau ernst an.
"Du warst nicht die Einzige, bei der er das gemacht hat. Er will Konkurrenz ausschalten und hat jede Hilichurl Camps überfallen, die er finden konnte und sie ausgebeutet", erklärte sie und ich schnaubte nur genervt.
"Das ist trotzdem keine Entschuldigung", gab ich von mir und die Frau neben mir nickte nur.
"Ich weiss. Es tut mir leid", sagte sie versöhnlich und ich sah ihr in die Augen.
"Nicht du solltest dich entschuldigen, sondern er", entgegnete ich nur und zog von dem zweiten Hilichurl eine Fluchschriftrolle hervor. Ziemlich gute Beute.
Ich verstaute die Sachen sicher in meiner Tasche und erhob mich. Ich sah die Frau nur noch einmal kurz an und wandte mich dann ab.
Es wurde Zeit, die Materialien nach Mondstadt City zurückzubringen.
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Weil heute Ostern ist, gibt es heute direkt noch ein Kapitel ^^
Ich hoffe ihr freut euch und verbringt den Tag heute mit eurer Familie oder euren Freunden.
Ich freue mich so, an dieser Geschichte zu schreiben, denn ich liebe die Charaktere jetzt schon. Ja, Kalin ist ein kleiner Drecksack, aber ich mag ihn dennoch >//<
Habt einen tollen restlichen Tag!
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