Kapitel 28

Die letzte Drachengrat Aufgabe war gar nicht so leicht, wie ich gehofft hatte. Trotz dessen, dass ich erneut in dicke Klamotten eingehüllt war, hatte die Kälte sich schnell einen Weg durch die Schichten aus Stoff gesucht und mich dann mit ihren eisigen Klauen in ihre Gewalt gebracht. Langsam hatte sie sich ihren Pfad über meinen Körper gesucht und eine Stelle nach der anderen immer mehr ausgekühlt. Meine Zehen waren bereits so erfroren, dass ich sie schon gar nicht mehr spürte. Hinzu kam, dass das Wetter heute nicht so gnädig mit mir war. 

Als ich am Morgen losgegangen war, hatte es nur sanft winzige Flocken geschneit, die tanzend vom Himmel gefallen waren. Man hatte noch freie Sich gehabt. Von Albedos Höhle aus, von der aus ich gestartet war, musste ich nur ein wenig dem Weg nach Südwest folgen und stieß dann nach einiger Zeit am Wegrand auf tiefroten Quarz. Das Gestein war in dem weißen Schnee nicht schwer auszumachen und mit einem kleinen Lächeln machte ich  mich daran, den roten Stein mit meinem Schwert zu bearbeiten. Es wäre deutlich schneller gegangen, wenn ich ein Großschwert gehabt hätte, doch mit meinem normalen Schwert dauerte es eine ganze Weile, bis ich das rote Gestein endlich in der Hand hatte. Es weckte Erinnerungen an meinen Sturz von der Bergspitze, weil der tiefrote Quarz eine große Ähnlichkeit mit dem Blutroten Achat hatte. Mit einem Kopfschütteln hatte ich die Erinnerungen jedoch schnell wieder verdrängt. 

Unweit von der Stelle, an der ich das tiefrote Quarz geborgen hatte, fand ich innerhalb kürzester Zeit ein Schneeschwein. Auch dieser Teil war nicht allzu schwer zu erledigen. Ich trieb das Schwein mit gekonnten Bewegungen in eine Nische und es erforderte ein wenig Geduld und Intelligenz, um das Schwein zu erwischen, aber da meine Stärke eher in Anschleichen und Überraschungsangriffen lag, war das für mich keine besonders große Herausforderung. Ich hatte das Schwein schnell erlegt und aufgeschnitten, als der Körper des toten Tieres noch warm war. Während ich das Blut ablaufen ließ und mir darauffolgend ein Stück  Fleisch abschnitt, musste ich die ganze Zeit die Übelkeit verdrängen, die während dieser Aktion in mir aufstieg. 

Nachdem ich meinen Anteil des Fleisches hatte, überlegte ich, was ich mit dem Schneeschwein anfangen sollte. Weil es zu Schade war, um es einfach liegen zu lassen. Kurzerhand entschloss ich mich dazu, es in das Camp zu bringen, was sich am Rande des Drachengrat befand, wo die Kälte bereits nicht mehr so allgegenwärtig war. Abgesehen davon, dass das Schwein recht schwer war und ich dadurch langsamer voran kam, war auch dies keine Aufgabe, die besonders schwer war. Schwierig wurde es, kurz nachdem ich das Schwein abgeladen hatte und mich auf den Weg zurück zum Drachengrat begab. 

Schon während ich die eisige Region erneut betrat, bemerkte ich, dass der Schneefall stärker geworden war. ich zog meinen Mantel enger um mich und vergrub meine Nase in meinem Schal. Ich folgte dem kleinen Weg so lange es ging, doch innerhalb kürzester Zeit hatte sich der Schneefall regelrecht zu einem Schneesturm entwickelt. Der Wind pfiff um meine Ohren, ließ mein Gesicht einfrieren und in meinen Haaren verfingen sich viele kleine Schneekristalle. Doch das Schlimmste war, dass ich keine zwei Meter weit schauen konnte. Der Schneesturm nahm mir jegliche Sicht und auch Geräusche wurden durch den lauten stechenden Wind komplett verschluckt. 

Ehe ich mich versah war der Weg, genauso wie alles andere, komplett zugeschneit und alles was ich vor mir sah, war weißer Schnee. Eine unkontrollierte Angst stieg in meinem Inneren auf, die sich schleichend langsam in mir ausbreitete. Doch wenn sie einen einmal im Griff hatte, dann kontrollierte sie einen. Während ich durch den Schnee irrte, verlor ich immer mehr die Orientierung. Ich konnte so gut wie nichts vor mir erkennen und das was ich sah, sah alles gleich aus. Wenn jetzt irgendwo ein Monster in der Nähe war,  würde ich es nicht mitbekommen, es konnte mich einfach überrennen. Wie automatisch griff ich mit meiner Hand an meinen Rücken, dahin, wo immer mein Schwert befestigt war und ertastete das Metall, dass sich eisig kalt an meinen Fingerspitzen anfühlte, trotz der Handschuhe die ich trug. Dennoch verlieh es mir ein wenig Sicherheit und drängte die Angst, die ich in jeder Faser meines Körpers spürte, ein Stück weit zurück. 

Tapfer stapfte ich weiter durch den Schnee, der immer mehr an Tiefe gewann, auch wenn ich keine Ahnung hatte, wo ich mich befand. Ich versuchte des Öfteren, mich an einer der Felswände entlang zu tasten, da sie mir Halt gaben und Sternensilbererz meist in der Nähe von Felswänden zu finden war. Doch das ein oder andere Mal stieß ich auf einen Abgrund, den ich meistens erst so kurz vor knapp erkannte, dass ich es gerade so schaffte, wieder umzukehren. 

Ich lief und lief und wurde doch nicht fündig und wusste nicht, wo ich mich befand. Selbst Keiths Karte konnte mir jetzt nicht weiterhelfen. Es war zum Verzweifeln. Gerade als ich stehen blieb und versuchte mich irgendwie zu orientieren, erklang eine Stimme. "Ayumi!", hörte ich es leise, doch konnte über den Wind hinweg nicht ausmachen, woher die Stimme kam. Ich drehte mich um meine eigene Achse, doch sah in dem Schneesturm nichts. Erneut rief jemand mein Namen und erneut versuchte ich verzweifelt herauszufinden, woher die Stimme kam. Gerade als ich wahllos eine Richtung auf gut Glück anschlagen wollte, ergriff mich jemand am Handgelenk und ich drehte mich erschrocken um. 

Mein Blick traf auf tiefrosa Augen, die sich in einem ovalen Gesicht befanden und welches von rosanen welligen Haaren umrahmt wurde, in denen sich mindestens genauso viele Schneekristalle befanden, wie in meinen. Ich erkannte sie sofort. Es war Keira, mit der ich zusammen beim Weingut Morgenröte Unkraut gezupft hatte. 

"Du hast mich immer noch nicht Kalin vorgestellt", war das Erste, was sie in anklagenden Ton über den Wind hinweg zu mir sagte und ich konnte nicht verhindern, dass eine amüsiertes Glucksen in mir aufkam, was meine Angst verdrängte. "Tut mir leid", rief ich ihr zu und ich sah, wie sie eine Augenbraue hob. Es war so absurd ausgerechnet sie in dem Schneegestöber zu finden. 

Sie sah mich noch kurz mit zusammengekniffenen Augen an und dann zog sie mich mit einem Mal am Handgelenk hinter sich her. "Was brauchst du noch?", rief sie mir zu und ich antwortete mit: "Steinsilbererz."

Ich meinte ein kleines Nicken von ihr zu erkennen und dann verstärkte sie ihren Griff und beschleunigte ihren Schritt. Sie schien genau zu wissen, in welche Richtung sie gehen musste, denn ihre Schritte waren fest und zielsicher. Der Schneesturm schien ihr gar nichts auszumachen. Ich kam nicht umhin, doch ein wenig Respekt für sie zu empfinden, sie schien hier tatsächlich Ahnung zu haben und vielleicht war sie eine besser Kriegerin, als ich ursprünglich von ihr gedacht hatte. Während ich unbeholfen im Schnee hinter ihr her stolperte, fiel mir erstmal das riesige Großschwert auf, dass sie auf ihrem Rücken trug. Ich wusste wie schwer Waffen dieser Art waren und dass sie trotz diesem zusätzlichen Gewicht so stabil durch den Schnee laufen konnte, machte sie für mich irgendwie interessant und bewundernswert. 

Nach einer Weile blieben wir stehen, während noch immer der Schneesturm um uns wütete. Am Rand einer Felswand erkannte ich, dass sie mich direkt zu einer Stelle mit Steinsilbererz geführt hatte. Augenblicklich zog ich mein Schwert von meinem Rücken und wollte gerade damit anfangen, das Steinsilbererz zu bearbeiten, als Keira mich mit einer Hand, die in weißen flauschigen Handschuhen steckten, zurückhielt. Sie sah mich erneut mit einer hochgezogenen Augenbraue an und sagte nur: "Da bist du ja ewig beschäftigt. Lass mich das machen."

Und damit zog sie ihr riesiges Schwert von ihrem Rücken, welches sie so vertraut und ruhig in der Hand hielt, als wäre es ein Teil von ihr. Sie schwang die scharfe Waffe zweimal über den harten Stein und diese beiden Hiebe genügten, dass das Steinsilbererz sich gelöst hatte und ich es vom Boden aufheben konnte. Vorsichtig steckte ich es in meine Tasche, neben das in Stoff eingewickelte Fleisch und den tiefroten Quarz.

"Danke", sagte ich aufrichtig und sah Keira an, die nur schnaubte, mit der Hand abwinkte und sagte: "Das war doch gar nichts." Ich konnte nicht anders, als ein wenig über ihre Art zu schmunzeln. "Und jetzt lass uns hier verschwinden, bevor mir alles abfriert und meine Haare von dem Frost einen Schaden davon tragen", sagte sie und ich musste leise lachen, weil es so absurd war, dass sie während eines Schneesturms nur an ihre Haare denken konnte. So richtig konnte ich ihre Gedanken nicht nachvollziehen, doch ich war ihr dankbar, dass sie mir geholfen hatte.

Erneut stapfte die Gleichaltrige durch den, mittlerweile recht tiefen, Schnee los und ich beeilte mich, ihr zu folgen, denn nach wie vor hatte ich keine Ahnung, wo wir uns befanden, da ich noch immer nichts vor mir erkennen konnte außer Schnee. Doch Keira wusste genau wo sie lang musste, wahrscheinlich hatte sie sehr viel Zeit im Drachengrat verbracht. 

"Wenn wir wieder in Mondstadt City sind, will ich, dass du mir Kalin endlich vorstellst", hörte ich sie von vorne fordernd rufen und mit einem Schmunzeln rief ich zurück: "Ich schätze, das schulde ich dir jetzt." 

Was ich zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht wusste war, dass ich auf dem Rückweg sowohl das Steinsilbererz, als auch den tiefroten Quarz im Schneesturm verlor.

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Ich hab meine OP gut überstanden, allerdings sehe ich jetzt aus wie ein Hamster, kann meinen Mund kaum öffnen und Appetit habe ich auch keinen.
Mal gucken, wie es die Tage noch so wird.

Habt ein tolles Wochenende :D

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