Kapitel 27

An dem darauffolgenden Morgen besuchte mich die stellvertretende Großmeisterin Jean nachdem Albedo verschwunden war, um an der Prüfung teilzunehmen. Ich hatte mich also allein in der überschaubaren Höhle befunden, als sie durch den Eingang hereinspaziert war und mich regelrecht mit ihrer starken Ausstrahlung überrollt hatte. Dass sie so eine Wirkung auf mich hatte, konnte natürlich auch daran liegen, dass ich enormen Respekt vor der Blonden hatte.

Während Sie ihre weichen Hände auf meine Haut legte, um die Stellen zu heilen, die verletzt waren oder schmerzten, erzählte sie mir das ein oder andere. Ganz beiläufig teilte sie mir mit, dass ich während den Prüfungen bereits vielen Leuten in die Augen gefallen war, weil ich es schaffte, mich ohne ein göttliches Auge zu behaupten. Ich wollte bezüglich dessen so gern noch etwas mehr erfahren, doch sie blieb vage und lenkte das Gespräch in eine andere Richtung. 

Also hörte ich ihr stumm zu, beobachtete sie bei ihren Tätigkeiten und spürte, wie langsam die Kraft in meinen Körper zurück kam. Die Heilfähigkeiten dieser Frau waren schlichtweg umwerfend. Nachdem sie fertig war, ordnete sie mir an, dass ich mich den Tag noch schonen sollte und genau das tat ich, nachdem sie gegangen war. Ich bewegte mich kaum vom Fleck und tankte Energie für den kommenden Tag. 

Gegen Spätnachmittag kam Suha vorbei, die in einen dicken Mantel gehüllt war. Sie trug ein Lächeln auf den Lippen und ich freute mich mindestens genau so sehr, sie zu sehen. 

"Ich bin so froh, dass es dir gut geht", kam es über die Lippen der Älteren und ich erkannte eine gewisse Sorge in ihren Augen. Nachdem ich aufgestanden war, umarmte sie mich ohne großes Zögern und das warf mich für einen Moment aus der Bahn.  Ich hatte das absolut nicht erwartet und wusste für einen Moment nicht, was ich tun sollte, bevor ich sie schließlich mindestens genauso fest umarmte. Als wir uns wieder von einander lösten, war ihr Lächeln noch strahlender als zuvor. 

"Morgen ist die letzte Drachengrat Aufgabe, vorerst zumindest", gab sie bekannt und setzte sich auf den Hocker, auf dem noch die Nacht zuvor Albedo gesessen hatte. Bei dem Gedanken an den blonden Krieger, stieg eine sanfte Wärme in mir auf, doch ich verdrängte ihn aus meinem Gedanken und widmete mich Suha. 

"Worin besteht die Aufgabe?", fragte ich die Ältere und sie schmunzelte leicht. Ich wusste, dass sie in meinen Augen die Euphorie sehen konnte, die sich bis zu meinen Zehenspitzen in meinem Körper ausbreitete. "Wir müssen verschiedene Sachen sammeln. Es sind drei Dinge. Jeder muss das Fleisch eines Schneeschweins mitbringen, ebenso wie Sternsilbererz und tiefroten Quarz", erklärte sie mir und ich nickte verstehen. "Sie testen also, ob wir zum einen selber Jagen können und zum anderen, ob wir im Stande sind, selbst Materialien zu sammeln, die wir brauchen, damit wir unsere Waffen verbessern können. Sie testen unsere Kompetenzen", überlegte ich laut und malte mir im Kopf bereits aus, wo ich die verschiedenen Dinge finden konnte. 

"Nicht nur das", setzte Suha fort. "Sie testen aus, ob wir selbst unter so extremen Bedingungen wie hier im Drachengrat dazu fähig sind", fügte sie hinzu und ich nickte. Ja das war durchaus nicht einfach. Sternsilbererz, welches für manche Waffen essenziell war, fand man nur hier im Drachengrat und wenn die Abenteurer ihre Waffe aufwerten lassen wollten, mussten sie sich die Materialien dazu meist selbst besorgen. So etwas konnte sehr schwierig sein, wenn man nicht wusste, wo man suchen sollte oder wenn man sich hier nicht auskannte.

Als ich bemerkte, dass die Orangehaarige in ihrer Tasche kramte, richtete ich meinen Blick wieder auf sie. Sie zog ein zusammengerolltes Pergament hervor und als ich es entgegennahm und ausrollte, erkannte ich, dass es eine Karte vom Drachengrat war. Und entgegen all meiner Erwartungen war auf der Karte eingezeichnet, wo sich Sternensilbererz befand. "Mit besten Genesungswünschen von Keith", kam es über die Lippen von Suha, was mir ein leichtes Lachen entlockte. Dieser Junge wusste genau was er tat und anscheinend lag ihm nach wie vor einiges daran, dass ich die Prüfungen bestehen würde. Und weil seine Stärke nun mal in der Strategie bestand, war das sein Weg mir zu helfen. Und tatsächlich freute ich mich so sehr über das kleine Geschenk, dass eine warme, flüssige Glückseligkeit in mir aufstieg. 

Suhas Lippen waren ebenfalls zu einem Lächeln verzogen und einmal mehr wurde mir bewusst, wie wunderschön die Kriegerin war. "Dankeschön", sagte ich einfach nur und legte so viel Wärme in meine Stimme wie nur möglich und Suha neigte leicht ihren Kopf als Bestätigung. 

Anschließend plauderten wir noch ein wenig über die neusten Ereignisse und es stellte sich heraus, dass während der ersten Drachengrat Aufgabe, ein paar der Teilnehmer ums Leben gekommen waren. Vier um genau zu sein und ich kam nicht umhin zu denken, dass ich beinahe die fünfte gewesen wäre. Noch immer grenzte es an eine Art Wunder, dass ausgerechnet ich verschont geblieben war. Gegen Abend verabschiedete sich Suha dann von mir, weil sie sich auf die morgige Prüfung vorbereiten wollte und ich hatte vor, es ihr gleich zu tun. 

Gerade als ich zu dem Fass, welches gefüllt war mit Wasser, gehen wollte, erschien Albedo in der Höhle. Er trug einen Bündel Klamotten in der Hand und wie sich nach nur kurzer Zeit herausstellte, waren es meine Klamotten. 

Vor Überraschung sah ich ihn überrumpelt an. "Du brauchtest für die Prüfung morgen neue Klamotten, du kannst ja schlecht die blutgetränkten anziehen. Also dachte ich mir, ich hole dir welche von deinen anderen Sachen", erklärte er mit einem Schulterzucken und seine Miene war vollkommen ernst. In mir keimte die Frage auf, woher er wusste, welches Zimmer ich in welcher Pension hatte, aber ich fragte gar nicht erst nach, denn so wie ich ihn einschätzte, hatte er sicherlich irgendwelche Kontakte die ihm das verraten hatten.

Ich nahm die Kleidung dankend entgegen und gerade, als ich mich wieder meinem kleinen Zelt zuwenden wollte, hielt Albedo mich sanft am Handgelenk zurück. Ich wandte mich wieder zu ihm um und es wäre mir ein leichtes gewesen, mich aus seinem Griff zu lösen, doch ich tat es nicht. Vielleicht war es die Sorge in seinen eisblauen Augen, die mich so intensiv anschauten, dass sich mir eine wohlige Gänsehaut auf den Armen bildete, oder es waren die winzigen Schmetterlinge in meinem Bauch, die erneut träge und langsam anfingen zu flatterten. Es war ein seichtes Gefühl, doch sobald es einmal da war, spürte ich es unumgänglich. 

"Geht es dir wirklich schon wieder gut?", fragte er leise und ich hörte die Sorge aus seiner Stimme heraus, die sich ebenso in seinen Augen widerspiegelte. Ein seichtes Lächeln zupfte an meinen Mundwinkeln und ich nickte langsam. "Ich fühle mich im Stande, die Prüfungen fortzusetzen", gab ich wahrheitsgemäß von mir und der Gleichaltrige stieß kaum merklich die Luft aus seinen Lungen, die er vermutlich angehalten hatte. 

"Ayumi?", setzte er erneut leise an und ließ langsam mein Handgelenk los. Es war eine sanfte Empfindung und ich spürte sie noch Sekunden nachdem er mich bereits losgelassen hatte. "Ja?", fragte ich genau so leise zurück und Albedo sah mich erst ein wenig an und schwieg. Er studierte mein Gesicht, wanderte mit seinen Augen über jeden Zentimeter und erneut trat dieser Ausdruck in seine Augen, als wäre ich ein unglaublich kompliziertes Puzzle, was er noch immer nicht gelöst hatte. Erst danach brach er das Schweigen. 

"Sagst du mir, wenn es dir nicht gut geht?", fragte er vorsichtig und es war das erste Mal, dass ich ihn ein wenig unsicher sah. Er schien sonst nie unsicher zu sein, weil ihm die Meinung anderer Menschen nicht so wichtig zu sein schien, doch jetzt in diesem Moment war das anders. 

Erneut nickte ich langsam. "Das werde ich", bestätigte ich und Albedo sah mich erneut unablässig an. Seine rechte Hand zuckte kurz und bewegte sich leicht, so als wollte er seine Hand nach mir ausstrecken, doch er erstickte die Bewegung noch im Keim und sah mich einfach nur weiter an. Wieder stand sorge in seinem Blick. Und ohne ein Wort zu sagen, verrieten mir seine eisblauen Augen das stumme versprechen, dass er immer in irgendeiner Weise auf mich Acht geben würde.

____________________

Ein kleines Filler Kapitel ^^ aber keine Angst, es geht bald ereignisreich weiter :D

Ich habe morgen meine Weisheitszahn OP und muss gestehen, so langsam bin ich doch ein wenig aufgeregt. Mal gucken, wie das alles wird.

Ansonsten wünsche ich euch noch einen schönen Abend und bis (hoffentlich) Freitag! :)

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top