Kapitel 24

Vorsichtig platzierte ich meine behandschuhten Hände auf dem kaltem, rauem Stein und suchte kleine Nischen oder Hervorhebungen, auf die ich meine Füße stellen konnte und dann zog ich mich langsam nach oben. Die ersten Meter zu klettern fiel mir erstaunlich leicht, doch schnell spürte ich die Anstrengung, die ich aufbringen musste, um mich an dem grauen Gestein festzuhalten. 

An manchen Abschnitten des Felsens war es schwierig, etwas zu finden, an dem ich mich festhalten konnte. Wenn das passierte, musste ich ein Stück weiter nach rechts oder nach links klettern um meinen guten Halt beizubehalten. Dennoch waren das alles Dinge, die gut machbar waren und nicht an Unmöglichkeit grenzen. Eine innere Freude erfasste mich, die sich langsam von meinem Herzen aus, über meine gesamten Blutbahnen, durch meinen ganzen Körper zog und mich von innen heraus wärmte. Es war diese Art Wärme, die einen wohlig fühlen ließ, weil auch der Geist erwärmt war. Die Wärme gab mir Kraft und sorgte dafür, dass ich mich mit aller Stärke an der Felswand hinaufziehen konnte. 

Doch dieser positive Gemütszustand war nicht von langer Dauer, denn nur wenige Zeit später und einige Meter höher, wurde er von den eisigen Winden einfach fortgeweht, die an Kälte gewonnen hatten. Noch immer schneite es nicht besonders dolle, worüber ich sehr dankbar war, denn so hatte ich nach wie vor freie Sicht und diese war essenziell, damit ich meine Schritte mit Bedacht wählen konnte. Doch der Wind wurde kälter mit jeder Minute und gewann an Stärke, je höher ich kletterte. Es dauerte nicht lang, bis er mir laut um die Ohren pfiff und jegliche anderen Geräusche einfach verschluckt wurden. Er schnitt mir in Haut und Haar und drang durch meine Kleidung. 

Es passierte schleichend, doch ich fühlte, wie die Wärme aus meinen Händen wich und meine Ohren und meine Nasenspitze anfingen rot zu werden. Es fühlte sich an, als wären sie dabei einzufrieren. Ich atmete tief ein und die frostige Luft zerstach meine Lungen. Gleichzeitig gab es mir das Gefühl, wirklich am Leben zu sein und dadurch wusste ich, ich konnte es schaffen. Mit dem neu gewonnenen Mut legte ich mehr Stärke in meine Züge, um schneller voranzukommen. 

Ich musste unbedingt den Felsvorsprung finden, von dem Keith gesprochen hatte. Ich brauchte dringend ein Feuer zum aufwärmen, wenn ich es bis zur Bergspitze schaffen wollte. 

Also kletterte ich weiter und weiter und allmählich wurde auch der Himmel heller und markierte so den Anbruch des neuen Tages. Das gewonnene Tageslicht half mir, weiter zu sehen und bereits kurz darauf entdeckte ich den Felsvorsprung. Er prangte links über mir, in einigen Metern Entfernung. Ich legte noch einmal an Tempo zu, aber wählte meine Züge dennoch mit Bedacht. 

Schneller als ich dachte, erreichte ich den hervorstehenden Felsen und ließ mich dankbar auf den beschneiten Stein fallen. Ich sah kurz in den Himmel und atmete ein paar Mal tief ein und aus, bevor ich mich wieder erhob, um mich hinzuhocken, da ich nicht wollte, dass meine Klamotten nass wurden. Nach dem ich einen kurzen Blick auf den überschaubaren Felsvorsprung gelegt hatte, hatte ich bereits die kleine Feuerstelle gefunden, die sich nahe an der Felswand befand und halb in einer kleinen Nische verborgen war. Das Feuerholz, welches sich dort auf dem Haufen stapelte, war erstaunlicherweise zum Großteil trocken. 

Ich vermutete, dass es ein paar Menschen, ja vielleicht sogar Abenteurer gab, die sich im Drachengrat auskannten und hier und dort für sichere Stellen sorgten, damit die Menschen, denen der Drachengrat fremd war, einen sicheren Weg hatten. So wurde die Chance, in der kalten Region zu überleben, deutlich gesteigert. Dennoch war der Drachengrat eine der gefährlichsten Regionen, was zum Großteil dem Klima zuzuschreiben war. Ich wollte mir nicht ausmalen, wie viele hier schon gestorben waren, einfach weil sie sich verlaufen hatten und dann erfroren sind. Im Drachengrat war es keine Kunst, die Wege aus den Augen zu verlieren, besonders wenn man in einen Schneesturm geriet. 

Da ich nicht vor hatte, in nächster Zeit zu erfrieren, öffnete ich schnell meine Tasche, um nach dem Streichholz und dem Stück trockener Rinde zu suchen, die ich eingepackt hatte. Als ich die beiden Materialien erleichtert gefunden hatte, machte ich mich daran, das Feuer zu entzünden. Es war nicht ganz leicht, da der Wind so stark war und mir zwei Streichhölzer einfach auspustete. Beim dritten Streichholz schaffte ich es, den Wind mit meinem Körper und der kleinen Nische abzuschirmen. Sobald das kleine Hölzchen Feuer gefangen hatte, entzündete ich die trockene Rinde und platzierte sie so, dass das Totholz ebenfalls Feuer fangen konnte.

Sobald die orangen Flammen über das Holz züngelten, befreite ich meine Hände mit langsamen Bewegungen aus den Handschuhen. Meine Finger fühlten sich bereits erfroren und taub an. Dankbar hielt ich sie nahe ans Feuer und wärmte mir so meine kalten Glieder. Als meine Finger ein wenig von der Wärme angenommen hatten, suchte ich in meiner Tasche nach den Streifen Trockenfleisch, welche ich eingepackt hatte. Trockenfleisch ließ sich gut transportieren. Es nahm nicht viel Platz weg und konnte nicht zerquetscht werden. Und gammeln konnte es auch nicht so schnell. Allerdings schmeckte es furchtbar. 

Trotzdem zwang ich mich, die Streifen zu essen, denn ich würde noch eine Weile klettern, hatte kein Frühstück gehabt und brauchte Energie. Also würgte ich es herunter und wusste, dass mein Körper das Essen brauchen konnte. Daraufhin blieb ich noch ein klein wenig länger am Feuer, wärmte meinen Körper und gab ihm neue Kraft. Doch das wenige Feuerholz war nur für ein kleines Feuer gedacht und gab nicht allzu viel Brennzeit her. Als die Wärmequelle begann abzuschwächen, erhob ich mich und kontrollierte, ob ich noch alles bei mir hatte. 

Normalerweise löschte ich ein Feuer immer wenn ich es verließ, doch hier ließ ich es einfach brennen. Der Wind und der Schnee würden das Feuer sowieso in Kürze verschlingen und es gab auf dem Felsvorsprung nichts, was Feuer fangen würde. 

Also wandte ich mich wieder meiner Felswand zu und begann erneut damit, bedacht meine Hände und Füße zu platzieren und mich an dem steinigen Berg hochzuziehen. Je weiter und höher ich kam, desto schwieriger wurde es. Es war wie auf dem ersten Teil meines Weges, nur doppelt so schlimm. Der Wind war kälter und der Felsen fühlte sich selbst mit Handschuhen deutlich rauer an. Diesmal kühlte ich auch deutlich schneller aus, als zuvor. 

Die Luft wurde zunehmend dünner und im Zusammenspiel mit der schneidenden Kälte erschwerte mir das das Atmen immer mehr. Meine Atemzüge wurden kürzer und ich hatte das Gefühl, dass immer weniger Sauerstoff in meine Lungen drang. Ich hatte deutlich zu kämpfen, doch ich hatte nicht vor, mich davon unterkriegen zu lassen. Ich wollte diesen roten Kristall unbedingt mitbringen. Nicht der extra Punkte wegen, sondern um mir selbst zu beweisen, dass ich durchaus dazu in der Lage war, ein so seltenes Gestein zu ergattern, selbst wenn es noch so schwierig war, daran zu kommen. 

Mit diesem Ziel vor den Augen ignorierte ich meine schmerzenden Hände, meine brennenden Lungen und meine erfrorenen Füße, bis ich mich schließlich mit einem letzten Kraftakt auf den höchsten Punkt des Berges zog und mit einem unkontrollierten, freudigen Laut, der meine Lippen verließ, im Schnee landete. Doch ich wollte nicht liegen bleiben und rappelte mich sofort wieder auf. Und als ich aufrecht stand, erblickte ich ihn.

Den blutroten Achat. 

Er schwebte in zwei Metern von mir in der Luft, direkt auf Höhe meiner Brust. 

Wie hypnotisiert von dem blutroten Gestein, welches wie ein Fremdkörper in der grauen Umgebung wirkte, bewegte ich mich darauf  zu und hob meine Hand um den Kristall aus der Luft zu pflücken. Er passte perfekt in die Form einer Hand und man konnte ihn gut umfassen. Das glatte Gestein fühlte sich so wertvoll an, dass ein unkontrolliertes Lachen meinen Körper durchschüttelte. Ich konnte es nicht fassen. Ich hatte es geschafft.

Ich wollte den Achat gerade in eine meiner Taschen stecken, als ich eine Stimme vernahm. "Gib mir den Kristall", erklang es gedämpft hinter mir. Ich drehte mich um und das Erste was ich sah, waren Kristallblaue Augen. Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte ich, es wäre Albedo, doch der Mann war viel größer als der blonde Krieger. Ich konnte nicht erkennen, wer es war. Er war ganz in schwarz gehüllt, auch sein Gesicht, vermutlich um sich vor der Kälte zu schützen. Alles was von ihm zu sehen war, waren seine stechenden Augen. 

Langsam schüttelte ich den Kopf. "Ich hatte den Achat zuerst und ich werde ihn dir nicht einfach so geben", versuchte ich sachlich zu erklären und die Augen meines gegenüber verengten sich zu zornigen Schlitzen. 

"Gib ihn mir", verlangte er erneut und zog langsam einen Dolch aus seiner Kleidung und richtete ihn auf mich. "Nein", hielt ich trotzig dagegen. Ich würde den mit Mühe verdienten Kristall nicht einfach weggeben, weil mich irgendjemand mit einem Dolch bedrohte. 

Ohne Vorwarnung sprang der Kerl auf mich zu, griff mich an. Ich schaffte es ihm auszuweichen, doch hatte keine Zeit mich zu verteidigen, abgesehen davon trug ich mein Schwert nicht bei mir. Und selbst wenn, hätte ich es vermutlich nicht so schnell ziehen können. Erneut sprang ich gerade rechtzeitig zur Seite und entwischte ihm knapp. Doch im nächsten Zug hatte er mich geschnappt, an sich gezogen und mir von hinten seinen Dolch an meine Kehle gedrückt. "Du gibst mir jetzt sofort den Achat", fauchte er mit leiser, drohender Stimme und ich konnte nichts dagegen tun, dass sich die Angst in Lichtgeschwindigkeit in meinem Körper ausbreitete. 

"Auf keinen Fall", sagte ich und bemühte mich, das Zittern in meiner Stimme zu verbergen. Kurzer Hand holt ich ein wenig Schwung, knallte meinen Kopf nach hinten an seinen Schädel und schaffte es so, mich von meinem Angreifer zu befreien. Er ließ vor Überraschung das Messer fallen. Doch schneller als ich reagieren konnte, hatte er sich von dem Schlag erholt und mich wieder angegriffen. Wir rangelten miteinander und ich hatte den Stein noch immer in der Hand.

Während unseres kleinen Kampfes waren wir dem Abgrund gefährlich nahe gekommen, da die Bergkappe nicht besonders groß war. Doch ich bemerkte es erst, als ich in dem Schnee ausrutschte und das Gleichgewicht verlor. Ich stürzte nach hinten, doch da war nichts, was mich auffangen könnte. Nichts außer Leere. 

Mein Angreifer ließ mich ruckartig los, um nicht mit in die Tiefe gezogen werden. Und dann sah ich, wie er immer kleiner wurde. 

Ich fiel und fiel und fiel, spürte nichts mehr, sah nur noch, wie der blutrote Achat mit mir fiel und dann an einem Felsen in tausend Teile zerschmettert wurde. 

Dann wurde mir schlagartig schwarz vor Augen.

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Mich hat es voll erwischt. Gestern ging es mir noch gut und dann hab ich in der Nacht 39° Fieber bekommen. Dennoch wollte ich euch das Update nicht vorenthalten, deswegen, hier ist es :D

Ich gehe mich jetzt wieder ins Bett legen.
Habt einen tollen Freitag!

Song Empfehlung #12:
forever fifteen - MOTHICA

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