Kapitel 20
Die Worte hallten in meinem Kopf wieder, der mit einem Mal so unendlich leer erschien.
Es ist jemand gestorben. Es ist jemand gestorben. Es ist jemand gestorben.
Ich hatte die Worte gehört und mein Körper schien mit einem Mal wie gelähmt. Ich konnte mich nicht regen, denn es drang nicht wirklich zu mir durch, was mir das Ganze sagen sollte. Ich sah Suha an, registrierte, dass sie etwas zu mir sagte, aber verstand ihr Worte nicht.
Als die Bedeutung des Satzes zu mir durchdrang, den Suha gesagt hatte, schnürte sich meine Kehle zu und die Angst griff mit ihren langen Klauen nach mir, die mich so so fest hielten. Es war jemand gestorben. Einer der Teilnehmer wandelte nun nicht mehr auf der Erde.
Suha packte meine Schultern und sah mich fragend an, was mir erst in diesem Moment bewusst wurde und mich in gewisser Weise wach rüttelte. "Wissen wir, wer es ist?", hörte ich mich selbst mit einem kratzigen Unterton fragen, doch meine Stimme hörte sich in meinen Ohren so fremd und gedämpft an.
Die Orangehaarige Kriegerin schüttelte den Kopf. "Nein, ich bin auch erst vor kurzem angekommen und ich konnte bisher nicht in Erfahrung bringen wer es ist. Ich hatte Angst, dass es dich erwischt hatte, weil ich dich nirgends finden konnte. Aber dir geht es gut, den Archons sei Dank!", erklärte sie mir und ich nickte langsam. Nun erkannte ich auch die Angst in ihren Augen, die ein Spiegelbild meiner Angst waren. Ich schluckte und versuchte den Kloß in meinem Hals loszuwerden.
"Wir müssen die anderen finden", sagte Suha und ich nickte nur. Ich spürte den Respekt, den ich vor ihr hatte, weil sie scheinbar alles unter Kontrolle hatte, während ich innerlich bald durchdrehte. Mein Gehirn setzte sich langsam in Bewegung und die Angst schlug ihre Klauen noch tiefer in mein Herz. Was wenn es Keith, Tia, Chiyo oder Albedo getroffen hatte? Oder ganz und gar sogar Kalin? Mir wurde bewusst, dass ich nicht wollte, dass er tot war, auch wenn ich ihn nicht besonders mochte. Um Suhas Willen. Weil ich wusste, dass sie dann so unendlich viel leiden würde, denn im Gegensatz zu mir, waren sie Freunde. Partner. Zwei Menschen, die sich aufeinander verlassen konnten. Ich wollte nicht, dass sie so ein Verlust erleiden musste.
Wie aus Reflex setzte ich mich plötzlich in Bewegung, drängelte mich durch die Massen, schob Menschen beiseite. Ich hörte nur noch, wie Suha meinen Namen rief, doch ich blieb nicht stehen. Ich musste etwas finden. Irgendjemanden. Egal was, ich musste nur herausfinden ob meine Freunde lebten, denn diese Ungewissheit versetzte meinen Kopf in Unruhe, machte mich verrückt.
Die Masse verschwamm zu einem einzigen Fleck und es gab nur noch geradeaus, Tunnelblick. Die Angst hatte mich vollkommen eingenommen und dann war da plötzlich eine kleine freie Mitte. Entsetzte Gesichter. Blut auf alabasterfarbener Haut. Aschblonde Haare, die unordentlich aus einem Zopf heraus gerutscht waren. Eisblaue Augen, die ins nichts schauten. Albedo.
"Das ist deine Schuld!", schrie jemand voller Wut. Kalin. Mein Blick schnellte zu dem Schneeweißhaarigen. Sein hübsches Gesicht von Wut verzerrt, in seinen Augen so tiefer Schmerz. Ich blieb stehen, wusste nicht, was ich tun sollte. Der ältere Krieger, stürmte auf Albedo zu, der reglos da stand, packte ihn am Kragen und jagte dem Kleineren seine Faust mitten ins Gesicht. Die Menge stöhnte entsetzt auf, doch aus Albedos Mund drang nicht ein Laut. Sein Blick war weiterhin ins Leere gerichtet und er ließ Kalins Schläge einfach über sich ergehen, wehrte sich nicht.
Ich löste mich aus meiner Schockstarre und rannte auf Kalin zu, nur um ihn am Arm festzuhalten und ihn so daran zu hindern, Albedo weiter zu schlagen. "Aufhören!", kam es laut und panisch über meine Lippen. Kalin riss seinen Kopf zu mir herum, sah mich an und sein Blick sprühte Funken. Er war rasend vor Wut. "Halt du dich da raus, Ayumi", knurrte er und schüttelte mich mit Mühe ab. Doch ich würde ihn nicht einfach weiter machen lassen.
Ich trat unter Kalins Armen hindurch und stellte mich vor Albedo. Ich wusste, dass ich mit dem Feuer spielte und Kalin ungemein wütend war, doch ich musste etwas tun. "Schlag von mir aus zu, aber wenn du Albedo schlagen willst, musst du zuerst mich schlagen", gab ich trotzig von mir und meine Worte klangen so viel mutiger, als ich mich eigentlich fühlte. Denn anstatt Mut, spürte ich Angst in jeder Faser meines Körpers. Angst, dass er mich wirklich schlagen würde, denn im Moment sah er so aus, als würde er genau das tun wollen. Mein Gott, ich war so naiv und blieb trotzdem genau da stehen, wo ich war. Es war reine Dummheit.
Doch dann senkte er seinen Arm ab. Ich spürte Kalins Wut noch immer in Wellen zu mir herüberschlagen, doch etwas hatte sich geändert. Ich passte meinen Blick leicht an und erkannte Suha, die hinter Kalin getreten war und ihm einfach nur eine Hand auf die Schulter gelegt hatte. "Hör auf", hörte ich sie leise sagen und Kalin zögerte, sah mich noch immer wutentbrannt an. Doch dann ließ er Albedo los und wandte sich ab. Er schüttelte Suhas Hand von seiner Schulter und suchte sich einen Weg durch die Masse, die ihm bereitwillig Platz machte. Suha warf mir einen letzten traurigen Blick zu, bevor sie Kalin folgte. Ich hatte das Gefühl, dass er gerade eine Freundin gebrauchen konnte, genau wie Albedo.
Ich drehte mich zu dem Krieger herum, doch er war bereits in der Menge verschwunden. Ich beeilte mich, ihm zu folgen und hatte ihn innerhalb kürzester Zeit eingeholt. "Albedo warte, wo willst du hin?", fragte ich ihn, doch der Aschblonde blieb nicht einmal stehen. "Einfach frische Luft schnappen", sagte er nur und seine Antwort war so nichts sagend, dass ein frustrierter Laut über meine Lippen kam.
"Ich komme mit", erwiderte ich einfach nur lahm, doch ich musste etwas sagen. Endlich blieb Albedo stehen, drehte sich zu mir herum und sah mich an. Ich wollte ihn begutachten, wollte wissen, wie groß der Schaden in seinem Gesicht war, doch alles was meine Augen sahen waren ausdruckslose, eisblaue Augen. "Ayumi, geh wieder in deine Pension", sagte er ruhig und seine Emotionslosigkeit irritierte mich noch mehr, als wenn er wütend gewesen wäre.
"Ich lasse dich jetzt auf keinen Fall allein", kam es über meine Lippen, ohne dass ich wirklich darüber nachdachte, doch Albedo seufzte nur und lief weiter. Er konnte sagen was er wollte, doch ich würde jetzt nicht einfach gehen. Ich hatte den Eindruck, dass er Abstand von der ganzen Sache brauchte, also nahm ich einfach seine Hand, zog ihn hinter mir her zum nächsten Teleportationspunkt und teleportierte mich zum Wangshu Inn in Liyue. Es war mehr eine spontane Idee gewesen, doch als ich dort ankam, wusste ich, dass es eine gute Idee gewesen war.
Hier waren wir abseits der anderen Prüflinge, deren Emotionen über einen zusammenschlugen und man hatte eine gute Aussicht. Die Dunkelheit begann langsam, sich über das Land zu legen und die Laternen warfen ein sanftes, gelbliches Licht auf das braune Holz, aus dem das Gästehaus zum Großteil gemacht war.
Ich führte Albedo zu einer der Treppen und setzte mich auf den Stufen nieder und der Krieger tat es mir gleich. Er starrte mit leeren Blick auf die Landschaft, die sich vor uns erstreckte und ich wollte seinem Blick folgen, doch einmal mehr blieben meine Augen an dem Krieger hängen.
Erst jetzt fielen mir seine Blutverschmierten Hände auf, an denen ausnahmsweise keine Handschuhe zu finden waren. Seine Kleidung hatte ebenfalls ein bisschen was der roten Flüssigkeit abbekommen und schmückte nun seine helle Kleidung. Er sah aus, als wäre er regelrecht einem Schlachtfeld entsprungen. Mir fiel auf, dass er sein Schwert ebenfalls nicht bei sich trug. Es war in gewisser Weise ungewohnt. Dann wanderte mein Blick zu seinem Gesicht. Seine Wange, wo Kalin ihn geschlagen hatte, war angeschwollen und rot und begann bereits sich blau zu färben. Aus seiner Nase lief noch immer ein wenig Blut, doch sie schien nicht gebrochen zu sein. Die Haut in seinem Gesicht hatte ein paar Schrammen abbekommen, doch ansonsten schien er unversehrt und wohlauf zu sein. Dennoch konnte ich nicht einschätzen, wie es in seinem Inneren aussah, oder was dort gerade vor sich ging.
Mein Herz zog sich zusammen, als ich erneut seine blauen ausdruckslosen Augen sah und in gewisser Weise feststellte, dass er wahrscheinlich sein gesamtes Gefühlschaos im Inneren verschlossen hielt. Vielleicht fühlte er aber auch so vieles gleichzeitig, dass er gar nichts mehr fühlte, dass es einfach nur zu einer riesigen, undefinierbaren Masse an Emotionen verschwommen war. Oder es war ganz einfach seine Art mit emotionalem Schmerz umzugehen. Ich wollte ihn am liebsten in den Arm nehmen, doch es erschien mir in diesem Moment so falsch.
Also stand ich einfach auf und ließ den Gleichaltrigen kurz mit sich allein, vielleicht brauchte er das. Ich nutzte währenddessen die Zeit um bei Verr Goldet nach einem feuchten Tuch zu fragen, womit Albedo sich das Blut abwaschen könnte. Das war das Mindeste, was ich tun konnte.
Als ich wieder kam, saß Albedo noch immer so da, wie ich ihn verlassen hatte. Als ich mich neben ihn setzte, sah er mich nicht einmal an, doch ich konnte Worte vernehmen, die leise über seine blutigen Lippen drangen.
"Ich habe das Gefühl, die Schuld wird niemals vergehen."
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Shame on me, ich habe am Mittwoch nicht geupdated. Ich hab leider einiges um die Ohren gerade. Ich hoffe, dass es nächste Woche besser wird.
Wir war eure Woche? Meine war anstrengend, aber auch schön. Dennoch freue ich mich aufs Wochenende. Ich werde backen, lesen und mal ein paar Sachen ausrangieren :)
Ich wünsche euch einen tollen Freitag!
Song Empfehlung #8:
No shame - 5 seconds of summer
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