Kapitel 15
Selbst als die Sonne vollkommen verschwunden war und sich die tiefe Dunkelheit über Teyvat gelegt hatte, war die Luft dennoch angenehm warm. Man fror nicht, was es uns schon mal ersparte, ein Feuer zu machen. Erst als es schon Nacht war, war mir aufgefallen, dass ich nicht daran gedacht hatte, irgendeine Lampe mitzunehmen. Albedo hatte ebenfalls keine dabei, weshalb der Mond und die unzähligen Sterne unsere einzigen Lichtquellen waren und uns Gesellschaft leisteten.
Wir streiften durch unser Gebiet und ich ließ immer wieder den Blick über die Umgebung schweifen. Hohes Gras, Büsche, duftendes Zedernholz und auch eine Menge abgestorbene Bäume und leuchtendes Lampenkraut. Es war in gewisser Weise ein beruhigender Anblick und Albedos Anwesenheit neben mir gab mir ein wohliges Gefühl, auch wenn wir uns nicht wirklich viel unterhielten.
Ich wurde aus meinem Gedankenstrom gerissen, als ich an einem der Büsche einen Wolfshaken fand. Ich hockte mich hin, um die stachelige Beere in meine Tasche zu packen und fand bei weiterem Umsehen noch andere dergleichen Art, die ich ebenfalls einpackte.
"Warum nimmst du sie mit?", fragte Albedo mich und ich hob meinen Kopf, um ihn anzusehen. "Wolfshaken sind nicht weit verbreitet, weshalb sie meistens recht rar sind. Ich nehme sie mit, um sie an die Engelsgabe zu verkaufen. Sie geben einem gutes Geld für diese lila Beeren. In der Engelsgabe machen sie daraus einen Saft, der zur Stärkung im Kampf dient", erklärte ich und Albedo hörte aufmerksam zu.
"Abgesehen davon ist es wirklich praktisch, wenn man als Abenteurer anderen so viel hilft, wie man kann, denn irgendwann werden sie auch dir helfen, wenn du Hilfe brauchst", fügte ich hinzu und lächelte Albedo aufrichtig an. Der Gleichaltrige bedachte mich mit einem nachdenklichen Blick.
"Die meisten, die Wolfshaken entdecken, machen schneller kehrt, als sie blinzeln können", gab Albedo von sich und ich sah ihn fragend an, während ich mich wieder aus der Hocke erhob. Ein Lächeln trat auf Albedos Lippen, als er meinen verwirrten Blick sah. Sein Gesichtsausdruck fesselte mich. Er sah mit einem Lächeln auf den Lippen ganz anders aus und etwas regte sich in mir. Er war hübsch. Wirklich hübsch. Die Erkenntnis traf mich wie einen Schlag. Es war mir nie vorher aufgefallen, aber jetzt, wo er mich anlächelte, schien das Wissen schon immer da gewesen zu sein, es war nur zu tief begraben gewesen, als dass ich es realisiert hätte.
"Du sammelst Wolfshaken, aber weißt nicht einmal, warum sie ungern gesammelt werden", gab er von sich und ich war zu vertieft, ihn anzuschauen, als dass ich die Worte wirklich verstand. Erst ein paar Sekunden später drangen sie wirklich zu mir durch. Etwas peinlich berührt drehte ich meinen Kopf weg und schüttelte diesen, um ihm zu verdeutlichen, dass ich es wirklich nicht wusste. Nun erklang ein kleines Lachen, dass innerhalb kürzester Zeit wieder von der Nacht verschluckt wurde.
"Eigentlich sagt es schon der Name", fing Albedo an zu erzählen. "Die Beere heißt nicht umsonst Wolfshaken. Sie bleiben im Fell von Wölfen hängen und werden so verbreitet. Wo auch immer du Wolfshaken finden solltest, es bedeutet, dass Wölfe in der Nähe sind. Und hier ganz besonders ein Wolf", erklärte Albedo und ich formte mit meinen Lippen ein stummes Oh.
"Andrius", kam die Erkenntnis leise über meine Lippen und der Aschblonde Krieger nickte. "Der Wolfskönig des Nordens", ergänzte er und ich schluckte. Ein Schauer durchfuhr mich und auf meinen Armen stellten sich die Haare auf. Die blanke Angst ergriff mich und ich versuchte, still zu bleiben. Albedo hatte anscheinend die Veränderung in meiner Stimmung und meiner Haltung bemerkt und sein Blick wurde weich. Das Mondlicht schien sanft auf ihn herunter und tauchte ihn in ein silbernes Licht. Der Anblick beruhigte mich.
"Du weißt nicht viel über Andrius, oder?", fragte er mich sanft und ich schüttelte langsam den Kopf. "Nein, nicht wirklich. Ich habe mich nie mit seiner Geschichte beschäftigt", gestand ich leise und beschloss noch im gleichen Atemzug, mich mehr mit den Geschichten Mondstadts auseinanderzusetzen. "An sich brauchst du vor Lupus Boreas keine Angst zu haben. Er ist nur eine Seele, der über den Wolfenlauf wacht. Er tut niemandem etwas, solange man seinem Rudel nichts antut. Wenn das Rudel jedoch in Gefahr ist, erscheint seine Seele in Form eines Wolfes und beschützt seine Brüder und Schwestern. Und das Rudel ist gerade nicht hier, sonst hätten wir es schon gehört", erklärte er mir in einem sanften Ton und obwohl er mich nicht berührte, legten sich seine Worte wie eine warme Decke um meine Schultern und nahmen mir Stück für Stück die Angst, die ihre klauen in mein Herz geschlagen hatte.
Dankend sah ich ihn an und ich wusste, dass er auch ohne Worte verstand, wie sehr er mir gerade geholfen hatte. Ich wusste nicht wieso, aber ich vertraute ihm. Ich kannte ihn noch nicht wirklich, aber die Art, wie er mit mir umging und seine Ausstrahlung, ließen mich Vertrauen zu ihm aufbauen.
"Wir sollten weiter", sagte er dann und stumm nickte ich. Wir setzte uns wieder in Bewegung und ein seichter Wind strich um uns. Das Gras kitzelte an meinen Knöcheln und so setzten wir unsere Patrouille durch den Wolfenlauf fort. Es blieb lange still und keiner von uns sagte etwas, um die kleinsten Anzeichen von drohender Gefahr so schnell wie möglich zu bemerken. Eine ganze Weile dachte ich, wir würden in dieser Nacht überhaupt keine Monster mehr antreffen, doch diese Hoffnung wurde zunichte gemacht, als Albedo sich hinkniete und seine behandschuhte Hand langsam über den Untergrund streichen ließ.
Als ich genauer hinsah, erkannte ich, dass das Gras unter unseren Füßen unregelmäßig angesengt oder gar verbrannt war. Das Gras schien noch nicht lange so zu sein, es sah noch frisch aus. "Pyro Schleime", gab Albedo murmelnd von sich und richtete sich wieder auf. "Wir müssen sie beseitigen. Bei solchen Temperaturen können sie leicht einen ganzen Wald in Brand stecken, wenn sie zu lang an einer Stelle bleiben oder mit sehr trockenen Pflanzen in Berührung kommen", fügte der Aschblonde hinzu und ich nickte.
Nun kniete ich mich hin, um mir das Gras genauer anzusehen. Ich versuchte herauszufinden, an welchen Stellen das Gras schon heruntergebrannt war und an welchen Stellen es noch rötlich glühte. Dieser Spur folgte ich dann schweigend und mit leisen Schritten und Albedo blieb dicht hinter mir. Es dauerte nicht lang, bis ich an einer Absenkung stehen blieb und in vielleicht zwanzig Metern Entfernung eine Gruppe an Pyro Schleimen entdeckte. Ich zählte fünf Schleime. Zwei große, drei kleine. Sie glühten in der Dunkelheit regelrecht und tauchten die Pflanzen in deren Nähe in ein oranges Licht. Sie wirkten in der Dunkelheit regelrecht bedrohlich.
Leise griff ich hinter mich und zog langsam mein Schwert aus der Schwertscheide auf meinem Rücken. Mein Blick glitt zu Albedo, der mittlerweile neben mir stand. Auch er hatte ein Schwert gezogen und hielt es mit seiner rechten Hand fest umklammert. Ich blickte dem Gleichaltrigen in die eisblauen Augen und mit einem kurzen Nicken verständigten wir uns. Dann lief er nach links und ich nach rechts. Ein paar Sekunden später griffen wir von beiden Seiten die Schleimgruppe an. Die Monster fingen aufgeregt an, auf und ab zu springen, doch noch bevor ich überhaupt einen Schwertschlag setzen konnte, hatte Albedo bereits den ersten Schleim vernichtet.
Ab da achtete ich nicht mehr auf ihn und schlug mit meinem Schwert auf die Schleime ein. Für eine Zeit lang kämpfte ich wie in Trance und erstach dann den letzten Schleim. Ich wich zurück, bevor dieser platzte. Schwer atmend drehte ich mich zu Albedo, der mich mit einem undefinierbaren Blick ansah. Dann wanderten seine eisblauen Augen zu meinem linken Oberarm und ich folgte seinem Blick. Erst jetzt bemerkte ich, dass mein Mantel an dieser Stelle versengt und meine Haut darunter rot war und sich Blasen gebildet hatten. Erst da bemerkte ich den Schmerz, der von dieser Stelle ausging.
Ein Schleim hatte mich ordentlich verbrannt. Seufzend setzte ich mich in das versengte Gras und sah mir die Wunde an. Leise gesellte sich Albedo zu mir, hockte sich neben mich und legte sein Schwert in das Gras neben sich. Vorsichtig umfasste er mit beiden Händen meinen linken Arm und drehte ihn zu sich, damit er sich die Wunde anschauen konnte. Von der Wunde ging ein brennendes Gefühl aus, doch der Schmerz war auszuhalten.
"Es tut gar nicht so sehr weh", versicherte ich Albedo und er sah mich eindringlich an. "Wir haben gerade sowieso nichts dabei, um die Wunde zu behandeln", gab er leise nach und ich nickte. Schweigen legte sich über uns und ich ließ meinen Blick schweifen. Direkt neben mir entdeckte ich eine verbrannte Pflanze, von der nur noch der Stängel halbwegs stand. Als ich diesen mit einem Finger antippte, zerfiel er ebenfalls zu Asche, genau wie er Rest der Pflanze bereits zerfallen war.
Albedo folgte meinem Blick und zögerte kurz. Dann zog er seine schwarzen Handschuhe aus, legte sie behutsam neben sich und fuhr mit seinen beiden Händen unter die Asche, um sie in seine Hände zu nehmen. Als er das getan hatte, richtete er sich auf und hielt seine Hände, in denen sich die Asche befand, vor sich. Es verstrichen ein paar Sekunden und ich wollte ihn gerade fragen, was er da tat, als sich in der Asche plötzlich etwas bewegte. Es begann eine Pflanze aus der Asche zu wachsen, die stetig größer wurde und schon kurze Zeit später hielt Albedo ein blau leuchtendes Lampenkraut in der Hand.
Er sah mich an und reichte mir die hübsche Pflanze. Überrascht und verwirrt nahm ich das leuchtende Kraut entgegen und sah den Krieger an. "Wie hast du das gemacht?", fragte ich und war mir sicher, dass man die Begeisterung aus meiner Stimme heraus hörte. "Das war Alchemie", sagte er leise und ein kleines Lächeln erschien auf seinen Lippen. Ich sah ihn verwundert an und war wie gefesselt von seinem Gesichtsausdruck, der in das blaue Licht des Lampenkrauts getaucht war.
Mein Herz machte einen Satz und ein Lächeln erschien auf meinen Lippen als ich sagte: "Mein Name ist Ayumi."
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Endlich könnt ihr das Kapitel lieben. Ich liebe es nämlich so sehr. Hach.
Wie läuft eure Woche bisher? Meine verlief bis jetzt ganz gut und ich war sehr produktiv. Ich habe viel geschrieben, jeden Tag Yoga gemacht und war Arbeiten :) Ansonsten wünsche ich euch einen wunderschönen Abend, genießt ihn, bevor morgen ein neuer Tag anfängt!
Song Empfehlung #3:
Car Crash - eaJ
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