Kapitel 11
Den darauf folgenden Tag hatte es endlich aufgehört zu regnen. Als ich an diesem Morgen die Pension verließ, umwehte mich regelrecht tropisches Klima. Die Luft war feucht und von Hitze geschwängert. Bereits so zeitig am Morgen war es ziemlich warm, wodurch man wohl erwarten konnte, dass es den Tag über extrem heiß werden würde.
Erneut war der Sonnenuntergang unser Limit für die heutige Prüfung, ich wolle aber unbedingt schon zeitiger mit der Aufgabe fertig werden, da ich ungern bei solcher Hitze noch richtig aktiv sein wollte. Ich machte mich also auf den Weg und bei dem großen Tor wartete bereits Suha auf mich. So wie jeden Morgen sah sie aus wie aus dem Ei gepellt, während sich unter meinen Augen vermutlich Augenringe abzeichneten. Ich konnte letzte Nacht ewig nicht einschlafen, da mir Kalins Worte durch den Kopf gegangen waren. Stellte ich wirklich so eine Behinderung für Suha dar?
Bevor ich länger darüber nachdenken konnte, vertrieb ich die dunklen Überlegungen und begrüßte die Ältere.
"Also, wo gehen wir hin?", fragte sie mich und sah mich nachdenklich an. "Ich habe mich schon einmal ein bisschen umgesehen und es gibt einen kleinen Teich zwischen Windblickkap und Windblickbergen. Dort sind zwei Hilichurl Gruppen. Sie haben keine richtigen Camps, aber dort stehen viele Fässer. Wir können also Vorräte klauen und wenn wir Glück haben, bekommen wir auch ein paar Hilichurl Materialien."
Suha erklärte sich für einverstanden und so machten wir uns auf den Weg. Während wir uns fortbewegten, redeten wir nicht wirklich viel. Es war einfach zu warm und wir behielten unsere Umgebung im Auge. Obwohl wir uns auf den Pfaden fortbewegten, konnte es dennoch immer passieren, dass man einem Monster begegnete. Gegen Mittag hatten wir dann die regulären Wege verlassen und liefen über Gras. Der Boden war matschig von dem vielen Regen, doch die Sonne begann bereits diesen zu trocknen.
Wir schlugen einen Bogen und näherten uns dem Teich von Osten. Im Gehen teilte ich Suha mit, dass wir zuerst das Camp überfallen würden, welches weiter unten an dem Teich lag.
In Deckung eines Busches hockten wir uns hin und ich nahm erneut die Umgebung in Augenschein. Wir befanden uns in ausreichender Entfernung zu den Hilichurls, sodass sie uns nicht entdecken konnten. "Die Birken hier, bieten uns Schutz. An den beiden schlafenden Hilichurls da vorne kommen wir problemlos vorbei. Sobald Hilichurls einen potenziellen Gegner bemerken, sind sie auf ihn fokussiert und laufen ihm nach. Der Plan ist, dass einer die Hilichurls ablenkt und weg führt, während der andere die Fässer plündert", erklärte ich und Suha nickte als Zeichen dafür, dass sie verstanden hatte.
"Ich lenke die Hilichurls ab, du plünderst die Vorräte", gab sie von sich und dieses Mal nickte ich. Die Ältere erhob sich und ein vorfreudiges Grinsen erschien auf ihrem Gesicht. Ich wusste, dass ihr das Ganze Spaß machen würde. Die Orangehaarige machte sich auf den Weg, umging gekonnt die schlafenden Hilichurls und näherte sich den anderen. Als sie nah genug dran war, zog sie ihren Speer vom Rücken und klopfte damit laut an eine der Birken, um die Aufmerksamkeit der Monster auf sich zu lenken. Sobald die felligen Kreaturen aufgesprungen waren und Suha es schaffte, dass sie ihr folgten, verließ ich mein Versteck in dem Busch.
Leichtfüßig bewegte ich mich auf die Fässer zu, blieb immer im Schatten der Birken. Sobald ich dort war, öffnete ich im Handumdrehen die Fässer und brachte alles, was ich finden konnte, in meinen Besitz. Es waren ein paar Nahrungsmittel und Getreide dabei, aber auch ein paar Artefakte. Innerhalb kürzester Zeit war ich fertig und bewegte mich unbemerkt zu dem Busch zurück, nur um mich dort zu ducken. Aus der Entfernung sah ich, wie Suha sich einen Hilichurl näherte, einen Sprung über dessen Kopf machte und dabei seine Maske vom felligen Gesicht zog. Dann rannte sie in eine Richtung davon, die ich nicht mehr im Blickfeld hatte.
Kurze Zeit später erschien die Kriegerin wieder neben mir, sie war außer Atem, aber ihre Augen blickten mir zufrieden entgegen. "Hattest du Erfolg?", fragte sie und ich nickte, während ich ihr kurz zusammenfasste, was ich ergattert hatte. Danach streckte sie mir zwei Hilichurlmasken entgegen, von denen eine sogar eine Unheilvolle war. Anerkennend nickte ich. Dann bewegte wir uns zu dem oberen Ende des Teichs. Dort gingen wir ganz genauso vor.
Erneut verlief die ganze Prozedur reibungslos und am Ende hatten wir beide volle Taschen, gefüllt mit geplünderten Vorräten. Wir waren fertig mit unserer Aufgabe, als die Sonne im Zenit stand und erbarmungslos auf die Erde nieder schien. Es war mittlerweile wirklich warm und ich wollte etwas kaltes trinken. Gemeinsam beschlossen wir, uns auf den Rückweg zu machen. Diesmal redeten wir mehr als vorher und trotz der Wärme hatte ich gut Laune.
Jedoch nur so lange, bis ich Kalin entdeckte. Wir befanden uns gerade auf dem Weg, der durch das Gebiet des Flüsterwaldes führte. Der Weißhaarige lehnte an einem Baum im Schatten. Sobald er uns erblickte, stieß er sich ab und kam auf uns zu, doch dieses Mal fehlte jede Spur von Spott in seinem Gesicht, er war unglaublich ernst und als er vor mir stand, wusste ich auch wieso. Seine Kleidung war an manchen Stellen zerrissen und darunter konnte ich Kratzer erkennen. Manche waren kaum der Rede wert, aus anderen quoll teilweise Blut hervor.
Geschockt sah ich zu dem Älteren auf, nur um festzustellen, dass seine Aufmerksamkeit nicht Suha gewidmet war, sondern mir. Mein Blick huschte zu der Orangehaarigen, die ihn besorgt ansah. Suha wollte gerade etwas sagen, als Kalin das Wort erhob. "Ich brauche deine Hilfe", gab er von sich und zuerst dachte ich, er scherzte, doch in seinem Gesicht wies nichts auf einen Spaß hin.
Verwirrt zog ich meine Augenbrauen zusammen. "Gestern hast du mir Sachen an den Kopf geworfen, die nicht gerade freundlich waren und hast mir unmissverständlich klar gemacht, dass du nichts mit mir zu tun haben willst und heute willst du meine Hilfe? Das hättest du dir eher überlegen sollen", gab ich von mir und war erstaunt, wie ruhig ich klang, obwohl mich seine Anwesenheit aufwühlte. Was dachte er sich nur? Er konnte nicht wirklich erwarten, dass er nach seinen Worten gestern Hilfe von mir bekommen würde.
Ich wandte mich ab und wollte weiter laufen, doch um mein Handgelenk schloss sich eine Hand. Es war Suhas. Sie sah mich bittend an und ich wusste, wie wichtig Kalin ihr war. Ich presste meine Lippen aufeinander und wandte mich dem Älteren wieder zu. Ich blieb, aber nur ihretwegen. Sie ließ meinen Arm los, während sie Kalin fragte, was passiert war.
Eine ganze Weile sagte er nichts. Wahrscheinlich war es ihm unangenehm. "Meine Stärke ist das Kämpfen. Ich bin nicht auf Verteidigung oder Defensive ausgelegt, sondern auf Angriff und Offensive. Ich habe versucht, ein Camp zu plündern, aber meine Stärke liegt nicht im unbemerkt fortbewegen. Sie haben mich entdeckt und es waren zu viele. Sie haben mich angegriffen und ich durfte mich ja nicht verteidigen, weil ich unter keinen Umständen Punkte verlieren will. Ich konnte fliehen, aber jetzt bin ich verletzt", erklärte er und knirschte dann verärgert mit seinen Zähnen. Diese Aufgabe war definitiv nicht sein Favorit.
Er hätte von Anfang an mit anderen zusammen arbeiten können, dann hätte er es ohne Probleme geschafft, die Aufgabe zu erfüllen, aber dafür war er wahrscheinlich zu stur.
"Warum fragst du nicht einen deiner anderen Freunde?", sprach ich meine Gedanken aus und verschränkte die Arme vor der Brust.
"Die sind selber beschäftigt und außerdem ist es mir unangenehm. Ich scheitere nicht. Niemals", erklärte er und sah mich mit seinen blasslila Augen an.
"Und dann hat Keith gesagt, dass er mitbekommen hat, dass deine Stärken wohl genau darin liegen. Du bist gut im Anschleichen und Defensive", gab Kalin widerwillig von sich und ich wollte gerade fragen, wer Keith war, als Kalin weiter sprach. "Also, ich brauche deine Hilfe."
Ich schnaubte und wandte meinen Blick von ihm ab. "Ich soll dir helfen, nur damit du vor den anderen nicht wie ein Idiot dastehst", gab ich von mir und Kalin presste seinen Kiefer aufeinander. Er war definitiv wütend.
"Frag Suha, ob sie dir hilft. Ich werde es nicht tun", entschied ich mich und wandte mich ab. Ich ließ mich nicht von ihm ausnutzen, nachdem er mich den Tag zuvor verspottet hatte.
"Ich nehme das zurück, was ich gestern gesagt habe. Du magst nicht kämpfen können, aber du hast andere Stärken", sagte er und mir entfloh ein freudloses Lachen. Was ging nur in seinem Kopf vor? Erneut drehte ich mich zu ihm um. "Sag nicht Dinge, die du nicht ernst meinst", antwortete ich und Kalin sah mich böse an, doch er beherrschte sich um einen normalen Ton. Er war clever genug um zu bemerken, dass er mich jetzt nicht noch mehr verärgern sollte. "Zwing mich nicht, dich anzuflehen, Ayumi", kam es aus seinem Mund und es war das erste Mal, dass er mich mit meinem richtigen Namen ansprach. Wahrscheinlich zögerte ich deshalb. Er schien tatsächlich irgendwie bemüht, mich nicht noch weiter zu verärgern. In meinem Inneren begann ich einen Kampf mit mir selbst auszuführen.
"Na schön", gab ich nach und bemerkte, wie Suha erleichtert ausatmete. "Aber dann bist du mir etwas schuldig."
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Hier bin ich wieder, rechtzeitig zum Update Tag!
Das Kapitel ist eher etwas langweilig und ein Filler, aber die muss es ja auch geben, sonst ist eine Geschichte nicht vollständig, nh? :)
Ich werde nachher noch Crushing Colors von Tami Fischer zu Ende lesen (das Buch ist so gut, lest es, wenn ihr auf Haters-to-Lovers, Wortgefechte und Spicy Szenen steht ;) ) Ansonsten wünsche ich euch einen schönen Abend!
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