level 23
»Minahs Sicht«
"Du hattest Recht mit deiner Vermutung, dass ich von der Schule gegangen bin, weil mein Vater damals ebenfalls gestorben war."
Ich kaute auf meiner Unterlippe herum, während er mir erzählte, was damals passiert war.
"Die Schwester meines Vaters hat mich bei sich aufgenommen. Sie hat sich um alles gekümmert. Um die Beerdigung, meinen Umzug und den ganzen rechtlichen Kram. Ich bin also mit ihr nach Gwangju und sie hat mich auch wirklich gut behandelt, aber ich bin bloß ein Jahr bei ihr geblieben."
Wir saßen mit einem Bier draußen auf seiner Terrasse, während wir auf die unzähligen Lichter der Stadt von Seoul blickten.
"Meine Tante ist ein guter Mensch, aber ich habe gemerkt wie überfordert sie war und deshalb habe ich nach meinem Abschluss einige Jobs angenommen, damit ich mir eine Wohnung leisten konnte. So habe ich übrigens auch Hoseok kennengelernt", Jungkook nahm lächelnd einen Schluck von seinem Bier.
Meine Augen wanderten zu seinem Gesicht, während er weiter sprach und konnte für eine Sekunde nicht fassen wie ich dieses Gesicht überhaupt vergessen konnte. Sein markanter Kiefer, der sich bewegte, wenn er redete, wirkten auf mich wie Magie. Ich war völlig fasziniert.
"Hoseok hat mich am Anfang echt genervt, aber dann sind wir beste Freunde geworden und haben viel Zeit miteinander verbracht. Durch ihn bin ich aufs Gaming gekommen und ich habe mir anschließend einen kleinen Namen gemacht. Ich bin ihm und meiner Tante wirklich dankbar."
Es war ungewöhnlich ihn so viel reden zu hören, da er normalerweise eher still war, während ich ihn vollplapperte.
"Mit dem Geld, dass ich dann beim spielen verdient habe, konnte ich mir ein Studium finanzieren."
Verstehend nickte ich.
"Hast du dich wegen deines Vaters zum Programmierer entschieden? Ich erinnere mich dunkel daran, dass du eigentlich Fotograf werden wolltest."
Unsere Blicke trafen sich, als ich meine Frage ausgesprochen hatte und schluckte schwer, da ich seine Mimik nicht klar deuten konnte.
"Zum Großteil schon", sagte er schließlich. "Aber ich habe mich auch wirklich dafür interessiert. Nach meinem Studium bin ich dann irgendwann zum Profi-Gamer aufgestiegen und dann kam dieses Angebot von OnGeim."
Auf die Sache mit seinem eigentlichen Traumberuf ging er nicht ein und ich beließ es deshalb dabei.
"Denkst du das ist Schicksal?" Ich grinste ihn amüsiert an, doch er blieb ganz ernst und wandte den Kopf wieder zum Lichterspiel unserer Stadt.
"Ich habe es jedenfalls dafür gehalten." Seine Augen leuchteten und ich fühlte mich sofort schlecht, dass ich es belächelt hatte.
"Es hat mich so geärgert, dass mich der Vorsitzende nicht damit in Ruhe gelassen hat und nur weil Hoseok sich die Unterlagen angeschaut und ich ihm von dir erzählt habe, bin ich zurück nach Seoul."
Das Herz schlug mir bis zum Hals, als ich dies hörte. Er war meinetwegen zurückgekommen und ich hatte ihn nicht erkannt. Ein leichtes Brennen in meinen Augen machte sich bemerkbar.
"Hoseok ist mit seiner älteren Schwester mitgekommen. Ich wollte unbedingt zurück nach Nowon-gu, weil ich gehofft habe, dich noch vorher zu treffen, bevor ich in dem Entwicklungsteam drei beitrete..."
"Hat anscheinend nicht funktioniert", bemerkte ich und seufzte, allerdings widersprach Jungkook mir in dem Punkt.
"Also... ich habe dich getroffen.. aber du bist an mir vorbeigegangen... und ich habe realisiert, dass ich dir nie einen Grund gegeben habe mich in Erinnerung zu behalten."
Und plötzlich fühlte ich mich, als hätte man mir einen Schlag in die Magengrube verpasst.
Mein Herz schmerzte und ich wischte mit dem Handrücken schnell über meine Wangen, ehe ich das Bier abstellte, mich erhob und vor Jungkook stellte.
Verwundert sah er von seinem Platz zu mir herauf, während ich vor einem weiteren Ausbruch meiner Tränendrüse ankämpfte.
"Ich werde es mir niemals verzeihen!", schoss es aus mir heraus wie Lava aus einem Vulkan.
"H-hey... ich habe das nicht gesagt, damit du Schuldgefühle krie-"
"Das weiß ich doch, lass mich bitte ausreden", unterbrach ich ihn rücksichtslos.
"Es lässt sich nicht mehr ändern und damit werde ich mich abfinden müssen, aber ich verspreche dir eines ganz bewusst." Ich holte tief tief Luft, bevor ich es laut aussprach.
Jungkooks Augen lagen voller Ahnungslosigkeit unverwandt auf mir und schien sich zu fragen, was in mich gefahren war.
"In Zukunft werde ich dich ganz bestimmt nicht mehr vergessen." Ich konnte spüren, dass ich rot wurde, doch ich sprach trotzdem weiter.
"Weil ich dieses Mal nicht zulassen werde, dass du einfach so verschwindest. Du bist einer der wenigen, die mich wirklich kennen und ... mir wichtig sind. Du wirst mich nie wieder verlassen, Jeon Jungkook."
Was ich sagte war die pure Wahrheit, meine ungefilterten Gedanken und Gefühle. Umso irritierter war ich, als mein Gegenüber einfach anfing zu lachen. Doch nicht bloß ein kurzes Kichern, nein. Er lachte lauthals, als hätte einen total absurden Witz erzählt.
"Du machst meine Rede total kaputt!", meckerte ich aufgebracht und stand wie eine Vollidiotin auf der Stelle.
"Es ist nur...", er hielt sich den Bauch vor lachen. "Du bist einfach so süß, Minah. Du sagst solche Sachen mit so einem strengen Gesichtsausdruck."
Beleidigt zog ich eine Schnute und fasste mir mit beiden Händen an die Wangen.
"Du bist so fies! Dabei wollte ich einmal seriös wirken." Mit zusammengezogenen Augenbrauen funkelte ich den dunkelhaarigen jungen Mann an.
"Hey, Minah", meinte er plötzlich ohne einen Funken des Spaßes in der Stimme, doch ein Lächeln umspielte seine Lippen.
Ich trat einen kleinen Schritt zurück, da er aufstand und sich vor mir aufbaute, weshalb ich den Kopf stark in den Nacken legen musste, um ihn ansehen zu können.
"Dann verspreche ich dir auch etwas, Miss Pitbull..." Er legte seine Hände auf meinen Kopf und grinste mich an, sodass sich mein Herz erwärmte.
"Ich werde nie wieder einfach verschwinden." Ich konnte in seinen dunklen Augen erkennen, wie aufrichtig er war.
Der Größere hatte sich etwas zu mir herüber gebeugt und ehe ich es mich versah, erwiderte ich sein Grinsen.
"Okay", meinte ich nickend.
[…]
Ich hatte mir ein Taxi genommen, damit Jungkook mich nicht wieder heimbringen musste und zuckte zusammen, als sich urplötzlich eine Gestalt aus der Dunkelheit auf mich zu bewegte.
"Minah!"
Zwei schlanke Arme schlangen sich um meinen Hals und mir wurde für einen kurzen Moment die Luft abgeschnitten.
"Sojung?", krächzte ich verwirrt, nachdem ich sie endlich erkannt hatte.
Sie weinte und das sie nie.
"Was ist los?" Es gelang mir sie von mir zu drücken, damit ich sie ansehen konnte.
Vorsichtig nahm ich das schmale Gesicht meiner besten Freundin in die Hände und sah sie voller Sorge an.
"Er... er...", schluchzte sie ganz niedergeschlagen.
"Wer?" Ich strich ihr das hellbraune Haar hinter die Ohren, während wir vor meinem Haus standen.
"Namjoon... ich ich habe i-ihm meine G-gefühle gestanden und ... er hat mich abgewiesen", weinte sie und legte die Stirn ungläubig in Falten.
Das war unmöglich. Ich konnte es einfach nicht glauben. Niemals.
"Was hat er zu dir gesagt?", wollte ich von ihr wissen, was wahrscheinlich ziemlich unsensibel von mir war, doch ich konnte es einfach nicht nachvollziehen.
"D-das ich nur eine gute F-freundin für ihn bin... und er unsere F-freundschaft nicht dafür o-opfern will." Ich strich ihr behutsam über den Rücken, da sie schwer zu keuchen anfing.
Bullshit, dachte ich mir. Namjoon ist total verrückt nach ihr, wieso sollte sich seine Meinung einfach so ändern?
Andererseits hinterfragte ich zum ersten Mal eine gewisse Tatsache. Er hatte schon so lange Gefühle für Sojung gehabt, also wieso hatte er es ihr nie gesagt? Namjoon gehörte schließlich nicht zu der schüchternen Sorte.
Gab es etwas, dass ihn all die Zeit zurückgehalten hatte und nun dazu getrieben hatte Sojung zu belügen?
Mir rauchte der Kopf von all den Fragen, doch ich ließ mir nichts anmerken und nahm die Größere einfach schweigend in die Arme.
-
Das Kapitel ist ungefähr so abgelaufen...
—In wie viele Fettnäpfchen willst du treten?
Minah: Ja
😂😂😂
Nai🌹
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