4. Kapitel
Wenn ich dich erst einmal in meinem Bett habe, wirst du dich verzweifelt danach sehnen. Dich nach mir verzehren.
Sein ruhiger, so absoluter Ton war noch beängstigender, als wenn er die Worte geschrien hätte. Dennoch spürte sie, wie eine heisse Welle der Erregung sie durchströmte. So heiss, dass alles in ihr darum bettelte, ihm nicht mehr zu widerstehen, sondern jede Berührung und jeden Atemhauch dieses Mannes auf ihrer Haut zu geniessen.
Es war ihr egal, dass die anderen Frauen im Zelt den Krieger streichelten und kraulten, als wäre er ein harmloses Hauskätzchen. Oder eine männliche Gummipuppe. Sie bettelten - ja wirklich, sie bettelten - darum, dass er mit ihnen schlief. Seufzend und stöhnten dabei. Da und dort waren sogar Lustschreie zu hören.
Gib nach, flehte ihr Körper. Küss ihn. Was soll schon passieren?
Entsetzt über sich selbst schlug Shaya ihrem Kidnapper mit der Handfläche gegen die Nase. Sein Kopf schnellte nach hinten und Blut tropfte ihm auf die Oberlippe. "Warum hast du das gemacht?", fragte er bestürzt, als er sich wieder gefangen hatte.
Glücklicherweise hielt er sie jetzt nicht mehr ganz so fest. Sie wand sich in seinen Armen hin und her, bis sie es endlich schaffte sich loszumachen. Sieh zu, das du von hier wegkommst! schrie ihre Stimme der Vernunft, als Shaya wieder auf eigenen Beinen stand. Sie machte einen Schritt nach vorn und blickte sich panisch nach ihrer Mom um. Ihr Atem ging flach und stossweise.
Sie sah Preston, der bewusstlos am Boden lag. Als er sich den Kriegern in den Weg gestellt hatte, hatte ihn einer der Männer mit einem Faustschlag zu Boden gestreckt. Sie sah Conner, den frischgebackenen Ehemann ihrer Mutter, der in der Menge umherlief und ihre Mutter suchte. Sie schien wie vom Erdboden verschluckt. Verdammt! Wo war sie? Das Verhältnis das sie zueinander hatten, mochte schwierig sein, aber Shaya konnte - und würde - sie nicht im Stich lassen.
Sie wollte es gerade Conner nachtun und in der Menge nach ihrer Mom suchen, als der Krieger hinter ihr sie plötzlich mit eisernem Griff am Handgelenk packte. Ihr wurde bei seiner Berührung erst heiss, dann gefror ihr vor Angst das Blut in den Adern.
Er hatte sie gefragt, ob sie seinen Geruch wahrnahm und sie hatte verneint. Tja, sie hatte gelogen. Sie atmete seinen erotischen, maskulinen Duft jedes Mal ein, wenn er in ihrer Nähe war und dieser Duft trieb ihre Hormone in den Wahnsinn.
Auch jetzt war es nicht anders.
"Du hast mich geschlagen?" Er klang so geschockt, als hätte noch nie zuvor jemand gewagt, die Hand gegen ihn zu erheben.
"Warum hast du das getan?"
Shaya drehte sich wortlos um und trat ihm zwischen die Beine. Hob einfach ihren Fuss und zack, Treffer. Er krümmte sich stöhnend zusammen.
"Jetzt bist du nicht mehr so scharf auf meinen Körper, was?" murmelte sie, ohne aufzuhören, sich nach ihrer Mom umzusehen.
"Das... hat wehgetan", sagte er gepresst.
"Natürlich tut das weh und dir blüht mehr davon, wenn du mich noch einmal anfasst."
Ohne ein weiteres Wort lief sie los, immer noch suchend... suchend... Da! Endlich. Dort in der Ecke hielt ihr neuer Stiefvater eine zappelnde, um sich schlagende Tamara fest in seinen Armen.
Shaya sprang über umgefallene Stühle und schlitterte auf Pfützen aus rotem Punsch zwischen umgekippten Tischen zu ihrer Mutter. Irgendjemand schlang einen Arm um Shayas Taille und zog sie an seine breite, muskulöse Brust - und es war nicht ihr Krieger. Dieser Mann roch anders, nicht ganz so faszinierend fremd. Sogar seine Haut fühlte sich anders an. Nicht so heiss. Ausserdem hatte er einen Schatten dunkler Härchen auf den Unterarmen.
Sie schrie auf und schlug ihm mit dem Hinterkopf gegen das Kinn. Der Schlag war so fest, dass ihr ganzer Körper vibrierte. Er knurrte irgendetwas und sie wusste, auch ohne seine Sprache zu verstehen, dass es ein Fluch war. Er liess die Arme sinken und Shaya wirbelte herum, bereit zu kämpfen.
Sie hätte überhaupt nicht herkommen sollen. Hätte nie in dieses Flugzeug steigen sollen. Bei den Hochzeiten ihrer Mom kam nie etwas gutes heraus, immer nur Kummer und Schmerz.
Aber diese Hochzeit übertraf alles.
Der Krieger sah sie mit seinen grossen blauen Augen verwirrt an. "Ich wollte dich nur küssen", sagte er auf Englisch. Sein Akzent war so stark, das Shaya Mühe hatte, ihn zu verstehen. Als ihr der Sinn seiner Worte klar wurde, gab sie ihm eine Ohrfeige.
"Aua!"
"Nix mit Küssen." Was war bloss los mit diesen Testosterontypen und ihrer Sexbessenheit? Lass mich dich verwöhnen. Du wirst gar nicht genug von mir kriegen können. Nein, nein und nochmals nein. Bei dem Anführer war es allerdings etwas anderes. Sie nahm zumindest an, dass er der Anführer war. Vorhin, als die Krieger ins Zelt gekommen waren, hatte er etwas in dieser komischen Sprache gesagt und alle Männer hatten gehorcht. Nach ihm war sie dummerweise ganz verrückt.
Sie kniff die Augen zu und stellte sich sein überirdisch schönes Gesicht vor. Schlafzimmerblick. Sinnliche Lippen. Ein vor Potenz strotzender Körper. Sie biss sich so fest auf die Innenseite ihrer Wangen, dass sie Blut schmeckte. Wie war es möglich, dass er eine so verführerische Macht ausstrahlte? Sogar jetzt fühlte Shaya sich unwiderlich zu ihm hingezogen.
Ein offensichtlich schwuler Hochzeitsgast in einem paillettenbesetzten rosa Sakko und einer schwarzen Samthose näherte sich dem Krieger vor ihr. Ohne um Erlaubnis zu fragen, legte der Mann einen schlanken Arm um den Krieger und küsste seine gebräunte Schulter.
Der Krieger erstarrte und guckte ihn finster an. "Ich habe dir gesagt, du sollst damit aufhören. Fass mich nicht an. Du bist ein Mann. Benimm dich auch so."
Shaya hörte den Rest der Unterhaltung nicht mehr, sondern lief an dem Krieger vorbei zu ihre Mutter. "Komm, wir müssen von hier verschwinden", sagte sie im gleichen Moment, als Tamara sagte: "Wenn du mich nicht gehen lässt, Conner, ersteche ich dich im Schlaf und schneide dir das Herz heraus!"
Der Bräutigam presste nervös die ohnehin schon schmalen Lippen zusammen. Sein Blick war besorgt und ängstlich. "Was soll ich tun?" Er sah Shaya Hilfe suchend an.
Shaya wusste, dass ihnen die Zeit davonlief. "Wirf sie dir über die Schulter, so wie die Feuerwehrmänner das immer tun und sieh zu, dass du von hier wegkommst, ehe es zu spät ist."
"Es ist schon zu spät", hörte sie jemanden hinter sich sagen. Die vertraute rauhe Stimme liess sie erbeben. Ihre Muskeln zogen sich zusammen, bereit für die göttliche Erlösung. Sie schmolz dahin. Nein, sie versteifte sich. Der Anführer fuhr mit einer kräftigen Hand über ihren nackten Bauch. Shaya bekam eine Gänsehaut. Seine andere Hand glitt über ihre schulter und über ihr Schlüsselbein und legte sich schliesslich auf ihr Muschel-Top. Dann zog er sie mit beiden Armen sanft zurück und drückte sie an seinen Oberkörper. Wieder nahm sie diesen unwiderstehlichen Geruch nach Männlichkeit und dunklen Mondnächten wahr.
Sie hätte protestieren können. Ihn wenigsten wegen seiner Unverschämtheit ausschimpfen können. Doch die Worte wollten ihr einfach nicht über die Lippen kommen und sie konnte nur hoffen, dass sie nicht gleich ihren Kopf an seine Schulter legen würde.
"Lass uns nicht mehr streiten." Sein warmer Atem streifte elektrisierend über ihr Ohr. "Meine Nase tut immer noch weh", fügte er beleidigt hinzu. "Und mein Schw... mein bestes Stück auch. Vielleicht sollte ich dir als Erstes beibringen, wie du es richtig behandelst."
Oh Gott. Sie wurde stärker, immer stärker in seinen Bann gezogen. Wären da nicht die Muscheln auf ihrem Bikinioberteil gewesen, hätte er bestimmt ihre Nippel gestreichelt, sie vielleicht zart gekniffen und zwischen seinen fingern hin und her gedreht. Sie hatte weiche Knie. Oh Gott, oh Gott, du lieber Himmel... Er war unwiderstehlich. Sein langer, steifer Schaft drückte sich zwischen ihre Pobacken.
Shaya schloss die Augen. Sie spürte, wie ihr ganzer Körper merkwürdig schwach wurde. Bis jetzt hatte sie immer gedacht, sie wäre immun gegen Lust und Leidenschaft. Bei keinem der Männer, mit denen sie ausgegangen war, hatte sie sich so gefühlt wie jetzt. Nicht einmal bei denen, die ihr nach dem Date zum Abschied einen Kuss gegeben hatten. Diese Küsse kamen ihr jetzt armselig vor, völlig belanglos und langweilig.
Sie musste sich ins Gedächtnis rufen, dass ihr Männer auf die Nerven gingen und dieser hier ganz besonders. Rede dir das nur ein, vielleicht glaubst du es ja irgendwann.
Zu ihrem Entsetzen - und zu ihrer totalen Verzückung - legte er jetzt auch seine andere Hand auf ihren Busen. "Paradies", flüsterte er. "Bist du sicher, dass du mich nicht riechen kannst?"
Warum wollte er unbedingt, dass sie ihn roch? "Ganz sicher." Schweigen. Dann: "Stell dir vor, wie es erst sein wird, wenn ich dich ausgezogen habe. Stell dir vor, was das für ein Gefühl sein wird."
Ja, er ging ihr auf die Nerven. Und sie wollte, dass er ihr für den Rest ihres Lebens auf die Nerven ging. "Bitte", stöhnte sie.
Leider wusste sie nicht genau, worum sie bat. Dass er sie losliess? Oder dass er weitermachte?
"Bitte was?", flüsterte er ihr ins Ohr. Seine weichen Lippen strichen über ihr Ohrläppchen, dann leckte er ihr Ohr. "Bittest du mich, dich mit zu mir nach Hause zu nehmen? Dir ungeahnte Lust zu verschaffen? Sprich es einfach aus und ich werde dir jeden Wunsch erfüllen."
Oh Gott.
Um sie herum hörte sie Seufzen und leises Stöhnen von ein paar anderen Paaren, die die Gelegenheit nutzten, ein bisschen zu knutschen. Shaya stellte fest, dass niemand sie beachtete. Trotzdem war es ihr peinlich, dass ihr Krieger ihr in aller Öffentlichkeit die Hände auf den Busen gelegt hatte.
Wenn sie ihm nicht bald zu verstehen gab, dass er aufhören musste, würde er jeden Moment seine Hand zwischen die Fransen ihres Baströckchens und seine Finger zwischen ihre Beine schieben. Sie wusste es, spürte es an der Art, wie er sie festhielt. "Bitte lasst uns in Ruhe. Lasst uns einfach in Ruhe."
"Ich fürchte, das ist die einzige Bitte, die ich dir nicht erfüllen kann." Er drückte ihre brüste. "Dafür begehre ich dich viel zu sehr."
Sie schluckte. Denk nicht daran, was er gerade gesagt hat, denk nicht daran, was er gesagt hat. "Ich bringe dir nichts als Probleme. Ich bin gemein und launisch und die meisten Leute halten es nicht lange mit mir aus."
"Bald werde ich dich so sehr befriedigen, dass du gar nicht mehr anders kannst, als immer nur zu lächeln."
"Befriedige mich", sagte ihre Mom, die sich endlich aus Conners Umarmung befreit hatte. Sie schlang die Arme um die Knöchel des Kriegers und küsste ihm die Füsse. "Ich flehe dich an, befriedige mich."
"Steh auf", sagte Shaya streng. Zu sehen, wie ihre frisch verheiratete Mutter sich gerade dermassen erniedrigte, riss sie aus ihrer sinnlichen Verzückung. "Lauf. Flieh!"
Er ignorierte Tamara und wandte sich an Shaya. "Wie heisst du, Süss.. äh, Liebes?", fragte er so gelassen, als wäre es für ihn völlig normal, dass eine Frau ihm die stiefel leckte.
"Ich bin Tamara", antworte sie, ehe Shaya etwas sagen konnte, "aber du kannst mich nennen, wie du willst."
Seufzend und ohne Shaya loszulassen, beugte er sich vor, zog Tamara mit einem Arm hoch und schob sie zu Connor.
"Wie heisst du?", fragte er Shaya wieder, diesmal lauter, um Tamaras plötzliches Schluchzen zu übertönen.
Shaya presste ihre Lippen fest zusammen und zwang sich, das intensive feuer zu ignorieren, das in ihr brannte. Wie konnte sie ihre Mutter dazu bringen, endlich auf sie zu hören? Wie sollte sie diese durchgeknallte Frau wieder zur Vernunft bringen?
"Ich lasse mich auf einen Handel mit dir ein. Ich sage dir meinen Namen, wenn du mir deinen verrätst." Als sie keine Antwort gab, fuhr er fort: "Ich bin Valerian, der Herrscher der Nymphen. Du darfst mich auch 'Oh Gott' nennen. Das haben die anderen Oberweltbewohner immer zu mir gesagt."
Valerian. Sein Name brannte sich in all ihre Gehirnwindungen. Er... Moment! Hatte er gerade Oberweltbewohner gesagt? "Ich nenne dich lieber Typ-dem-ich-gleich-in-den-Arsch-tretenwerde und was meinst du mit Oberweltbewohner?"
Schweigen legte sich wie ein schwerer Vorhang über sie. "Du überraschst mich", sagte er schliesslich und im Ton seiner samtigen Stimme schwang Verwirrung mit. "Ich habe erwartet, dass meine Gefährtin..."
Jemand unterbrach ihn mit einem Schwall fremd klingender Worte.
Valerian erstarrte und drehte sich zu dem Krieger um. Shaya tat das Gleiche. Der Mann war fast genauso gross wie der, der sie festhielt, aber seine Haare waren schwarz und seine Augen grün wie Smaragde. Auch er hatte nur eine Hose und Stiefel an und seine breite, gebräunte Brust war nicht zu übersehen.
Jetzt sagte er wieder etwas.
Valerian antwortete in der gleichen, abgehackten klickenden Sprache. Worüber unterhielten sie sich?
Der Schwarzhaarige entgegnete etwas und deutete auf Shaya.
Was auch immer Valerian jetzt sagte - freundlich war es jedenfalls nicht. Sein Ton war barsch und streng. So, als dulde er keinen Widerspruch. Der andere Krieger schwieg einen Moment, dann zuckte er die Achseln und verschwand.
"Worum ging es?" Shaya bemühte sich, nicht wieder in Panik zu geraten, neigte den Kopf zur Seite und sah zu Valerian hinauf.
Das war ein Fehler. Ein grosser, bittersüsser Fehler. In dem Moment, als sie sich in die Augen sahen, sprühten die funken und die erotisch aufgeheizte Spannung zwischen ihnen wurde noch intensiver als zuvor. Er verschlang sie förmlich mit seinem Blick, Stück für Stück. , schien sie in Gedanken bereits auszuziehen und in sie einzudringen. Wild. Leidenschaftlich.
Schau weg. Schau weg, verflucht! Wenn er sie noch länger so feurig und durchdringend ansah, würde sie gleich kommen. Hier und jetzt, ohne dass eine körperliche Stimulation nötig war.
Sie spürte, wie sie zwischen den Beinen feucht wurde und die Erregung heiss über ihren Bauch bis zu ihren Nippeln emporzüngelte.
"Oh Gott", stöhnte sie. Schau weg! Das Gefühl war so intensiv, dass es wehtat. "Worüber habt ihr gerade geredet?!" Sie hatte nicht schreien wollen, aber die Frage platzte lauthals aus ihr heraus, als sie den Blick schnell von ihm riss.
"Ich bringe dich in dein neues Zuhause", antwortete er. "Du wirst bei mir leben und mir gefügig sein. Kommst du freiwillig mit?"
"Auf keinen Fall." Sie starrte auf ihre Sandalen und zwang sich, ihm nicht wieder in die Augen zu schauen. "Ich bleibe hier. Hast du gehört? Ich bleibe hier!"
Er beugte sich vor und streifte mit seinen Lippen zärtlich über ihr Ohr. "Ich bin froh, dass du das sagst. So komme ich i den Genuss, dich zu tragen." Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, wirbelte er sie herum und legte sie sich über die Schulter, als wäre sie nicht schwerer als ein Sack Federn.
"Idiot! Mistkerl! Blödmann!" Sie strampelte und stiess ihm mit einem Knie in den Bauch. "Lass mich runter, sonst kannst du was erleben. Ich werde dir niemals gefügig sein."
"Du, Liebes, wirst mich zu einem wunschlos glücklichen und befriedigten Mann machen", stiess er zwischen zusammengepressten Zähnen hervor. "Das verspreche ich dir." Er marschierte an den anderen Frauen vorbei, die immer noch nebeneinander in einer Reihe warteten.
Während sie sich zu befreien versuchte, sah Shaya in die glasig verklärten Augen ihrer Mutter, bis Valerian am Zeltausgang angelangt war und sie in die Nacht hinaustrug. Wenigstens blieb ihrer Mom erspart, was auch immer diese Männer mit ihr und den anderen vorhaben mochten.
Der Rest der Krieger marschierte hinter Valerian her und die jungen, alleinstehenden Frauen folgten ihnen, wie es schien, mit dem allergrössten Vergnügen. Aus dem Zelt hörte man verzweifeltes schluchzen. "Nehmt mich mit", riefen ein paar Frauen. "Bitte, ich flehe euch an."
Shaya erstarrte. Rieb sich die Augen und drückte sich mit zwei Fingern fest auf die Nasenwurzel. Das kann doch alles nicht wahr sein. Es konnte doch nicht möglich sein, dass dieser grosse, muskelbepackte, sündhaft schöne Krieger sie tatsächlich zum Meer hinuntertrug und sie mit nach Hause nehmen wollte. Wo auch immer das sein mochte. Was sollte sie bloss tun? Was konnte sie tun?
Valerian und auch die anderen blieben einen Moment stehen. "Wunderschön", flüsterte er, während er bewundernd zu den Sternen am samtschwarzen Nachthimmel hinaufschaute. "Unglaublich." Er redete Englisch - ihr zuliebe? "Jetzt, da wir unsere Frauen haben, können wir die Schönheit der Landschaft geniessen."
"Der himmel scheint unendlich weit zu sein", stellte ein anderer Krieger tief beeindruckt fest. Auch er folgte Valerians Beispiel und redete in Shayas Muttersprache. "Ich habe immer von diesem Land geträumt, aber dass es so umwerfend schön ist, habe ich nicht geahnt."
"Bist du sicher, dass wir nicht hierbleiben können, mein König? Wir könnten den Rest der Armee herbringen und..."
Valerian schüttelte den Kopf und seine seidigen Haare streiften über Shayas nackten rücken. Sie erbebte. "Ich bin sicher", antwortete er. "Layel hat unmissverständlich klargemacht, dass wir sterben, wenn wir länger in der Oberwelt bleiben. Lasst uns keine Zeit verlieren." Er ging weiter und die anderen folgten ihm.
"Zum letzten Mal, lass mich runter!", schrie Shaya und schlug ihm auf den Hintern. "Sofort!"
Er schlug ihr ebenfalls auf den Po, begann jedoch zu ihrer Überraschung sofort, über die Stelle zu streicheln, um den Schmerz wegzumassieren. Dann liess er seine Hand dort liegen. "Wenn die Fransen ihres Baströckchen jetzt noch weiter auseinanderrutschten, dann....."
Shaya knurrte böse. Sie war wütend auf ihn. Wütend auf sich selbst. Alles ruhig und gelassen über sich ergehen lassen war keine Option. "Das ist illegal. Man wird dich erwischen. Kriminelle werden immer gefasst. Wenn man dir den Prozess macht, werde ich die Todesstrafe fordern."
"Wenn es mir gegönnt ist, einmal mit dir zu schlafen, sterbe ich als glücklicher Mann."
"Willst du mich mit diesem Quatsch etwa zum Schweigen bringen?" Sie trommelte mit den Fäusten auf sein Rücken. "Soll ich etwas glücklich darüber sein, dass du mich wie einen Sack Kartoffeln durch die Gegend schleppst? Und warum zur Hölle gehst du ins Meer?"
"Das habe ich dir doch erklärt. Ich bringe dich nach Hause." Gelassen stieg er über ein paar Männer in Tauchanzügen, die immer noch reglos am Strand lagen.
"Hast du die umgebracht?", fragte sie. "Wer sind diese Männer?"
"Sie haben beim Portal gewartet und sich sofort auf uns gestürzt. Es gab keine Zeit für gegenseitige Vorstellungen. Und nein, wir haben sie nicht getötet. Wir haben sie nur in einen tiefen Schlaf versetzt." Valerian schritt ins Meer. Das Wasser umspülte seine Füsse.... seine Knie... seine Oberschenkel. Salzige Tropfen spritzten ihr ins Gesicht und brannten in ihren Augen.
"Bleib stehen! Bleib sofort stehen und lass mich runter."
Er ging ungerührt weiter.
"Vollidiot! Was hast du vor? Willst du mich ertränken?"
"Ich würde niemals zulassen, dass dir irgendetwas zustösst, kleine Mondscheinfrau." Und doch marschierte er weiter ins Meer hinein. Die anderen Frauen folgten ihm lammfromm und verzückt lächelnd. Als wäre es völlig normal, fröhlich in den Tod zu gehen. Ja, sogar ein grosser Spass.
Moment. Nicht alle Frauen gingen brav ins Meer. Die eine mit den dunklen Locken wehrte sich gegen den Krieger, der sie festhielt und versuchte, sich aus der Umklammerung zu befreien.
Shayas Herz hämmerte wie wild. "Du wirst uns alle töten, du überdimensionierter G.I. Joe. Du wirst..." Sie schluckte Wasser und im nächsten Augenblick tauchte sie unter. Ihre Augen brannten. Ihr Hals zog sich zusammen. Ihre Haare schwebten wie eine elfenbeinfarbener Vorhang vor ihrem Gesicht im Wasser.
Der Idiot hielt sie immer noch fest. Er hatte einen Arm um ihre Knie, den anderen um ihre Taille geschlungen. Seine Hände fühlten sich trotz des eisigen Wassers heiss auf ihrer Haut an. Ihre weissblonden Haare umflossen weiterhin ihr Gesicht und sie sah bunte fische vorbeischwimmen. Am liebsten hätte sie laut geschrien, aber jedes Mal, wenn sie den Mund aufmachte, schluckte sie noch mehr Wasser.
Sie sanken tiefer und tiefer. Verdammt, sie musste atmen! Ihre Lungen würden jeden Moment explodieren. Valerian war geisteskrank. Ein Irrer, der erweiterten Selbstmord begehen wollte.
Sie strampelte, kratzte und trat mit aller Kraft um sich, doch sein Griff war eisern. Jetzt war der Ozean so tief, dass Valerian nicht mehr stehen konnte. Stattdessen benutzte er seine kräftigen Beine dazu, weiter hinabzuschwimmen. Tiefer und tiefer.
Ich werde sterben, dachte sie panisch. Das ist mein Ende. Ihre Lungen schrien jetzt förmlich nach Luft. Es gab so vieles, was sie in ihrem Leben noch tun wollte und Sterben gehörte nicht dazu. Sie wollte ein Buch schreiben, einen ergreifenden Liebesroman, in dem die Heldin jene Liebe erlebte, die Shaya selbst sich immer versagt hatte. Sie wollte sich noch ein Tattoo machen lassen, diesmal vielleicht eine schöne Blume. Ihr erstes Tattoo, ein Totenkopf mit gekreuzten Knochen über ihrem Po, hatte sie sich stechen lassen, um die Aufmerksamkeit ihrer Eltern auf sich zu ziehen.
Die Aufmerksamkeit ihrer Mom hatte es auf jeden Fall erregt. Sie schickte ihr immer noch alle paar Wochen Gutscheine für eine Tattoo-Entfernung. Shaya hatten diese Gutscheine immer amüsiert - sie hatten ihr irgendwie sogar das Gefühl gegeben, wenn schon nicht geliebt, so doch wenigstens gemocht zu werden.
Irgendein anderer Gedanke ging ihr durch den Kopf, doch er verflüchtigte sich wieder und ihr wurde schwarz vor Augen. Atme, rief ihre innere Stimme. Atme, sonst verliest du das Bewusstsein.
Plötzlich wurde das Wasser ganz klar und sie konnte alles sie deutlich sehen, als wäre sie an Land. Ausserdem war es auch nicht mehr so salzig, eine Wohltat für ihre gereizten Augen. Valerian zog sie nach vorn. Instinktiv versuchte sie, ihn wegzustossen, aber er hielt sie fest.
Vielleicht war es ja auch gut sie. Sie wollte ihre einzige Verbindung zum Leben nicht verlieren. Und derzeit war Valerian - so wahnsinnig er auch war - genau das.
Ja, im Moment war er sowohl ihr Zerstörer als auch ihr Retter. Sie sah ihn an und bewegte ihre Lippen. "Atmen." Der Drang, Luft zu holen, war so stark, dass ihr ganzer Körper sich verkrampfte.
Er bewegte ebenfalls die Lippen: "Bald." Dann deutete er mit dem Kopf nach vorn und sie schaffte es, ihre Panik zu unterdrücken und hinzuschauen. Ihre Augen weiteten sich, als sie den wabernden, gallertartigen Strudel vor sich sah. Was zum Teufel war das? Und warum schwamm Valerian direkt darauf zu?
Sie musste... ihn aufhalten. Sie streckte einen vor Schwäche zitternden Arm aus, um seinen Schwung zu bremsen. dabei streifte sie mit den Fingerspitzen den Strudel und im selben Augenblick löste sich die Unterwasserwelt in ein schwarzes Nichts auf, in einen Abgrund , der sie mit offenen Armen willkommen hiess. Tausend Schreie gellten in ihren Ohren und in jeden Millimeter ihrer Haut schienen sich Nadeln zu bohren.
Der Schmerz war fast nicht auszuhalten.
Ein helles licht blitzte auf, schwirrte an ihr vorbei und war in der nächsten Sekunde wieder verschwunden. Shaya wurde von einem Sturm erfasst, der sie im Kreis herumwirbelte. Wo war Valerian? Auch er war verschwunden. Sie wurde so schnell durch die Luft gewirbelt, dass ihr schwindelig wurde. Allein.
Verängstigt. Kein Ende in Sicht.
Sie stürzte ins Nichts, fiel... und fiel...
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