20. Kapitel
Valerian konnte es nicht fassen, das jemand in sein Zimmer gekommen war, ohne dass er es gemerkt hatte. Normalerweise war sein kriegerischer Instinkt auch dann hellwach, wenn er sich seinen animalischsten Lüsten hingab.
Nicht so bei Shaya. bei ihr vergass er alles um sich herum. So etwas war ihm noch nie passiert.
Und ausgerechnet jetzt mussten sie gestört werden. Es war ihm mit Shaya endlich das gelungen, wonach er sich die ganze Zeit gesehnt hatte und ausgerechnet jetzt musste er gehen. Aber sie zu beschützen war wichtiger, als mit ihr zu schlafen.
Das würde immer so sein.
Ihre Sicherheit hatte Priorität vor seiner Lust.
Vielleicht träumt er ja nur und das alles war gar nicht wahr. Denn diese Störung war das Schlimmste, was ihm passieren konnte. Ein Albtraum. "Gib den anderen Kriegern Bescheid", sagte er zu Broderick. "Sie sollen sich bewaffnen und in voller Rüstung in der Arena versammeln. Ich bin gleich da."
"Wir gemacht", antwortete Broderick und eilte davon.
Valerian fuhr sich mit einer Hand über das Gesicht. Ach Götter, er hatte gewusst, dass dieser Tag kommen würde. Aber warum ausgerechnet heute? "Broderick", rief er seinem stellvertretenden Kommandanten nach. "Wurden die Frauen in Sicherheit gebracht?"
Broderick kam zurück. "Man bringt sie in dieser Sekunde in ein Versteck."
"Ausgezeichnet. Und jetzt geh. Du weisst, was du zu tun hast." Broderick verliess zum zweiten Mal das Zimmer und kurz darauf hörte er man seine Schritte durch den Gang hallen.
"Es tut mir leid, Moon", sagte Valerian und schaute auf Shaya hinunter. Ihre Wangen waren gerötet, ihre hellen Haare lagen wie weisse Seidenbänder auf dem Kissen und er konnte sehen, wie sich ihre harten Nippel unter der dünnen Decke abzeichneten. "Ich muss gehen."
Sie schwieg.
Er wusste nicht, was er sonst sagen sollte. Sich aus ihrer Umarmung zu lösen und aufzustehen fiel ihm schwerer als alles, was er je hatte tun müssen. Er wünschte, sie hätten wenigstens noch so viel Zeit, um sie zum Orgasmus zu bringen, damit zumindest einer von ihnen Erlösung fand.
Während er sich hastig seine Hose anzog und den Brustharmisch anlegte - der vom heutigen Training immer noch blutverkrustet war - , merkte er, dass er immer noch nicht seine ganze Kraft wiedererlangt hatte. Sein griff war nicht so fest, wie er sein sollte und er war etwas wackelig auf den Beinen. Daran liess sich jetzt nichts ändern. Resigniert band er sich die Stiefel zu.
"Du ziehst in den Krieg?" Endlich sagte Shaya wieder etwas. Allerdings verriet ihre Stimme nichts darüber, was in ihr vorging. sie klang so emotionslos und kühl, als wäre nichts zwischen ihnen geschehen. Als hätte er sie nie gestreichelt. Nie seine Finger in ihr gehabt.
Das ärgerte ihn genauso sehr wie die Tatsache, dass Broderick sie gestört hatte. "Wenn es nötig ist, um diesen Palast zu behalten, dann werde ich in den Krieg ziehen, ja."
"Aber ... du bist verletzt."
"Ja."
"Du solltest jetzt nicht kämpfen. Deine Wunden werden wieder aufbrechen."
Er wandte ihr den Rücken zu und nahm seinen Helm und den Schild, an dem der Totenkopf befestigt war. "Zweifle nicht schon wieder an mir, Moon. Ich bin durchaus in der Lage zu kämpfen."
"Warum gibst du den Drachen nicht einfach ihren Palast zurück?"
Er würde nicht zulassen, dass seine Krieger wieder ohne ein richtiges Zuhause durch das Land ziehen müssen. "Er gehört jetzt mir und ich behalte, was mir gehört. Immer." Seine Worte waren als Warnung an Shaya gerichtet. Sie gehörte jetzt ihm und er würde sie nie mehr hergeben. "Zieh dich an."
Sie schaute an sich hinunter und stellte erschrocken fest, dass sie sich nicht ganz bedeckt hatte. Ihre Hose stand weit offen. Verlegen hob sie das schwarze Hemd vom Boden auf und zog es sich über den Kopf.
Valerian bedauerte, dass sie nicht mehr halb nackt vor ihm lag. Er streckte ihr eine Hand entgegen und bedeutete ihr, mit ihm zu kommen. Sie tat es - überraschenderweise ohne zu protestieren - und band im Gehen ihren Gürtel zu. Seine Hand nahm sie allerdings nicht.
"Wohin bringst du mich?" Ihr Blick war voller Sorge. Um ihn? Das sie um sich selbst Angst hatte, bezweifelte er.
"Ich will nicht, dass dir etwas zustösst. Deshalb bringe ich dich zu den anderen Frauen."
"Wohin?", fragte sie wieder. "In das Zimmer, indem wir heute Vormittag waren?"
"Nein, du wirst schon sehen." Er wusste, dass sie Widerstand leisten würde, wenn er ihr sagte, wohin er sie brachte. Wenn er sie einfach hinführte, würde ihnen beiden viel Zeit und Mühe erspart bleiben.
Er hatte es eilig. Shaya musste in Sicherheit gebracht werden.
Er nahm sie an der Hand und zog sie durch drei verschiedene Gänge. Einige seiner Männer, die unterwegs in die Arena waren, überholten ihn und Shaya und nickten ihm kurz zu. Die Arena war nicht Valerians Ziel. Als er mit shaya weitereilte, wurde die Luft plötzlich kalt und feucht. Nebel stieg zur decke auf.
"Du bringst mich zum Portal?" Shaya schlug ihm auf die Schulter. "Hast du nicht gesagt, ich würde ertrinken, wenn ich es benutze?"
"Ich würde dich niemals in das Portal hineinschicken - egal, was passiert." Am Ende des Ganges waren bereits die schroffen Höhlenwände mit den erotischen Malereien zu sehen. Valerian ging an dem Portal vorbei und achtete darauf, dass weder er noch Shaya mit der gallertartigen Flüssigkeit darin in Berührung kamen, die Atlantis vom Meer trennte.
"Ich verstehe nicht ganz ...", sagte Shaya.
Jetzt hörte Valerian Frauenstimmen. Unter seinen Sohlen knirschten Zweige und Knochen, die noch aus der Zeit stammten, als die Drachen im Palast residiert und jeden Menschen getötet hatten, der versuchte, durch das Portal nach Atlantis zu gelangen. Valerian hatte sich schon oft gefragt, warum Atlanter nicht in der Oberwelt überleben konnten, die Menschen aber kommen und gehen konnten, wie es ihnen gefiel. Einmal hatte er sogar eine ganze Armee das Portal passiert und das war der Grund, warum die Drachen Eindringlinge so gnadenlos getötet hatten, warum diese Höhle zu einem Ort des Todes und der Zerstörung geworden war.
Valerian war der Meinung, dass die Höhle in seinen Händen besser aufgehoben war. Unschuldige Menschen hatten es nicht verdient zu sterben. Was wäre gewesen, wenn Shaya vor seiner Eroberung des Palasts hier aufgetaucht wäre? Man hätte sie ermordet.
"Sind das etwa Knochen?" Shaya schlug sich eine zitternde Hand vor den Mund. "Die sind mir vorher gar nicht aufgefallen."
"Menschen haben immer wieder versucht, uns Atlanter auszurotten, um an unsere Reichtümer zu kommen", erklärte er. "Die Drachen haben getan, was ihrer Meinung nach nötig war, um die Bewohner von Atlantis zu beschützen."
Valerian zog Shaya eine Treppe hinunter, die in einer schmalen Kluft zwischen zwei blutverschmierten Felsen versteckt war. Das Portal war der Grund, warum die Drachen diesen Palast zurückerobern wollten. Sie würden bis zum Äussersten gehen, um es in ihren Besitz zu bringen. Darius, der Drachenkönig, war als Wächter für das Portal verantwortlich. Er musste alle Eindringlinge umbringen.
"Du hast mir noch immer nicht erraten, was die erogenste Zone einer Frau ist", sagte Shaya. Sie klang verängstigt und versuchte offenbar verzweifelt, an irgendetwas anderes als an Krieg und Tod zu denken.
"Und das werde ich auch erst, wenn ich wieder mit dir im Bett bin." Valerian hoffte, dass das Geheimnis sie eine Weile beschäftigten würde und sie so von der gefährlichen Situation ablenkte, in der sie sich befanden.
"Du bist ein Idiot."
"Und du bist wunderschön."
Sie schwieg. Dann blieb sie erschrocken stehen. "Wo sind wir hier? " Ihre Stimme hallte von de Wänden wider.
Sie hatten den Fuss der Treppe erreicht und einen Raum betreten, den Shaya nicht kannte. Valerian lehnte sein Schild an die Wand, legte einen Arm um Shaya und drückte sie an sich, damit sie nicht türmte, wenn sie die Gefängniszellen sah.
"Willkommen im Kerker, Moon."
Die Frauenstimmen verstummten für einen Moment, dann brachen sie in begeistertes Kreischen aus. "Valerian, du Prachtkerl! WIe wunderbar, dich zu sehen!"
"Valerian!"
"Huhu, Valerian!"
Shaya erblickte leuchtende blaue Gitterstäbe, hinter denen sich all die anderen Frauen befanden.
"Auf keinen Fall", protestierte Shaya, als sie das Gefängnis sah - ein Gefängnis, das selbst einen Unsterblichen dauerhaft festhalten konnte, wenn es sein musste. Sie riss sich von Valerian los. "Ich lasse mich von dir nicht einsperren!"
Er sah sie entschlossen an. Sie erwiderte seinen Blick mit der gleichen Entschlossenheit. Ihre dunklen Augen funkelten, als er sie mit dem Rücken gegen die Wand drückte.
"Versuch ruhig, mich einzuschüchtern". Sie straffte die Schultern und reckte das Kinn trotzig empor. "Ich bleibe nicht hier unten, während du dich da oben mit Drachen prügelst."
"Hier ist es am sichersten für dich."
"Was ist, wenn du stirbst? Sitzen wir dann bis an unser Lebensende hier unten fest?"
"Das wird nicht passieren."
"Kannst du das mit hundertprozentiger Sicherheit garantieren?"
"Ja." Er würde nicht zulassen, dass ihm etwas zustiess. Schliesslich hing Shayas Leben von ihm ab. Das war eine Tatsache.
Sie verschränkte die Arme. "Wie kannst du dir da so sicher sein? Bist du Hellseher?"
Sein Augenlid zuckte, als er mit einer schnellen Handbewegung auf die Krieger deutete, die vor dem Gefängnisgitter standen. "Falls mir etwas passiert, lassen euch diese Männer frei. Beruhigt?"
"Ich bin kein kleines Mädchen, das auf dumme Gedanken kommt, während der grosse starke Mann draussen für sie kämpft. Du brauchst keine Angst zu haben, dass ich mich in den Kampf stürze. Ich bleibe hier unten, okay? Du musst mich nicht einsperren."
"Die Gitterstäbe sind nicht für euch. Sie sind für die Drachen.Wenn sie euch erwischen, verbrennen oder vergewaltigen sie euch. Vielleicht beides. Willst du das?"
Ihr ohnehin schon blasses Gesicht wurde bleicher.
Er schlug einen sanften Ton an. "Versuch, die anderen zu beruhigen, solange ich weg bin. Würdest du das für mich tun?"
Sie schaute ihn an und für den Bruchteil einer Sekunde sah er Angst in ihren Augen. Angst um ihn. Doch sie runzelte die Stirn und nickte. "Na schön, ich mach's. Aber die Frauen sind gar nicht in Panik", brummte sie. "Sie sind bloss ganz aus dem Häuschen, dich zu sehen."
"Das stimmt, Valerian." Eine dunkelhaarige Frau, die eine dottergelbe Toga trug, kam zum Gitter und legte die Hände um zwei Gitterstäbe. "Wir freuen uns sehr, dich zu sehen."
Shaya presste zwei Finger auf die Nasenwurzel. "Wenn du nicht zurückkommst, bringe ich dich um, das schwöre ich dir."
Valerian nickte Terran zu, der die Zellentür bewachte. Terran streckte den Arm aus und liess seine Finger über die Gitterstäbe gleiten, sodass sie sich plötzlich in Luft auflösten. Valerian konnte einfach nicht anders: Er küsste Shaya ein letztes Mal, leidenschaftlich und feurig und während sie seinen Kuss ebenso stürmisch erwiderte, schob er sie sanft in die Zelle hinein. Dann riss er sich los, trat einen Schritt zurück und die Gitterstäbe materialisierten sich direkt vor ihrem Gesicht.
Einen Moment lang sahen se sich schweigend an. Dann wurde Shaya bewusst, was er gerade getan hat und sie rüttelte empört an den Stäben. Sie bewegten sich keinen Millimeter.
"Du Mistkerl! Ich habe gesagt, ich bleibe freiwillig hier. Du hättest mich nicht mit einer List in die Zelle verfrachten müssen."
"Entschuldige bitte." Valerian hasste es, sie hierzulassen. Wollte sie noch einmal küssen. Wollte noch bleiben. Es durfte nicht sein. Er nahm seinen Schild, drehte sich um und verliess den Kerker. Shayas Flüche hallten ihm nach, während er zum Speisesaal ging.
Broderick kam ihm bereits entgegen. "Die Männer sind bereit."
Valerian drängte Shaya aus seinen Gedanken. Er musste jetzt wie ein Krieger handeln. Kalt, emotionslos. bereit zu töten.
"Ausgezeichnet. Wie weit sind die Drachen noch vom Palast entfernt?"
"Sie sind immer noch in der Äussersten Stadt."
"Haben sie Verbündete?"
"Nein, sie sind allein unterwegs."
"Hat Darius das Kommando?"
"Ja."
Valerian nickte. Darius und er hatten schon einmal gegeneinander gekämpft und obwohl Valerian diese monströse Bestie verwundet hatte, war der Kampf unentschieden ausgegangen. Keiner der beiden Männer hatte den anderen wirklich besiegt. "Ich will, dass unsere besten Männer auf den Festungsmauern Stellung beziehen. Eine Gruppe Soldaten soll sich im Wald rund um den Palast positionieren. Uns darf keine Bewegung des Drachenheers entgehen. Ich will wissen, ob sie Drachen auf das Palastdach fliegen lassen."
"Und wenn das passiert?"
"Werden sie elimeniert." Alle Dachen hatten Flügel, die ihnen erlaubten, durch die Lüfte zu segeln. Ausserdem spien sie Feuer und wenn man sie nicht rasch ausser Gefecht setzte, machten sie alles um sich zu Asche.
Die grösste Stärke der Nymphen waren die Verführungskräfte. Nicht einmal Männer waren immun dagegen und wurden willenlos, sobald sie in ihren Bann gerieten. Darüber hinaus zeigte sich die Leidenschaftlichkeit der Nymphen in allen Lebensbereichen. Nicht nur beim Sex. Sie hatten auch eine leidenschaftliche Kampfeswut.
Da Drachen erfahrungsgemäss dem Zauber der Nymphen nicht verfielen, musste Valerians Männer sich auf ihre Kampftaktik, ihre Schwertkampfkünste und ihren mächtigen Zorn verlassen. Wenigstens war der Palast, der ursprünglich für Drachen gebaut worden war, feuerfest.
"Sollen wir Fallen aufstellen?", wollte Broderick wissen.
Valerian überlegte. "Nein, lassen wir die Drachen ruhig kommen. Dann können wir bei Einbruch der Dämmerung selbst einen Überraschungsangriff starten."
Broderick eilte davon, um Befehle weiterzugeben.
Im Speisesaal trat Valerian an die Fensterfront und starrte hinaus. Die Strasse waren leer. Die Bewohner der Äusseren Stadt hatten wohl Wind von der Drachenarmee bekommen und in Todesangst in ihren Häusern Zuflucht gesucht.
Es herrschte Krieg.
Valerian drehte sich energisch um und ging in die Arena, wo Broderick bereits dabei war, die Männer zu instruieren. "Sobald sie ihre Befehle bekommen hatten. eilten sie davon. "Mögen die Götter mit euch sein", sagte Valerian zu denen, die an ihm vorbeikamen.
"Und mit dir, meine König", hörte er die Krieger viele Male antworten.
Jene, die noch keinen Auftrag erhalten hatten, stellten sich in einer Reihe auf und sahen Valerian erwartungsvoll an. Er begann, vor ihnen auf und ab zu gehen. "Ich möchte, dass ihr die Äussere Stadt unauffällig einkreist und dabei hinter den Drachen bleibt. Ich will, dass sie auf allen Seiten von Nymphen umstellt sind."
Alle nickten.
"Sobald ihr ein Zeichen von mir bekommt, zieht ihr den Ring um sie zu und lasst sie wissen, dass ihr da seid. Und jetzt geht."
Nachdem die Krieger sich eilig entfernt hatten, war Valerian allein. Er blieb einen Moment mit seinem Schwert in der Hand stehen und dachte an Shaya. Wenn sie nicht hier im Palast gewesen wäre, hätte er höchstwahrscheinlich einen Teil seines Heers in die Randbezirke der Stadt geführt und die Drachen von dort aus angegriffen. Aber so, wie die Dinge jetzt lagen, brauchte er all seine Truppen in der Nähe, als eine Art Schutzwall rund um den Palast.
Jetzt musste er nur noch warten, bis die Drachen auftauchten. Und sie dann töten, natürlich. Jeder einzelne seiner Feinde musste eliminiert werden .
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