Kapitel 9
Nervös wippe ich von einem Fuß auf den anderen, während ich ungeduldig auf meiner Unterlippe kaue. Auch wenn es nur ein Stockwerk höher ist, fühlt sich der Aufenthalt im Fahrstuhl wie eine Ewigkeit an. Zudem bin ich auch nicht wirklich ein Fan von Fahrstühlen. Sie haben einfach nichts gutes an sich außer, dass man vielleicht schneller am Ziel ankommt. Im Moment tut mir der Fahrstuhl mit seiner Enge nicht wirklich einen Gefallen, denn auch wenn er für Fahrstuhlverhältnisse überdurschnittlich groß ist, engt es die Luft in meiner Lunge zunehmend mehr ein.
Gott, warum bin ich denn nur so nervös?
Mit meiner etwas feuchten Hand streife ich meine Haare hinter's Ohr und wünschte mir, ich hätte einen Kecks zur Beruhigung mitgenommen.
Ich richte den kurzen dunkelblauen Faltenrock zurecht, wobei sich kaum etwas verändert, zupfe an der weißen Bluse und ziehe meine schwarzen Overkneestiefel etwas höher, so dass nicht wirklich viel nackte Haut übrig bleibt, als die Anzeigetafel im Fahrstuhl auf den nächsten Stock springt.
Die silbernschimmernde Tür geht auf. Unruhig trete ich ein paar Schritte auf den hellen Flur hinaus.
Viel anders sieht es hier nicht aus, denke ich.
Bis auf die Ruhe und die nicht vorhanden Leute, die es in meiner Abteilung reichlich gibt, ähneln sich die Stockwerke sehr. Allerdings beneide ich es um die Ruhe hier sehr. Niemand, der alle paar Sekunden bzw. Minuten mit neugierigen Blicken in dein Büro schaut, und womöglich Angst hat auch nur das kleinste Detail zu verpassen, welches natürlich lebensnotwendig ist - versteht sich.
Orientierungslos betrete ich die etwas kleinere Lobby, als im Erdgeschoss.
Hätte mir Grace nicht sagen können, wo genau ich hin muss?
Hier ähneln die Türen den Wänden, denn die sind genauso weiß, wie die Wand, die sie umrandet. Na bravo.
Langsam mache ich einen Schritt nach dem anderen und versuche dabei so wenig wie möglich irgendwelche Geräusche zu hinterlassen, denn mit jedem Absetzen hallt es durch die ganze Abteilung.
Suchend schaue ich mich um, wobei mir nur ein paar graue Stühle und ein Tresen, der nicht besetzt ist, auffällt. Gibt es denn hier nicht so etwas wie eine Klingel? Doch bei genauerem hinsehen, ist keine vorzufinden.
Leise Musik ertönt durch die winzigen Lautsprecher an der Decke, die es hier nicht ganz so geisterhaft wirken lässt. Hat Mr. Havering denn keine Mitarbeiter, die hier normalerweise irgendwann einmal vorbeilaufen? Oder eine Sekretärin?
Ich hatte innerlich mit mir gewettet, dass er sowas hat. Man kennt ja sonst nur seine Pressesprecherin...
Ich laufe weiter planlos durch den Gang und halte Ausschau nach Mr. Havering, während ich mich frage, warum er mich überhaupt sehen möchte. Habe ich etwas falsch gemacht? Irgendetwas vergessen?
Meine Nervosität kann man deutlich erkennen, denn meine Hände zittern, welches ich versuche zu verstecken, in dem ich sie fest miteinander verschränke, und mit jedem Schritt den ich mache, scheint diese auch nicht weniger zu werden.
Mit zunehmender Verunsicherung schreite ich den Gang weiter entlang bis ich schließlich abrupt gestoppt werde. Mein Gleichgewicht wird völlig aus der Bahn geworfen, meine Füße fangen an zu taumeln, während ich mich nichtsbringend an irgendetwas versuche festzuhalten. Ungeschickt lande ich direkt auf meinem Steißbein. Au.
Etwas verwundert schau ich nach oben. Nein, es ist keine Person, die sich mir in den Weg gestellt hat. Es ist ein verdammtes Regal gewesen! Ein verdammtes Regal! Wie kann man nur so blind sein?!
,, Miss Chester?" Eine männliche Stimme durchdringt die mittlerweile wieder eingekehrte Stille. Ich stöhne. Bitte lass das alles nicht wahr sein! Sag mir einfach, dass es ein Traum ist!
Jedoch tippt mir der Traum ziemlich lebensecht auf die Schulter. Am liebsten würde ich im Erdboden versinken und einfach nicht mehr auftauchen. Bitte tu dich auf! Innerlich flehe ich, jedoch mit wenig Wirkung. Mir bleibt wohl keine andere Wahl als mich der leicht beschämenden Situation zu stellen. Danke Schicksal...!
Leicht drehe ich meinen Kopf und schaue direkt in warme saphirblaue Augen. Wirklich jetzt?
Mit einem verunsicherten Lächeln und peinlich berührt, schaue ich zu ihm hoch. Ein kleines Schmunzeln ziert seine schmalen rosa Lippen. Ja ja, sehr witzig. Höchstwahrscheinlich lacht er sich innerlich schlapp, wie man nur so dämlich sein kann. Tja Skye, du suchst dir auch immer die besten Momente heraus.
Ich stütze meine Hände auf dem Boden ab und hieve mich so elegant wie nur möglich wieder auf meine Füße, was schwere als gedacht bei meiner Ungeschicklichkeit ist.
Nur wenige Zentimeter trennen unsere Körper voneinander. Selbst jetzt kann ich die anziehende Spannung spüren.
Vorsichtig mache ich einen Schritt nach hinten. Ihm so nahe zu sein, macht es nicht gerade leichter, weiter tief ein und auszuatmen.
,, Ja?" Verlegen streiche ich über meinen Rock.
,, Wie ich sehe, haben Sie schon Bekanntschaft mit dem neuen Regal gemacht?" Seine Arme vor der Brust verschränkt und ein scharfer Blick. Will er mich gerade auf den Arm nehmen? Nicht einmal ein 'Haben Sie sich verletzt?' oder
'Alles in Ordnung bei Ihnen?' ?
Doch anstatt mich darüber aufzuregen und mich aus dieser nicht wirklich vorteilhaften Lage zu befreien, beschließe ich, das Spiel mitzuspielen.
Ich mache bedacht ein paar Schritte zurück bis ich schließlich vor dem Regal stehe.
,, Ich muss schon sagen: Sehr schönes Material. So weich und zart." Sachte streiche ich mit meiner linken Hand über das weiße, nicht einmal ansatzweise weiche Regal, und fange an, es wie auf einem Präsentierteller zu präsentieren.
,, Die Maße einfach perfekt" Meine Stimme nimmt immer mehr den verführerischen Ton an ,, und dazu dieser Anblick - ein Augenschmaus." Jetzt, denkt er definitiv, dass ich ihn auf den Arm nehmen möchte. Als ich Mr. Havering wieder anschaue, sehe ich leichte Lachtränen in seinen Augen, mit denen er schwer zu kämpfen hat, sie zurückzuhalten.
,, Also, wenn Sie so gut im präsentieren sind, dann weiß ich nicht, wie man Ihnen da wieder stehen kann." Ungläubig schüttelt er den Kopf und wischt sich die letzten Lachtränen weg.
,, Was man kann, das kann man halt." Ich zucke mit den Schulten und kann mir mein Grinsen nicht verkneifen. Gott, was mach ich hier denn bloß?
Nach ein paar Sekunden Schweigen blicke ich ihm ins Gesicht. Jedoch schaut er nicht zu mir, sondern etwas nachdenklich auf seine Schuhe, während er sich mit der rechten Hand durch seine braunen, leicht zerzausten Haare fährt.
Für einen Moment glaube ich leichte Unsicherheit zu sehen. Doch als er aufschaut, ist davon nichts mehr zu sehen.
,, Kommen Sie doch bitte mit in mein Büro." Etwas verwirrt tapse ich ihm mit großen Schritten hinterher und habe dabei Mühe ihm nachzukommen. Wie kann man nur so rasant seine Stimmung wechseln? Ich schüttel leicht den Kopf.
Als ich ihm den Gang entlang folge, scheint sich nichts zu ändern - was die räumliche Gestaltung angeht. Es ist ziemlich einfach und schleicht gehalten. Diese Konzeption zieht sich vermutlich durch die ganze Firma.
Unerwartet bleibt Mr. Havering stehen, und hätte ich nicht im letzten Moment nach oben gesehen, wäre ich mit ihm kollidiert.
Vielleicht sollte ich mal so einen Kurs besuchen wie ' Wie laufe ich achtsam hinter Menschen her, ohne sie über den Haufen zu rennen?'.
Er öffnet eine Tür und bittet mich mit einer Handbewegung vor ihm einzutreten.
Natürlich geht man nicht ohne Vorstellung ins Büro des CEO's, aber das hatte ich sicherlich nicht erwartet - wenn man hier überhaupt von einem Büro sprechen kann. Hier sieht es eher aus wie in einem Wohnzimmer - zumindest stimmt die Größe.
Betritt man den Raum bekommt man einen Sessel und zwei Sofas in einem wunderschönen Türkis zur Sicht. In der Mitte befindet sich ein Glastisch und darunter ein dunkelgrauer Teppich.
Links weiter hinten im Raum ist der große holzbraune Schreibtisch vorzufinden. Ich stelle mir ja Büros immer so quatratisch, praktisch, gut vor, aber ich werde in dieser Firma immer eines besseren belehrt.
Ich muss vor lauter Überwältigung offenbar in der Tür stehengeblieben sein, denn irgendwann tippt mir jemand auf die Schulter.
,, Hm?" Immer noch beeindruckt, antworte ich nur leise.
,, Ich weiß, ziemlich beeindruckend, nicht wahr?" Er zwinkert mir zu. Ich verdrehe nur die Augen. Angeber. Er läuft an mir vorbei. Jedoch so, dass ich genau sehen kann, wie er jeden einzeln Muskel in sich bewegt. Dieses relativ bekannte, aber dennoch unbekannte Gefühl löst sich in mir aus. Es ist so, als würde es einen Nachschub an Adrenalin geben, und dabei läuft er nur an mir vorbei! Ich will dieses Gefühl nicht spüren. Es macht mich verrückt. Jedes. Verdammte. Mal. Und es lässt sich nicht verdrängen.
,, Wenn Sie weiter in der Tür stehen bleiben, kommt es wohl nie zu einer Unterhaltung." Er lässt sich auf seinen Schreibtischsessel fallen und lehnt sich leicht zurück.
Ich schüttel schnell meinen Kopf, um wieder in der Realität anzukommen und setze meine Füße in Bewegung. Vor dem Tisch angekommen, lasse ich mich sachte auf den Stuhl fallen, welcher mehr als bequem ist.
Mr. Havering lehnt sich noch immer leicht zurück und sieht mir dabei direkt ins Gesicht. Ich weiß nicht, ob er damit irgendetwas bewirken möchten, denn wenn ja, dann gelingt es ihm. Ich kann seinen Blick förmlich auf mir entlang wandern spürn, und mit jedem weiter wandern hinterlässt es bei mir ein kleines Kribbeln.
Ich schaue ihn eindringlicher an und frage mich gleichzeitig, warum er sich nicht in der Öffentlichkeit zeigt. Unattraktiv ist er auf keinen Fall, die Frauen würden ihm zu Füßen liegen, und ein gutes Auftreten hat er noch dazu. Was also ist der Grund? Hat er...Angst? Oh Gott, Skye, was ist bei dir denn falsch gelaufen?
Neeein, das konnte nicht sein. Umso länger mir dieser Gedanke im Kopf schweift, muss ich selbst darüber lachen. Ich dachte, es wäre innerlicher, denn als mich Mr. Havering verwundert anschaut, wird mir klar, dass es wohl nach außen geklungen hat. Wie peinlich ist das denn...
Ich spüre wie meine Wangen warm anlaufen.
Super gemacht, Skye!
,, Was amüsiert Sie denn so?" Noch immer etwas verwundert, schaut er mich mit seinen saphirblauen Augen an, wobei ich innerlich aufseufze.
,, Nichts wirklich interessantes - tut mir leid." Etwas verlegen knete ich meine Hände zusammen, um mich nicht gleich auf ihn zu stürzen, während er mich immer noch so intensiv anschaut, und nicht den leisesten Ansatzt macht wegzuschauen. Schau weg, schau weg, schau weg.
Mir ist bewusst, dass er mir nicht glaubt, denn nach gefühlten Minuten schaut er mich immer noch an, so dass ich nicht weiß, wo ich hinschauen soll. Ich lasse meinen Blick durch sein Büro schweifen und atme erleichtert auf als er schließlich wieder weggeschaut.
Vermutlich hätte ich es keine Sekunden mehr ausgehalten. Mann Skye, zügel dich!
,, So, wo sind wir stehen geblieben?" Er fragt es sich eher selbst, als mich dies zu fragen.
Leicht leckt er sich mit der Zuge über seine Lippen. Seufz.
,, Ich weiß es nicht." Nur ein Hauch von meiner Stimme ist zu hören - nicht wirklich im Stande irgendetwas zu tun.
,, Ich habe mir Ihre Zeugnisse angeschaut und mit Grace geredet." Entschieden sieht er mich an. ,, Sie sind zwar noch nicht lange hier, aber ich würde Sie gerne befördern - was bedeutet: Sie werden meine persönliche Assistentin - in ihrem Fachgebiet, versteht sich."
Schlagartig öffnet sich mein Mund, nichtwissend was ich sagen soll. Ich hab eher mit einer Kündigung gerechnet oder einem Tadel - warum auch immer, man weiß ja nie - aber mit einer Beförderung definitiv nicht.
,, Vorausgesetzt Sie möchten diesen Posten haben..." Er lehnt sich mit seinen Armen auf den Schreibtisch. Ein leichtes Grinsen stiehlt sich auf seine Lippen.
,, Ee-h-h-h, ich weiß ni-i-icht, wa-a-as ich da-a-azu sagen so-o-ll." Nur stotternd bringe ich einen Satz hervor. Super Skye, noch nicht einmal richtig sprechen kannst du, aber ne Beförderung abräumen - erste Sahne!
,, Ein 'ja' oder ein 'nein' wäre eine Möglichkeit." Mr. Havering zuckt mit den Schultern, während er unschuldig dreinschaut.
,, Natürlich ja!!" Vor Freunde springe ich beinahe vom Stuhl auf, kann mich im letzten Moment aber noch zurückhalten, und schlage mir die Hände vor den Mund. Ungläubig schüttel ich den Kopf.
,, Ich würde sagen, das ist dann genug Antwort." Grinsend nicke ich.
Meine innere Göttin dreht gerade eine Ehrenrunde durchs Stadion und lässt sich bejubeln.
Hey ihr Lieben,
ein 'Entschuldigung' reicht nicht einmal ansatzweise aus, dass ich euch so lange warten habe lassen!😑
Dafür ist das Kapitel um so länger geworden. :)
Mir sind einfach die Ideen ausgeblieben, weshalb dieses Kapitel wohl nicht ganz so interessant geworden ist und es so lange gedauert hat bis ich es veröffentlicht habe...
Ich hoffe dennoch, dass es euch gefällt und wenn ja: Lasst doch gerne ein Vote und Comment da! 💕
Habt ihr denn schon Ferien oder noch Schule?
Bis zum nächsten Kapitel.
Alles Liebe,
Eure Vanessa ❤
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