Kapitel 12

Seine Lippen erreichen meine in einem harten Kuss und treiben sie mit ganzer Kraft auseinander. Nichts zartes ist vorhanden und es macht mich süchtig. Süchtig nach mehr. Nach ihm. Ich fühle die kalte Fensterscheibe hinter mir, die mir kurz einen Schock versetzt, als er mich mit einem Ruck umdreht und gegen sie drückt, während er mein Gesicht zwischen seine großen und starken Hände nimmt. Jeder Gedanke in meinem Kopf explodiert zu einem reinen, pochenden weiß, und ich fühle, wie sich die dunkle Windung von Sehnsucht in mir umdreht, meine Regeln bendigt und jegliche Hemmung nachgibt.
Er ist wie der erste Kuss, der mich zum Leben erweckt.
Ich erwidere ihn ungebremst, während die Leidenschaft mich überkommt und meine Arme um seinen Hals schlinge.
Automatisch schließen sich meine Augen und ich kann die Bewegungen seiner weichen, vollen Lippen deutlich wahrnehmen. So sanft, so sinnlich.
Seine Hände wanderen zu meinen Schultern, weiter zu meiner Taille und instinktiv drückt er mich an sich heran.
Die Stellen, die er berührt, brennen wie Feuer unter meiner Haut und ich bemerke, wie das Verlangen in mir immer größer und größer wird.
Ich will ihn. Ich brauche ihn.

Doch ich kann nicht!
Blitzartig setzt mein Verstand wieder ein. Mit der Hand auf seiner Brust, schiebe ich ihn sachte von mir weg und schaue geschockt in seine Augen, während ich selbst von mir überrascht bin. In seinen Augen ist deutlich die Verwirrung, aber auch leichte Perplexität abgezeichnet, so als wüsste auch er nicht, was zueben passiert ist.
Was mache ich denn hier?
,, Tut mir leid, das geht nicht." Schwer atmend, stehe ich vor ihm und ringe mit mir selbst. Man, Skye, wie kannst du nur so dumm sein?
Schnell schaue ich weg, trete ein paar Schritte zurück und verlasse fluchtartig das Büro, ohne ihm noch einmal ins Gesicht zu schauen.

Tausende Gedanken schwirren in meinem Kopf herum, während ich versuche zu begreifen, was gerade passiert ist. Es ist wie ein Traum. Ich, Skye Chester, küsse meinen Chef und das auch noch ohne jegliche Hemmung!
Was ist nur in mich gefahren? Ich wollte ihn. Im Hier und Jetzt spüren, aber das funktioniert nicht! Wie kann nur etwas so Gutes verboten sein?
Ich fahre mir verzweifelt durch die Haare, seufze laut auf und trete in mein Büro, um meine Sachen zu holen. Auch wenn noch meine restlichen Arbeitsunterlagen auf dem Schreibttisch liegen, lasse ich sie dort.

Mit pochendem Herz, welches sich noch immer nicht beruhigt hat, vor allem, wenn es sich an den tiefgehenden, sanften und unwiderstehlichen Kuss zurückerinnert, eile ich den Flur so schnell es geht, mit meinen hohen Stiefel, entlang, dass er vermutlich jeden Schritt hören kann.
Ungeduldig drücke ich gefühlte Tausendmal auf den Knopf des Fahrstuhls, auch wenn es nicht die Wirkung zeigt, die ich mir erhoffe.
Ich hole mein Handy aus meiner unordentlichen Handtasche, in der alles kreuz und quer liegt, heraus und suche Jacques Handynummer heraus, als mir einfällt, dass ich ihm gesagt habe, er könne gehen.
Gefrustet schmeiße ich es wieder zurück und gehe zum Treppenhaus, da mir der Fahrstuhl viel zu lange braucht und die Gefahr besteht, ihm heute noch einmal über den Weg zu laufen. Ich könnte ihm nicht in die Augen sehen.

Ich ziehe die schwere Stahltür zu mir und renne das Treppenhaus eher runter, als dass ich es langsam und vorsichtig laufe, um nicht mit den Absätzen meiner Stiefel umzuknicken. Aber das ist mir im Moment egal. Mann, was habe ich mir dabei gedacht? Kann nicht einmal mein Verstand klar bleiben?
Immer wieder kommen mir seine klaren blauen Augen in den Sinn, in denen ich versinken könnte. Für einen Moment lang lassen sie mich die Welt und all die Sorgen, die ich habe, um mich herum vergessen.
Nein, Skye, du musst dich konzentrieren! Schlag ihn dir aus dem Kopf! Doch meine Gedanken scheint dies wenig zu interessieren, denn immer und immer wieder wird mir sein Geruch in die Sinne gedrängt, dass ich für einen Moment vergesse zu atmen. Es benebelt meine Sinne.
Völlig in Gedanken bei ihm, verschwindet der Boden unter meinen Füßen. Ruckartig verliere ich mein Gleichgewicht, versuche mich zwar am Geländer festzuhalten allerdings gelingt mir das nicht. Ein leiser spitzer Schrei entfährt mir, der jedoch sofort wieder verstummt.
Ich sehe nur noch, wie meine Handtasche vor mir zu Boden fällt, meine Hände und Handgelenke auf dem kahlen und kalten Boden des Treppenhauses aufschlagen, ehe alles um mich herum schwarz wird.

,, Ma'am, ist alles in Ordnung bei Ihnen?" Von weit weg nehme ich eine Stimme wahr, die allerdings sofort wieder weghallt.
Unsanft wird an meiner Schulter gerüttelt, welche mehr als weh tut.
Mein Kopf schmerzt und pocht so stark, als würde ein kleiner, frecher, aber wütender Troll in meinem Kopf herumstampfen.
Vergebens bemühe ich meine Hand anzuheben.
Nach und nach kehrt das Bewusstsein in meinen Körper wieder zurück, aber auch die Schmerzen, die sich immer weiter in meinem Körper, von Kopf bis Fuß, ausbreiten. Ich stöhne auf. Jemand legt mir seinen Arm unter die den Brustkorb, während er versucht mich aufzurichten. Mit immer noch geschlossen Augen verzieh ich vor Schmerz das Gesicht.
Das Letzte an das ich mich erinnern kann, ist er. Mr. Havering. Seinen blauen Augen, wie sie sich in meine bohren. Oh nein!

Etappenweise öffne ich meine Augen. Ein Mann Mitte 30, schwarzen Haaren und breitem Kreuz kniet vor mir auf dem Boden, während er meine Handtasche zu mir rüberzieht. Ich will was sagen, doch versage kläglich dabei.
Der fremde Mann schaut zu mir rüber und als er sieht, dass ich meine Augen offen habe, reagiert er.
,, Ich bringe Sie jetzt ins Krankenhaus." Seine Stimme ist tief, jedoch hat sie nicht das gewisse Etwas, welches Mr. Havering hat. Noch nicht ganz bei Sinnen und du denkst schon wieder nur an ihn!
Er versucht mich unter den Armen hochzuheben, jedoch vergebens.
,, Nein, nicht ins Krankenhaus." Noch teils benebelt und noch nicht ganz wieder in der Realität, versuche ich mich vergeblich dagegen zu wehren. Er ist viel stärker als ich, vor allem in diesem Zustand. Während er Mühe dabei hat mich auf die Füße zu stellen, keuche ich auf. Mein Arm ist um sein Hals gelegt, als er mich hochhebt und auf seinen Armen trägt.

Bei jeder Bewegung schmerzt mein ganzer Brustkorb und auch mein Kopf hört nicht auf.
Mit der Hand fasse ich an meine Stirn.
,, Nicht dran fassen. Sie haben eine Platzwunde!" Der Mann schlägt mir leicht die Hand von der Stirn und als ich das Blut auf meiner Hand erblicke, wird mir reflexartig schlecht und habe Mühe, das Hochkommende zurück zu halten.
Jeden Schritt, den er macht, lässt meinen Körper weiter schmerzen und vibrieren. Ich wollte aufschreien, doch dazu fehlt mir jegliche Kraft.
Es fühlt sich wie Stunden an als wir schließlich im Erdgeschoss ankommen, in dem so gut wie keine Menschen mehr sind.

Mit jeder Anstrengung werden meine Augen immer schwerer und kämpfe damit, sie bei den pochenden Schmerzen offen zu halten. Nichts sehnlicher wünschte ich mir, als das sie endlich aufhören.
Am Rande bekomme ich nur noch mit, wie er mich in ein Auto verfrachtet, dabei erwähnt, dass er ins Krankenhaus fährt und schließlich den Motor startet.

Das nächste Mal als ich meine Augen öffne, strahlt mir helles, blendendes Licht in die Augen. Panik überkommt mich. Ich möchte meine Hände und Füße bewegen, werde jedoch von unbekannten Personen festgehalten.
Vor meinem Bild erscheint ein Mann mit Brille, einer Haube und einem Mundschutz, der mich mit freundlichen Augen anschaut.
Mein Herz pocht und ich kann meinen in die Höhe geschossenen Puls deutlich spüren.
,, Beruhigen Sie sich, Miss Chester. Sie sind hier im Krankenhaus. Mein Name ist Dr. Jankins. Ich behandel Sie." Er dreht sich kurz weg und als er sich wieder zu mir hin dreht, hat er eine Pinzette in der Hand. Mit großen Augen schaue ich ihn an.
,, W-was machen Si-ie da?" Mir ist die Panik deutlich ins Gesicht geschrieben.
,, Sie haben eine Platzwunde am Kopf, die geflickt werden muss. Keine Sorge, das dauert nicht lange." Doch ich tu genau das Gegenteil. Je näher er mit der Pinzette kommt, desto mehr rege ich mich auf und verfalle in eine Nervenkrise, so dass das Gerät neben mir anfängt laute Signale von sich zu geben, die es bestärken.
Ich höre, wie der Arzt vor mir aufstöhnt.
,, Ich werde Ihnen jetzt ein Beruhigungsmittel geben. Das wird Ihnen helfen, runter zu kommen." Genau das hat er damals auch gesagt, genau das Gleiche!
Ich versuche mich aufzusetzen, doch zu spät. Der Arzt verpasst mir das Beruhigungsmittel durch die Kanüle in die Vene.
Mit jeder Sekunde fährt mein Kreislauf herunter. Ich bin unfähig irgendwas zu sagen, mich zu bewegen.
Ich kann nur mit ansehen, wie er anfängt die Platzwunde an meinem Kopf zu behandeln und kann nichts dagegen machen.

Nach 10 Minuten nimmt er seinen Mundschutz vom Gesicht und lächelt mich an, aber ich schaue ihn nur irritiert an.
,, Es ist vorbei. Sie haben es überstanden." Er hilft mir auf.
,, Ich werde Ihnen Schmerzmittel verschreiben, denn Sie haben sich Prellungen an der Schulter, an den Handgelenken und am Brustkorb zu gezogen. Außerdem ist ihr linkes Flußgelenk blau. Sie müssen wohl umgeknickt sein." Während er irgendetwas aufschreibt, schaue ich auf mein Fußgelenk. Es ist tatsächlich ziemlich dick und blau.
,, Ich habe Ihnen schon einmal genug Schmerzmittel verpasst, dass es auszuhalten ist." Er lächelt mich freundlich an und drückt mir ein Blatt Papier in die Hand.
,, Ruhen Sie sich bitte aus." , sagt er noch, ehe er mir ein paar Krücken in die Hand drückt und auch schon den Raum verlässt.
Ein leises 'Danke' rufe ich ihm noch hinter her, aber hören tut er es nicht.

Mit Bedacht setzte ich meine Füße auf dem Boden ab, nehme die Krücken, auf denen ich mich stütze und versuche so schnell wie mir möglich den Raum zu verlassen. Durch die Fenster ist kaum was zu erkennen, denn es ist dunkel. Na super.
Ich denke an den Mann zurück, der mich hergefahren hat, doch als ich in der Notaufnahme keinen sehe, merke ich, dass er schon gegangen.
Ich bitte die Dame an der Information mir ein Taxi zu rufen, um so schnell wie möglich hier weg zu kommen.
Ich schaue auf mein Handy, welches mir zwölf Nachrichten und fünf verpasste Anrufe. Ich seufze auf.
Alle sind von Sam, bis auf drei, die von Jacque und meiner Mum stammen.
Ich beschließe Jacque und Sam zu antworten, damit sie sich nicht ganz so große Sorgen machen und mich mit weiteren Anrufen terrorisieren und stecke es wieder in meine Handtasche.

So gut es geht, humpel ich auf den Krücken nach draußen, um auf mein Taxi zu warten. Es ist frisch. Leichter Wind weht mir ins Gesicht. Endlich keine Krankenhausluft mehr, die wie Desinfektionsmittel und Putzzeug zusammen riecht.
Um die Ecke kommt ein schwarzes Taxi geschossen, welches kurz hupt, als es mich entdeckt. Erleichtert atme ich auf. Es wäre sonst eine lange, unangenehme Nacht geworden, welche ich um Gottes Willen nicht überlebt hätte. Na gut, vielleicht nicht ganz so extrem. Immer so melancholisch, Skye. Zeigt das Mittel schon seine Wirkung?
Freundlicherweise hält der Taxifahrer mir die Hintertür auf, worauf ich ihm ein schüchternes Lächeln schenke.
Mit Schmerzen im Brustkorb, die stückweise nachlassen, setze ich mich hinten rein und versuche nicht gleich auf zu schreien, als ich mit dem Kopf gegen das Dach ramme. Ich bin froh als ich erlöst aufatmen kann.

Hey ihr Lieben,

hier bin ich und habe euch ein neues Kapitel mitgebracht!

Ich habe mir fest vorgenommen heute zu updaten und siehe da: Es hat geklappt! 👍

Ich hoffe sehr, dass es euch gefällt und wenn ja, lasst doch gerne ein Vote da 💕 würde mich sehr darüber freuen.
Anregungen und andere Anliegen immer gerne in die Kommentare ⬇️

Ich hoffe, euch geht es allen gut und passt bitte auf euch auf! Besonders jetzt in dieser schweren Zeit. Bleibt Zuhause und bleibt alle gesund!

Und vielen lieben Dank an meine bezaubernde kleine Schwester AnxaLoveX1, die mir immer hilft, wenn ich eine Schreibblockade habe ❤

Ich möchte mich aber auch bei euch allen bedanken, auch an die stillen Leser, für die vielen Votes und Reads in den letzten Tagen! Ich hab meinen Augen kaum geglaubt!
Vielen vielen Dank! 🙏

Ich hoffe, wir lesen uns bald wieder. Bis zum nächsten Kapitel!

Alles Liebe,
Eure Vanessa ❤

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