Kapitel 1
Nein, nein und wieder nein! Hastig laufe ich mit meinen voll bepackten Händen durch die Regent Street im West End Londons, die so dichtgedrängt ist, dass es mir fast unmöglich ist, meine Tüten in der Hand zu behalten.
Was hatte ich mir auch dabei gedacht zur Rush Hour irgendwelche Besorgungen zu machen, die es nicht eilig hatten? Es ist ein Dilemma. Zur unpassendsten Zeit an einer der meist betuchtesten Straßen Besorgungen zu erledigen, sollte ich wirklich von meiner Liste streichen – gerade wenn es auf die Weihnachtszeit losgeht.
In nicht allzu wenigen Wochen kann ich meiner Mum am Weihnachtstisch erklären, weshalb es noch immer mit keinen Job geklappt hat, obwohl ich guter Dinge bin, dass ich bis dahin etwas gefunden habe. Ich möchte mir nicht ausmalen, wie sie oder auch mein Dad reagieren werden, wenn ich ihnen beichten muss, noch immer arbeitslos zu sein, selbst wenn es gerade mal drei Wochen her ist, seitdem ich meinen Job in einem angesehenen Wirtschaftsunternehmen im Canary Wharf verloren habe, das wirklich gut zu mir gepasst hatte. Der Grund ist mir nahe zu unerklärlich, was es nicht einfacher macht, es zu verdauen.
Behutsam quengle ich mich durch die Menschenmasse, die nicht enger aneinander laufen könnte, was es einem fast unmöglich macht durchzukommen. Leicht frustriert über meinen nicht allzu großen Fortschritt, nehme ich all meine Energie, um mir Platz zu schaffen, mit dem Knopf leicht nach unten geneigt, doch der Erfolg wird nach wenigen Metern gebremst. Mit voller Kraft ramme ich gegen mir unbekanntes, was mich ins Schwanken bringt. Es ist so hart, dass ich befürchte durch meine Tollpatschigkeit Bekanntschaft mit einer Laterne gemacht zu haben, jedoch packt mich das Unbekannte an beiden Armen, so dass ich wieder aufrecht stehen kann, ohne mich gleich mit dem nicht allzu sauberen Boden vertraut zu machen. Ich schlucke kurz, ehe ich mich traue nach oben zu schauen, und nicht vor Scham im Erdboden versinken zu wollen.
Als ich es wage einen Blick darauf zu werfen, was mich vor einer Peinlichkeit bewahrt hat, bleibt mir die Spucke weg. Wenn mein Mund nicht schon trocken genug gewesen ist, dann endgültig in diesem Moment. Ich schaue gebannt in zwei saphir- hellblaue Augen, die mich bedenklich mustern.
Sein Blick gleitet abwechselnd von einem Auge zum Anderen, als er stoppt.
,, Ma'am, ist bei Ihnen alles in Ordnung?“, fragt er mich skeptisch bei dem seine raue Stimme zum Vorschein kommt.
Jedoch bin ich noch immer von seinen Augen hingerissen, dass ich keinen Ton über meinen Lippen bringe. Sie ziehen mich an, als wären sie mein Anker, an dem ich mich festhalten müsste, wenn ich ertrank, und es erschreckt mich.
,, Ma'am?", fragt er ein weiteres Mal und schüttelt mich sachte. Ein wenig besorgt beäugt er mich. Würde ich mich selbst sehen können, würde ich es ihm nicht verübeln können, denn ich fühle mich benommen und mein Mund ignoriert die Anweisungen meines Gehirns, etwas zu sagen. Denn der Anblick von ihm verwandelt mich nur in ein nicht reagierendes zitterndes Wrack.
Ich registriere wie mein Herz gegen mein Brustbein prallt und mein nervöser Atem auf gefährliche Höhen schnellt.
,, J-ja", bringe ich mühsam hervor, nachdem ich mich einigermaßen wieder gefasst habe. Er nimmt seine Hände von mir und steckt sie wieder in die Manteltaschen seines schwarzen, preiswerteren Mantels unter dem ein Hemd sowie eine graue Krawatte hervorscheint.
,,Danke", sage ich schließlich ohne zu Stottern und blicke peinlich berührt auf den Boden.
Vorsichtig streiche ich mir eine lange, goldblonde Haarsträhne aus dem Gesicht, und schaue wieder nach oben, denn er ist einen Kopf größer als ich.
Nach einem kurzen Check, dass ich auch wirklich stabil stehe, beugt er sich nach unten und hebt die auf dem Boden liegenden Tüten auf, bei denen ich nicht realisiert habe, dass ich sie nicht mehr in meinen Händen halte. Achtsam drückt er sie mir wieder in die Hand. Ich nehme sie dankend entgegen, doch bei dem Berühren unserer Fingerspitzen durchfährt mich ein Schlag, der bis ins Mark reicht.
Seine Augen ruhen immer noch auf mir, und so sehr ich mich dagegen sträube, kann ich nicht anders, als mich ein weiteres Mal von ihnen verzaubern zu lassen.
Grün trifft auf saphir-hellblau. Saphir-hellblau trifft auf Grün.
Nicht annähernd hätte ich daran gedacht, dass mich Augen so faszinieren können - vor allem nicht die eines Fremden.
,, Ich hoffe, Sie sind wieder einigermaßen stabil, denn ich muss dringend wieder weiter. Die Arbeit ruft." Mit diesen Worten holt er mich wieder auf den Boden der Realität.
Er wirft einen kurzen Blick auf seine Uhr, nickt mir aufmunternd zu, und macht Anstalten zu gehen, während ich noch immer gebannt und fasziniert auf der ein und derselben Stelle stehe.
Ich schüttle mich selbst, um wieder einen klaren Gedanken fassen zu können, und dränge mich weiter durch die noch immer überfüllten Gehwege.
Ich wünschte mich würde jemand kneifen, und mir sagen, dass das gerade nicht wirklich passiert ist, doch es passiert nichts.
Flüchtig drehe ich mich um, um zu sehen, ob er noch nicht weit weg ist, jedoch ist von ihm weit und breit nichts mehr zu sehen. Ich schüttle meinen Kopf ein weiteres Mal. Habe ich das gerade nur geträumt? Doch hat es sich mehr als realitätsnah angefühlt, dass es nur wahr sein muss.
Ein Fremder, der mich bei der ersten Begegnung fasziniert, sollte ich mir direkt aus dem Kopf schlagen. Es kann einfach nichts gutes bedeuten.
Mit kleinen Schritten, da es auch nicht anders möglich ist, gehe ich Richtung U-Bahn Station Oxford Circus und scheine zwischendurch unterzugehen. Mit meinen 167 Zentimeter komme ich kaum von der Stelle, was mir zudem das Erreichen der Bahnstation mit meinen vielen Einkaufstüten um einiges erschwert. Ich mache mir innerlich eine Notiz, zu Rush-Hour Zeiten keine Einkaufstüten mit mir rumzutragen, denn mal wird man von links angerempelt und mal von rechts und immer wieder stellt man sich die Frage, ob keiner von denen Augen im Kopf hat. Rücksicht auf andere zu nehmen, ist ein Fremdwort. Wie Blinde hetzen sie durch die Gegend, ohne jegliche Achtsamkeit. Hauptsächlich sind es die, die hier arbeiten, jedoch auch unzählige Touristen, die von einem Laden in den Anderen stürmen.
Ich kann es nicht ganz so nachvollziehen wie die, die nicht von hier kommen, was wahrscheinlich daran liegt, dass ich hier schon seit meiner Kindheit lebe.
Zweimal im Monat an einem Samstag begleitete ich meine Mum beim Shopping, für sich selbst oder ihr Modelabel, und das bedeutete für mich, die Sachen in den Schaufenstern an den Modepuppen zu bewundern oder zuzusehen, wie ein blondes fotogene Mädchen Kleider anprobierte, während ihre Augen anfingen zu leuchten. Vermutlich kosteten diese Dinge mehr als meine Miete. Nur ab und zu durfte auch ich mich eine glückliche Besitzern eines preiswerteren Kleides nennen. Es fühlte sich an wie Ostern und Weihnachten zugleich.
Nach langem Drängeln komme ich endlich an der U-Bahn Station an, gerade noch rechtzeitig, denn vereinzelt tropfen kleine Regentropfen auf mein Gesicht. Meinen Schirm hatte ich natürlich in der Schublade meiner Garderobe zuhause vergessen.
Murrend ziehe ich mir meine Kapuze über und schiebe mich mit den Einkaufstaschen unter den Armen geklemmt die Rolltreppen zur U-Bahn hinunter. Tatsächlich werde ich eher von anderen Fahrgästen um mich herum geschoben.
Die Leute drängen sich dicht an dicht auf den Bahnsteig, behalten die Anzeigetafeln im Blick, drängeln sich vor, spähen die Schienen entlang, ignorieren sich gegenseitig mit finsteren Mienen und dies alles gleichzeitig.
Trotzdem schiebt mich die Menge vorwärts und irgendwie schaffe ich es noch, unter lautem Rufen der anderen wütenden Fahrgäste, die Victoria Line zu erreichen, ehe sich die quietschenden, roten Türen hinter mir schließen.
Wenn man hier in London U-Bahn fährt, ist es als ob es Autos kostenlos gäbe. Man ist schon fast am Ziel und dann schnappt es dir jemand direkt vor deiner Nase weg, ohne dass du nachgegeben hast. Es ist ein Teufelskreis, aus dem man nicht mehr heraus kommt.
Die U-Bahn ist so voll, dass ich überhaupt nicht mehr weiß, ob ich meine Einkaufstaschen noch bei mir trage. An der einen Seite meines Körpers befindet sich ein Mann, dessen Schweiß zu riechen man nicht vermeiden kann, denn er ist so penetrant, dass es vermutlich ein Geruchloser bemerken würde. Zudem kann ich seine kratzigen Barthaare an meiner Wange spüren, sodass ich vermutlich jedes einzelne Haar hätte zählen können. Angewidert verziehe ich das Gesicht.
Auf der anderen Seite ist dieser Junge, der die ganze Zeit ein
Salamibaguette in der Hand hält und mir damit noch mehr Hunger bereitet, als ich ohnehin schon hatte. Und ich hätte schwören, er denkt gerade >>Es ist meins!<< , so sehr starre ich darauf. Wie ist es ihm überhaupt möglich, es in der Hand zu behalten, bei den ganzen Fahrgästen?
In den darauffolgenden fünf Minuten versuche ich mich umzudrehen, um mir etwas Platz zu verschaffen, jedoch vergeblich. Ich kann mich nicht einen Zentimeter weiter bewegen. Erleichtert atme ich auf, als die Anzeige anspringt und Green Park zeigt. Endlich. Die Leute drängen hinaus, wodurch nach längerer Zeit wieder frische Luft herein strömt, die man in einer U-Bahn sonst nie bekam.
So schnell ich kann, bahne ich mir meinen Weg zur anschließenden U-Bahn und entscheide mich für die Jubilee Line Richtung Westminster, meinem Zuhause. Gott sei Dank sind es nur ein paar Minuten bis dahin, denn meine Füße machen nach dem ganzen Fußmarsch keinen einzigen Schritt mehr, ohne dabei zu schmerzen. High Heels sind wirklich nicht das optimale Schuhwerk.
Ich seufze kurz, während in Windeseile mein Transportmittel für nach Hause einfährt. Erneut beginnt dieses Drängeln und Schubsen, welches mich irgendwann noch in den Wahnsinn treiben wird.
Hektik gehört nicht gerade zu den Dingen, die ich gern hatte, weshalb ich jeden anderen vorlasse, und warte, bis ich als eine der Letzten einsteigen kann.
Ein letztes Mal drehe ich mich um, und halte nach weiteren Fahrgästen Ausschau, bis mein Blick ins Schwanken gerät. Auf der anderen Seite der Station, erblicke ich ihn. Völlig unerwartet und ahnungslos, starre ich den Mann an, der mich vor einer Peinlichkeit bewahrt hatte.
Eifrig wuschelt er sich durch seine braunen, kurzen Haare, die ungeordnet noch besser aussehen. Sein Blick schweift durch die Gegend, als würde er nach etwas suchen, als er sich umdreht und mich sichtet. Einfach wegschauen, und so tun, als hättest du ihn nicht gesehen. Doch ich kann nicht wegsehen.
Er schmunzelt leicht, was es einem nicht leichter macht, sich los zu reißen. Allerdings werde ich vom Piepen der Türen unterbrochen, nehme meinen Blick von ihm und springe rasch in die Bahn, ehe sich die Türen hinter mir schließen.
Empfindsam nehme ich wahr, wie sich sein stechender Blick in meinen Rücken bohrt, jedoch bemühe ich mich ihn zu ignorieren, während die U-Bahn ansetzt um los zu fahren, nach Westminster.
Hey ihr Lieben,
schön, dass ihr bei meinem ersten Buch gelandet seid!
Ich bin kein Profi und mache dies als Hobby und vor allem, weil ich Spaß daran habe und es liebe meiner Fantasie freien Lauf zu lassen.
Ich hoffe, euch hat mein allererstes Kapitel gefallen und wenn ja: Lsst doch ein Vote und Comment da! 🙂
Bis zum nächsten Kapitel und ganz viel Spaß bei meinem Buch!
Alles Liebe,
Eure Vanessa ❤
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top