2. Wer ist das?
KAPITEL 2
Als ich am nächsten Tag aufgrund meines schrillenden Weckers erwachte, fühlte sich mein Rücken an als hätten Elefanten draufgetrampelt.
Der Weckerton im Hintergrund fügte dem ganzen noch eine Prise Pfeffer hinzu. Meine Kopfschmerzen ließen sich nicht verdrängen.
Schnell aus damit.
Stöhnend und mit verzogenem Blick versuchte ich aus dem Bett zu kriechen. Ich dachte eigentlich, dass mein Bett Zuhause viel zu weich gewesen ist und ich deshalb einen Wechsel brauchte. Und ja bestätigend kann man sagen, mein Rücken ist an dieser weichen Matratze gebunden.
Ich hätte sie hierher liefern sollen.
Als ich mich dann endlich aus meinem harten, jedoch warmen Bett gerafft hatte und nebenbei den Wecker ausmacht - etwas zu energisch meines Erachtens - tappte ich rüber in mein neues Badezimmer.
Das erste was ich tat, war die Badewanne warm laufen lassen. Es war eine Angewohnheit von mir, trotz des verschwendeten Wassers, jeden morgen zu baden. Leider. Während meine Schwester sich durch kaltes Wasser wachspritze, gelang es mir bloß mit ganze viel Wärme - was grob betrachtet gar keinen Sinn ergab.
Ich prüfte das plätschernde Wasser nach ihrer Wärme und hielt kurz meine Finger drunter. Jupp, perfekt.
Mich freuend auf mein neues Bad, suchte ich im Schrank gegenüber von der Toilette meine Gummibänder die ich gestern Nacht extra noch sortierte und anschließend hier reinwarf. Eben weil ich sie immer verlor. Stöhnend öffnete ich dann die kleine Schublade weiter unten wo ich sie dann auch endlich fand.
„Ihr Teufelsdinger.", flüsterte ich mir selbst zu.
Es war komisch nach einer langen Zeit wo man immer seine Schwester als Klette hatte, oder mindestens die Arbeiter im Haus einen voll plapperten, plötzlich gar nichts mehr zu hören. Bis auf das platschende Wasser und die schweren Schritte eine Etage über mir.
In mich hineinlächelnd dachte ich darüber nach, dass ich sowas tatsächlich schon immer wollte. Nachbarn die einen „störten".
Als ich sah wie das Wasser bereits einen Viertel der Wanne gefüllt hatte, hielt ich es nicht mehr aus und zog mir mein Pyjama vom Leib.
Ich war bereits dabei die Seife einzuschütten als mich mein Klingelton daran hinderte . Das jedenfalls hätte ich niemals vermisst. Anrufe. Ständige Anrufe.
Nackig wie ich war machte ich mich also auf dem Weg in mein kleines, persönliches, süßes Reich um den Spassvogel der mich störte, zur Rede zu stellen.
Oder einfach abzuheben.
„Was willst du?", gurrte ich nun miesgelaunt in den Hörer.
Der Spassvogel kicherte am anderen Ende der Leitung. „Deine schöne Stimme hören"
Trotz dessen ich versuchte an meiner miesen Laune hängenzubleiben, gelang es mir nicht. Ganz langsam zuckten meine Mundwinkel. Laila konnte es nie lassen einen zu veräppeln.
„Schön", sagte ich nun verstellt, in einem schrillenden Ton. „ich hoffe du magst sie jetzt noch mehr."
Ich grinste ich mich hinein als ich zurück ins Badezimmer ging und mich in die Wanne setzte. „Ah", stöhnte ich und verzog mir schmerzhaft das Gesicht. Es war doch viel zu heiß.
Ich hörte Laila nicht mehr zu als sie mich fragte ob ich denn grade am Masturbieren war und konzentrierte mich darauf, den Schmerz verebben zu lassen und mich an die Wärme zu gewöhnen.
Ganz langsam verschwand sie dann auch. „Wusstest du", fing ich nun wieder genervt an. „dass du immer zum falschen Zeitpunkt anrufst"
Ein verwirrter Laut war ihrerseits zu hören. „Huh? Und wann soll der richtige Moment sein?"
„Am besten gar nicht." Die Aussage stimmte zwar nicht ganz. Aber das wusste sie.
„Nur weil du am masturbieren bist ...", murmelte sie so leise, dass ich es fast nicht gehört hätte.
So allmählich dachte ich darüber nach, dass ich mir hier tatsächlich paar Freunde machen könnte. Immerhin hatte ich nun die Möglichkeit meine Freunde selbst auszuwählen. Sie mussten also nicht so aussehen als würde ihnen ein ganzer Stadtteil gehören. Perfekte Idee.
Ihre Aussage ignorierend, quetschte ich mir das Handy zwischen die Schultern während ich das Shampoo mit dem Mandelduft öffnete und auf meine Beine tropfen ließ. Es war nicht besonders der angenehmste Duft, jedoch war es besser als die andere Option die mir Carol eingepackt hatte. Kiwi.
Kiwi.
Ich legte das Shampoo wieder beiseite und fing an meine Beine damit einzureiben. „Was machen Mutter und Vater?" Ich war ein kleines bisschen neugierig wie ihre Launen während meiner Abwesenheit war, denn Laila war noch drüben und musste sich noch immer mit Mutter's Stimmungsschwankungen auseinandersetzten. Und dies war nie leicht. Vor allem nicht wenn man alleine war und niemand einem beiseite stehen konnte.
Ich hörte Laila gestresst aufseufzen. „Seitdem du weg bist, wird doppelt so viel auf mich Acht gegeben, Mutter ...-", sie verstummte.
Aufhorchend richtete ich mich in der Wanne auf. Ich wusste, dass mein Abgang Probleme mit sich ziehen würde. Ein kleiner Teufel auf meiner Schulter flüsterte mir zu, dass es vor allem meine Schuld sei.
„Naja ... sie hofft darauf, dass ich nicht das gleiche wie du begehe und abhaue." Laila war es unangenehm mir dies mitzuteilen, aber ich wollte es so.
Vor meiner Abreise hatten Laila und ich ein ernstes Gespräch miteinander. Unter anderem sollte sie mir alles erzählen was Mutter mal wieder zu bemerken hatte. Nur weil ich jetzt ein kleines bisschen freier leben konnte, wollte ich meine jüngere Schwester damit nicht alleine belasten.
Und trotzdem hingen jetzt mehrer Probleme an ihrer Schulter. Und wirklich frei fühlte ich mich nun auch nicht mehr.
Ich atmete tief ein, bevor ist mich wieder meldete. „Mach dir keinen Kopf. Insgeheim hat sie nur Angst, dass aus uns nichts wird. Sie macht sich bloß Sorgen"
Das hoffte ich zu mindestens. Ich wollte nicht von noch mehr überrascht werden.
„Ja. Bestimmt. Ich wollte mich auch nur mal melden, gib Bescheid wenn du mit dem Masturbieren fertig bist und endlich einen richtigen Freund hast."
Auflachend schüttelte ich den Kopf. „Bis das passiert werde ich wohl erstmal zum Psychiater gehen müssen, so viel hat Mutter schon ihren Einfluss auf mich eingeübt."
Auch Laila hörte ich grinsen. „Jaja. Bis dann."
„Küsschen."
********
Er war ein nebeliger Tag in Frankreich. Nach dem Anruf von Laila erhielt ich prompt noch einen, wo es hieß, dass mein Wagen nun zur Verfügung stand. Er parkte vor der Wohnung als ich, verwirrt mit meinem Bademantel, vor der Haustür stand.
Ein kleiner, pummeliger Mann übergab mir die Schlüssel und verschwand so wie er gekommen war. Wie aus dem nichts.
Irgendwann nachdem ich fertig war das alles sacken zu lassen machte es Klick. Mutter und Vater.
Denn ich hatte gar keinen Wagen bestellt. Und als ob dies nicht schon genug wäre, sah dieser Wagen ganz bestimmt nicht so aus als wäre er vom örtlichen Autohaus. Er war auffallend Dunkelgrau und glänzend. Er war und sah auch demnach aus wie ein Prachtwagen.
Ich weigerte mich ihn zu fahren.
So erreichte ich also nun zufuß den Supermarkt, welcher auch gar nicht weit entfernt von Zuhause war. Bloße 25 Minuten Fußmarsch.
Es gab schlimmeres, dachte ich mir.
Als sich die automatischen Türen beiseite schoben, umgab mich eine heiße Luft die im Gegensatz zu der kalten Luft draußen, ziemlich angenehm war.
Ich zog mir meinen dicken Schal vom Leib und nahm einen der Einkaufskörbe an mein Handgelenk.
Obwohl es gar nicht mal so spät war, dämmerte es draußen bereits. Dies lag wahrscheinlich an der sich nähernden kalten Jahreszeit, dachte ich.
Ich schaute vom Fenster weg und hielt Ausschau nach der Abteilung für Fertigprodukte. Der Supermarkt war nicht allzu groß wie in London, aber er kam mir familiär und gemütlich vor. Als würde man den Laden ganz besonders lieben.
Naja, er war immerhin der einzige im Umkreis, soweit ich wusste.
Ich lächelte eine Dame an die mir entgegenkam und mich neugierig musterte. Genauso hatte ich es mir nämlich vorgestellt. Ich fühlte mich Sorgenlos. Konnte meinen Wünschen nachgehen und endlich einmal alleine in einem gewöhnlich Supermarkt gehen, wo ich auch endlich Fertigprodukte probieren konnte.
Zuhause gab es immer Gourmet Speisen von berühmten Köchen oder Unternehmen die spezialisiert auf Luxus-Abendessende waren.
Und wirklich geschmeckt, haben nur die Garnelen.
Ich schob mir eine Haarsträhne hinters Ohr als ich an dem Kühlregal ankam und mir die Produkte dort unten genauer ansah. Staunend betrachtete ich, dass man selbst tiefgefrorenes Gemüse hier fand. War doch bestimmt gesund, oder?
Schulterzuckend ging ich weiter und suchte nach etwas ganz ungesundem. Ich hatte und durfte mir nun endlich den Heißhunger erlauben der mir all die Jahre erspart geblieben war. Mutter sei nicht Dank.
Irgendwann fand ich nach langem Suchen lecker aussehendes Burger-Fleisch. Ich schob es in meinem Einkaufskorb. Als ich den Blick dann hob und flüchtig durch die Gegend blickte, stockte ich kurz in meiner Bewegung.
Meine Augenbrauen hoben sich wie von selbst.
Er war mir vorher nicht aufgefallen. Ein Mann am anderen Ende des Tiefkühlregals schaute zu mir rüber. Ich unterdrückte das Gefühl, ertappt wegzugucken und hielt meinen Blick stand.
Er hatte ein markantes Gesicht mit Bartstoppeln die seine Konturen scharf wirken ließen. Seine Haare waren zu den Seiten kürzer, doch im Allgemeinen hielt sich seine Frisur kurz. Sie waren Dunkelbraun und wirkten zu seinem etwas helleren Hautton wie ein heftiger Kontrast.
Ein dunkelgrünes Shirt spannte sich an seiner Brust bis zu seinen breiten Schultern und flatterte dann etwas lockerer an seiner Taille herab.
Wäre Laila hier gewesen, würde sie kreischen. Er sah aus wie einer ihrer Lieblingsmodel auf einem Cover. Er passte also irgendwie gar nicht zu dem Bild im Hintergrund. So ein Mann in einem gewöhnlichen Supermarkt. In einer Stadt in Frankreich die kaum einer kannte.
Denn er war schön. Wirklich schön.
Die Männer in London die meine Mutter mir vorstellte, waren entweder überheblich, zu klein oder hatten dieses gewisse Etwas nicht.
Doch dieser Mann, welcher zugegebenermaßen auf die 1.90 Meter zuging, übertraf meine Vorstellungen.
Nervös überlegte ich was Laila nun machen würde. Was würde sie tun, wenn sie einen traumhaften Kerl in einem gewöhnlichen Supermarkt treffen würde. Da sie die offenere Persönlichkeit von uns hatte, war ich immer auf ihre Ratschläge angewiesen.
Aber da ich sie jetzt genau in diesem Moment brauchte, lag es also in meiner Hand, drauf einzugehen. Es fiele mir vielleicht leichter, könnte ich seinen Blick deuten.
Ich konnte es nämlich nicht. Ich konnte nicht sagen ob er interessiert wirkte. Bösartig mit dunklem Hintergedanke. Oder einfach nur neugierig.
Ich wusste es schlicht und ergreifend nicht.
Also tat ich wohl das simpelste was man in so einer nervösen Situation tun konnte.
Meine Mundwinkel schoben sich die Höhe. Ganz langsam.
Ich lächelte.
Ich lächelte diesem Mann vorsichtig zu.
Mein Herz pumpte so viel Adrenalin, dass es mich einfach wie ein kleines Schulmädchen aussehen ließ. Hoffentlich bemerkte er dies nicht.
Sein Körper stand meinem entgegen. Nur weiter entfernt, vielleicht Zwei Bürotische. Aber sein Blick blieb gleich. Ich hoffte, dass er mich nun ansprechen würde, oder mir zu mindestens zurück lächeln würde, doch das tat er nicht
Er tat gar nichts.
Oder viel schlimmer. Er bückte sich über den Tiefkühlregal, nahm sich den tiefgefrorenen Brokkoli von zuvor und drehte sich um.
Als hätte nicht er damit angefangen gehabt, mich zu beobachten.
Er ging einfach.
Sein Gang könnte einem Gegenüber in Angst versetzten. Er wirkte viel zu groß. Nun konnte ich auch seinen Unterkörper erkennen. Die dunkle Jeans schmiegte sich perfekt, nicht zu eng, an seinen muskulösen Beinen.
Ich schmachtete ihn hinterher.
Und er ging einfach.
Vielleicht hätte ich ihn nicht anstarren sollen. Vielleicht hätte ich ihn nicht anlächeln sollen. Ja vielleicht hätte ich an diesem Tag nicht zum Supermarkt gehen sollen. Vielleicht, hätte ich einfach Zuhause bleiben sollen.
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