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Meine Zofen tänzeln um mich herum, zupfen meine aufwendig geflochtenen Haare, die mit Perlen und Saphiren verziehrt sind, noch einmal zurecht. Der blaue Stoff meines üppigen Kleides fühlt sich kalt an auf meiner Haut.
Stumm lasse ich das Geplapper der Mädchen in meiner Nähe über mich ergehen.
,,Bist du nervös?", meine ältere Schwester Tirana legt ihre Hände auf meine Schulter und sucht meinen Blick im Spiegel.
Ich falte die Hände im Schoß. Bin ich nervös? Nein. Nein, das bin ich nicht. Habe ich Todesangst? Definitiv. Ich habe Todesangst davor, mein Leben, wie es bis jetzt war, zu verlieren.
,,Ein wenig", antworte ich wahrheitsgemäß und zwinge mich zu einem Lächeln.
Tirana grinst schief. ,,Ich auch. Aber wir wissen, dass das Haupt der Krone schon auf jemandem lastet."
Das stimmt. Evangelina Samos war so gut wie auserwählt, Tiberias Calore's Verlobte, und somit die nächste Königin zu werden. Wenigstens musste ich diese Last nicht fürchten.
,,Rohra, fünf Minuten", blafft Lady Blonos, unsere Lehrerin für Hofprotokoll und unsere Vorbereiterin für diesen Wettbewerb.
Sofort nickt das zierliche Mädchen und legt eine Hand auf den Schminktisch vor ihr.
Rohra ist gerade mal knappe vierzehn Jahre alt. Ihre Chancen, die Gemahlin von dem zweitgeborenen Prinzen zu werden, sind ungreifbar. Dennoch grinst sie überheblich und siegreich, als sie aufsteht, und an uns vorbeigeht. Sie sieht so selbstsicher aus, als hätte sie Evangelina geschlagen und würde nun den Thronerben heiraten. Sie strafft die Schultern und geht galant durch die Tür.
Ihre honigblonden Haare passen gut zu ihren großen, rehbraunen Augen. Sie verleihen ihr den Augenschein, sie wäre ungefährlich.
Doch ich weiß es besser: Rohra ist ein Starkarm aus dem Haus Rhambos, welches über die Beacon Region herrscht und ist somit um einiges gefährlicher als man denkt, denn dafür brauchte man nicht sehr viel Training, man konnte von klein auf zuschlagen.
Ihr braunes, knielanges Kleid wird von einer roten Schleppe verfolgt und wirkt wie rotes Blut in Schlamm.
Rohra atmet nocheinmal tief durch und tritt dann in die Arena.
Die erste zu sein muss hart sein und ich hätte Rohra mit Sicherheit bemitleidet, wäre sie nicht mit ihren zarten vierzehn Jahren schon so überheblich und bissig gewesen.
Als nächstes ist Heron Wells an der Reihe, wie wir von der blaffenden Blonos erfahren.
Heron's Chancen stehen viel besser als die von Rohra, wenn nicht sogar besser, als die von den meisten Mädchen hier.
Heron Wells, die Tochter von Gouverner Wells, trägt ein grünes Kleid, welches mit wunderschönen, echten Blumen verziehrt ist. Damit betont sie ihre Herkunft, das Haus Wells, welche Grünfinger sind, nochmal besonders.
Das Mädchen mit dem filigranen, vogelähnlichen und dennoch wunderschönem Gesicht steht zögernd auf und ich bemerke, dass die sonst so vorlaute, ungestüme Heron nun gar nicht mehr so vorlaut und ungestüm ist.
Als sie an mir vorbeigeht, greife ich nach ihrer Hand und drehe mich zu ihr um. ,,Hau sie von ihren Logen, Her."
Sofort grinst sie und zeigt eine Reihe strahlender Zähne. Mehr braucht sie nicht als Ansporn, schon gar nicht, wenn sie daran denkt, ihren Angebeteten umhauen zu können, der nebenbei bemerkt keiner der Prinzen ist. ,,Nichts lieber als das."
Heron wartet, bis Rohra zurück durch die Tür kommt und schreitet nach Blonos' Zeichen selbst hindurch. Graziel und anmutig, wie eine Blume, die sich im Sommerwind wiegt.
,,Du siehst aufgedunsen aus. Zu viel Zeit im Wasser verbracht?", durchschneidet die scharfe Stimme von Evangelina Samos den Raum, während sie mich im Spiegel mustert. Langsam drehe ich mich um.
,,Oh hallo Nadelkissen. Zu viel Akkupunktur ist auch nicht gut", gebe ich kühl und mit hochgezogenen Augenbrauen zurück.
Wir sehen uns ernst an und brechen dann in Gelächter aus.
,,Steh auf Hoheit. Ich will dein Kunstwerk sehen", sage ich spöttisch und bin überrascht, dass sie weder ein Kleid, noch eine Rüstung, sondern eine schwarze Lederkluft mit Eisenverziehrungen trägt. Normalerweise lässt sie es sich nicht nehmen, mit ihren Händen und ihrer Kraft etwas zu erschaffen, wie zum Beispiel ein beängstigendes Kleid aus Metall, deren Spitzen einen sofort töten könnten.
,,Cleverer Schachzug, nicht wahr?", höhnt sie und lässt sich neben Sonya Iral, einer Gleiterin, auf das Sofa fallen.
Grinsend geben Sonya und ich ihr Recht. Alles, was Samos tat, war ein cleverer Schachzug, denn so war sie aufgezogen worden, dazu bestimmt, Königin zu werden.
So stach sie nochmal mehr heraus und zeigte, dass sie weder ein Kleid, um ihre Schöhnheit zu betonen, noch eine Rüstung, um stark zu wirken, brauchte.
Ich mustere mich ein letztes Mal im Spiegel und stehe seufzend von meinem Platz auf, um mich zu den beiden auf das Sofa zu setzen.
,,Wenn du wenigstens ein bisschen um die Krone kämpfen würdest, Kenna. Du bist eine der wenigen, ebenbürtigen Gegnerinnen hier", seufzt die Magnetorin und lässt die Eisenstücke, die sich vorhin noch an ihrer Kleidung befunden haben, vor sich in der Luft schweben.
,,Wieso? Sie gehört doch sowieso schon dir", antworte ich gleichgültig. Sonya nickt zur Bestätigung.
,,Wo ist Elane Haven?", zischt die Blutheilerin Blonos und sucht den Raum mit ihren Augen ab.
,,Na hier", antwortete diese und erscheint neben mir auf dem Sofa, wo sie sich räkelt und aussieht, wie von Göttern geschaffen.
Die Rothaarige Schattengeherin erschreckt mich nicht einmal mehr. In Jahren der Freundschaft gewöhnt man sich an sowas.
Heron erscheint schwer atmend in der Tür und strahlt übet das Ganze Gesicht. ,,Das war Wahnsinn!", grinst sie und setzt sich zu uns, um uns alles haargenau zu berichten. Blonos aber deutet ihr, durch den Flur nach draußen zu gehen.
Nun ist Tirana an der Reihe. Ihr Kleid ist ähnlich wie meins; wir wollen uns nicht durch das Aussehen ausstechen. Nicht heute. Nicht bei diesem Wettkampf.
Meine ältere Zwillingsschwester hat dieselben blond-braunen Haare wie ich, nur ist in meinen eine blau gefärbte Strähne, um meine Affinität zum Wasser nocheinmal zu kennzeichnen.
Auch unsere Gesichtszüge sind gleich. Einzig und alleine unsere Augen unterscheiden uns: Ihre sind von einem stählernen Grau, wie das stürmische Meer, während meine elektrisch Blau sind, so, wie der Ozean an einem ruhigen Tag.
Als Tirana das Sofa verlässt, wünschen wir ihr alle Glück.
Nicht dass sie es brauchen würde oder Chancen hätte. Nein, Prinz Maven hasst sie so offen, wie sie ihn.
Nach und nach leehrt sich die Garderobe, bis nurnoch Eve und ich übrig sind.
,,Kendra!", vernehme ich auch schon wieder Blonos nervige Stimme. ,,Zehn Minuten! Mach dich bereit!"
Ich mache mir nicht die Mühe, ihr zu antworten.
,,Maven wird dich wählen", meint Eve und betrachtet ihre Fingernägel. Sie sind in der Farbe unseres Blutes lackiert: Silber
,,Was macht dich so sicher?", frage ich verwirrt.
Die Magnetorin betrachtet mich mit einem 'Nicht dein Ernst'-Blick, den ich mit einem 'Doch'-Blick quittiere.
Sie seufzt. ,,Seit Kindtagen an hast du von uns Adelskindern das beste Verhältnis zu ihm. Alle anderen haben sich immer nur um Cal gescharrt, in der Hoffnung, Königin zu werden. Du hast dich nie für den Thronfolger interessiert, und aus genau diesem Grund wird Maven dich wählen."
,,Eve, er sieht mich wenn schon als Schwester. Nicht als Zukünftige", mit einer Hand wische ich ihre Spekulationen weg.
Sie zieht ihre perfekten Augenbrauen hoch. ,,Wie du meinst."
Ich muss das Gesicht verziehen. Ich will keinen dummen Prinzessinen Titel oder gar eine dumme Krone und meine engsten Freundinnen, darunter auch Eve, wissen das.
Tief durchatmend stelle ich mich vor die Tür und warte, bis sie sich öffnet und ich in die Arena treten kann.
,,Viel Glück."
Ich drehe mich lächelnd um. ,,Danke, Eve. Dir auch. Wobei du es nicht brauchst, und ich es nicht will."
Die Tür öffnet sich. Lady Blonos drückt mich überraschend sanft durch die Öffnung.
Blinzelnd versuche ich, etwas zu erkennen.
{1260 Wörter}
[09. Nov. 18]
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