~ 24 ~
,,Ich habe mir ,Roses' angehört", erzähle ich Shawn.
,,Wirklich?" Mit großen Augen schaut er mich an, als könnte er nicht glauben, dass ich mir den Song wirklich angehört habe. ,,Gefällt das Lied dir?"
,,Das Lied ist wunderschön. Es ist eines meiner Lieblingslieder von dir." Der Kanadier zeigt eine Reihe weißer Zähne und bringt mich dazu, dasselbe zu tun. Sein Lächeln ist einfach ansteckend.
,,Es freut mich wirklich sehr, dass es dir gefällt." Er verstummt. ,,Camila, ich muss dir etwas sagen." Mein Blick fällt auf seine Finger, die miteinander rumspielen. An seinem Tonfall erkenne ich, dass es dringend ist.
Sein plötzlicher Stimmungswechsel verwirrt mich. ,,Was ist los?" Er kann seine Nervosität genauso schlecht verstecken wie damals. Irgendetwas stimmt nicht.
Er öffnet den Mund zu sprechen, doch bevor er anfängt, ist das Geräusch eines Schlüssels, der im Türschloss gedreht wird, zu hören. Das sollte Sebastian sein.
,,Schatz?" Wie erwartet ist es die Stimme meines Freundes.
,,Wir sind im Wohnzimmer!", rufe ich. Nun wende ich mich wieder dem Jungen vor mir zu. ,,Was wolltest du sagen?"
Ausdruckslos statt er mich an, bis er schließlich den Kopf schüttelt. ,,Ach nichts, ich habe es schon wieder vergessen." Skeptisch ziehe ich die Augenbrauen zusammen. Die Erklärung erscheint mir sehr unglaubwürdig, aber ich erwidere nichts.
,,Hey, Babe." Sebastian tritt durch die bereits offene Tür. Er begrüßt Shawn, nähert sich mir und beugt sich runter, um mir einen Kuss zu geben. Der intensive Geruch seines Parfüms, das nach Tannennadeln riecht, ist wahrnehmbar.
,,Ich habe mir die Zähne nicht geputzt." Ich lehne mich nach hinten um den Kuss zu vermeiden, aber ich kenne Sebastian zu gut und weiß, dass das nicht kappen wird.
Er grinst. ,,Das ist mir egal und das weißt du auch." Seine Lippen nähern sich meinen. Reflexartig wende ich Shawn meinen Rücken zu und lasse Sebastian seine Lippen auf meine drücken, doch es fühlt sich falsch an. Ich kann deutlich Shawns Blicke auf mir spüren. Den Schmerz, den er gerade empfinden muss, kann ich mir nicht vorstellen.
Nach unserem Kuss überspiele ich meine Schuldgefühle mit einem aufgesetzten Lächeln. Er bemerkt zum Glück nichts, denn er setzt sich auf den freien Platz neben mir.
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,,Das hört sich gut an. Habt ihr das alleine geschrieben?"
Shawn und ich nicken. Wir haben Sebastian gerade den Refrain von „Señorita"vorgesungen.
,,Der Refrain kommt größtenteils von mir, nur das Ende ist von Shawn. An den Strophen arbeiten wir noch." Sebastian lässt die Schultern fallen und es wirkt, als wäre er erleichtert. Es ist nur eine kleine Bewegung, aber sie ist mir aufgefallen. Ist er etwa immer noch eifersüchtig? Ein wenig verstehen kann ich ihn schon, immerhin kann der Text leicht falsch verstanden werden. Andererseits erwarte ich von ihm, meinem Freund, dass er mir vertraut.
Seitdem Sebastian nach Hause gekommen ist, ist die Stimmung im Raum gesunken. Shawn fühlt sich neben uns scheinbar unwohl, denn ständig wippt er mit den Füßen oder bewegt seine Finger.
,,Es ist schon spät, ich sollte gehen", bemerkt Shawn und steht auf. Mit einem Blick auf mein Handy stelle ich fest, dass es bereits 21 Uhr ist. Sebastian und ich begleiten den Lockenkopf noch zur Tür.
,,Schreiben wir morgen weiter?", fragt Shawn lächelnd.
,,Natürlich." Ich umarme ihn zum Abschied und schenke ihm ein kleines Lächeln, das er erwidert. Seine kleine Narbe wird dadurch betont. Nachdem er sich auch von Sebastian verabschiedet hat, dreht er sich um und verlässt das Wohngebäude.
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,,Was ist los? Worüber willst du reden?" Sebastian schaut mir verwirrt in die Augen. Das Mondlicht, das durch das Fenster des Schlafzimmers scheint bringt seine braunen Augen zum Leuchten. In dem Licht erscheinen seine Augen fast schwarz.
Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll und komme daher direkt zum Punkt. ,,Du weißt, dass du dir wegen Shawn keine Sorgen machen musst, oder?" Die Matratze unter uns bewegt sich, weil Sebastian sich aufsetzt.
Er runzelt die Stirn, sofern ich das in diesem Licht erkennen kann. ,,Worüber sollte ich mir denn Sorgen machen?" Sein Pfefferminzatem weht mir beim Sprechen ins Gesicht.
,,Ich habe doch gemerkt, wie du dich heute angespannt hast, als wir dir „Señorita"vorgesungen haben." Ich seufze leise. ,,Du brauchst dir wirklich keine Gedanken zu machen, Shawn und ich sind nur Freunde. Ich schwöre es dir."
„Das weiß ich. Ich vertraue dir auch, Cami. Versuche mich bitte nur zu verstehen", murmelt er und umfasst meine Hände, die auf meinem Schoß liegen. Sofort werden meine Finger von seiner Wärme umgeben. ,,Er sieht gut aus. Er ist ein netter Kerl, sofern ich das beurteilen kann und viele Frauen stehen auf ihn."
,,Aber ich will ihn nicht, ich will dich. Nur dich. Vertrau mir." Ich sehe ihm tief in die Augen und drücke meine Lippen auf seine. Der Kuss dauert nur wenige Sekunden, weshalb mein Bauch nicht so sehr kribbelt wie sonst.
,,Okay", flüstert er und ich lächele ihm aufmunternd zu. ,,Ich liebe dich."
Ich lege meine Stirn an seine. ,,Ich liebe dich auch. Sehr sogar." Es verletzt mich, dass er mir nicht vertraut und ich hoffe wirklich, dass er sich zusammen reißen wird.
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Ruhig höre ich den Geräuschen zu, die entstehen, wenn das Messer durch die Tomatenscheiben gleitet. Der Tomatensaft hat sich bereits auf dem gesamten Schneidebrett verteilt, wodurch das weiße Brett an einigen Stellen rötlich wirkt.
,,Du weißt doch, dass ich Tomaten nicht mag. Kannst du nicht etwas anderes kochen?", beschwert sich Sebastian, den ich an seiner Stimme erkenne.
,,Nein Sebastian, tut mir leid."
,,Wer ist Sebastian?"
Was meint er?
,,Du bist Sebastian. Hast du deinen eigenen Namen vergessen?", scherze ich, mit dem Blick auf die Tomate gerichtet.
,,Ich meine es ernst, ich bin nicht Sebastian. Dreh dich um, wenn du mir nicht glaubst." Ich rolle mit den Augen, drehe mich dann aber doch zu ihm um.
Vor mir steht Sebastian. Ich erkenne ihn an seinen blonden Haaren und der einen Strähne, die ihm vor die Stirn gefallen ist. Seine muskulösen Arme ragen aus dem Tanktop hervor, wodurch die Sicht auf das Nachtigall-Tattoo frei ist. Sein Hass auf Tomaten und die kleine Narbe neben seiner Nase sind ebenfalls deutliche Merkmale von Sebastian, die ich liebe.
,,Schatz du verwirrst mich", gebe ich von mir, denn vor mir steht eindeutig Sebastian.
Er grinst und beißt sich dabei auf die Unterlippe. ,,Wollen wir tanzen?" Wie kommt er jetzt darauf?
,,Meine Hände sind dreckig." Ich schaue auf meine Hände herab, die gerade noch mit Tomatensaft bedeckt waren, aber jetzt komplett trocken sind.
,,Jetzt können wir tanzen", flüstert der Blonde und legt seine Hände an meine Taille. Meine Hände finden ihren Platz in seinem Nacken.
Wir beide bewegen uns, aber man kann es nicht wirklich tanzen nennen. Immer wieder bleiben seine Füße an meinen hängen und einmal wären wir fast runter gefallen. Ich kann einfach nur lachen. Es gibt keinen schlechteren Tänzer als Sebastian.
,,Du hast mich noch gar nicht gefragt, wie ich heiße", spricht mein Freund und zwinkert mir zu.
,,Sebastian, was zur Hölle-"
Er redet dazwischen. ,,Ich bin nicht Sebastian, das habe ich dir schon gesagt." Er nähert sich meinem Ohr und flüstert dann: ,,Ich bin Shawn."
Ich öffne meine Augen und sehe nichts. Verwirrt schweift mein Blick durch den dunklen Raum, während meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnen. Was war das für ein merkwürdiger Traum? Ich wiederhole Sebastians – oder Shawns? – Worte in meinem Kopf.
Ich bin nicht Sebastian. Ich bin Shawn.
Was soll das bedeuten? Der Mann im Traum war Sebastian. Das Vogeltattoo, die Narbe im Gesicht, die Strähne vor seiner Stirn – das sind Dinge, die Sebastian besonders machen.
Je mehr ich darüber nachdenke, desto aufgelöster bin ich. Nach mehreren Minuten schiebe ich die Gedanken an den Traum beiseite und versuche aufzustehen, wobei ich von Sebastians Arm gehindert werde. Er legt seinen Arm nachts immer um mich. Nachdem ich mich vorsichtig – um ihn nicht aufzuwecken – von seinem Arm befreit habe, laufe ich in die Küche.
Das Licht blendet mich zuerst, aber meine Augen haben sich schnell an die Helligkeit gewöhnt.
Mein Blick fällt auf die Uhr. Es ist kurz nach ein Uhr nachts, aber ich bin nicht mehr müde. Ich beschließe daher Lieder zu schreiben.
Der Kugelschreiber gleitet auf dem Papier, aber bis auf kleine Muster schreibe, beziehungsweise zeichne ich nichts ins Heft. Meine Gedanken landen immer wieder beim Traum.
Plötzlich habe ich eine Idee. Ich blättere einige Seiten in meinem Notizbuch zurück, bis ich eine Seite gefunden habe, die ich vor einigen Wochen das letzte Mal beschrieben hatte.
All I do the whole day through, is dream of you
All I do since I met you, is dream of you
He's a bad dancer
He's a right answer
He's a shy singer
Ich ergänze die Zeilen mit zwei weiteren Sätzen, die mir gerade erst eingefallen sind.
Please say you dream of me too.
Can you please say you dream of me too?
Ich setze den Stift auf dem Küchentisch ab. Kurz dannach vibriert mein Handy, das neben meiner Hand liegt.
Shawn hat mir eine Nachricht geschrieben.
Wie würdet ihr den Traum interpretieren? Ich bin auf eure Ideen gespannt 🙈
Ich weiß, das Kapitel sollte eigentlich erst morgen kommen, aber ich konnte es nicht mehr abwarten 😂💚
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