32 - Matthi und Juna


„Über was für ein interessantes Thema habt ihr euch denn eben unterhalten, wenn wir euch so gestört haben?", fragte Matthi und zog Raphaels Schale Pommes näher zu sich heran. „He!", beschwerte sich Raphael und schlug ihm auf die Finger. Matthi sah ihn herausfordernd an. „Ich hab diese Pommes bezahlt, vergessen?" Unbeeindruckt holte Raphael sich seine Pommes wieder zurück. „Und genau aus diesem Grund ist es viel schlauer, wenn du Juna ihre Pommes klaust. Sonst bestiehlst du dich selbst."

Matthi zog die Nase kraus, dann nahm er sich eine in Ketchup getränkte Pommes aus Junas Schale. „Stimmt, hast Recht." Juna schnaubte entrüstet. „Tja, Raphael. Ich glaube du hast soeben meine Unterstützung verloren", sagte sie bedauernd und schnappte sich gleich zwei Pommes auf einmal, bevor Matthi ihr alles vor der Nase weg essen konnte. Die von Herrn Alfons gesponserte Portion war nämlich schon längst von ihm inhaliert worden.

„Also hau raus, was wolltest du mir so dringend nicht sagen?" Raphael wand sich unter ihrem Blick, dann hob er die Hände. „Nimm dir so viele Pommes von mir wie du willst. Als Schweigegeld." Juna tat, als müsse sie überlegen, Matthi sah vorwurfsoll drein. „Ellie, ich hoffe doch wirklich, dass du dieses Angebot nicht ernst meinst. Meine Pommes an Juna zu verschenken, also so etwas!" Er und Juna tauschten einen verschwörerischen Blick. Dann zuckte sie mit den Schultern. „Ich bin leider nicht bestechlich. Und schon gar nicht mit Pommes, die du nur geschenkt bekommen hast." Matthi grinste triumphierend. „Siehst du, dir bleibt gar nichts andres mehr übrig, Ellie", übernahm Juna Raphaels Spitznamen und zog ihn mit einem süffisanten Grinsen in die Länge.

Er rieb sich über die Schläfen und tat so, als würde er sich die Ohren zuhalten. „Nicht du auch noch", stöhnte Raphael. „Ich hab doch gesagt, dass diese Abkürzung furchtbar ist!" Er verzog gequält das Gesicht. Matthi sah ihn überlegend an und stibitzte sich eine weitere Pommes aus Junas Schale. Dieses Mal jedoch tunkte er sie in Raphaels Mayonnaise. Die ganze Angelegenheit war bereits so fettig, dass die Pappschale an einigen Stellen das ganze Öl nicht mehr halten konnte und dunkle Flecken bekam. Trotzdem schmeckten sie Raphael so gut wie nie zuvor.

„Denkst du, es fällt unter psychische Folter, wenn wir Raphaels Namen plötzlich vergessen und gegen diese wundervolle Abkürzung eintauschen?", fragte Matthi und seine Augen funkelten spitzbübisch. Juna schüttelte den Kopf. „Nein, ich denke nicht. Oder was denkst du, Ellie?", wandte sie sich an Raphael. „Genau, Ellie. Sag uns deine Meinung, Ellie", setzte Matthi seine Idee in die Tat um. „Habt ihr etwas gesagt? Ich höre ja gar nichts", konterte Raphael halbherzig, die Hände immer noch über den Ohren. Was unpraktisch war, denn so konnte er seine Pommes nicht mehr essen. Juna empfahl ihm direkt einen Ohrenarzt.

„Der ist wirklich gut, Ellie. Sogar für so riesen Watscheln, wie du sie hast, Ellie." Raphael stieß einen Laut der Verzweiflung aus. „Hört auf!", befahl er, aber sie hörten nicht auf ihn. „Ellie-", setzte Matthi an, aber Raphael schnitt ihm das Wort ab. „Außerdem hab ich keine großen Ohren. Man muss das in Relation zu meiner Körpergröße sehen!" Beruhigend tätschelte Matthi Raphael die Schulter. „Nein, Ellie. Natürlich nicht. Und das wollte Juna bestimmt auch nicht damit sagen, Ellie. Aber da gibt es so einen Film, Ellie. Kennst du den? Da kommt so ein Elefant drin vor und-"

„Matthi, ich warne dich", sagte Raphael drohend und schüttelte Matthis Hand ab. „Ein Wort über den weiblichen Ellie-Elefant und du bekommst ein ernsthaftes Problem!" Es herrschte ein kurzer Moment des Schweigens, dann stieß Juna einen spitzen Schrei aus. „Der Ellie-Elefant! Ich erinnere mich!" Sie lachte und stieß Matthi mit ihrem Ellenbogen zwischen die Rippen. „Weißt du noch, als-", quetschte Juna zwischen zwei heftigen Lachern hervor, den Rest verstand Raphael nicht mehr. Aber es musste lustig gewesen sein, denn kurze Zeit später musste sie sich sogar eine Freundensträne aus den Augenwinkeln reiben. „Herrlich", prustete Juna und Raphael dachte an eine Folge zurück, in der Ellie-Elefant ein rosa Tutu getragen hatte.

Er senkte den Blick auf seine Schale Pommes und hob sie leicht an um zu sehen, ob sich das Fett bereits seinen Weg auf das Handtuch gebahnt hatte. Aber das war noch nicht der Fall.

„Na komm schon", forderte Matthi ihn ein letztes Mal auf. Jetzt war seine Stimme weicher, außerdem hatte er das Ellie weggelassen. Raphael seufzte. „Es war nichts Wichtiges. Bloß eine Vermutung, außerdem-", er zögerte, bevor er weiter sprach. „Außerdem ist es kein besonders lustiges Thema."

Matthi zog die Augenbrauen hoch, dann begriff er. „Also ich fand den Nachmittag sowieso schon viel zu lustig. Es wird Zeit, dass die Stimmung mal wieder so richtig in den Keller geht." Juna verdrehte die Augen und sah Raphael vorwurfsvoll an. „Deswegen? Weil du die die Stimmung nicht kippen lassen möchtest?", stellte sie fest und Raphael nickte knapp. Juna zog die Schultern hoch. „Ich muss sowieso noch meine Mutter anrufen. Sie wird mich so klein zusammenfalten, dass selbst die ausgelassene Stimmung von Nele und Aaron da drüben gestört werden wird."

Sie machte eine Kopfbewegung in Richtung ihrer Handtücher, von ihrer Position aus war lediglich ein großer hautfarbener Punkt zu erkennen. Nele und Aaron waren mit ihren Pommes auf die gegenüberliegende Seeseite herüber gegangen, hatten diese anscheinend aber schon vertilgt oder die Zeit wichtigerem gewidmet und die fettige Köstlichkeit vergessen.

Raphael seufzte und schüttelte entschieden den Kopf. Es war nicht nur die Tatsache, dass er Matthi und Juna noch nicht so lange kannte. Sondern es lag auch daran, dass es ihm gerade Matthi gegenüber unsensibel gewesen wäre, von dem wahren Grund zu erzählen, warum seine Eltern ein mindestens ebenso großes Vertrauensproblem hatten wie Junas Mutter.

„Tut mir leid", murmelte er und schob die Pommes auf Matthis Handtuch zurück. „Hier, vielleicht bist du ja bestechlich." Er sah Raphael prüfend an, dann nickte er und tauchte bereits die ersten Pommes in Mayonnaise. „Glücklicherweise bin ich das."

Juna zog ein gequältes Gesicht. „Dann bleibt die Aufgabe des Stimmungzerstörers wohl aber übel an mir hängen." Nach einer kleinen Pause fügte sie hinzu: „Oder besser gesagt an meiner Mutter. Aber keine Sorge, die schafft das." Raphael wusste nicht, ob es am Licht lag, jedenfalls kam Junas Gesicht ihm blasser vor als eben. „Auf in den Kampf!", warf Matthi ein und forderte Raphael auf, Juna ihre Tasche samt Handy anzureichen

Sie zögerte, bevor sie es entsperrte und in den Kontakten nach der Nummer ihrer Mutter suchte. Raphael schürzte die Lippen, er wunderte sich immer wieder, wenn jemand seine wichtigen Telefonnummern nicht auswendig konnte.

„Hi, ich bin's", meldete Juna sich mit reumütiger Stimme. Raphael zuckte zusammen, als eine laute und schrille Stimme durch die Handylautsprecher zurückplärrte. Matthi atmete ein und zog die Luft scharf zwischen seinen Zähnen hindurch. „Junas Mutter brüllt immer so in den Hörer", wisperte er und zog eine Grimasse. „Wie bei Ron, der die Dursleys anruft, weißt du?" Noch bevor Raphael zu einer Antwort ansetzen konnte, warf Juna warf Matthi einen vernichtenden Blick zu, der wahrscheinlich so etwas wie Es-wäre-besser-für-dich-wenn-du-deine-Klappe-hältst bedeuten sollte.

Matthi verdrehte die Augen, aber Raphael entging nicht, dass er immer noch die Ohren spitzte. Junas Mutter hatte die bereits angekündigte Schimpftirade immer noch nicht beendet. „Keine Nachricht, kein in letzter Sekunde dahin geschmierter Zettel. Unverantwortlich, ich finde das einfach unverantwortlich!" Raphael senkte seinen Blick, er wusste genau, was jetzt kam. Der Rückbezug auf die eigene Verantwortung und - „Ich hab immer gedacht, du seist schon dazu bereit, eigene Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu übernehmen." – anschließend der elegante Schlenker über die verletzten Gefühle hinweg zu leider notwendigen Sanktionen.

„Du lässt mir keine andere Wahl, Liebes!" Raphael schluckte und fragte sich, ob Juna schwerhörig war, oder warum es auch nur irgendwie von Vorteil sein sollte, dass er jedes einzelne Wort verstand, dass ihre Mutter gegen sie vorbrachte.

„Hör mir zu, Juna." Plötzlich war die Stimme am anderen Ende der Leitung gedämpfter. Raphael biss sich auf die Unterlippe. Seine Mutter machte das auch immer. Wechselte von der lautstarken Wutstimme hin zu der enttäuschten und verletzten, die nichts anderes wollte, als dass man ein schlechtes Gewissen bekam. 

„Mach ich doch, Mama." Eine kurze Pause entstand, in der Matthi die fettige Pommesschale zu einer Kugel zusammenpresste. Etwas Ketchup löste sich vom Rand und landete auf den gruselig blauen Augen der Barbiepuppe auf Junas Handtuch. Jetzt ähnelte ihre Farbe nicht mehr derer Matthis Augen.

„Ich mache mir doch einfach nur Sorgen um dich. Ich schätze du weißt noch-" Wieder eine Pause, aber Juna rutschte von ihrem Handtuch, schirmte ihr Handy mit einer Hand ab und stand auf. „Mama, klar weiß ich das noch." Junas Stimme zitterte, sie wandte sich ab und lange dunkle Haarsträhnen verschleierten ihr Gesicht.

„Aber es ist nicht dasselbe. Und das weißt du." Raphael runzelte die Stirn. Er hatte geglaubt, sie redete von der Krankenhausgeschichte und Junas gebrochenem Arm, den ihr Vater ihrer Mutter verheimlicht hatte. Erst jetzt wurde ihm klar, dass sich Junas Bemerkungen genauso gut auf Lissa beziehen konnten. Matthi saß näher neben ihr, Raphael sah zu ihm herüber.

Seine Miene war versteinert und ausdruckslos. Er hatte die Hände ineinander verschränkt. So fest, dass seine Fingerknöchel weiß hervortraten. Junas Lippen waren leicht geöffnet, sie ließ ihre linke Hand wieder sinken. Selbst für einen notorischen in-den-Hörer-Brüller waren die folgenden Worte von Junas Mutter widernatürlich laut. Sie wurden vom Handy Lautsprecher verzerrt, vermischten sich mit der schwülen Sommerluft, schwebten träge zwischen ihnen und schnürten ihnen allen die Luft ab.

„Ich denke nicht, dass Lissa das gewollt hätte, Liebes."

Unheilvoll leere Sekunden verstrichen. „Juna? Juna Liebes, bist du noch dran?" „Dass sie was nicht gewollt hätte? Dass ich Spaß habe?" Raphaels Unbehagen wuchs mit jeder Sekunde. „Nein, aber zum Beispiel, dass du das Auto nimmst, damit wegfährst ohne es zu dürfen und dann genau an der Stelle hältst, an der-" Juna ließ jetzt auch ihr Handy sinken, die Hand wieder auf den Lautsprechern. Sie legte den Kopf in den Nacken, blinzelte bis ihre Augen nicht mehr gläsern und feucht wirkten.

Raphael fühlte sich wie ein Eindringling, wie ein Fremder. Er saß hier, obwohl er Juna und Matthi nicht kannte, obwohl er es nicht geschafft hatte, den Mensch zu retten, den sie beide so geliebt hatte. Er hatte doch noch nicht mal sein eigenes Handtuch dabei. Und alles, was hier vor sich ging, hatte ihn im Grunde nichts anzugehen.

Ihm wurde schlecht, wenn er Juna ins Gesicht sah, wurde schlecht, wenn Matthi in die Leere vor sich starrte. Es war zu viel Trauer und zu viel von allem, was ihn an die schweigsamen Tischgespräche bei ihm zuhause erinnerte.

„Du hast Recht." Junas Stimme zerschnitt Raphaels Gedanken. Sie hielt das Handy wieder am Ohr und Raphael wollte es ihr am liebsten aus der Hand reißen. Wollte ihrer Mutter entgegen brüllen, dass sie alles nur noch schlimmer machte. Aber er blieb sitzen, wie versteinert. „Ich komme jetzt nach Hause", fuhr Juna fort. Dann drehte sie sich zu Raphael um. „Weißt du, wann hier der nächste Bus abfährt?" Matthi richtete sich protestierend auf, es schien, als würde er ihr etwas entgegensetzen, aber Juna brachte ihn mit einer einzigen Kopfbewegung zum Schweigen.

„Ich möchte nicht, dass ihr wegen mir auch schon weg müsst. Ich habe gehört, dass Tobi und ein paar andere noch kommen wollen. Für ein Lagerfeuer mit Würstchen am Spieß." Raphael schluckte über die Bedeutungslosigkeit, die in ihrer Stimme mitschwang. „Es ist überhaupt kein Problem, ich fahr dich sofort nach-", setzte Matthi an, aber Juna schüttelte den Kopf. „Wann kommt der Bus, Raphael?"

Er griff nach seinem Handy. Unter den weiß leuchtenden Ziffern der Uhrzeit leuchteten ihm zwei neue Nachrichten entgegen. Beide von Celine. Und er hatte schon gehofft, die Nachrichten würden nie kommen. Er ließ sein Handy zurück in seine Tasche gleiten. „In zwanzig Minuten kommt der nächste Bus. Danach erst wieder morgen um zehn nach sechs." Er kannte die Abfahrtszeiten aller Bushaltestellen im Umkreis auswendig. Ein Vorteil, wenn die Busse nur zu den Stoßzeiten stündlich fuhren.

„Danke."

Raphael nickte, brachte das Gerne nicht über die Lippen. Matthi sammelte den Ketchup von Junas Handtuch und räumte die Tupperdose in ihre Tasche zurück. „Ich nehme den nächsten Bus und bin bald zu hause. Es tut mir Leid, Mama. Matthi bringt das Auto heute Abend vorbei."

Matthis Lippen kräuselten sich, aber er sagte nichts. „Bis gleich." „Bis gleich, Liebes", antwortete Junas Mutter. „Hab dich lieb", flüsterte Juna in ihr Handy, aber es war bereits die monotone Tonfolge zu hören, die verkündete, dass Junas Mutter aufgelegt hatte. Sie blieben alle drei einen Moment lang wie versteinert sitzen. Es war Juna, die sich als erste aus der Starre löste und ein unechtes Lächeln aufsetzte. Es erreichte ihre Augen nicht. „Ich hätte darum wetten sollen, dass meine Mutter die bessere Stimmungszerstörerin ist. Vielleicht bekomme ich ja beim nächsten Mal eine Pommes?", fragte sie in Matthis Richtung, aber ihre Stimme zitterte zu sehr, als dass ihre Bemerkung in die Kategorie witzig gepasst hätte. 

Raphael sagte nichts, da Juna mit Matthi gesprochen hatte, aber Matthi sagte auch nichts, sodass es still blieb. Juna zog Hose und T-Shirt aus der Beuteltasche mit den glänzenden Pailletten, das T-Shirt hatte zusammengeknüllt darin gelegen, es war knittrig geworden und dort, wo der Stoff ihren noch feuchten Bikini berührte, färbte er sich dunkel.

Sie rollte das Handtuch zusammen und der frei werdende Rasen zwischen Matthis und Raphaels Handtuch wirkte merkwürdig bizarr. Einer von ihnen würde die Lücke schließen müssen, wenn sie weg war. Juna stand auf und seufzte. „Es war trotzdem schön mit euch." Als Matthi immer noch nichts sagte, bemühte Raphael sich um ein zögerliches Lächeln. „Fand ich auch." Er räusperte sich. „Komm gut an und wunder dich nicht, der Bus runter hat manchmal ein bisschen Verspätung. Das ist normal. Seit der Entstehung der Fahrpläne wurde die komplette Straßenführung verändert, weil die Käffer hier oben trotz allem wachsen, aber scheinbar haben sie das bei dem Busunternehmen immer noch nicht bemerkt." Juna nickte und zog sich den Trageriemen ihrer Tasche nur noch strammer über die Schultern. „Danke."

Matthi stand auf, Juna musste sich auf die Zehenspitzen stellen, als er sie umarmte. Als sie sich wieder gegenüber standen, befeuchtete sie ihre Lippen. Raphael stand ebenfalls auf, trat aber ein paar Schritte zurück. So langsam erkannte er Matthis Gesichtsausdruck, wenn er an seine Schwester dachte.

„Juna", sagte er leise und Raphael war sich sicher, dass er sich genau in diesem Moment auf die Unterlippe biss. Aber von der Seite sah er nur seinen Hinterkopf und Junas Gesichtsausdruck. „Lissa hätte gewollt, dass du weiterhin die Dinge machst, die dir Spaß machen." Juna sah auf ihre lackierten Zehennägel herunter. An einer Stelle war der Lack durch das Wasser und ihr ständiges Heraufklettern auf die schwimmende Plattform abgeplatzt.

Matthi schluckte, Raphael konnte sehen, wie sich der Adamsapfel in seinem Hals auf und ab bewegte. „Danke, Matthi." Jetzt klang ihre Stimme fester als zuvor. Sie hatte ihre Entscheidung getroffen. „Der Nachmittag war schön." Jetzt richtete sich ihr Blick auch auf Raphael. So als hätte er in den vergangenen Minuten nicht existiert.

„Ich habe letztens den Witz mit den drei Freunden gemacht, erinnert ihr euch noch?" Sie lachte kurz auf und hörte schon nach wenigen Sekunden damit auf. Die Riemen ihrer Tasche schnitten in ihre Haut und verursachten noch mehr Falten, als sowieso schon da waren.

Lissa hatte die pinke Beuteltasche auch sicher auf ihren Gepäckträger verstauen wollen. Trotzdem hatte die Wucht des Aufpralles sie zu Boden geschleudert. Matthi verschränkte die Arme vor der Brust. „Klar", sagte er, „diese Beleidigung schmerzt mir immer noch." Er wagte ein zögerliches Grinsen, Raphael nickte nur, als Juna weitersprach.

„Fünf Freunde werden wir wohl nie werden, aber drei sind wir vielleicht schon." Sie lächelte zaghaft und wurde sogar ein wenig rot.

„Wir könnten uns nächste Woche nochmal treffen. Wegen dem Auto und dem Lack und-" Sie räusperte sich, als sie Matthis Gesichtsausdruck bemerkte. Raphael hatte unwillkürlich darauf gewartet, dass einer der beiden sich gegen den Hals tippte. Bis ihm auffiel, dass das nur Rica machte, wenn er selbst den Genetiv vergaß. Rica, mit der er seit ein paar Tagen schon nicht mehr geschrieben oder telefoniert hatte. Und an die er noch nicht mal gedacht hatte, während er hier am See neue Freundschaften schloss. Sein schlechtes Gewissen meldete sich mit einem zurückhaltenden Stupser, aber Raphael schob es zurück in seine dunkle und einsame Ecke. „Wir schreiben nochmal", sagte Matthi diplomatisch, ohne eine Zu- oder Absage zu erteilen.

„Gut", sagte sie erleichtert und fuhr dann fort „ich sollte meinen Bus nicht verpassen." Sie wippte unruhig auf und ab. „Also vielleicht bis dann." Juna hob ihre Hand zu einem halbherzigen Winken. „Ja, bis dann", sagte Raphael und erwiderte ihre Geste. Dann drehte er sich zu Matthi um. Sie blieben stehen und sahen Juna hinterher, bis sie hinter der Pommesbude verschwand. Matthi zog schließlich die Schultern hoch.

„Und da waren's nur noch zwei", bemerkte er trocken und kniete sich hin, um mit seinem Handtuch die Lücke zu schließen, die Juna hinterlassen hatte.

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