》𝟚𝟜《

H.

And I'm too tired to be tough
3995 words

𝕊𝕖𝕡𝕥𝕖𝕞𝕓𝕖𝕣 𝟚𝟘𝟚𝟜

Alles nervte mich.

Die tausend Baustellen in New Jersey, der leichte Nieselregen seitdem wir gelandet sind, die Fußgänger mit ihren Regenschirmen, welche sie sich so tief ins Gesicht hielten, dass sie nicht mehr auf die restlichen Verkehrsteilnehmer achteten und der Schleicher vor mir, welcher nicht wusste wie man das Gaspedal vernünftig betätigte.

Ich konnte bereits spüren wie mein Kiefer sich anspannte und meine Zähne so sehr aufeinander gepresst wurden, dass mein Gesicht wehtat. Vergeblich versuchte ich dies zu lösen, doch kurz darauf verteilte es sich auf den Rest meines Körpers und ich konnte die Anspannung zu meinen Händen weiter krabbeln spüren, woraufhin sich meine Finger fester um das Lenkrad krallten.

Auf dem Weg zu unserem Haus wurde mir erneut bewusst, wie verdammt scheiße die letzten Stunden gewesen waren. Dabei kam vieles zusammen, was meine Pläne durcheinander geworfen und mir damit total vor den Kopf gestoßen hatte.

Eigentlich hätte ich nämlich vor vier Stunden mit Silas zu seiner Anprobe für die neuen Protesten gefahren sein sollen, stattdessen saß ich erst seit zwanzig Minuten im Auto, nachdem ein Gewitter den Abflug aus Toronto verschoben hatte.

Dies war natürlich nicht das erste Mal gewesen, dass so etwas passierte, aber eines der ersten Male, wo es mich wirklich fertig machte. Im Auto wurde mir dann auch erst bewusst, wieso ich mich wahrscheinlich auf dem Weg nach Hause befand und nicht zu Dianna wollte, obwohl ich eigentlich noch genug Klamotten hatte - alles in mir schrie nach Louis.

Auch wenn es in der letzten Zeit zu häufig zu diesem Fehler gekommen war - oder vielleicht auch genau deswegen? - hatte ich das Gefühl, dass nur seine Anwesenheit mich irgendwie runterbringen würde. Seine Nähe, die ich bisher jedes Mal spüren durfte, wenn wir uns sahen, obwohl wir eigentlich getrennte Wege gehen sollten..

Ich konnte einfach nicht ohne ihn. Noch nicht.

Ein wenig zu schnell fuhr ich unsere Auffahrt nach oben, hatte nicht einmal das Bedürfnis oder die Zeit mein Auto in der Garage zu parken, weswegen ich einfach vor der Haustür stehen blieb und fast aus dem fahrenden Wagen sprang. Ich warf die Tür hinter mir zu, drückte auf den vermeintlich richtigen Knopf um das Auto unnötigerweise abzuschließen und hatte den Haustürschlüssel bereits in der richtigen Position, um schnell einzutreten.

Auch wenn es mir seltsam hätte vorkommen sollen, dass mich der Hund nicht grüßte, wurde mir erst im Wohnzimmer bewusst, wieso dem so war; Levi war hier. Louis nicht.

Die braun-grünen Augen fanden meine und wurden etwas größer, als er sich aufrechter hinsetzte und mich dabei beobachtete, wie ich meinen Blick durch die möglichen Aufenthaltsorte wandern ließ.

"Er ist Joggen", seine Stimme war beunruhigend ruhig, als ich nickte und unbeteiligt mit den Schultern zuckte. "Mica hat er mitgenommen."

"Okay", antwortete ich monoton. "Wollte eh nur ein paar Klamotten holen."

"Okay."

Ich machte ein paar Schritte Richtung Schlafzimmer, ehe ich ein leises räuspern hörte und fast automatisch stehen blieb. Kurz darauf bemerkte ich, dass der andere Mann im Raum aufstand und riss mich für einen Moment zusammen, ehe ich mich zu ihm umdrehte und in ein unsicheres Gesicht blickte.

"Das ist nicht gut..", fing er vorsichtig an und deutete mit seiner Hand auf meine Tasche,".. für euch beide."

Was ein Heuchler. Als würde er sich auch nur ein Stück um mich scheren.

"Ich weiß nicht was du meinst." Erneut presste sich mein Kiefer aufeinander und ich wusste nicht, wie viel Konversation ich aushalten würde, bevor ich ihm an die Kehle ging. Mir war nämlich bewusst, dass er ziemlich viel Zeit mit Louis verbringen musste und meiner Meinung nach war er der Letzte, der mir irgendwas vorwerfen durfte. "Ich hole nur neue Shirts."

"Du wolltest Louis sehen. Ich weiß es." Er zuckte mit den Schultern. "Er hat es mir gesagt, wollte aber nicht darüber reden. Ich finde es nicht fair, euch beiden gegenüber, wenn ihr so weitermacht und nicht vernünftig über die ganze Situation kommuniziert."

"Und warum glaubst du, ich würde mit dir darüber reden wollen?", zischte ich, bereits mehr als angespannt und ließ meine Tasche fallen. "Du bist tatsächlich der Letzte, mit dem ich über Louis und unsere Situation sprechen möchte."

Ich sah in seinem Blick, dass er genau wusste, wieso ich dies sagte. Sah, wie sich Schuldgefühle in seinem Gesicht ausbreiteten und trotzdem brachte mich dies nicht runter. Dafür waren die letzten Stunden zu beschissen gewesen und auch das Wissen, dass ich Louis nicht so haben könnte, wie ich ihn gebraucht hätte, machte mich rasend. Alles nur, weil er hier war.

"Ich meine ja nur-"

"Du meinst nur, was?!" Ich ging einen Schritt auf ihn zu. "Du bist der Letzte, mit dem ich darüber reden wollen würde, weil du einer der fucking Gründe bist, wieso wir nicht mehr zusammen sind!" Noch ein Schritt näher und einmal bei einer Diskussion jemanden gegenüber zu stehen, der so groß war wie ich, war irgendwie seltsam. Das war auch der Grund, wieso ich mich noch etwas mehr aufbaute, um mich bei meinen ehrlichen, schmerzenden Worten nicht zu verletzt zu fühlen. "Seit Jahren trage ich dein Scheiß Geheimnis mit mir herum und du hast noch immer nicht den Arsch in der Hose, ihm zu sagen, was du für ihn empfindest! Stattdessen bekommst du seit Jahren mit, dass dies ein Streitthema ist und belügst deinen besten Freund von vorne bis hinten, weil es dir peinlich ist zuzugeben, dass du auf Männer stehst. Vor deinem schwulen besten Freund!"

Ich erkannte mich selbst nicht mehr wieder, doch Levi wirkte über meinen Ton nicht halb so geschockt wie ich. Wahrscheinlich, weil er diese Reaktion die letzten Jahre bereits erwartet hatte und deswegen ansatzweise darauf vorbereitet gewesen war. Doch bei mir kam einfach all das, was ich in meinem inneren angestaut hatte, jetzt heraus und er nahm es auf, ohne sich zu verteidigen. Stattdessen wirkte seine Körperhaltung immer eingeschüchterter, doch erbärmlicher Weise förderte mich dies nur noch mehr in meinem Monolog.

"Du kannst dir nicht vorstellen wie Scheiße es ist, einen Grund für seine unfassbare Eifersucht zu haben, sie aber nicht kommunizieren zu können. Du hast kein Recht dazu, mir zu sagen, Louis und ich sollten miteinander reden, wenn ich genau diesen einen Punkt nicht einmal ansprechen kann. Denn, obwohl es mich rasend macht, habe ich nicht das Recht dazu deine Gefühle auszuplaudern oder dich zu outen. Obwohl es einen großen Part zu dieser Trennung beigetragen hat, du einen großen Part dazu beigetragen hast, kann ich es nicht." Ich atmete tief durch, um mich etwas zu beruhigen und meine geballten Fäuste zu lockern, auch wenn dies kaum möglich schien.

"Tut mir Leid.." Seine Stimme war nur ein Flüstern und ein sarkastisches Lachen entfloh meinem Mund, als ich den Kopf schüttelte und gleichzeitig mit den Schultern zuckte.

"Ist mir egal."

*****

"Hätten wir drüber gesprochen hätte ich wahrscheinlich einen anderen Vorschlag gemacht, aber das geht auch." Jaros Stimme tauchte neben mir auf und ich konnte das leichte Kratzen der Stuhlbeine auf dem Fußboden hören, als er neben mir Platz nahm.

Ohne etwas auf diese Aussage zu antworten, signalisierte ich dem Kellner das ich noch einen zweiten Drink bräuchte, welchen er mir ohne Widerworte hinstellte. Schnell umgriffen meine Hände das kalte Glas und schoben es zu meinem Co-Piloten weiter, ehe ich mein eigenes nahm und an meine Lippen setzte.

Nach der unschönen Begegnung am Abend hatte mich Jaros Nachricht erreicht, in welcher er meinte, dass ihm langweilig sei und dann die Frage, ob ich am Abend bereits etwas vorhätte. Da ich in meinem Kopf sowieso schon festgelegt hatte, wie und wo ich die letzten Stunden dieses beschissenen Tages verbringen wollte, schickte ich ihm lediglich die Adresse meiner liebsten Kneipe und bekam einen Daumen hoch zurück, bevor er eine Dreiviertelstunde später hier aufgetaucht war.

"Willst du drüber reden?"

Ich brauchte ihn nicht ansehen, um zu wissen, dass seine großen braunen Augen zu mir schauen und bereit waren, all meine Geheimnisse zu erfahren. Er war gut darin, Vertrauen aufzubauen und gerade in den letzten Wochen wurden einige unserer Flüge sentimentaler als die davor. Tatsächlich erzählte auch er mir viel, von seiner Vergangenheit bei der Army und wieso er Pilot geworden war. Zwischendurch erzählte ich dann auch von Louis.

Er wusste von der Trennung. Von der Trennung die irgendwie keine war und schien bisher der Einzige, der mich dafür nicht verurteilte. Vielleicht saß deswegen auch er hier und nicht Silas oder Lottie. Ich konnte die Blicke nicht mehr ertragen.

"Ich bin sauer", presste ich also nur zwischen meinen zusammengebissenen Zähnen hervor, ließ den letzten Rest meine Kehle herunterlaufen, spürte, wie mein Kehlkopf sich beim Schlucken bewegte und klopfte dann mit der Unterseite des Glases auf den Tresen, um Nachschub zu signalisieren.

"Das konnte ich mir denken. Willst du erzählen, weshalb? Oder trinken wir nur?"

"Nur trinken..", murmelte ich seufzend, fuhr mir durchs Gesicht und atmete erleichtert auf, als mein Nebenmann nickte. Um ihn und seinen besorgten Blick etwas zu besänftigen, murmelte ich noch ein "erstmal" hinterher, bevor uns die nächste Runde präsentiert wurde.

Tatsächlich wurde meine Zunge mit der Zeit lockerer und es tat gut meine Wut rauslassen zu können. Auch wenn ich das eben bei Levi bereits getan hatte, konnte ich hier erneut betonen, was mich an der ganzen Sache sauer machte und wie unverschämt ich seine Aussage fand. Vielleicht tat es zwischen den ganzen Schuldgefühlen aber auch einfach nur gut, dass Jaro mir zustimmte und anmerkte, dass ich mich doch noch ganz gut geschlagen hätte.

Mein Co-Pilot trank zwar mit, aber nicht zu viel. Gerade so viel, dass er noch in der Lage war einen Taxi anzurufen, der uns sicher nach Hause brachte. Beziehungsweise mich zu Dianna und ihn zu sich. Das Gespräch hatte zumindest so sehr geholfen, dass ich nicht mehr über die unschöne Begegnung des heutigen Tages nachdachte und stattdessen aufgrund von anderen Gedanken unruhig schlief.

Dabei war der Alkohol auch nicht wirklich eine Hilfe gewesen.

*****

𝟛𝕣𝕕 𝕆𝕔𝕥𝕠𝕓𝕖𝕣 𝟚𝟘𝟚𝟜

"Merkst du eigentlich, wie begeistert die Menschen sind, jedes Mal, wenn wir landen?"

Jaros Stimme tauchte hinter mir auf, als ich mich gerade von ein paar wenigen der Passagiere, welche als letztes aus dem Flugzeug stiegen, verabschiedete und ihnen einen schönen Urlaub wünschte. Verwirrt drehte ich mich zu meinem Co-Piloten um und zog eine Augenbraue hoch, als seine Hand auf meiner Schulter landete.

"Was meinst du?"

"Du landest einfach wie auf Wolken, dass ist auch nach Monaten an deiner Seite immer noch unglaublich. Während meiner kompletten Ausbildung habe ich niemanden kennengelernt, der so gut ist, wie du." Der junge Pilot kam aus dem Staunen gar nicht mehr raus, während ich nur mit den Schultern zuckte und dem letzten Mann zunickte, bevor mein Flugzeug endlich komplett leer war.

"Ich konnte es beim ersten Mal auch nicht fassen", nun kam auch Eleanor dazu und grinste. "Seitdem habe ich mich förmlich an seine Seite geschmissen, damit er mich auch jedes Mal dabeihaben will und ich die meiste Zeit mit ihm fliege. Habe echt selten so ruhige Passagiere erlebt."

"Ihr seid solche Schleimer, passt auf das ihr nicht ausrutscht."

Wie von selbst rollte ich mit den Augen und kümmerte mich um den After-Check, bevor Jaro und ich mit dem Rest der Crew zu unserem Hotel gefahren wurden. Tatsächlich war die Stimmung mal wieder sehr gut und konnte mich ein wenig von den Gedanken ablenken, die sich während des Flugs wieder nur um Louis gedreht hatten.

Während ich tief in meinen Gedanken versank, darüber, wie Louis und ich uns in den vergangenen Wochen trotzdem wieder getroffen hatten und es wieder zum Sex gekommen war, fühlte ich einen enormen Druck auf meiner Brust. Ich hatte das Bedürfnis, ihm zu schreiben, dass ich gelandet war, doch nach unserem letzten Treffen sind wir mit einem solchen Streit auseinander gegangen und auch sonst schrieben wir uns eigentlich nicht mehr, sodass es sich nicht richtig anfühlte. Nicht richtig anfühlen würde.

Erst eine Hand auf meiner Schulter konnte mich ins hier und jetzt zurückholen, weswegen ich aufblickte und zu Eleanor sah, die mich vorsichtig anlächelte.

"Darf ich mich zu dir setzen? Im Gegensatz zu den anderen macht mir deine grimmige Miene nämliche keine Angst."

Ich zuckte mit den Schultern, was sie als Einladung sah, sich auf den Sitz neben mir fallen zu lassen und mich von der Seite anzustarren. Dies ließ ich noch ein paar weitere Sekunden zu, bevor ich mich zu ihr drehte und ihr einen offensichtlich genervten Blick schenkte, auf welchen ein sanftes Lächeln ihre Lippen zierte.

"Ich mache mir Sorgen um dich. So, jetzt habe ich es gesagt." Sie atmete laut aus und verwirrt zogen sich meine Augenbrauen zusammen.

"Aha. Und wieso, wenn ich fragen darf?"

"Ich durfte dich und Louis vier Jahre lang begleiten", ich seufzte genervt auf, doch sie ließ sich davon nicht beirren und sprach weiter. "Ich weiß, dass es mich nichts angeht und es ist okay, wenn du noch immer nicht darüber sprechen willst. Aber du kannst mir nicht sagen, dass es dir scheiß egal ist. Sich so kurz vor dem zehnjährigen Hochzeitstag zu trennen-"

"Fünfzehn", unterbrach ich sie, versuchend, den Schmerz in meiner Brust zu ignorieren, so wie ich es die letzten Wochen getan hatte. "Wir sind damals nach acht Monaten Beziehung eine eingetragene Partnerschaft eingegangen, damit er genug Rechte hatte, falls mir etwas passieren sollte."

"Als du gedient hast?"

Ich nickte, fuhr über den Anker an meinem Arm und erinnerte mich daran zurück, als sei es gestern gewesen. Schnell checkte ich, ob die anderen sich für uns interessierten, doch sie waren fleißig dabei, mit ihren Angehörigen zu schreiben oder zu telefonieren, wenn sie nicht gerade selbst in Gespräche verwickelt waren.

Bevor Eleanor mir antworten konnte, gab mein Handy einen Ton von sich, der eine neue Nachricht bedeutete und verwirrt darüber, wer mir schreiben könnte, fischte ich es aus meiner Hosentasche. Ein kleines Lächeln huschte über meine Lippen, als ich Lotties Namen auf dem Hintergrundbild von Mica entdecken konnte. Meine Schwägerin fragte, ob ich gut angekommen bin und hat mir im gleichen Zug ein Foto von Davis geschickt, welcher mit ihr gemeinsam auf dem Sofa lag und 'Coco' schaute.

Schnell hatte ich ihr geantwortet das alles gut verlaufen war und wir verabredeten uns für ein kurzes Kaffee-Date, sobald ich in zwei Tagen zurück war. Sie würde beim Flughafen vorbeikommen und sich dort mit mir treffen, da es auf dem Weg zu ihrem späteren Klienten lag und rettete mir damit direkt den Tag der Landung.

"Hast du mit allen noch Kontakt?", fragte Eleanor mich vorsichtig und ich wiegte den Kopf hin und her.

"Zwischendurch mal, ja. Letztens mussten Doris und Ernest von der Schule abgeholt werden und konnten niemanden erreichen, dafür haben sie noch meine Nummer. Und ansonsten sind es ein paar Sonntagsgrüße, nichts besonderes."

"Aber du bist noch ein Part der Familie?"

Ich schluckte kräftig und nickte, als ich die Tränen weg blinzelte.

"Sie sind meine Familie und das werden sie auch immer bleiben. Vor allem, da ich außer ihnen nie eine hatte."

Der Bus rollte auf den Parkplatz des Hotels und noch bevor Eleanor etwas sagen konnte, waren die Lichter angegangen und der Fahrer stieg aus um mit den ersten Gästen, die auf ihre Koffer warten wollten, nach draußen zu gehen. Sowohl die braunhaarige als auch ich atmeten noch einmal tief durch um das doch sehr traurige Gespräch hinter uns zu lassen und ebenfalls aufzustehen.

Im Gegensatz zu den anderen Hotelgästen hatten wir nur unser Handgepäck, welches der Fahrer extra verstaut hatte, weswegen wir dieses schnell bekamen und uns zum einchecken in die Lobby begeben konnten. Während die Flugbegleitenden sich bereits für gleich an der Hotelbar verabredeten, merkte ich, wie sich die Anstrengung der letzten Stunden langsam in meinem Körper breit machte. Ich konnte das Gähnen kaum zurückhalten und war froh, dass mich niemand direkt fragte, als ich endlich meinen Schlüssel bekam und hinter den anderen her in den Fahrstuhl schlenderte.

Während mir bereits dort die Augen zufielen, konnte mich ein Stupsen in meine Seite wieder ins hier und jetzt zurückholen. Sobald ich in die braunen, warmen Augen des Übeltäters blickte, erwiderte ich sein vorsichtiges Lächeln und ließ mich von ihm aus dem Fahrstuhl, in Richtung unserer Hotelzimmer, schieben.

Nachdem ich die Tür hinter mir geschlossen hatte, ließ ich die Schultern hängen, schob meinen Koffer in die Ecke und ließ mich mit der Nase zuerst ins Kissen fallen. Duschen konnte ich später auch noch, ich brauchte auf jeden Fall einen Moment, in dem ich einfach nur die Augen schließen und meine Gedanken ruhen lassen konnte. Ich spürte sogar leichte Kopfschmerzen aufkommen, nun, wo ich nichts anderes zu tun hatte und seufzte genervt auf, als ich mich drehte und gerade noch genug Kraft aufbrachte, um mir die Hose von den Beinen zu strampeln und mich so zu strecken, dass auch das Poloshirt den Weg auf den Boden fand.

Nur in Unterhose bekleidet wickelte ich mich schnell in das weiße Laken ein, welches als Decke fungieren sollte aber nicht zu warm war, ehe ich endlich meine Augen schloss und mich von meinen Träumen, die erneut nichts schönes für mich bereithielten, einhüllen ließ.

Vorsichtiges Klopfen holte mich aus meinem leichten Schlaf und verwirrt rieb ich mir über die Augen, bevor das Geräusch erneut ertönte und mir somit zeigte, dass es nicht nur Einbildung gewesen war. Seufzend entwirrte ich mich also des Lakens und ging nur leicht bekleidet zur Tür, um diese zu öffnen und in das Gesicht meines Co-Piloten zu schauen.

Verwirrt hatte ich eine Augenbraue hochgezogen, während sein Blick für einen Moment an meinem Körper hinab wanderte und dann wieder auf meine Augen traf.

"Tut mir Leid, dass ich einfach so vorbeikomme und dich wecke, aber ich dachte du würdest dich morgen ärgern, wenn dein Schlafrhythmus nicht direkt richtig ist."

Stimmt, darüber hatte ich aufgrund meiner Müdigkeit gar nicht mehr nachgedacht. Es war tatsächlich nicht schlau, dem alten Rhythmus nachzugehen, wenn man nur zwei Tage hatte um sich einigermaßen einzugewöhnen. Deswegen nickte ich auch nur, gähnte einmal und ging dann zur Seite, um Jaro reinzubitten und hinter ihm die Tür zu schließen.

"Du hattest es aber eilig, ins Bett zu kommen", stellte er fest und ließ seinen Blick über meine, auf dem Boden liegenden, Klamotten wandern, weswegen ich nur nickte und mich mit einem knackenden Geräusch auf meinem Bett niederließ.

"Irgendwie kamen plötzlich die Kopfschmerzen hoch und ich wollte nur alles loswerden und schlafen. Tut mir Leid, ihr geht wahrscheinlich gerade alle runter und ich habe mich noch nichtmal frisch gemacht."

"Nein quatsch, alles gut. Ich habe mich tatsächlich auch etwas hingelegt, die anderen sind schon längst unten, aber werden meines Wissens nach nicht auf uns warten." Auf diese Informationen nickte ich lediglich, gähnte erneut und merkte ein ziehen an meiner Schläfe, woraufhin ich mir diese mit meinem Zeige-und Mittelfinger kurz massierte. "Ich habe Pfefferminzöl gegen die Kopfschmerzen dabei. Mir hilft es immer, wenn ich davon etwas auf die Schläfen und den Nacken schmiere. Wartest du kurz?"

"Wo sollte ich denn hin?", fragte ich schmunzelnd und konnte ein scheues Lachen auf den Lippen des dunkelhäutigen wahrnehmen, bevor er mit den Schultern zuckte und für einen Moment mein Zimmer verließ, um zu sich zu huschen und wenig später mit einem kleinen Fläschchen in seiner Hand wiederzukommen. "Und jetzt?"

"Dreh dich kurz um, ich massiere dir was in den Nacken und dann kannst du es für deine Schläfen benutzen. Das ist ein altes Hausmittel meiner Oma."

Er ließ sich hinter mir nieder, woraufhin ich sein Knie an meinem Rücken spüren konnte, als er die Flasche öffnete und schon wenig später der angenehme Minzgeruch uns beide umhüllte. Schon das bisschen half, um die Schmerzen etwas zu lindern, doch tatsächlich wurde es noch besser, als er mir ein paar Tropfen auf die Schulterblätter und in den Nacken gab, bevor er mit gekonnten Handgriffen begann, meine verspannten Muskeln zu massieren.

Mein Körper reagierte wie von selbst, als ich meinen Kopf nach vorne fallen ließ, um ihm mehr Platz zu gewähren. Seine Berührungen und der leichte Windzug seines Atmens verursachte eine Gänsehaut auf meinem Körper, welche ich nur zu gerne entgegennahm. Diese Art von Körperkontakt tat nach meinem kurzen Traum von vorhin mehr als gut, welcher mich wieder mit einer unglaublichen Sehnsucht zurückgelassen hatte, die sich seit der Trennung einfach nicht stoppen ließ.

"Harry?", holte mich Jaros Stimme aus meinen Gedanken, welche seltsam rau klang. So rau, dass mir auch dies wieder eine Gänsehaut über den Körper schickte und ein Verlangen in mir auslöste, was ich am liebsten direkt wieder in einem Hinterstübchen verstaut hätte. Denn es fühlte sich mehr als falsch an.

"Hm?" Meine Worte klangen weit weg, nicht so, als hätte ich sie gerade ausgesprochen. Noch immer lagen seine warmen Hände auf meinen Schultern und strichen vorsichtig hin und her, so, als könnte er nicht damit aufhören, meinen Körper irgendwo zu berühren.

"Vielleicht ist es auch jetzt noch zu früh, aber ich denke nicht, dass ich es noch länger ignorieren und für mich behalten kann." Die Ernsthaftigkeit in seiner Stimme ließ mich innehalten und meine Hand auf dem Bett platzieren, damit ich mich mit meinem kompletten Körper zu ihm drehen konnte. Auch sein Blick war verkrampft, als seine Augen unsicher zwischen meinen hin und herfuhren. Plötzlich wirkte er gar nicht mehr so selbstbewusst wie er es sonst immer tat und es wäre gelogen, wenn ich behaupten würde, dass es mir keine Sorgen bereitete.

"Was meinst du?" Ich schluckte nervös, als seine braunen Augen über jeden Zentimeter meines Gesichtes fuhren und er nach Worten zu suchen schien. Und irgendwas sagte mir, dass nach diesen Worten nichts mehr so sein würde, wie vorher.

"Ich mag dich, Harry", fing er unsicher an und ich merkte, wie mir die Luft wegblieb. "Und das schon etwas... länger. Nur habe ich es dir bisher nicht gesagt, da du erst in einer Beziehung warst und danach... getrauert hast. Ich wollte nicht so unsensibel sein und mich an dich ranschmeißen, dir von meinen Gefühlen erzählen, während du mit deinen Gedanken ganz wo anders warst. Und... bist. Ich- ich rede mich um Kopf und Kragen." Er lachte nervös und fuhr sich mit der Hand durch die kurzen Haare am Nacken, bevor er sich räusperte und ich ihn noch immer anstarrte; überfordert damit, was ich fühlen und sagen sollte. "Am Anfang dachte ich, dass ich dich vielleicht tatsächlich nur anschmachte, weil mich dein Können beeindruckt aber mit der Zeit habe ich gemerkt, dass da mehr ist. Ich möchte dich näher kennenlernen, mich noch öfter mit dir Treffen und dir gerne auch etwas aus meinem Leben zeigen, wenn du Interesse hast. Mir ist bewusst, dass wir nicht von Null auf Hundert gehen können aber.. wenn es für dich okay ist, würde ich gerne den Start setzen, es wenigstens zu versuchen."

In meinem Kopf sprangen so viele Gedanken durcheinander, dass ich nicht einen davon zu fassen bekam. Auch wusste mein Körper nicht, welche Reaktion er herbeiführen sollte und alles endete damit, dass sich ein unbeschreiblicher Druck auf meinem Brustkorb breit machte, als ich reagierte und mir bewusst wurde, dass er Recht hatte.

Ich musste einen neuen Start setzen. Es tat Louis und mir nicht gut, dass was auch immer wir gerade hatten, beizubehalten. Endete es doch immer damit, dass wir am Ende noch mehr litten.

Und Jaro war toll. Es fühlte sich wie ein Verrat an; hatte ich Louis doch immer und immer wieder gesagt, dass er mit seiner Eifersucht falsch lag. Aber zumindest konnte ich behaupten, dass ich bis jetzt wirklich nie darüber nachgedacht hatte und auch jetzt wäre es mir nicht in den Sinn gekommen, wenn er es nicht so klar angesprochen hätte.

Doch er mochte mich. Nur weil es bei mir noch nicht so war, hieß es nicht, dass es so bleiben musste.

Statt einer Antwort, legte ich ihm also meine Hand in den Nacken und küsste zum ersten Mal, seit über sechzehn Jahren, die Lippen eines anderen Mannes.

Mein Kopf spielte verrückt und wusste nicht, was er zuerst denken sollte, als Jaro reagierte und seine Arme um meinen Körper legte.

Getrieben von dem neuen körperlichen Kontakt, suchten meine Hände nach dem Saumen seines Shirts und zogen es ihm mit wenig Mühe über den Kopf, ehe ich ihn so zurückdrängte, dass ich mich über ihn lehnen konnte. So wie meine Hände, fuhren auch die seinen über jeden Zentimeter Haut, den er erreichen konnte und ich genoss das Gefühl von Gänsehaut unter meinen Fingern und dem Wissen, dass ihm gefiel, was wir hier taten.

Das sagten mir nicht nur seine Körperreaktionen, sondern auch die Laute, die seine Lippen verließen und mich letztendlich dazu überzeugten, mich tatsächlich auf ein neues Kapitel einzulassen.

Oder es zumindest zu versuchen.

[...]

Da lag Louis mit seiner Vermutung doch nicht so falsch, wie Harry es anfangs gedacht hätte... theoretisch tut er ja nichts falsches.. praktisch gesehen, scheint es auch noch nicht richtig beendet 🙊

Glaubt ihr es würde den beiden helfen, andere Menschen zu treffen? Und wie schätzt ihr Jaro so ein?

Und jetzt zu einem kleinen surprise.. Wie hätte das chapter ausgesehen, wenn Levi in Harry, anstatt in Louis verliebt wäre? Hihi lasst gerne ein paar Kommentare da, hatte so Lust darauf das zu schreiben 😍😂♥️

Lots of love
Michelle &' Carina xx

____

**** What if...?***** 454 Wörter

"Du kannst dir nicht vorstellen wie Scheiße es ist, einen Grund für seine unfassbare Eifersucht zu haben, sie aber nicht kommunizieren zu können. Du hast kein Recht dazu, mir zu sagen, Louis und ich sollten miteinander reden, wenn ich genau diesen einen Punkt nicht einmal ansprechen kann. Denn, obwohl es mich rasend macht, habe ich nicht das Recht dazu deine Gefühle auszuplaudern oder dich zu outen. Obwohl es einen großen Part zu dieser Trennung beigetragen hat, du einen großen Part dazu beigetragen hast, kann ich es nicht." Ich atmete tief durch, um mich etwas zu beruhigen und meine geballten Fäuste zu lockern, auch wenn dies kaum möglich schien.

"Tut mir Leid.." Seine Stimme war nur ein Flüstern und ein sarkastisches Lachen entfloh meinem Mund, als ich den Kopf schüttelte und gleichzeitig mit den Schultern zuckte.

"Ist mir egal."

Ich drehte mich um, wollte gerade verschwinden und diesem 'Gespräch' aus dem Weg gehen, als er plötzlich nach meiner Hand griff und mich wieder zu sich zog.

Bevor ich reagieren konnte, lag ich plötzlich in seinen Armen. Mein vor Wut zitternder Körper spannte sich an und ich versuchte mich zu lösen, als sein Griff noch fester wurde und irgendwas an dieser Situation mich beruhigte. Mein Kopf mit einem Gewitter zu vergleichen beschrieb es nicht einmal im Ansatz, als mein Gesicht sich schmerzhaft verzog und ich den Frust, Wut und Enttäuschung darin ausließ, mich für einen Moment ebenso fest an den Körper vor mir zu pressen.

Zeit schien in diesem Moment nur ein sinnloses Wort - ich wusste nicht ob sie stehen blieb oder rasant die Minuten vergingen. Wie lange wir hier schon standen, ob es Sekunden, Minuten oder Stunden waren. Doch irgendwann löste er sich leicht von mir, seine Hände noch in mein Shirt gekrallt, ehe er seine Lippen ohne weitere Vorwarnung auf meine presste.

Geschockt löste ich mich erneut, schaute für einen Moment in die bekannten Augen und spürte eine gewisse Spannung in der Luft, als mein Blick zwischen seinen Lippen und den Augen hin und her sprang. Dann handelte mein Körper von selbst, als meine Hände sich an seine Wangen legten und er sich komplett in dem Kuss fallen ließ.

Mit unglaublich großer Leidenschaft konnten wir uns gar nicht nahe genug sein; konnte ich ihm anscheinend nicht nahe genug sein. Er dirigierte uns durch den Raum als sei dies sein Haus, ehe ich zwischen ihm und der Wand landete. Kein Blatt Papier hätte mehr zwischen uns gepasst, während seine Hände an allen möglichen Körperregionen landeten, sie erkundeten und er mich dabei um den Verstand küsste.

Meine Lippen brannten bereits von der Intensität die damit verbunden war, immer wieder wurden sie von seinen Zähnen in Beschlag genommen und seine Mitte, die sich irgendwann an meine presste, ließ einen Laut entfliehen, den sonst nur Louis hervorbringen konnte. Wieder und wieder, während mein Herz mir bis zum Hals klopfte und ich mich wieder und wieder fragte, was hier eigentlich gerade passierte, bevor der Gedanke durch eine erneute Berührung seiner Zunge mit meiner wie vom Wind weggefegt wurde.

Irgendwann trauten sich auch meine Hände auf Wanderschaft zu gehen, lernten den Körper des Mannes welchen ich seit einer Ewigkeit kannte näher kennen. Seine Lippen wanderten an meinen Kiefer, pressten sie darauf und saugten sich fest, als meine Hände im selben Moment sein Hinterteil fester packten.

Unsere Mitten wurden dadurch noch fester aneinander gepresst, ließ uns gemeinsam aufstöhnen und kurz war es so still, dass man nur unser hektisches atmen hören konnte, als ein Geräusch außerhalb uns aus der Situation zog - der Schlüssel in der Haustür.

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