Vorbereitungen
Magnus
„Oh Mags, du siehst heiß aus!" Milde lächle ich der Clary in meinem Handydisplay entgegen und verdrehe die Augen. „Ich weiß, Süße." Dabei bin ich mir keinesfalls sicher, ob ich so rausgehen kann.
Schon oft habe ich mit den Farben an mir selbst geübt, es aber jedes Mal danach wieder weggewaschen. Geschminkt das Haus zu verlassen ist eine absolute Premiere, und es in einem Moment zu tun, in dem er mich sehen kann, ist schon fast wagemutig.
Natürlich hat Clary Recht. Der Eyeliner lässt meine Augen leuchten und der Lidschatten sieht mysteriös und tiefgründig aus.
„Also, wann soll ich da sein?", holt meine Freundin mich zurück in den Augenblick. „Ich werde um 22 Uhr abgeholt, wir sind also um halb elf am Club. Dieser Kollege von ihm kommt auch mit, der wird sich aber verspäten, wie ich ihn kenne."
Clary klatscht aufgeregt in die Hände. „Der Blonde mit den krassen Augen?" Ich runzele die Stirn. „Ich hab' keine Ahnung, von wem du redest, Schätzchen.", beteuere ich, dabei erinnere ich mich gut, wie sie ihn bei der letzten Party aus der Ferne angehimmelt hat. „Ich muss mir noch ein Outfit raussuchen. Wir sehen uns da!"
Also ziehe ich das neue Hemd heraus, das ich extra für einen Abend wie diesen im Schrank hängen habe. Ich stecke den Saum in meine enge schwarze Hose in Lederoptik, schließe die untersten zwei Knöpfe und lege mir eine Kette um den Hals. Dann betrachte ich mich im Spiegel.
Ich sehe ganz anders aus als sonst. Keine gemütliche Jeans mit Sweater. Heute habe ich mir die Haare in die Höhe gegelt, was mir rein optisch ein bisschen mehr Selbstbewusstsein verleiht, als ich sonst verspüre. Die enge Hose lässt meine muskulösen Beine gut zur Geltung kommen, und durch das silbern glitzernde Hemd wird die Bräunung meiner Brust gut betont. Aber kann ich wirklich so gehen? Ist das nicht ein wenig zu nackt?
Ich greife noch nach einer weiteren Kette, betrachte das Ergebnis prüfend. In der kleinen Schatulle finde ich noch eine dritte und beim Blick in den Spiegel bin ich endlich zufrieden.
Als es an meiner Wohnungstür klingelt, ist es zehn vor zehn und meine Tasche ist noch nicht gepackt. Natürlich kommen sie zu früh, das steckt beiden im Blut. Ich betätige den Türöffner, suche mein Portemonnaie und meinen Schlüssel zusammen. Als ich die Tür aufreiße, stehen sie schon davor.
„Wow, Magnus..." Wie immer fesseln mich Alexanders bunt gesprenkelte Augen zuerst. Er betrachtet eingehend mein Gesicht und erinnert mich daran, dass ich anders aussehe als sonst. Das ist der Moment der Wahrheit: Wird es ihm gefallen? „...Wie siehst du denn aus? Was hast du vor heute Abend?", beendet Lydia seinen Satz.
Augenrollend wende ich mich der Blondine zu, die neben ihm winzig erscheint. Dennoch passen sie optisch zusammen: Beide stehen sie mit geradem Rücken da, schlicht und elegant in Schwarz gehüllt. Einzig Alexanders Haare fallen bei diesem gepflegten Bild aus dem Rahmen, die ungebändigt in alle Richtungen stehen.
„Auffallen.", antworte ich, trete zur Seite und lasse sie ein. Während Lydia sich an mir vorbei in die Wohnung drängt, steht Alexander noch immer im Hausflur, sein Blick ist an mir hinabgeglitten, hat den Anblick der Ketten über meiner Brust in sich aufgenommen, und ruht nun wieder auf meinen dunkel gerahmten Augen. „Du siehst fantastisch aus! Wieso hab' ich dich noch nie so gesehen?" Die raue Stimme, mit der das Kompliment an meine Ohren dringt, animiert die feinen Haare auf meinen Armen, sich aufzustellen. Wie sehr ich diese Stimme liebe! Und mehr noch, wenn er nette Dinge zu mir sagt.
Dass er so positiv reagiert, hätte ich allerdings doch nicht gedacht. Sicherlich weiß ich, dass ich gut aussehe, aber immerhin kennt er mich nur in natürlich, und er ist nicht gerade der Typ, der auf anderer Leute Outfits achtet. Vor Allem nicht, wenn es sich um Männer handelt.
Ich zucke unsicher schmunzelnd mit den Schultern und schließe hinter ihm die Tür, als auch er eintritt. Als er dicht vor mir stehenbleibt und sich die paar Zentimeter, die uns trennen, zu mir herunterbeugt, halte ich unwillkürlich die Luft an. Seine Nase berührt meine beinahe und ich kann seinen nach Zahnpasta riechenden Atem auf meiner Oberlippe spüren. Was hat er vor? Steht nicht seine Freundin keine zwei Meter von uns entfernt?
Als Lydia sich räuspert, kann ich wieder atmen und nehme neben der Zahnpasta noch einen anderen Geruch wahr. Alexander riecht für mich nach trockenem Herbstlaub und unverarbeitetem Holz. Er richtet sich wieder auf und deutet auf mein Gesicht. „Diese Streifen gefallen mir. Kannst du mir auch so welche machen?"
Ich werfe meinen Kopf in den Nacken und lache über seinen Scherz. Dieses Mal hat er mich wirklich gekriegt. Dabei ist Alexander sonst nie witzig, zumindest nicht freiwillig. Auch Lydia prustet hinter seinem Rücken los und er dreht sich irritiert zu ihr um. „Was denn? Meinst du, ich kann das nicht tragen?", fragt er pikiert, was mich zu weiteren Lachsalven anregt. „Oh Alec", keucht sie, atmet schnaufend durch, ehe sie wieder sprechen kann. „Du und Eyeliner? Man wird dich für schwul halten, Schatz."
Unwillkürlich schüttele mich, bei dem Kosenamen aus ihrem Mund. Wieso lässt er sich so nennen? Es ist lächerlich. „Wieso?", protestiert er. „Magnus steht es ausgezeichnet!" Wieder ein Lachen von Lydia. „Magnus ist ja auch..." Sie unterbricht sich selbst, als sie meine weit aufgerissenen Augen sieht. Ihre Stirn legt sich in unzufriedene kleine Falten. „...exzentrisch.", rettet sie sich. Das ist natürlich viel besser.
Genervt von der Unterhaltung ziehe ich Alexander am Ärmel hinter mir her. „Warte eben hier, Lydia. Ich bin mir sicher, Alexander kann alles tragen."
Verdattert lässt er sich auf mein Bett im Schlafzimmer plumpsen und schielt auf die Spitze des schwarzen Stifts, den ich ihm kurz darauf vors Gesicht halte. „Wenn du dir sicher bist?", zögere ich. Er nickt und ich lege meine Hand an seine Wange, zwinge mich das Gefühl der weichen Haut unter meinen Fingerspitzen zu ignorieren. Mit dem Daumen ziehe ich sein Lid ein Stück herunter und setze zielsicher den Kajalstift an. Dann folgt das andere Auge und ich betrachte mein Werk zufrieden. Alexanders Augen funkeln mir frech entgegen und, verdammt, wieso finde ich ihn gerade nur so viel heißer als sowieso schon?
Meine Hand ruht noch immer, nicht ganz unabsichtlich, an seiner Wange. „Eigentlich hast du die zusätzlichen Streifen gar nicht nötig, Tiger.", bemerke ich. Alexander grinst mich an, worauf ich mich zurücklehne, damit er mein Herz nicht so laut schlagen hört. „Du doch auch nicht. Aber trotzdem steht es dir unheimlich gut."
In dem Moment, in dem ich überrascht aufkeuche, stehe ich auf und drehe mich von ihm weg. „Bist du dann soweit, dass wir loskönnen, Magnus?" Alexander steht bereits in der Tür und wartet auf mich. „Äh... Willst du es dir gar nicht ansehen?" Irritiert zucken seine Augenbrauen, ehe sich sein Gesicht entspannt. Leicht schüttelt er den Kopf. „Ich vertraue dir."
Im Wohnzimmer schnappe ich mir eilig meine Tasche und husche hinter den beiden in den Flur. „Ich fasse es einfach nicht, dass ich so mit dir ausgehe.", tönt Lydia, dann treten wir hinaus in die anbrechende Nacht.
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