Planung
Magnus
Aufgeregt hämmere ich von außen gegen die Tür meiner Wohnung. Ich bin mir keinesfalls sicher, dass ich Lydia darin finde, oder irgendjemand anderen, der zurzeit in meinem Körper steckt. Doch es ist die einzige Erklärung, die für mich irgendwie plausibel wäre.
Ein Poltern ertönt von innen und ich klopfe erneut, in der Hoffnung, gehört zu werden. Schritte werden lauter und dann reißt Magnus mir mit zerzausten Haaren die Tür auf.
Nur einen Augenblick lang betrachte ich mich verblüfft. Bis eben war ich mir noch nicht sicher, ob das hier nur Einbildung ist, aber dieser Anblick belehrt mich eines Besseren. Denn das hier ist nicht, wie in den Spiegel zu sehen. Ich sehe tatsächlich Magnus Bane, frisch aus dem Bett gefallen, verwischter Kajal unter den Augen, noch das silberfarbene Hemd von gestern am Leib. Und ich sehe ihn, als wäre ich nicht er.
Im nächsten Moment kreischt er los und ich dränge ihn in die Wohnung. Sie in die Wohnung, denn wer würde beim Anblick von Lydia nach dem Erwachen aufkreischen, wenn nicht sie selbst?
Ich führe sie zum Bett, drücke sie auf die Matratze und baue mich mit unschuldig erhobenen Händen vor ihr auf.
„Ganz ruhig. Tief durchatmen, meine Liebe. Ich bin's."
Aus verengten Augen funkelt sie mich an, sodass mir bewusst wird, dass sie anders als ich wohl noch nicht in den Spiegel geguckt hat. Ihre Hände – meine Hände – legen sich an ihre Wangen und ertasten ihr Gesicht. Vermutlich merkt sie gerade, dass da nicht ihre eigenen Pausbacken unter ihren Fingern liegen, dass kein schwerer Zopf über ihrer Schulter liegt wie beim Einschlafen, aber erkennen wird sie mich noch nicht. „Ich bin's" war von daher nicht die hilfreichste Aussage.
Dann stöhnt sie auf und fasst sich an den Schädel. Das sind dann wohl die Nachwehen meiner Trinkerei, denen ich durch die wundersame Verwechslung entgangen bin.
„Wieso bin ich...?" Meine Stimme klingt sonderbar, wenn sie sie benutzt. Oder liegt es daran, dass ich sie mit ihren Ohren höre?
Sie schlägt sich die Hand vor den Mund und starrt mich an. Als sie sie sinken lässt, sagt sie nur eins: „Magnus!"
Nach ein paar Minuten, die sie braucht, um die Situation zu verarbeiten, bin ich für einen kurzen Moment froh, dass es sie getroffen hat und nicht irgendeine andere Frau. Clary würde noch immer hysterisch Argumente dafür sammeln, dass das hier absolut nicht möglich ist.
Lydia atmet nach einer Weile hörbar aus und bestimmt: „Du musst heute zu meinem Lerntreffen gehen. Und um zwei holst du Alec aus der Schule ab."
Ich schmunzele und nicke. „Wir sollten vielleicht unsere Kalender besprechen und ein paar wichtige Fakten austauschen, wie Allergien oder die Namen unserer Eltern. Und dann müssen wir rauskriegen, wie das passiert ist."
Lydias Miene verdunkelt sich schlagartig.
„Ich weiß, wie das passiert ist."
Überrascht mustere ich mein Profil an ihr. Sie weiß es? Sie weiß von meinem Wunsch? Ein wenig verwundert bin ich schon, denn sie ist noch nicht auf mich losgegangen. Ob sie mir am Ende gar nicht die Schuld gibt?
Ohne mich anzusehen, beginnt sie seufzend eine Erklärung: „Da war dieses Paar, sie haben Alec und mich angesprochen und einen auf Wahrsager gemacht oder so. Sie haben gesagt..." Ich werde neugierig, als sie nicht weiterspricht, doch ich weiß, dass ich ihr meine Annahme über die Verursachung der Situation auch nicht gerade auf die Nase binden werde. Also nicke ich nur. „Bei mir war auch eine Frau, sie hat mir was in den Drink getan."
Missbilligend blickt sie zu mir herunter, was meinem Gesicht gar nicht steht. „Und du hast es einfach getrunken?" Natürlich hat Lydia Recht. Doch ich weiß noch, dass ich ziemlich hinüber war, und dass ich diesen Wunsch wirklich gerne wahrhaben wollte.
„Dorothea", sagte ich dann und sie nickt. „Wir müssen sie finden."
„Wenn ich zu deinem Lerntreffen gehe...", werfe ich schließlich ein. Lydia unterbricht mich. Natürlich hat sie das Problem, dass ich keine Ahnung vom Stoff habe, bereits durchdacht. „Ich komme mit. Du kannst sagen, ich sei wissenschaftlicher Mitarbeiter einer anderen Uni. Ein Cousin deines Freundes, was weiß ich."
„Danach hole ich Alexander ab.", erinnere ich mich. „Um kurz vor zwei hat er Schulschluss, du bist pünktlich da und triffst ihn im Lehrerzimmer.", spezifiziert sie.
„Ich hab' keinen Führerschein.", merke ich an und sie verdreht die Augen. „Fahr Bahn. Ich suche dir eine Verbindung raus."
Erschöpft lasse ich sie Schultern sinken und zeige ihr die Nachricht, die Alexander heute Morgen geschickt hat. Dass ich im Wohnheim schlafen solle. Verwirrt betrachtet Lydia mich. „Und?", scheint ihr Blick zu sagen, sich über den forschen Ton der Nachricht nicht zu wundern. „Der Schlüssel ist in meinem Rucksack."
Langsam lasse ich mich auf mein Bett zurücksinken und schaue an die Decke, die noch immer die Alte ist. Wieso kann sie so sortiert an die Sache herangehen? Wo sind ihre Sorgen, ihre Ängste?
„Du hast auch einen Termin im Kalender. Ein Kurs heute Abend, aber hier steht nur vhs." Ich fahre erschrocken auf. Da war ja was! Das ist der Grund, aus dem Alexander angekündigt hat, spät nach Hause zu kommen!
„Ja, das ist der Selbstverteidigungskurs, den Alexander gibt. Gehst du hin?" Sie hebt eine Augenbraue. Findet sie es komisch, dass ich mich für seinen Kurs angemeldet habe? Immerhin hat er mich dazu überredet, genau wie Raphael. Hat lachend erklärt, ein paar Nerds wie wir sollten besser wissen, wie man sich im Ernstfall wehrt. „Klar.", sagt sie dann. „Du gehst zu meinen Terminen, ich zu deinen." Logisch. Immerhin ist sie nicht nur daran interessiert, dass ihr eigenes Leben nicht aus den Fugen gerät, sondern sieht sich auch in der Verantwortung, mir zu helfen.
„Okay. Also, muss ich irgendwelche Medikamente nehmen? Auf irgendwas achten?", erkundige ich mich. Sie runzelt die Stirn. „Ich esse keine Meeresfrüchte, aber ich glaube kaum, dass sich dir die Gelegenheit bietet, bis wir das hier geklärt haben. Und immer um sieben am Abend klingelt der Pillenwecker. Die stehen neben meiner Zahnbürste, ein paar sind im Portemonnaie."
Ich schlucke. Natürlich. Verhütung. Dann spüre ich, wie ich rot anlaufe. Heißt das, Alexander könnte Sex mit mir haben wollen? Also mit ihr, während ich sie bin? Verdammt, heißt das, ich könnte mit ihm schlafen? Und würde ich das überhaupt wollen, solange ich weiß, dass es nur um sie geht?
„Und bei dir?", reißt sie mich aus meinen Gedanken. Ich schüttele nicht ganz anwesend den Kopf.
„Gut, wir müssen bald los, da wir ja nicht mein Auto nehmen können. Den Rest besprechen wir später.", legt sie fest.
Auch wenn sie eiskalt ist, ist es ganz erleichternd, wie sie alles im Griff hat. Wieder muss ich mir Clary an ihrer Stelle vorstellen, und wie ich sie nun trösten müsste, bis wir überhaupt dazu kommen könnten, einen Plan aufzusetzen.
Ich zeige auf mein Gesicht und grinse Lydia an. „Du solltest nach gestern eine Kopfschmerztablette nehmen und dringend duschen gehen." Sie erhebt sich schon, da verharrt sie plötzlich und wir starren uns an.
„Fuck. Wasch dir die Haare, Deo wird reichen. Du solltest nicht duschen gehen.", korrigiere ich mich.
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