Jetzt

Magnus

Meine Augen müssen riesengroß sein, als ich ihn anblicke. Er will, dass ich warte? Wie lange denn noch?

„Nein.", entscheide ich. In einer fließenden Bewegung klettere ich auf seinen Schoß, schiebe die Finger erneut in sein Haar. „Nein." Er wehrt sich nicht dagegen, dass ich den Kuss fortsetze.

Im Gegenteil scheint er seinen Wunsch nach Unterbrechung vergessen zu haben, mache ich an seinen Händen fest, die sich um mich schlingen und auf meinen Pobacken liegen bleiben. Kurz staune ich in den Kuss hinein, dann dränge ich mich ihm wie von selbst entgegen.

Er ist selber Schuld, dass er nach den letzten Ereignissen hergekommen ist und von uralten Heiratsplänen gesprochen hat. Er ist selber Schuld, dass er mich küsst. Jetzt soll er auch das ganze Ausmaß meiner Gefühle zu spüren kriegen. Wie sehr ich ihn neben mir, bei mir, an mir will.

Als ich mir relativ sicher bin, dass er keine Widerworte mehr geben wird, lasse ich meine Küsse über seinen Mundwinkel zu seinem Kieferknochen wandern. Mutig streiche ich mit der Zunge an der scharfen Linie entlang, die sein Gesicht begrenzt. Alexander entfährt ein wunderschönes Seufzen, ehe ich bei seinem Kinn angelangt bin.

„Magnus!", seufzt er, ich sauge und zwicke seitlich an seinem Hals. „Magnus!", noch einmal, dieses Mal gefasster. Seine Hände haben aufgehört, meine Rückseite zu ertasten, liegen an meinen Schultern und halten mich in kurzer Distanz von ihm entfernt. Sein Gesicht ist neben meinem, Ohr an Ohr, sodass ich ihn nicht ansehen kann, als er spricht.

„Diese fünf Männer, von denen du gesprochen hast, hast du wirklich..." Er traut sich nicht, den Satz zu vollenden. Natürlich, denke ich. Die Wahrheit, die er mir abverlangt hat.

„Ja.", antworte ich ehrlich. Spüre an meiner Wange die Verspannung in seinem Gesicht. Ziehe ihn unwillkürlich ganz in meine Arme. „Aber es ist, wie ich gesagt habe.", erinnere ich ihn. Alexander schüttelt an meiner Schulter den Kopf. „Das setzt mich leider nur noch mehr unter Druck.", gesteht er.

Vielleicht ist es strategisch unklug, dass ich lache, aber ich kann es nicht zurückhalten. Zum Antworten muss ich ihm in die Augen sehen.

„Erstens, Alexander, erwarte ich nichts von dir. Das habe ich dir gesagt: wir können tun und lassen, was du willst." Er versucht, meinem Blick auszuweichen, doch ich nehme ihn mit meinem gefangen, bis er ergeben nickt. „Und zweitens hatte das nichts damit zu tun, ob die Typen irgendetwas gut oder schlecht gemacht haben. Es waren eben irgendwelche Männer, die auf den ersten Blick ganz attraktiv aussahen. Vielleicht hat mir der Schweißgeruch nicht gepasst oder die Sprachmelodie, wahrscheinlich alles zusammen." Alexander sieht mich an, als könne er nicht verstehen, wie ihm das seine Sorgen nehmen soll. Nachsichtig lächle ich zu ihm herab, streichle mit dem Daumen über seine Wange. „Wie auch, wenn ich sie unwillkürlich mit dir verglichen habe?"

Ein zaghaftes Lächeln erleuchtet seine zweifelnden Augen. „Das heißt, du magst meinen Schweißgeruch?", scherzt er, dabei scheint ihm gar nicht klar zu sein, wie ernst ich das meine.

Um es ihm zu beweisen, ziehe ich in einem Schwung sein Hemd aus dem Hosensaum und über seinen Bauch nach oben, dränge ihn mit meinem Gewicht nach hinten, bis er auf der Matratze zum Liegen kommt. Zufrieden registriere ich sein Keuchen, als meine Lippen mit der warmen Haut oberhalb der Hüfte Bekanntschaft machen. Angestachelt von dem süßen Geräusch, weite ich meine Küsse über seinen Bauch aus, um den Nabel herum, zwischen seinen Muskeln empor, an der kleinen Rippe entlang. Ich küsse und beiße und lecke an seiner Haut, spüre ganz deutlich seine Reaktion an meinem Schoß, genieße, wie sein Körper beginnt, sich leicht unter mir zu winden. Noch weiter arbeite ich mich an seiner Seite entlang aufwärts, fahre mit der Zunge in seine Armbeuge, die salzig und bitter und ganz stark nach Alexander schmeckt. Seine Haare kitzeln mich an den Lippen, lassen mich schmunzeln.

Ich stütze mich rechts und links neben seinem Kopf auf und schaue ihm ernst in sein schönes Gesicht. „Ich liebe alles an dir.", antworte ich.

Sofort ist Alexanders Mund wieder an meinem, nimmt seinen eigenen Geschmack auf. Ich kann ihn das Gesicht verziehen spüren, muss meinerseits grinsen, doch keiner von und unterbricht den Kuss.

Das Klopfen an der Tür nehme ich nur entfernt wahr, sehr viel präsenter ist schließlich der spitze Finger, der auf meine Schulter tippt. Erschrocken löse ich mich von Alexander, fahre herum zu Clary, die mich mit erhobenen Augenbrauen mustert. Sagen tut sie nichts. Entschuldigend schaue ich zurück, bin aber noch zu außer Atem, um einen Ton hervorzubringen. Ein hilfesuchender Blick zu Alexander veranschaulicht mir, dass es ihm ähnlich geht: Auch seine Brust hebt und senkt sich rasch, seine Wangen sind entzückend gerötet, aber auf seinen Lippen prangt ein stolzes Grinsen.

Clary räuspert sich. "Wenn es euch nichts ausmacht, hätte ich mein Zimmer jetzt gerne wieder für mich, draußen wird es langsam kalt.", durchbricht sie den Austausch unserer vielsagenden Blicke.

Beim Aufstehen taumele ich leicht, ein starker Arm um meine Hüfte fängt mich auf. „Selbstverständlich.", murmele ich. Eine Entschuldigung will mir nicht über die Lippen, denn ich bereue ganz sicher nicht, was in ihrem Zimmer passiert ist, und ich weiß, sie freut sich für mich. Allerdings ist sie auch die Stimme meiner Vernunft, die ein paar Zweifel aus der Welt räumen will.

„Lydia?", ein ernster Blick trifft Alexander. Er nickt: „Weiß Bescheid." Clary zieht die Brauen hoch, ihr Blick zuckt zu mir, dann zurück zum Mann an meiner Seite. „Deine Eltern?" Sein Blick verdüstert sich, doch seine Worte verdrängen meine aufkommende Beunruhigung. „Wissen nicht Bescheid. Werden sie aber."

Ich grinse glücklich zu ihm herauf, denn diese Formulierung sagt mir alles, was ich wissen muss. Es ist kein Um-Erlaubnis-Fragen, von dem er spricht, kein Ihre-Meinung-Einholen. Es hat vor, sie zu informieren, ungeachtet ihrer Reaktion.

Im gleichen Moment, in dem mir bewusst wird, dass er plant, seinen Eltern von uns zu erzählen, flackert eine verwunderte Stimme in meinem Kopf auf. Von uns? Und sie kann kaum glauben, dass dieses „uns" nun etwas vollkommen anderes impliziert als noch vor einer Stunde. Wir, denke ich. Alexander und Magnus. Genau so, wie ich es mir gewünscht habe.

Auf dem Wohnheimflur und dem Weg nach Hause, schweigen wir unbeholfen. Irgendwann legt sich Alexanders warme Hand um meine. Mir fallen so viele Dinge ein, die ich sagen möchte, die wir innerhalb der nächsten Zeit klären müssen.

Wie kann es sein, dass das hier wirklich passiert? Hat er wirklich diese Gefühle für mich? Gleich zweimal habe ich ihm meine Liebe gestanden und er hat nichts dergleichen gesagt. Auch wenn ich das nicht erwarte, verstärkt es meine Unsicherheit. Und wie wird es sein, wenn er seinen Eltern gesteht, dass er nicht mehr mit Lydia zusammen ist? Seinen Eltern, die mich nie sonderlich gemocht und schlussendlich nur geduldet haben. Werden sie das auch noch, wenn ich nicht mehr als bester Freund am Esstisch sitze? Wie werde ich Lydia begegnen, die Alexander freigegeben hat, im Wissen, dass ich ihn liebe? Wie wird unser Leben sein, werden wir es schaffen, unsere Freundschaft in das umzukehren, das wir beide uns wünschen?

Und auch die etwas geringeren, unmittelbareren Fragen drängen sich mir auf: Merkt er, wie meine Hand anfängt zu schwitzen? Wie sage ich ihm, was ich schon so lange mit ihm anstellen will, ohne ihn zu verschrecken? Und will er das alles auch? Gehen wir zu ihm oder zu mir?

Wir bleiben an einer Kreuzung stehen. Zu Alexander geht es weiter gerade aus. Um zu meiner Wohnung zu gelangen, müssten wir links abbiegen. Mein bester Freund und Blutsbruder stellt sich vor mich und ergreift auch meine zweite Hand, lässt seine Daumen über die Handrücken fahren. Zieht ganz kitschig eine zu sich heran und drückt einen Kuss darauf, dass ich leise kichern muss. Seine Augen funkeln mich an und lassen meine besorgten Gedanken trunken durcheinander taumeln.

„Und jetzt?", will er wissen.

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