1| Im Korridor
Oktober, zwei Monate nach Schulbeginn in Hogwarts
Müde stapfte Neville durch den Gemeinschaftsraum der Gryffindors, zwei Schulbücher unter den Arm geklemmt. Der sonst so gemütliche Raum hatte gemauso wie der Großteil des Schlosses verändert... Nicht, dass die Einrichtung anders war, es lag an der beklemmenden Stimmung, die überall im Schloss klebte, seit sie wieder hier waren. Nach Dumbledores Tod und der Ankunft der Todesser hatte sich viel verändert.
In Gedanken an den langen Tag, der vor ihm lag, stieg Neville mit einem merkwürdigen Gefühl im Bauch durch den Eingang des Gemeinschaftsraums. Die fette Dame döste gelangweilt und erschöpft in ihrem Gemälde. Ob sie es auch leid war, unter einem Dach mit den Todessern zu leben?
Das Gemälde schwang hinter Neville zu und seine Gedanken an die fette Dame erloschen. Stattdessen ging er in das große, magische Treppenhaus, welches nach wie vor eine beeindruckende Wirkung hatte. Es war ein düsterer Herbstnachmittag, weshalb die Stufen besonders farblos erschienen und selbst die vielen Gemälde einen stumpfen Schein hatten.
Neville nahm eine Treppe nach unten, achtete darauf, die falsche Stufe zu überspringen und begann schließlich, zügig durch den Korridor zu laufen.
Als er an einer kleinen Gruppe von Zweitklässlern aus Hufflepuff und Gryffindor vorbeikam, sahen sie ihn verschreckt an.
,Sehe ich etwa aus wie ein Todesser', dachte Neville, verärgert darüber, dass so gut wie alle Schüler große Angst in ihrer eigenen Schule haben mussten.
Schließlich bog er um die Ecke und konnte am anderen Ende des Korridors, gleich hinter einer der vielen Ritterrüstungen, eine Gestalt erkennen. Anhand des dunklen, engen Umhangs vermutete er Alecto Carrow drunter, eine Todesserin, die seit Voldemorts Machtergreifung Muggelkunde unterrichtete. Ihr Unterricht beschränkte sich üblicherweise auf ihre Erzählungen, Muggel seien wertlos und nicht besser als wilde Tiere.
Neville schnaubte verächtlich... Sie und ihr Bruder, Amycus Carrow, waren die meistgehassten Lehrer. Selbstverständlich neben dem neuen Schulleiter Severus Snape - auch wenn sich dieser selten blicken ließ, seitdem er nicht mehr unterrichtete.
Ohne sein Tempo zu drosseln, schritt Neville weiter voran. Seitdem der Terror durch die Todesser begonnen hatte, war Neville kein einziges Mal zurückgewichen. Diese Zeit hatte ihn wahrlich verändert. „Durchhalten, kämpfen, überstehen" war zu seinem Mantra geworden. Egal ob es stiller Protest, Widerstand oder einfach Hilfeleistung bei Schikanierung oder Misshandlung von Schülern, er erlaubte sich nicht, wegzusehen.
Fast immer erntete er dafür selbst brutale Strafen, vertraute aber darauf, dass die Todesser nie zu viel reines Blut vergießen wollten. Dennoch - nicht selten hatte er einen Cruciatusfluch oder stundenlanges Nachsitzen einbüßen müssen. Doch Neville wusste, dass all diese drohenden Strafen ihn und auch seine Freunde niemals dazu bringen würden, den Todessern zu folgen.
Als er Alecto immer näher kam, konnte er etwas weiteres auf dem staubigen Steinboden, in ihrem Schatten, erkennen. Er kniff die Augen konzentriert zusammen und tatsächlich: Zu ihren Füßen lag ein zusammengebrochener Junge aus Ravenclaw. Etwa zehn Meter trennten Neville noch von dem Geschehen, als er endlich seine Stimme erhob.
„Hey. Hey!", rief er.
Verblüfft wandte sich Alecto von dem wimmernden Jungen ab und funkelte ihn hasserfüllt an, als sie ihn erkannte.
„Was?", blaffte sie ihn an.
Ihr Tonfall machte Neville nur noch wütender, doch um des Jungens Willen zwang er sich, ruhig zu bleiben. Er musste ihm helfen.
„Was tun Sie da mit ihm?"
„Wonach sieht es denn aus?", fragte Alecto, herausfordernd die Zähne blickend.
„Ich stopfe diesem Blutsverräter das dreckige Maul. Doch was geht Sie das an, Longbottom? Oder hätten Sie auch gerne was ab?"
Neville funkelte sie zornig an. Am liebsten hätte er selbst seinen Zauberstab gezückt und es dieser Hexe gezeigt, nur hätte er damit sich und dem Jungen noch mehr Schwierigkeiten eingehandelt... Er beschloss, dass es wohl die beste Strategie wäre, sie so schnell wie möglich abzulenken um dem Ravenclaw zur Flucht zu verhelfen. Danach wäre ein Duell immerhin nur für ihn selbst eine Gefahr.
„Haben Sie nicht schon genug Schülern Angst gemacht und Zweitklässler angegriffen?", fragte er provozierend, um sie in ein Gespräch zu verwickeln. Daraufhin erschien ein sadistisches Grinsen auf Alectos blassen Lippen.
„Sieht denn das hier wie ein Zweitklässler aus? Oh nein, der hier ist ganz neu"
Sie schnaubte und trat dem ohnehin schon völlig erschöpften Jungen brutal in die Seite, woraufhin dieser wieder anfing zu schluchzen. Auch Neville zuckte leicht zusammen, als ihm etwas einfiel und in dem Moment, wo Alecto noch abgelenkt war, zu seiner falschen Galleone griff. Jetzt hieß es Zeit schinden, auf Verstärkung warten und diesem armen Jungen so viel Qual wie möglich zu ersparen.
Alecto blickte Neville wieder wütend mit ihren kalten Augen an. Dieser schluckte, auch wenn er ebenso wütend war, er musste sie irgendwie von dem Jungen ablenken... Wenn er doch nur die richtigen Worte finden würde.
„R-Reicht das denn nicht langsam mal?", brachte Neville heraus, bemüht, mit fester Stimme zu reden. Als sie ihn abschätzend anblickte, fasste er neuen Mut.
„Das, was Sie da veranstalten, hat doch rein gar nichts mit Konsequenzen oder gerechten Strafen zu tun! Es ist unmenschlich, wirklich brutaler Sch-..."
Weiter kam er nicht, er wurde von Alectos schrillem, durchdringendem Kichern übertönt. Doch das Lachen erreichte ihre Augen nicht, im Gegenteil, sie durchbohrte ihn praktisch mit ihren hasserfüllten, grauen Augen. Sie war noch wütender geworden. Gut.
Während sie sich vor Neville förmlich aufplusterte, um ihm eine Standpauke darüber zu halten, was sie nicht alles dürfe und wie wenig er als Schüler dagegen tun konnte, warf er dem Ravenclaw möglichst unauffällig einen Blick zu, der ihm bedeutete, zu verschwinden. Der Junge sah ihn verschreckt an, nickte dann jedoch leicht und schlich sich rückwärts um die Ecke, bevor er leise losrannte.
‚Glück gehabt', dachte Neville und atmete vor Erleichterung auf, immerhin dieser war in Sicherheit. Mit etwas Glück könnte auch er hier wegkommen, ohne das die Situation weiter ausartete. Schwierigkeiten hatte er nun wirklich genug.
Er wollte gerade Luft holen, um Alectos Vortrag zu unterbrechen, als sie anscheinend aus den Augenwinkeln sah, dass der Erstklässler verschwunden war. Sichtlich empört riss sie die Augen so weit auf, dass Neville sich fragte, ob ihre Augäpfel nicht gleich herausfallen würden. Sie durchbohrte ihn förmlich mit ihrem stechenden Blick.
„Ohh Longbottom, das wird Ihnen noch leid tun!", keifte Alecto und richtete ihren dunklen Zauberstab drohend auf ihn. Neville konnte sich nur mit Mühe davon abhalten, nicht zurückzuweichen. Mit dem Wissen, dass sein Zauberstab noch auf seinem Nachttisch lag und er sich mit seinen zwei Büchern nicht verteidigen konnte, fühlte er sich wehrlos und ausgeliefert.
Er ballte seine Hände zu Fäusten und stellte sich gerade trotzig auf die erwarteten Schmerzen vom Cruciatusfluch ein, als zwei andere Leute um die Ecke gelaufen kamen und sich entschlossen zwischen Neville und Alecto warfen.
Wer Neville hier wohl zur Hilfe geeilt ist?
Kommt er heil aus der Sache raus?
Das war's dann auch schon mit dem ersten Teil ^•^
Den nächsten werde ich wohl am Wochenende oder am Montag hochladen.
Insgesamt versuche ich, jede Woche einen bis zwei Teile zu schreiben.
Ich würde mich auf jeden Fall freuen, wenn ihr dranbleibt!
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top