Kaegan und Banneth

Banneth' raues Lachen durchschnitt die kühle Morgenluft. Kaegan hatten den Witz nicht gehört, aber das war ihm auch Recht so - nicht nur hatte Banneth einen sehr ... speziellen Humor, es kam ihm vor, als würde sein Kopf auch ohne einen weiteren dummen Spruch von seinem Freund überquellen. Er versuchte, einfach an rein gar nichts zu denken, ruhig zu atmen und die Augen auf den Feind zu richten; doch wie sollte ihm das gelingen? Sie waren Speermänner. Sie standen an vorderster Front, mit nichts außer ihren Speeren, Schilden und der mangelhaften Lederausrüstung, die nun mal die einzige war, die sie sich leisten konnten. In ihrem Rücken hörte er das Geklapper von richtigen Rüstungen, das Scharren von Hufen und das Summen leiser, von Aufregung durchtränkter Stimmen. Doch das alles würde ihnen nichts nützen. Sie standen ganz vorn. Wenn die Armee vom anderen Lord, er kannte nicht mal dessen Namen, über sie herfällt, würden sie als erster untergehen.
Banneth stieß ihm mit dem Ellenbogen in die Seite. "Nun komm schon - es gibt keinen Grund, so griesgrämig dreinzuschauen!" - "Keinen Grund? Wir werden gleich niedergemetzelt! Ich hatte noch nie einen so guten Grund, griesgrämig dreinzuschauen wie gerade jetzt", murrte Kaegan und sah ihn skeptisch an. Sicherlich, Banneth fand das alles höchst aufregend - er war schließlich der beste bei den Speerübungen gewesen, er war groß, kräftig und schaffte es stets, sich aus kniffligen Situationen zu befreien - da war es leicht, optimistisch zu sein. Kaegan auf der anderen Seite? Er war ziemlich klein, schmal und focht seine Kämpfe lieber mit Worten als Taten, dieser ganze Krieg missfiel ihm schrecklich. Doch wenn er zum Rotschopf neben sich, in diese grünen Augen schaute - fühlte er sich sicher. Banneth hatte Recht, natürlich würden sie das überstehen, das mussten sie einfach irgendwie. "Es beginnt, Kaegan. Sei tapfer", der junge Mann deutete auf eine dunkle Linie, die sich am Horizont zeigte. "'Tapfer' ist ein Wort der Ritter. Ich bin nicht hier, um mir Ehre zu verdienen, ich bin hier weil ich es muss", grummelte Kaegan, richtete jedoch den Blick auf die tausenden gegnerischen Krieger, die über den sanften Hügel marschierten. Man konnte sie noch nicht einmal hören, so weit entfernt waren sie noch, und trotzdem lief ihm ein Schauer über den Rücken. Am liebsten hätte er Speer und Schild fallengelassen um davonzulaufen - unruhiges Geraschel um ihn herum zeigte, dass es nicht nur ihm so erging. Hilfesuchend schaute er zu Banneth auf, welcher ihm aufmunternd zulächelte.
Es fühlte sich wie Stunden an. Die gegnerische Armee strömte auf das Feld, eine Masse aus braunem Leder, silbernem Stahl und blauen Bannern. Zweifelnd warf Kaegan einen Blick zurück, auf die eigenen Fahnen - ein schwarzer Hirsch auf grün, das Wappen des Lords, dem er untergeben war. Das Wappen des Lords, der ihn aus seinem Umfeld gerissen und in den Kampf geschickt hatte - es fühlte sich an, als hätte er mehr Gründe, gegen seinen eigenen Herren zu kämpfen, als gegen einen Fremden, der ihm nichts getan hatte - doch Desertion und Verrat wurden mit dem Tode bestraft, und dem wollte er eigentlich noch eine Weile entgehen. "Bogenschützen! Pfeile einnocken!", die Stimme holte ihn ins Jetzt zurück. Kaegan hatte all das ausgeblendet, was jetzt auf ihn eindrang, all die Geräusche, den Geruch und diese schreckliche, schreckliche Ungewissheit, was passieren würde. "Spannen!" - es war also soweit. Der Feind war in Reichweite. Alles um ihn herum nahm Form an, es war viel zu viel auf einmal, die Angst gewann die Oberhand und ergriff ihn wie eiskalte Winde. "Lösen!" Aberhunderte Pfeile ergossen sich aus den Reihen hinter ihm auf das Feld. Sie regneten auf das feindliche Heer nieder, doch ihre Wirksamkeit war geradezu lachhaft. Auf eine solche Entfernung war es praktisch unmöglich genau zu zielen; wenn die Pfeile einen Soldaten trafen, dann aus Glück.
Plötzlich verdunkelte sich der Himmel erneut, ein weiterer Pfeilregen senkte sich nieder - doch diesmal in Kaegans Richtung. Er hob den Schild über seinen gesenkten Kopf und hörte einige Pfeile mit dumpfen Lauten daran abprallen oder im Holz steckenbleiben. Ein rascher Seitenblick zeigte ihm, dass auch Banneth den ersten Ansturm überstanden hatte, und für einen einzigen Herzschlag schauten die beiden sich an - dann brach das Chaos aus.
Der Befehl, auf Angriff überzugehen war erklungen. Kaegan hatte keine andere Wahl, als mit dem Rest seiner Division loszustürmen - hinter ihm vernahm er den Donner riesiger Hufe. Die Kavallerie folgte ihm kurze Zeit, bis sie an ihm vorbeipreschte um die feindlichen Reihen zu durchbrechen und ihnen die Möglichkeit, ihre Speere einzusetzen, zu geben. Die gewaltigen Schlachtrösser und strahlenden Ritter sahen beeindruckend entschlossen aus, doch wenn man ein riesiges Schwert in der Hand hielt und in einer glitzernden Rüstung steckte, war das auch nicht schwer - sie kämpften für Ruhm, nicht weil sie dazu gezwungen worden waren.
Die ersten Soldaten fielen. Auf beiden Seiten. Der Himmel wurde regelmäßig von Pfeilschwaden verdunkelt, doch das war das einzig noch geordnete. In der Schlacht selbst waren keine Formationen mehr zu erkennen, der Kampf bestand aus einzelnen Gruppen von bis zu einem halben Dutzend Soldaten, die sich gegenseitig bekämpften und weiterzogen, sobald eine von beiden geschlagen war. Auch Kaegan gehörte zu einem solchen Zusammenschluss, an seiner Seite stand Banneth gemeinsam mit drei weiteren Soldaten mit grünem Wappen. Sie hatten sich auf eine kleine Erhöhung vorgekämpft, von der aus sie sich nun, Rücken an Rücken, verteidigten. Die einzelnen gegnerischen Krieger mit dem Speer niederzumachen war aus dieser Position nicht schwer; hart wurde es dann, wenn, selbst nur für Sekunden, nichts geschah und Kaegan auf das blicken konnte, was vor ihm lag: Ein Feld, von Blut durchtränkt, bedeckt von Leichen und Halbtoten, die sich ihrem Schicksal gefügt hatten. Die Geräusche waren das Schlimmste. Husten, Stöhnen und das ewige Klirren von eisernen Speerspitzen oder Schwertern, die auf Schild und Rüstung trafen. Pferde galoppierten, teilweise reiterlos, ohne Acht über die Toten, trampelten nieder, was sich noch regte. Kaegan beobachtete einen riesigen Rappen, dessen Reiter die Fußsoldaten um sich herum abschlachtete. Immer wieder fasste eine Gruppe Mut im Zusammenhalt, nur um dann in wenigen Herzschlägen niedergemacht zu werden. Der Ritter hieb seine Klinge in den letzten Narr, der es gewagte hatte, sich ihm zu nähern, und hob den Kopf. Der schwarze Schlitz in seinem Helm richtete sich auf Kaegans Truppe.
Es geschah innerhalb von Sekunden. Das Pferd riss den Kopf nach oben, seine schweren Hufe donnerten über alles, was vor ihm lag, als der Ritter ihm die Sporen gab und auf sie zu preschte. Kaegan brüllte. Es waren keine Worte, das brachte er nicht zu stande, er wollte nur die anderen warnen, doch es war zu spät. Ein Blutbad. Der Fremde krachte mit voller Wucht in die Seite ihrer kleinen Formation, die Soldaten schafften es nicht einmal, ihre Speere zu erheben. Einen von ihnen überritt er schlicht, zwei weitere sanken zu Boden, als er sie mit der Klinge von ihren Extremitäten befreite. Kaegan hob seinen Schild, richtete den Speer auf den Rappen und wollte sich verteidigen - doch auf ihn hatte der Ritter es gar nicht abgesehen. Mit einem schrecklichen Knirschen ging Banneth zu Boden, sein Bein in einer Haltung, die eigentlich nicht möglich sein sollte. Kaegan schrie auf und rammte den Speer in die Brust des Tieres, doch es machte keinen Unterschied mehr. Ein anderer Ritter hatte den Fremden bereits mit seinem Schwert zugrunde gerichtet und war so schnell verschwunden wie er gekommen war.
Verzweifelt sank Kaegan zu Boden. Tränen hinterließen warme Spuren auf seinem Gesicht, das sonst komplett von Staub, Blut und Schweiß bedeckt war. Benommen griff er nach Banneth' Lederwams, wollte ihn schütteln und anschreien, wie er ihm so etwas antun konnte. Er war doch der Krieger unter ihnen, er war derjenige, der neben Kaegan wohlauf vom Schlachtfeld hätte herunter laufen sollen. Stattdessen lag er hier, zwischen dutzenden anderen Toten, seine wunderschön grünen Augen nun leblos in den Himmel starrend.

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