Kapitel 10 ~Spiel die Heldin~

,,Was hast du da?" Leos Stimme hörte sich plötzlich extrem laut an und ich zuckte vor Schreck kurz zusammen.
,,Nichts.", versuchte ich überzeugt von mir zu geben, meine Stimme glich aber mehr einem Krächzen als sonst etwas.

,,Dort wo alles begann.", wiederholte auch er die Worte. Dann fing er plötzlich an zu grinsen.
,,Hast du etwa einen Stalker?", er wackelte mit den Augenbrauen und konnte sich ein Lachen nicht verkneifen.

Seine Worte trafen mich mit voller Wucht und die Übelkeit stieg in mir hoch. Ich zerknüllte den Zettel in meinen Händen, sperrte endlich auf. Ich ließ meine Schuhe einfach auf dem Flur stehen und schmiss meine Jacke auf die nächste Kommode.

,,Ana? Hallo?", er wedelte mit seiner Hand vor meinem Gesicht herum und versuchte dann nach meinem Arm zu greifen. Mit meiner freien Hand schlug ich diese jedoch weg und stürmte die Treppen nach oben. Mein Herz raste. Ich wollte weg.

,,Ana! So war das doch nicht gemeint!", schrie mir Leo hinterher, doch ich hatte meine Zimmertür bereits zugeschlagen. Ich lehnte mich mit den Rücken an die Wand und holte erst einmal mein Handy heraus.

Julia hob sofort ab, nachdem ich ihre Nummer gewählt hatte.
,,Mm Ja? Oh warte....so jetzt geht's.", murmelte sie vom anderem Ende der Leitung.

,,Ich weiß wer die Zettel geschrieben hat.", presste ich hervor und hörte Julia kurz husten.
,,Warte was?", ich konnte sie ganz klar und deutlich hören. Wahrscheinlich hat sie soeben ihr Handy richtig in die Hand genommen, da sie sonst die Gewohnheit hatte mit Lautsprecher zu telefonieren.

,,Ich weiß wer die gelben Zettel geschrieben hat.", wiederholte ich mich deshalb nochmal.
,,Wie? Woher das denn?", fragte sie aufgeregt.
,,Ich habe schon wieder einen bekommen. Er lag vor unserer Haustür.", stieß ich hervor und setzte mich endlich auf mein Bett.
,,Nein?! Wirklich?", sie schien  aufgeregter zu sein als ich.
,,Ja... Dort wo alles begann.", las ich laut vor, als ich meine Faust öffnete und den Zettel glattstrich.

,,Wir werden uns wieder sehen. Dort wo alles begann.", setzte Julia nun auch endlich das Puzzle zusammen.
,,Aber wer soll das sein?", fragte sie mich dann.
,,Es kann nur David sein.", ließ ich endlich die Bombe platzen und konnte es selbst kaum glauben, dass ich dass gerade ausgesprochen habe.

,,Das... glaubst du doch selber nicht?", meinte sie nachdenklich und etwas verwirrt.
,,Leider ja. Er hat unterschrieben."
Ich hörte Julia laut einatmen, sie verstummte. Ich hielt noch immer den kleinen Zettel in der Hand. Da stand weiter unten mit der selben schwarzen Farbe ein großes D.

D wie David.

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,,Okey, okey. Aber wo habt ihr euch denn das erste Mal getroffen?", fragte Julia aufgeregt.
Wir waren gerade eben dabei einen Plan auszuhecken, welcher mir helfen sollte, dieses Problem endlich zu lösen.

Leo hatte mittlerweile versucht mit mir zu reden. Vermutlich hatte er ein schlechtes Gewissen. Viel davon konnte er mir jedoch nicht sagen, da hatte ich ihn schon hochkant rausgeschmissen und die Tür verschlossen. Leo würde ich mir später vornehmen. Dafür hatte ich jetzt aber keine Zeit.

,,Ich glaube das war im Park, als Ben und ich das Picknick gemacht haben.", überlegte ich kurz, während ich mich umzog und meine Tasche auspackte.

,,Na dann los. Hin!", rief Julia aufgeregt.
,,Selbst wenn das stimmt. Was sollte ich mir davon erhoffen? Du glaubst doch nicht wirklich, dass er seit Stunden in diesem Park hockt und auf mich wartet?", konterte ich und strich mir meine zerzausten Haare aus dem Gesicht.

,,Naja, er hat sich immerhin auch Zeit genommen herauszufinden wo du wohnst.", antwortete sie und ich konnte regelrecht fühlen, wie sie mit ihren Schultern zuckte.
,,Sollte er mich wirklich schon länger verfolgen, wusste er ohnehin schon wo ich wohne. Ich will mir gar nicht ausmalen, was er sonst noch alles über mich weiß. Oh Gott, ich glaube das ist eine ganz schlechte Idee, dort hinzugehen.", ich atmete schwer aus und griff endlich nach meiner Bürste, um mein Haar zu kämmen.

,,Jetzt mach dich nicht verrückt.", ermahnte sie mich.
,,Was soll er denn Schlimmes machen? Er ist bestimmt kein Mörder oder Psycho. Du hast Ben ja selbst gehört, dass er damals total in dich verschossen war.", sie klang echt überzeugend, obwohl ich wusste, dass ich vorsichtig sein sollte.

,,Ja, damals.", erinnerte ich sie deshalb.
,,Niemand weiß, was er in der Zeit getrieben hat, in der er verschwunden ist, geschweige denn, wo er war."

Leise klopfte es an meiner Tür und ich verdrehte meine Augen. Man konnte auch nicht einmal alleine sein.
,,Geh weg!", herrschte ich Leo deshalb an, welcher sich wahrscheinlich auf den Weg zu mir gemacht hatte, um sich zu entschuldigen.
,,Mach doch mal auf!", wurde er jetzt mutiger und klopfte nun etwas lauter.
,,Lass mich in Ruhe!", ich griff nach meiner halbvoller Plastikflasche in der Tasche und warf sie gegen die Tür, um ihn endlich zum Schweigen zu bringen. Es schien seine Wirkung zu haben. Wenige Sekunden später hörte ich ihn die Stufen hinunter poltern.

,,Okey, sorry. Das war Leo.", warf ich genervt ein, als es wieder ruhig wurde.
,,Habt ihr Streit?", fragte Julia besorgt.
,,Es ist kompliziert. Er ist irgendwie total komisch drauf.", antwortete ich und strich mir über die Stirn.

,,Hmm, seltsam. Er ist doch sonst so gut drauf.", meinte sie nachdenklich und ich nickte mit dem Kopf.
,,Ich weiß. Noch eine Sache, die ich klären sollte. In meiner Familie läuft gerade alles aus dem Ruder.", gab ich frustriert von mir.

,,Also, wenn du meinen Rat hören willst, triff dich mit diesem David und bring die Sache hinter dich. Du hast schon genug um die Ohren. Jetzt, wo es Hope nicht gut geht.", redete sie mir gut zu.

,,Du hast wieder mal Recht, Julia.", ich musste lächeln und klatschte einmal in meine Hände.
Vom anderem Ende der Leitung hörte ich ein leises Schmunzeln. 
,,Aber vergiss nicht Ana. Du musst nicht für jeden die Heldin spielen. Ich weiß, du willst nur helfen, aber manche Dinge passieren eben, weil sie passieren.", fügte sie dann schnell hinterher.

,,Ja, ich bin nun mal so. Aber danke. Ich werde dich auf dem Laufendem halten. Wünsch mir Glück.", beendete ich nach gefühlten Stunden endlich unser Gespräch.
,,Mach ich. Tschau Tschau.", verabschiedete auch sie sich und legte auf.

Ein Blick auf die Uhr zeigte mir, dass ich noch reichlich Zeit hatte, um nochmal raus zu gehen. Die Sonne war zwar bereits am Untergehen und um diese Jahreszeit wurde es schnell dunkel, trotzdem legte sich leichtes Licht über die Landschaft.

Ich zog mir also warme, dunkle Sachen an und steckte alles Nötige ein. Auch wenn ich Julias Ratschlag sehr schätzte, hatte ich nicht die Absicht dort aufzukreuzen und mich von diesem David anquatschen zu lassen. Nochmals wollte ich erwähnen, dass ich kein Ball war, den man hin und her schubsen kann, so wie es einem gefällt. Und so konnte es auch ruhig bleiben.

Ohne ein weiteres Wort verließ ich das Haus und trat den mehrminütigen Weg Richtung Park an. Ich zog mir die Kapuze tief ins Gesicht und vergrub meine Hände in den Taschen. Die Straßen waren nur leicht befahren, hin und wieder begegnete ich einem Passanten.

Etwa zehn Minuten später erreichte ich den Park. Die dichten Bäume am Rand verschafften mir den perfekten Unterschlupf, um erstmal die Lage zu checken.
Ich konnte absolut niemanden entdecken, auch nicht, als ich den Park einmal umkreiste, um zu sehen, ob sich jemand inter den Bäumen versteckte. Nach weiteren fünfzehn Minuten warten beschloss ich den Park einmal zu durchqueren. 

Sollte David wirklich hier auf mich warten, müsste er mich dann doch sehen und endlich aus seinem Versteck kriechen. Doch leider brachte mir das gar nichts. Es war absolut niemand hier.

Also kehrte ich nach einer vollen Stunde mit gemischten Gefühlen nach Hause zurück. Vielleicht hatte ich mir das auch alles nur eingebildet und die Zettel bedeuteten rein gar nichts. Oder ich suchte an der falschen Stelle. War ich ihm vielleicht schon davor begegnet? Vielleicht sollte ich Ben um Hilfe bitten. Wenn ich jemanden fragen konnte, dann ihn.

Mein Dad war bereits zu Hause, als ich gegen neun Uhr ankam. Er arbeitet als Architekt und war dem nach oft unterwegs, oder kam erst spät nach Hause, Manchmal kam es sogar vor, dass er Wochenends im Ausland war, um sich irgendwelche neuen Aufträge anzusehen.

Er sah von seine Papieren auf und setzte die Brille ab, als er mich in die Küche kommen sah. Er saß am Esstisch und hatte sich über seine Unterlagen gebeugt, um noch etwas zu arbeiten. Meiner Meinung nach arbeitete er zu viel. Beschweren konnte ich mich dennoch nicht, denn er verdiente gut.

,,Hallo.", begrüßte ich ihn freundlich und gab ihn einen Kuss auf die Wange.
,,Hey, Schatz. Na, wie war dein Tag?", murmelte er abwesend und widmete sich wieder seiner Arbeit.
,,Anstrengend.", antwortete ich und durstöberte erstmal den Kühlschrank nach etwas Essbarem.
,,Ist Leo zu Hause?", fügte ich dann noch hinzu und schnappte mir ein Yoghurt und einen Löffel aus der Schublade. Dann setzte ich mich ihm gegenüber auf den Tisch und zog den Aludeckel vom Becher.

,,Ne. Der ist nochmal weg. Ich hab gehört ihr hattet Streit.", entgegnete er und sah mich fragend an. Ich schob mir den ersten Löffel in den Mund und schüttelte den Mund.
,,Nein, wir hatten keinen Streit. Das war ein Missverständnis. Leo hat da was falsch interpretiert. Ich weiß nicht, er war heute so komisch drauf. Weißt du was mit ihm los ist?", ich versuchte bewusst von meinem eigentlichen Problem abzulenken, denn ich hatte keine Lust mich rechtfertigen zu müssen, warum ein gelber Zettel mit meinem Namen und einer Nachricht für mich vor unserer Tür lag.

,,Nein. Vielleicht hat er aber auch nur Stress im College oder wegen dem Training.", zuckte er mit der Schulter und fing an auf die Tasten des Taschenrechners neben ihn zu hämmern. Ich kratzte währenddessen den letzten Rest von meinem Yoghurt aus dem Becher und stellte ihn dann auf den Tisch ab.

,,Kann sein.", meinte ich unglaubwürdig, denn, bloß wegen Stress war Leo bestimmt nicht so drauf.
,,Naja, wie dem auch sein.", meinte ich dann, die Stirn in Falten. Ich erhob mich, schnappte meinen Becher ging in die Kücher.
,,Ach ja. Bevor ich es vergesse.", fing ich dann an und schmiss den leeren Yoghurt in den Müll.
,,Ich hab gehört ihr hattet Streit. Du und Mum.", imitierte ich ihn bewusst nach und lehnte mich gegen die Küchentheke.
Dad verharrte kurz in seiner Position, dann drehte er sich auf seinem Stuhl um und sah mir direkt in die Augen.

,,Wir hatten keinen Streit. Da musst du was falsch interpretiert haben.", fing auch er an, mir nachzureden. Ich schnalzte mit der Zunge und verengte meine Augen kurz zu Schlitzen. Dann stieß ich mich von der Theke ab und ging um sie herum. Dad beobachtete dabei jeder meiner Bewegungen. Er wusste genau, was ich meinte. Und wir beide wussten, dass ich das besser nie hätte hören sollen.

,,Ich weiß genau, was ich gehört habe, Dad.", ich lachte kurz auf und stemmte meine Hände gegen die Hüfte.
,,Ich hoffe für euch, das war eine Einmalige Sache. Bringt das wieder in Ordnung. Und wenn ihr es nicht für euch tun könnt, macht es für Hope. Für uns.", ich senkte meine Stimme, sah ihn noch einmal an und machte dann auf dem Absatz kehrt, um hinauf in mein Zimmer zu gehen.

Ein Lächeln legte sich auf meine Lippen. Auch wenn es nicht gerade besonders nett von mir war, war es notwendig, endlich Klartext zu reden. Dads Blick sprach Bände. Was auch immer die beiden vor mir verbargen. Es musste extrem wichtig sein. Was es auch war. Ich würde alles dafür tun, herauszufinden was es war. Ich musste Klarheit schaffen. Einfach für mich selbst. Das war die einzige Möglichkeit die Kontrolle zu behalten.

~~~~~~~~

>>Ich glaube begonnen hat  alles, als ich Ben das erste Mal getroffen habe. Ich hätte nie gedacht, dass sie plötzlich so viel in meinem Leben ändern kann..<<

>>Was hat sich für dich denn geändert?<<

>>Jedes Mal, wenn ich ihm gegenüberstand, habe ich mich gefragt, warum das alles passiert. Julia hat mir mal gesagt, dass die Dinge passieren, weil sie eben passieren. Aber wie kann das sein, dass ich plötzlich mit ganz anderen Menschen zu tun hatte? Ich glaube vielen Mädchen ging es so wie mir. Immer der selbe Tagesablauf. Man steht auf, geht zur Schule und kehrt wieder nach Hause zurück. Alles dreht sich um die Schule, hin und wieder unternimmt man etwas mit Freunden. Es sind die Kleinigkeiten, die einem dann beschäftigen. Der Streit mit den Eltern, oder die schlechte Note, die man wieder einmal bekommen hat, weil man einfach zu unmotiviert war, um dafür zu lernen. Dabei hatte ich Zeit. So viel Zeit, welche ich mir gerne zurückwünschen würde.
Mein Leben ist plötzlich so voll geworden. Nicht im Sinne von, jeden Tag gab es eine neue Aufgabe zu bewältigen. Nein. Alles passierte durcheinander und ich konnte gar nicht richtig atmen.<<

>>Fandest du es nicht gut, dass sich so viel verändert hat?<<

>>Nein.<<

>>Warum nicht?<<

>>Weil es sich nicht real angefühlt hat. Ich fühlte mich eher wie in einem Highschool Film oder einer Teenager Serie. Alle haben sie ein Problem zu lösen und wenn sie denken, es sei endlich vorbei, passiert schon wieder das nächste Unheil. Es ist ein nie enden wollendes Rätsel, welches nicht gelöst werden kann. Genauso ging es mir auch. Bis zum Schluss ist immer irgendetwas gewesen. Es war wie ein schlechter Traum. Ein schlechter Traum, dem ich nicht entkommen konnte. Ein Alptraum.<<

~~~~~~~~

I

n meinem Zimmer angekommen, schrieb ich Julia erst Mal, dass ich David nicht gesehen hatte und fragte, ob es eine gute Idee wäre, Ben um Hilfe zu fragen.
Anschließend hatte ich endlich Zeit, mich um die Schule zu kümmern. Ich erledigte alle nur möglichen Hausaufgaben und legte mir dann meine Sachen zurecht, welche ich noch für diese Woche lernen musste.

Nach geschlagenen zwei Stunden war ich endlich fertig und verfluchte mich dafür, dass ich so lange gebraucht hatte. Ich ging normalerweise gegen zehn Uhr schlafen, da ich, anders als andere Schüler, unendlich viel Schlaf brauchte. 
Da es aber sowieso schon egal war, ob ich eine halbe Stunde länger aufblieb, schlüpfte ich auch noch schnell unter die Dusche und machte mich dann endgültig bettfertig.

Gegen halb zwölf landete ich dann endlich in meinem warmen Doppelbett. Julia hatte mir derweil geschrieben und versichert, dass Ben bestimmt eine Lösung für mich parat hätte.

Ich schrieb ihr schnell zurück und schaltete mein Handy dann auf Flugmodus und drehte das Licht ab. 
Nach wenigen Minuten war ich bereits eingeschlafen, denn selbst das Poltern an unserer Haustür konnte mich nicht mehr aufwecken.

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