6|own choices

Den Rest der Woche verbrachte ich damit mich für das kommende Schuljahr vorzubereiten, immer pünktlich in der Bibliothek anzutanzen und meinem Dad vorzuspielen ich würde noch am Leichtathletik Team teilnehmen. Letzteres stresste mich von dieser Liste am meisten, vorallem da Dad seit neustem darauf bestand, dass wir einmal pro Tag gemeinsam am Esstisch saßen. Die meiste Zeit davon schwiegen wir uns an und genossen das frisch gekochte Essen, das entweder ich oder unser Haushälter, Montgomery, für uns zubereitet hatte. Glücklicherweise lenkte mich dieser ganze Sturm in meinem Kopf davon ab mir über Miles Gedanken zu machen. Zumindest bis zum heutigen Abend.

In Jogginghose und Sweatshirt saß ich auf meinem Bett und starrte wie benommen in mein aufgeschlagenes Biologie Buch.
Grundlagen der Vererbung, zierte die aktuelle Seite. Ich hatte bestimmt seit über einer Stunde nicht weiter geblättert, doch nur weil mich vor - ich warf einen Blick auf meinen Computerbildschirm - inzwischen 54 Minuten Maeve angerufen hatte um mit mir gemeinsam zu lernen. Nachdem wir die halbe Seite und zwei Abbildungen gemeinsam durchgegangen waren, stellte sich heraus, dass Maeve garkeine Lust hatte zu lernen und sich viel lieber für einen Ausgehabend zurecht mache wollte.

Als mein Blick von meinem Biologie Buch zu dem noch laufenden Videotelefonat wechselte, verfluchte Maeve gerade den Lockenstab in ihrer Hand und rammte ihn auf den Tisch.
"Ganz im Ernst, wer schafft es sowas zu verwenden, ohne sich dabei die Finger abzubrennen?"

Ich unterdrückte ein amüsiertes Schmunzeln und beobachtete sie dabei wie sie mit einer großen Plastik Haarbürste frustriert durch ihr Haar fuhr.
"Ich verstehe nicht, wieso du deine Haare nicht einfach glatt lässt. Du hast so ein Glück damit, dass sie von Natur aus so sind."
"Ich finde sie aber schrecklich so", protestierte sie wie ein kleines Kind und stand von ihrem Schminktisch auf. Sie verschwand aus dem Bild und das nächste das ich hörte waren das öffnen einer Tür und Maeves genervte, laute Stimme: "Okay Paisley, ich brauche doch deine Hilfe!"

Wenige Sekunde danach kam sie auch schon wieder zurück, jedoch gefolgt von ihrer Schwester. Paisley bemerkte mich nicht sofort, doch als sie ihre großen, grünen Augen auf Maeves Computer richtete, erhellte sich ihr Gesicht.
"Allie! Von dir habe ich ja ewig nichts mehr gehört. Wie geht's dir? Du bist seit Montag wieder in der Schule, stimmt's?"
Sie strich sich ihre welligen, blonden Haare hinter die Ohren und hielt bereits den erhitzten Lockenstab in der Hand, während Maeve noch die richtige Position suchte um vor ihrer Schwester Platz zu nehmen.
Dass Paisley zugestimmt hatte ihr zu helfen, war einerseits ziemlich vorhersehbar gewesen, erstaunte mich andererseits doch. Dieses Mädchen war der Inbegriff von Launen und Stimmungsschwankungen. So sehr man sie in manchen Momenten bewunderte, konnte man ihre Art auch nicht sonderlich lange aushalten. Auf mich traf wohl eher zweites zu. Daraus machte ich kein Geheimnis. Doch mich mit ihr zu zerstreiten oder gar zu verfeinden stand mir nie im Sinn. Ich war nett zu ihr und sie war nett zu mir. So gut wir eben konnten.

Paisley war nur ein Jahr älter als Maeve und ich und daher das mittlere Kind der Familie. Falls ihr das jemals irgendwie zugesetzt hatte, ließ sie es sich nicht ansehen. Paisley gehörte nicht nur zu der Sorte Mädchen die man vom ersten Augenblick an schön fand, sie hatte auch noch was im Köpfchen. Einen Noten Durchschnitt von 1.1 zu halten und gleichzeitig die Wochenenden damit zu verbringen die ganze Nacht unterwegs zu sein, konnte man eindeutig als Segen bezeichnen.

"Gut und ja", ich stockte. "Ich bin wieder voll und ganz hier."
Nickend streckte sie die Hand nach ihrer Schwester aus, griff nach einer dicken Strähne und wickelte sie um den Lockenstab. Nach einigen Sekunden ließ sie das ausgewählte Haar wieder los und es gab sich gelockt der Schwerkraft hin.
Dies wiederholte sie mit Maeves ganzen Haarschopf. Es hatte was beruhigendes Paisley dabei zuzusehen, wie sie konzentriert die Haare ihrer Schwester bearbeitete, welche sich allein ihrem Smartphone widmete.
Erneut versuchte ich mich auf meinen Lernstoff zu konzentrieren und begann die ersten paar Zeilen zu lesen. Ich wusste, dass ich es heute zu keinem weiteren Fortschritt mehr bringen würden. Kaum hatte ich einen Satz beendet, begannen die Buchstaben vor meinem Auge zu verschwimmen. Ich versuchte mir die folgenden Wörter selbst zusammen zu reimen, doch trotz meines Wissens aus dem Biologie Unterricht, brachte ich nichts sinnvolles zustande. Ich atmete schwer aus und klappte das Buch geräuschvoll zu.
"Bist du dir sicher, dass du nicht mitkommen willst?", hörte ich Maeve plötzlich fragen und als sich mein Blick wieder auf den Bildschirm richtete, sah ich dass ihre gelockten Haare sanft ihr Gesicht umrandeten und Paisley nirgends mehr zu sehen war.
Ich schüttelte den Kopf und zog mein Smartphone unter meinem Kopfkissen hervor. Dort versteckte ich es immer, wenn ich vor hatte zu lernen. Einfach um mich nicht so einfach ablenken zu lassen.

"Ja. Ich bin mir sicher. Du weißt, solche großen Menschenmassen haben mir noch nie zugesagt."

"Wenn du meinst", sagte sie leise. "Wahrscheinlich ist sowieso Miles dort."

Ich zuckte mit den Schultern und ignorierte ihren letzten Satz. Sie wollte, dass ich auch feiern ging und mich zu provozieren um gegen mein eigenes Ego ankämpfen zu müssen, war klüger als ich es hätte zugeben wollen.

"Alyssa?"
Die Tür meines Zimmer flog in Sekundenschnelle auf und noch im selben Moment stand mein Vater in meinem Zimmer und betrachtete prüfend das Chaos aus Unterlagen und Stiften auf meinem Bett. Ein hellgrauer Anzug schmiegte sich an seine strammen Schultern. Sein Haar trug er streng zurückgegeelt, was leider nur seine vereinzelten, grauen Strähnen noch mehr zum Vorschein brachte.
Mein ganzer Körper versteifte sich, abgesehen von meiner Hand, welche zur Tastatur des Laptops schoss und den Videochat mit Maeve beendete. Ganz von selbst öffnete sich ein Wikipedia Fenster über Genetik.

"Ja?", fragte ich und versuchte mir das Herzrasen in meiner Brust nicht anmerken zu lassen. Ich hatte mich heute zum ersten Mal vor unserem geplanten Abendessen gedrückt indem ich ihm erzählt hatte wie viel Lernstoff ich in Biologie nachzuholen hatte. Mich mit Maeve plaudern zu sehen würde seine ohnehin grimmige Laune sicherlich nicht aufhellen.

"Ich wollte dir nur bescheid geben, dass ich jetzt losfahre. Morgen früh habe ich ein Meeting in Boston. Morgen Nachmittag, so gegen 14 Uhr, bin ich wieder hier und ich hoffe dich dann auch hier aufzufinden." Er trat einige Schritte ans Bett heran und nahm meinen Laptop genauer unter die Lupe. "Aber hoffentlich lernst du dann nicht wieder sonst muss ich anfangen mir sorgen zu machen."

Ich imitierte das Lächeln, das seine Lippen nun umspielte. Weder Seines, noch Meines ware echt. "Was sein muss, muss sein."

"Das stimmt wohl... Aber verausgabe dich nicht zu sehr!" Ich sah wie seine Hand kurz in meine Richtung zuckte, als erwartete er eine Umarmung oder jegliche andere Art von Zuneigung. Augenblicklich wurde es unangenehm still in meinem Raum und wie als hätte jemand einen Faden zerschnitten oder ein Glas fallen gelassen, machte Dad auf seinen Absätzen kehrt und marschierte in seinem tausend Dollar Anzug aus meinem Zimmer.

Erst als ich hörte wie er sich unten von Monty verabschiedete und die Haustür zufiel, atmete ich hörbar aus und öffnete den Messenger auf meinem Handy. Maeve war noch online.

Tut mir Leid. Musste dich vor meinem Dad verstecken. Viel Spaß am Pier und vergiss ja nicht dich jede Stunde bei mir zu melden, damit ich sicher gehen kann, dass du nicht bei irgendeinem Fremden im Auto landest

Ich begann damit die Zettel und Bücher von meinem Bett zu räumen, als mein Telefon zwei Mal hintereinander Vibrierte. Ich warf einen Blick auf den Bildschirm.

Verständlich. Und das werde ich.

Und bevor du vor Langeweile abkratzt, schwingst du gefälligst deinen süßen Hintern hier her!

Eine halbe Stunde später fand ich mich selbst dabei wie ich inmitten meiner halb weggeräumten Bücher lag und den Großteil meiner Mitschüler dabei zusah, wie sie den heutigen Abend auf Instagram teilten. Irgendwo am Ende der Seite fiel mir plötzlich ein besonderes Bild ins Auge. Ich wollte weiter scrollen, es nicht länger ansehen. Doch ich konnte meine Augen einfach nicht von seinem Gesicht nehmen.
Auf dem Foto befanden sich vier Jungs. Einen von ihnen, ein etwas kleinerer, gut gebauter Typ mit hellbraunem Haar, hatte ich bisher noch nie gesehen. Die restlichen drei erkannte ich jedoch sofort.
Miles, Silas und Hunter. Sie standen alle in einer Reihe, hatten sich die Arme um die Schultern gelegt und grinsten breit in die Kamera. Silas hielt eine Flasche Wasser - zumindest sah es danach aus - in der freien Hand und der Kleine, Brünette Typ formte mit seiner Hand ein Peace Zeichen und streckte es der Kamera entgegen. Miles trug ein dunkelblaues Shirt mit langen Ärmeln die er bis zu den Ellenbogen hoch gekrempelt hatte. Und es stand ihm natürlich hervorragend. Ihn seit neustem fast jeden Tag zu Gesicht zu bekommen wirbelte alle Gedanken in meinem Kopf durcheinander. Es war, wie als würde die Wut ihm gegenüber von Mal zu Mal immer mehr verblassen und das obwohl es nie einen richtigen Wendepunkt gab, der mich hätte umstimmen sollen. All das geschah einfach von selbst und ich hatte keinerlei Einfluss darauf. Und niemand sonst bemerkte es.

Maeve hatte sowas von recht. Ich musste damit aufhören Miles die Möglichkeit zu geben mein Leben zu beeinflussen. Er war dort draußen und lebte, während ich mich in meinem Zimmer verkroch und Biologie in mich aufsog.
Ich hasste Biologie.
Doch war es wirklich so schlimm, dass ich einfach Miles aus dem Weg gehen wollte?
Okay, ja, das war es.
Ich war kein 14 jähriges Mädchen mehr, das sich an ihre Umwelt anpasste. Viel zu viel Mist und Chaos war in dem letzten Jahr passiert und ich hatte gelernt damit umzugehen. Auf unserer Reise konnte ich voll und ganz ich selbst sein. Niemand kannte mich. Ich musste keine Erwartungen erfüllen.

Wie aufs Stichwort traf gerade die erste Benachrichtigung von Maeve auf meinem Smartphone ein.

Läuft alles super hier. Zwar total langweilig ohne dich aber ich bin noch bei vollem Bewusstsein. Wünschte du wärst auch hier.

Ich hatte die Nachricht gerade zu Ende gelesen, da überkam mich erneut eine Erkenntnis.
Miles hatte damals schon beinahe die Freundschaft zwischen Maeve und mir zerstört. Ich wusste bis heute nicht, wieso er so einen Hass gegen mich entwickelt hatte oder wieso er nichts sehnlicher wollte als mich von seiner Schwester weg zu kriegen, aber all das geschah gerade wie aufs neue. Ich war mir fast sicher, dass er es dieses Mal nicht mit Absicht tat. Doch dadurch, dass ich versuchte den Kontakt zu ihm zu vermeiden, reduzierte sich auch die Zeit, die ich mit Maeve verbracht. Klar. Sie waren Teenie Geschwister mit einem nur kleinen Altersunterschied. Sie lebten im selben Haus. Sie gingen zu den selben Veranstaltungen. Sie besuchten die selbe Schule.
Wenn ich mich weiterhin vor meinem eigenen Ego versteckte, würde die Freundschaft zwischen Maeve und mir irgendwann nur noch aus Anrufen und Textnachrichten bestehen. Und wenn es um meine Freundschaft zu Maeve ging, musste mein Ego es schaffen auch mal einzustecken.

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Ich muss zugeben, dass dieses Kapitel nicht gerade mein Lieblingskapitel ist xD. Irgendwie finde ich es etwas langweilig aber die Infos in diesem Kapitel mussten eben irgendwie übermittelt werden.
Es tut mir leid dass ich in letzter Zeit so nach hänge mit den Kapiteln aber ich war eine Zeit lang fort und jetzt bin ich eine Zeit lang krank gewesen, deswegen lief meine Planung ein wenig aus dem runder. Aber was ich auf jeden Fall sagen will ist ein riesen großes DANKESCHÖN für 1k Reads bei Until We Fall! Mich freut das wirklich so sehr das könnt ihr euch nicht vorstellen! Danke danke danke!!!

Und wie immer.. Wenn euch das Kapitel gefallen hat, dann teilt mir das doch gerne irgendwie mit uuund erzählt mir von euren Gedanken und Spekulationen, was die Charaktere und den Plot betrifft :) Mit da immer sehr erfreut daran eure Gedanken zu hören.

LG Ines <3

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