Klatsch und Tratsch
Es war mittlerweile eine Woche vergangen. Eine Woche seit den Verrat und doch fühlte es sich so an, als wäre er gestern gewesen. Als hätte Michael gestern Nacht die andere geküsst. Als hätte sie gestern mit ihm Schluss gemacht. Als wäre gestern ihre Welt erneut zusammengebrochen.
Doch Lizzi wollte nicht mehr daran denken. Und so sehr sie es auch versuchte, es brachte nichts, da der Verrat von Michael selbst nach einer Woche das Gesprächsthema Nummer 1 in der Schule war. Überall hörte man das Geflüster. Und es verstummte immer, wenn Lizzi um die Ecke kam. Ob man es aus Mitleid oder Abschätzigkeit tat, war Lizzi egal. Die Blicke taten immer weh, egal aus welchen Grund man sie ansah.
,,Ich bin gespannt, was Professor Kesselbrand heute mit uns machen wird", scherzte Care.
,,Vielleicht hat er heute einen ungarischen Hornschwanz dabei."
,,Oder vielleicht beschäftigen wir uns heute mit Doxys!"
,,Was sind Doxys?", fragte Lizzi verwundert.
,,Echt jetzt? Doxys sind giftige kleine Biester. Ungefähr so groß wie Feen-"
,,Also sind sie giftige Feen?", unterbrach Lou. Sophie sah sie genervt an und verdrehte dabei die Augen.
,,Nein", fuhr sie langsam fort, ,,sie sind als eigenständige Art zu betrachten."
,,Spannend."
,,Woher weißt du so viel über Doxys?", fragt Lizzi ihre beste Freundin gespannt.
,,Ich hab' das Schulbuch in den Ferien gelesen."
Care sah sie überrascht an und versuchte nicht wie wild den Hang herunter zu stolpern.
,,Was denn? Wir haben einen Ausflug gemacht und ich musste mir irgendwie die Zeit vertreiben."
Nach einer Weile (und einer sehr ausführlichen Diskussion über Sophies Zeitvertreib) kamen die vier Schülerinnen bei Pflege magischer Geschöpfe an. Professor Kesselbrand war noch nicht anwesend, weshalb sich die Freundinnen dazu entschlossen etwas abseits auf den Professor zu warten.
,,Also, ich wette Kesselbrand schleppt einen Drachen mit. Deshalb braucht er so lange!"
,,Ne, vielleicht einen Wichtel. Die Dinge sind schwer zu erwischen, Lou."
Während Lou und Care über das Tierwesen diskutierten, gesellte sich Sophie zu Lizzi.
,,Alles gut?"
Lizzi zuckte bloß mit den Schultern. Natürlich war nichts gut. Obwohl sie sich es einredete, war sie noch nicht über Michaels Verrat hinweg. Es schmerzte noch immer, ihn mit einer anderen zu sehen.
,,Muss wohl."
,,Liz -"
Sophie umarmte sie und drückte ihre Freundin an sich. Lizzi versuchte nicht auf der Stelle in Tränen auszubrechen. Sie konnte das nicht. Sie konnte nicht so tun als wäre nichts passiert.
,,Ich hasse ihn", flüsterte sie leise. Ihre Freundin strich ihr über den Rücken nickte bloß. Sophie wollte es ihr nicht ausreden oder dergleichen. Sie wusste, was er getan hatte und sie fand es mindestens genau so verwerflich wie Lizzi selbst.
,,Liz, wenn du willst können wir hochgehen und wir machen für heute blau."
Lizzi war verwundert. Sophie war bereit für sie die Schule zu schwänzten? Das konnte nicht sein. Sophie ging sogar mit einer Bauchgrippe in den Unterricht, da sie nichts nachholen wollte. Sie lief zwar alle zehn Minuten zur Toilette und wurde schließlich von Professor McGonagall zu Madame Pomfrey geschickt, aber laut Sophie war es ihr wert.
,,Ist schon okay, Sophie. Ich schaff' das schon. Irgendwie."
,,Bist du dir sicher?"
,,Absolut, ja."
Lizzi kuschelte sich etwas an Sophie. Sophie legte ihren Kopf auf Lizzis und so beobachteten beiden den verbotenen Wald aus sicherer Entfernung. Diese Nähe und Stille tat Lizzi so gut. Es gab ihr die Möglichkeit an andere Dinge als ihren Ex-Freund zu denken. Wie etwa an den Wald und die Magie, die er ausstrahlte. Der Wald strahlte für Lizzi Sicherheit und Freiheit aus. Sie fühlte sich in seiner Gegenwart frei. Frei von den Ängsten, den Hass und den Zweifel. Alles was sie spürte, war der Wind, der durch ihre Haare wehte und die Freiheit. Die Freiheit, nach der sie sich seit ihrer Kindheit sehnte. Und nun sehnte sie sich mehr denn je danach frei zu sein und zu fliegen, wie ein Vogel. Die Probleme hinter sich zu lassen und einfach das Leben leben. Ohne Ängste, Pflichten, Selbstzweifel oder andere Probleme. Einfach nur fliegen und nie nach unten sehen. Sie würde alles tun, um nur einmal im Leben ein solches Gefühl zu haben.
,,Hey, Kesselbrand ist da!"
Rasch gingen die Freundinnen zur Klasse zurück, wo sie Kesselbrand mit einem weißen, pferdeähnlichen Wesen sahen. War das ein Einhorn? Auch der Rest der Schüler war verwundert und verwirrt zugleich. Was wollte Kesselbrand mit einem Einhorn?
,,Liebe Schüler, die nächsten paar Stunden beschäftigen wir uns mit diesen majestätischen Geschöpfen hier."
Er deutete auf das Einhorn, was den Kopf hob und offensichtlich genau so wenig Lust auf den Unterricht hatte, wie die Schüler.
,,Ja, Mister-?"
,,Scott, Professor. Wie sollen wir mit einem Einhorn beschäftigen? Es ist doch bloß ein weißes Pferd mit einem Horn auf der Stirn."
Kesselbrand begann lauthals zu lachen und versuchte wieder zu sich zu kommen. Es war fast so, als hätte dieser Scott etwas lustiges gesagt.
,,Nun Mister Scott, kommen Sie doch vor und streicheln Sie das Einhorn. Es ist ja nur ein weißes Pferd mit einem Horn auf der Stirn."
Lizzi erkannte einen Slytherin aus der Menge hervortreten. Langsam trat er auf das Einhorn zu und streckte seine Hand aus, um es zu berühren. Jeder schien den Atem anzuhalten, da man nur das Schnauben des Einhorns und das nervöse Atmen des Jungen hörte. Doch bevor er das Tierwesen streicheln konnte, bäumte es sich auf und wehrte ihn mit dem Horn ab. Der Junge sprang erschrocken zurück und schien fast in die Menge zu laufen.
,,Was fürchten Sie sich so? Es ist doch nur ein weißes Pferd mit Horn", fragte der Professor den Jungen belustigt. Dieser schien jedoch einen gekränkten Stolz zu haben.
,,Nun, da das jetzt geklärt ist, werde ich erklären, was ich will, dass ihr die nächsten paar Stunden machen werdet."
Lizzi versuchte zuzuhören, jedoch schweiften ihre Gedanken immer wieder ab. Statt an den Unterricht zu denken, dachte sie an Michael. Diesmal nicht zwangläufig an den Verrat, sondern an das, was danach war. Lizzi dachte an ihn. Sie dachte an ihn und seinen Kuss. Er küsste gut, das müsste sie zugeben. Besser als erwartet. Um ehrlich zu sein, dachte Lizzi, dass er unbeholfen wäre und nicht wirklich wüsste, was man tun müsste. Doch stattdessen schien er erfahren gewesen zu sein. Der Kuss übertraf auf alle Fälle ihre Erwartungen.
Lizzi spürte ein leichtes Tippen auf ihre Schulter. Sie drehte sich um und sah einen pummeligen, blonden Jungen hinter sich stehen.
,,Was ist Pettigrew?"
,,Wir müssen diese Arbeit gemeinsam machen", entgegnete er nervös.
,,Oh. Okay."
Lizzi deutete auf den freien Platz neben ihr und beide setzten sich ins Gras.
,,Was müssen wir machen? Ich habe nicht wirklich aufgepasst", fragte die junge Hufflepuff den Gryffindor.
,,Wir müssen einen Aufsatz über Einhörner schreiben. Eigene Erfahrungen aus dem Unterricht inklusive."
Pettigrew redete so schnell, dass Lizzi Schwierigkeiten hatte, ihn zu folgen. Sie glaubte aber, alles Nötige verstanden zu haben.
,,Also gut. Dann fangen wir mal an, würde ich sagen."
Beide arbeiteten konzentriert an den Aufsatz. Pettigrew suchte Informationen über den Lebensraum der Einhörner und deren Lebensgewohnheiten während Lizzi deren Verhalten studierte und auch überlegte ihre eigene Erfahrungen noch in dieser Stunde mit einzubauen. Doch bevor sie ihre Pettigrew vorschlagen konnte, unterbrach er die Stille, die zwischen ihnen herrschte: ,,Stimmt es eigentlich?"
,,Stimmt was?"
,,Na das Gerücht. Du weißt schon." Er wirkte nervös. Als würde er es bereuen überhaupt gefragt zu haben.
,,Da musst du ein wenig spezifischer sein."
Pettigrew kratzte sich am Hinterkopf und überlegte. Er war definitiv nervös. Lizzi hoffte, dass er es lassen würde, da sie im Moment wenig Lust hatte darüber zu sprechen, vor allem nicht mit Pettigrew. Sie kannte ihn kaum, auch wenn er ganz nett schien.
,,Es heißt ja, dass du Remus geküsst hast, damit Michael einen Grund hat dich zu verlassen."
Lizzi sah ihn verwundert an. Was behaupten sie? Dass sie ihm fremdgegangen sei? Das darf nicht wahr sein.
Lizzi lehnte sich sauer zurück und überlegte. Was sollte dieser Scheiß? Warum verbreitet man solche Lügen? Was hätte das für einen Sinn?
,,Echt jetzt?"
Pettigrew nickte ängstlich. Nun wünschte er sich wirklich nie etwas gesagt zu haben. Und Lizzi wünschte es sich auch.
,,Das darf nicht wahr sein."
Sie stand auf und ging wütend umher. Immer wieder fluchte sie leise und versuchte sich einzureden, dass das nicht wahr sein konnte. Pettigrew blendete sie schon lange aus. Stattdessen ging sie wütend umher, rieb sich die Stirn und überlegte. Sie hatte alles erwartet, aber nicht, dass sie als Fremdgeherin dargestellt wird. Warum hatte sie nie etwas davon gehört? Sie konnte es kaum glauben, dass man sich solche Sachen über sie erzählte. Lizzi hatte schon Dinge wie, dass sie Michael abserviert hatte, damit sie mit Remus zusammen sein konnte oder, dass Michael schon lange vor dieser Party mit ihr Schluss gemacht hatte und sie das nicht ertragen konnte, weshalb sie mit Remus rumgeschmust hatte, gehört. Ein Gerücht war unrealistischer und falscher als das andere. Das die Leute dem überhaupt Glauben schenken konnten, das schockierte sie.
,,Liz, alles gut?"
Lizzi drehte sich um und sah, wie sich ihre Freundinnen besorgt um sie geschart hatten. Die junge Hufflepuff schüttelte bloß den Kopf und versuchte nicht auf der Stelle in Tränen auszubrechen. Sophie nahm sie sofort in den Arm und versuchte sie zu beruhigen. Lizzi hatte ihr Gesicht in Sophies Schulter vergraben und ließ sich von ihr trösten. Sie hörte, wie Sophie Care und Lou sagte, dass sie in den Unterricht gehen sollten und sie nachkommen würden, wenn sie bereit waren. In der nächsten Stunde hatten sie Geschichte der Zauberei, also würde es nicht einmal auffallen, dass sie fehlen.
Die beiden hatten sich auf die Mauer gesetzt und sahen zur Schule hinauf. Die Aussicht war atemberaubend. Hogwarts thronte auf den Berg und schien alles zu überwachen. Das lenkte Lizzi ein wenig von ihren Gedanken ab.
,,Willst du darüber reden?"
,,Nicht wirklich. Du kannst rauf gehen. Ich komm' schon klar."
,,Oh nein. Ich geh' erst rauf, wenn's dir besser geht!"
,,A-", doch sie wurde sofort von Sophie unterbrochen.
,,Kein "aber". Ich bleibe bei dir, bis es dir einigermaßen besser geht."
Lizzi stöhnte genervt aus, widersprach aber nicht. Sophie würde nicht nachgeben und sie würde es nicht versuchen. Sie lehnte sich an Sophies Schulter und genoss die Aussicht. Und wie so oft schon träumte sie von Flügeln. Frei sein. Die Freiheit spüren. Den Problemen entfliehen und ohne Wiederkehr verschwinden. Was würde sie nicht alles dafür geben, damit dieser Wunsch endlich wahr werden würde.
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