Ein neuer Freund?
Lizzi saß auf der ersten Stufe, von der Treppen, die in den Astronomieturm führte. Sie hatte nicht die Energie in den Gemeinschaftsraum zu gehen. Sie würde nur Lou aufwecken und sie sollte etwas schlafen, so high und betrunken wie sie war.
Mittlerweile waren die Tränen getrocknet und sie sah leer zu dem Fenster. Heute Nacht war kein Mond zu sehen. War Neumond, oder verdeckte die Wolken die Sicht? Der Mond hatte Lizzy schon immer fasziniert. Wie konnte eine groß, weiße Kugel da oben so hübsch und magisch sein? Schon als kleines Kind blieb sie oft lange wach um sich den Vollmond anzusehen. Aber seit Hogwarts hatte sie immer mehr auf ihn vergessen. Für sie fühlte es sich wie Verrat an. Warum hatte sie ihn bloß vergessen? Hatte er sich bei ihr gerächt und war sie Schuld an alle dem? War sie für den Tod ihrer Familie verantwortlich. Das kann nicht sein...
Das darf nicht sein...
Warum sollte eine große, weiße Kugel, die Millionen Kilometer entfernt war zu sowas imstande sein? Das war unmöglich.
Lizzy schob diese unbegründete Sorge auf den Alkohol. Wie viel hatte sie eigentlich getrunken? Eine Frage, die sie sich nicht selbst beantworten konnte. Nach einer Weile hatte sie aufgehört zu zählen. Es war schließlich egal, wie viel sie getrunken hatte. Der Alkohol machte die Situation nicht wirklich besser.
Lizzi war verzweifelt. Eigentlich sollte sich nicht über ihn nachdenken. Michael hatte sie betrogen und somit ihr Vertrauen missbraucht. Da gab es nichts nachzudenken. Er hatte es versaut, und nicht sie. Es war alles seine Schuld. Alles nur seine Schuld...
Wütend raufte sie sich die Haare und unterdrückte einen Schrei. Sie hasste ihn. Sie hasste sich selbst. Sie hasste die Welt. Warum hatte Lizzi das nicht früher erkannt? Es hätte ihr von Anfang an klar sein müssen. Lizzi wollte schreien, weinen, fluchen. Sie wollte durchdrehen. Es war einfach zum durchdrehen. Wie konnte er nur? Warum tat er ihr sowas an? Was hatte er sich nur dabei gedacht? Oder war Lizzi auch ein wenig schuldig an dieser Sache? Hatte sie ihn zu wenig Aufmerksamkeit gezeigt? War sie zu distanziert gewesen? Hatte sie sich zu sehr von ihn abgewandt? Hatte sie ihn dazu getrieben?
,,Scheiße, scheiße, scheiße!"
Bei diesen Gedanken brach ihr Herz in tausend Stücke. Es schmerzte so sehr, obwohl es nicht schmerzen sollte. Sie sollte keine Tränen an ihn verschwenden. Aber sie tat es. Und sie hasste es. Sie hasste alles, was sie in irgendeiner Weise an ihn erinnerte. Sein Geruch, seine Stimme, seine Kleidung, sein Gesicht, seine Augen, einfach alles.
Lizzi wollte nur, dass es aufhörte. Dieser verdammte Schmerz sollte aufhören. Leise schluchzte sie und hoffte, dass sie niemand finden würde. Das Letzte, was sie brauchen würde, waren betrunkene Mitschüler.
Sie atmete tief ein und wischte sich die Tränen weg. Sie würde wegen diesen Arsch keine Träne mehr vergießen. Er war es nicht wert. Lizzi wollte weinen - sehr sogar - doch sie wollte auch stark sein. Keine Schwäche zeigen. Sie hasste alles. Sie hasste ihn. Den, der sie verraten hatte. Den, der sie betrogen hatte. Den, der ihr Herz gebrochen hatte. Verdammt, sie hasste es.
,,Wieso nur?"
Die Worte waren leise und doch hatte sie das Gefühl, man könnte sie bis an das andere Ende des Ganges hören. Der Schmerz verzerrte sie, trotz allem. Er fraß sie von innen auf und arbeitete sich langsam bis zu ihren Herzen vor, wo sie den Schmerz am meisten spüren würde. Sie wollte es nicht mehr fühlen. Es war einfach zu viel. Sie wollte schreien. Ihr Kopf wollte es alles rauslassen, bis nichts mehr da war. Bis sie das Kapitel "Michael" abgeschlossen hatte. Bis ein neues Kapitel angefangen war. Doch ihr Verstand wehrte sich. Sie wollte keine Aufmerksamkeit erregen.
,,Hey."
Lizzi schreckte hoch. Sie war dankbar, dass die Konversation in ihrem Kopf unterbrochen wurde.
,,Hey."
Die Person setzte sich neben Lizzi auf die Stufe und holte etwas aus einer Tasche raus. Zuerst konnte Lizzi die ihr bekannte Stimme nicht zuordnen. Doch als sie sich zu ihm drehte erkannte sie ihn. Die verwuschelten braunen Haare, die braunen Augen. Und die (teils) abgeheilten Narben.
,,Macht's dir was aus, wenn-?"
Remus hielt eine kleine Schachtel hoch und wartete auf ihre Antwort.
,,Hast du eine für mich?"
Etwas überrascht sah er sie an. Es schien so, als hätte er vergessen, wie man redet.
Erst nachdem Lizzi sich räusperte, nickte er und überreichte ihr eine Zigarette.
,,Danke."
Remus nickte und zündete beide Zigaretten an. Er nahm einen kräftigen Zug und atmete entspannt aus. Lizzi hingegen nahm die Zigarette nur in den Mund und nahm einen kleinen Zug.
,,Ich wusste gar nicht, dass du rauchst", begann der Junge mit den Narben zu reden.
,,Das Gleiche könnte ich auch über dich sagen."
Remus lachte leise und blickte aus dem Fenster. Lizzi machte sein Lachen glücklich, auch wenn es nur ein leises war. Sie lächelte glücklich und blickte ebenfalls aus dem Fenster.
Da war sie nun, die Stille. Beide saßen da und rauchten Zigaretten. Die Stille ließ Lizzi an glücklichere Sachen als Michael denken. Sie konnte an ihn denken. Seine fluffigen braunen Haare, seine wunderschönen braunen Augen und seinen Geruch. Dieser wunderbare Waldgeruch. Sie liebte ihn.
,,Ich wusste gar nicht, dass du heute bei der Party warst", unterbrach Remus die Stille. Seine tiefe und angenehme Stimme ließ Lizzis Bauch flau werden. Sie tippte die Zigarette an um die Asche abfallen zu lassen und sah zu ihn.
,,Ich wusste auch nicht, ob ich kommen würde, bis mich meine Freundinnen hier her geschleift hatten."
Remus nahm die Zigarette aus dem Mund und lachte dabei.
,,Das kenn' ich."
Lizzi schüttelte ihren Kopf und nahm einen kräftigen Zug an ihrer Zigarette. Sie lehnte sich etwas zurück und lachte leise.
,,Dann haben wir wohl etwas gemeinsam."
Remus drückte die Zigarette aus und schnippte sie weg.
,,Anscheinend", schmunzelte der Junge. Kichernd beendete Lizzi ihre Zigarette und versteckte den Stummel unter der Stufe.
Plötzlich fühlte sie sich unwohl. Sie fühlte sich beobachtet. Von den einen Moment auf den anderen. Verwundert ließ sie ihren Blick zu den Fenster und entlang der Wand schweifen, fand jedoch niemanden. Bis ihr ein Gedanke in den Kopf schoss: jemand war hinter ihr. Doch wer war es? Lizzi drehte sich zu Remus und versuchte aus den Augenwinkel zu erkennen, wer hinter ihr stand. Und sie erkannte ihn. Michael stand auf der Treppe und sah auf sie herab. Was wollte er? Er soll gehen. Sie wollte ihn nicht sehen. Doch wie würde sie ihn loswerden? Lizzi wollte nicht mit ihn reden.
,,Remus?"
,,Mhm?"
Der Junge mit den Narben sah zu ihr und sah sie fragend an.
,,Küss mich bitte."
,,W-Wie bitte, was?"
Er war überrumpelt. Er blinzelte sehr schnell und versuchte nicht durchzudrehen. Lizzi verdrehte nur die Augen und rutschte immer näher zu ihm. Remus hingegen spielte nervös mit seinen Fingern. Lizzi war ebenfalls nervös. Was tat sie überhaupt? Es gab sicher andere Wege Michael zu vertreiben. In ihren Bauch bewegten sich die Schmetterlinge wie verrückt.
Remus lehnte sich etwas vor und legte eine Hand auf Lizzis Wange. Die Stelle wurde sofort warm. Seine weiche Hand strich über die Wange und spielte mit ihr. Lizzi schloss ihre Augen und lehnte sich ebenfalls vor. Noch bevor die Schmetterlinge noch verrückter werden konnten, spürte sie raue, trockene Lippen auf die ihren. Sie war überrumpelt. Ihre Gefühle spielten ab diesen Moment verrückt. Die Schmetterlinge in ihren Bauch schienen zu explodieren und sie spürte förmlich die Röte in ihren Wangen. Als würden sie gebraten werden.
Der Kuss war leidenschaftlich. Er spielte mit ihren Lippen. Er kontrollierte sie. Lizzi erwiderte den Kuss fast schon so leidenschaftlich, wie er ihn begonnen hatte. Vorsichtig vergrub sie ihre Finger in seine Haare. Sie hatte Angst, dass sie ihn wehtun würde. Er umkreiste mit seinen Finger ihre Wange und legte seinen Arm um ihre Taille. Die Stelle, wo er sie berührte fing sofort an zu kribbeln. Aufgrunddessen zuckte Lizzi leicht zusammen, was Remus in den Kuss hinein grinsen ließ.
Erst nach einer Weile ließ er von ihr ab. Völlig aus der Puste schnaufte er durch und sah in ihre Augen. Lizzi versank sofort in seinen wunderschönen braunen Augen. Verdammt, sie waren so schön. So anziehend. So magisch. Sie wollte am liebsten für immer in seine Augen starren.
Erst nachdem Remus sich weggedreht hatte, fasste Lizzi wieder einen klaren Gedanken.
,,Danke."
Remus drehte sich zu ihr und sah sie fragend an. Nicht wegen dem Dankeschön, sondern wegen den Kuss selbst.
,,Wofür?"
Sie wusste, dass er nicht wissen wollte, warum sie sich bedankte. Er wollte wissen, warum er sie küssen sollte. Wenn auch nur kurz.
,,Wegen Michael."
Lizzi spuckte seinen Namen aus als wäre er Gift. Sie hasse ihn. Sie wollte ihn am liebsten verfluchen.
,,Ich dachte, ihr wärt zusammen."
,,Nicht mehr."
Der Junge mit den Narben sah sie fragend an. Lizzi verwunderte es nicht, da sie erst seit vielleicht einer Stunde getrennt waren. Unter Alkoholeinfluss verging die Zeit komplett anders, so schien es.
,,Warum?"
,,Weil dieser Arsch es bevorzugt mit anderen zu knutschen als seiner festen Freundin", schnaubte Lizzi erbost. Bei Merlins Bart, sie hasste dieses Gefühl. Dieses Gefühl der Hilfslosigkeit, das sie durchströmte als sie an diesen einen kurzen Moment dachte.
,,Verdammte Scheiße."
,,Du sagts es."
Nun herrschte wieder Stille zwischen den beiden. Keiner wusste, was er sagen sollte. Stattdessen sahen sie beide aus dem Fenster und schienen zu überlegen. Worüber Remus nachdachte, wusste Lizzi nicht. Sie konnte sich nicht ausmalen an was er gerade denken mochte. Aber Lizzi hingegen konnte ihre Gedanken nicht von Michael abwenden. Es war zum Heulen. Zum verrückt werden. Man könnte meinen, sie komme gut damit klar. Lizzi versuchte es sich zumindest einzureden. Immerhin hatte sie nicht mehr wirklich Gefühle für ihn und hätte früher oder später die Beziehung beendet. Aber sie wollte, dass sie im Guten auseinandergehen würden. Und nicht so.
,,Warum erzählst du es mir?", unterbrach der Rumtreiber Lizzis Gedanken. Diese sah fragend zu ihm als hätte sie die Frage nicht verstanden.
,,Warum hast du mir erzählt, dass er dich betrogen hat?"
Lizzi zuckte mit den Schultern. Warum hatte sie es ihm erzählt? War es, weil sie ihn mochte? Weil sie ihm vertraute?
,,Du wüstest es spätestens morgen in der Früh. Ob du es jetzt von mir oder von deinen Freunden hörst macht keinen großen Unterschied."
Das war tatsächlich wahr. Es würde keinen Unterschied machen da so oder so diese Info zu Remus gelangen würde. Lizzi war sich sicher, dass es die nächsten Tage das Gesprächsthema Nummer eins sein wird. Ein paar Leute hatten es trotzdem beobachtet und mitgekriegt, was passiert war.
Nun herrschte wieder Stille. Erneut blickten beide schweigsam aus dem Fenster. Beide in ihren Gedanken versunken. Lizzi dachte an Michael und seinen Betrug und auch an das, was jetzt kommen würde. Würde sie die Lachnummer sein, da sie so naiv war oder würde Michael verachtet werden, da er seine feste Freundin betrog?
Nach einer Weile stand Remus auf und schien zurück zur Party zu gehen. Doch bevor er Lizzi alleine auf der Stufe sitzen ließ, drehte er sich um und begann zu sprechen: ,,Wenn du irgendetwas brauchst, ich bin für dich da."
Erstaunt drehte sich die junge Hufflepuff um und versuchte gerade zu verstehen, was da gerade passierte. War das echt? Oder bildete sie sich das nur ein?
,,Heißt das, dass wir jetzt Freunde oder sowas sind?"
Remus lächelte und blickte beschämt zu Boden. Er wirkte in diesen Moment so schüchtern und unsicher.
,,So sieht's wohl aus."
Lizzi nickte und lächelte ebenfalls etwas schüchtern. Ihr Bauch fing erneut zum kribbeln an, was sie aber nicht verstand. Was passierte bloß mit ihr?
,,Dann, gute Nacht."
Remus drehte sich um und ging die Treppe hoch zur Party. Lizzi sah ihn noch hinterher und ordnete ihre Gedanken. Sie konnte es nicht wirklich glauben, was passiert war.
Sie saß noch ein wenig auf der Stufe und dachte über das Geschehene nach, bis sie endlich aufstand und in den Gemeinschaftsraum gehen wollte um in Ruhe im Bett zu verstehen, was genau passiert war und ob es wirklich passiert war, wie sie es in Erinnerung hatte.
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