Das Begräbnis
Langsam verließen immer mehr den Friedhof. Es waren mehr zur Beerdigung gekommen, als angenommen. Die Familie hatte zwar viele Freunde, jedoch dachte Lizzi nicht, dass sie sich den weiten Weg nach London annehmen würden um ihrer toten Familie die letzte Ehre zu erweisen. Das junge Mädchen bekam vor der Beerdigung und auch danach viele Beileidsbekundungen. Jedes Mal lächelte sie, wenn ein Nachbar oder ein Freund zu ihr kam, ihre Hand schüttelte und sein Beileid aussprach. Und jedes Mal tat es mehr weh, sich zu bedanken. Sich für das Mitleid zu bedanken. Sie wusste, dass das Meiste nur gespielt war, um ein gutes Bild zu hinterlassen. Es wäre unangebracht den letzten Angehörigen kein Beileid auszusprechen. Lizzi wollte all das nicht. Sie wollte nur ihre Ruhe. Sie wollte in Ruhe um sie trauern.
Anne stand ein paar Meter neben ihr und sah, wie sie, auf das Grab. In großen Buchstaben standen die Worte:
𝗔𝗺𝗼𝗿 𝘃𝗶𝗻𝗰𝗶𝘁 𝗼𝗺𝗻𝗶𝗮.
Soviel Lizzi wusste bedeutete es: "Liebe überwindet alles.". Vermutlich hatte Anne diese Worte gewählt. Die Worte waren passend. Liebe überwindet wahrlich alles.
Lizzi stand bloß da und starrte auf den Grabstein. Es wurden die Namen sowie die Jahreszahlen eingraviert. Es war hart es zu lesen. Das Geburts- und Sterbejahr ihrer Familie. Sie hätten länger leben sollen. Sie hätten nicht sterben dürfen. Nicht sie. Nicht die ihr liebsten Menschen auf dieser Welt. Und doch waren sie fort. Für immer. Und nichts und niemand könnte sie zurückbringen.
Wie besessen starrte die junge Hexe auf den Grabstein. Es bereitete ihr Bauchschmerzen darüber nachzudenken. Warum mussten sie sterben? Was war der Sinn hinter ihren Tod?
Diese Fragen geisterten in ihrem Kopf herum. Und niemand schien sie beantworten zu können. Das machte Lizzi fertig. Diese Ungewissheit, diese Unsicherheit, was passiert war. Warum es passiert war-es zerrte an ihren Nerven. Es verschlang sie förmlich von innen heraus. Es fühlte sich so an, als würde sie keine Luft mehr bekommen. Als würde sie in den tiefen Tiefen ihrer Gefühle ertrinken. Als würden sich ihre Lungen langsam mit Wasser füllen und ihr die Möglichkeit zum Atmen nehmen. Als würde sie sterben-
Lizzi spürte wie jemand vorsichtig eine Hand auf ihre rechte Schulter legte. Sie wandte ihren Blick vom Grabstein ab und sah in Annes besorgtes Gesicht.
,,Ist alles gut?"
Man hörte leichte Besorgnis aus ihrer Stimme heraus. Lizzi nickte bloß und widmete sich erneut dem Grab. Während sie erneut in ihre Gedanken versank, begann sie junge Hexe stumm zu weinen. Die Tränen kullerten vereinzelt ihren Wangen herunter und tropften auf das tote Gras des Friedhofs. Automatisch leckte sich die junge Hexe über die Lippen und schmeckte dabei die salzigen Tränen, welche ihr Gesicht langsam aber sicher benetzten. Sie hatte sich langsam an diesen Geschmack gewöhnt.
,,Verdammte Scheiße!"
Verwundert drehte sich Lizzi um und erkannte einige Menschen an dem Tor des Friedhofs stehen. Sie hatten Kameras bei sich und trugen Anzüge. Wer waren die? Was wollten sie?
,,Wer sind die?"
Anne blickte zu ihrer Nichte und erwiderte monoton: ,,Leute vom Tagespropheten, die meinen bei einer Beerdigung eine gute Story zu finden."
Mit schnellem Schritt stürmte die Aurorin auf das Tor zu. Anhand ihres Ganges, konnte Lizzi erkennen, dass Anne alles andere als erfreut war. Wütend stampfte sie auf die Reporter zu. Lizzi konnte jedoch nichts hören oder sehen, da sie sehr weit weg waren. Und irgendwie war sie froh darüber. Das letzte was sie wollte war in der Nähe solcher Leute zu sein.
Es blitzte stark. Wie es scheint, machten die Leute vom Tagespropheten gerade Bilder. Aber wozu? Da war nichts besonderes außer trauender Menschen. Was für eine gute Story erhofften sie sich? Menschen starben jeden Tag. Und so hart es für Lizzi war zuzugeben, ihre Familie war nichts Besonderes. Sie wurden ermordet, aber anderen passierte das auch. Also warum waren sie hier? Warum konnte sie ihrer Familie nicht in Ruhe die letzte Ehre erweisen?
Nach einigen Minuten kam Anne zurück. Wut war in ihrem Gesichtsausdruck zu erkennen. Dieser Gesichtsausdruck machte ihr etwas Angst.
,,Wir gehen", meinte sie nur, als sie das Mädchen an der Hand packte und wegzerrte.
,,W-Was?"
Anne hielt an und sah Lizzi tief in ihre Augen und begann zu flüstern: ,,Es tut mir leid. Wirklich. Aber wir müssen gehen. Wir können in ein oder zwei Tagen ordentlich Abschied nehmen."
Lizzi fragte nicht wirklich weiter nach. Und diskutieren wollte sie im Moment auch nicht. Es hätte keinen Sinn. Sie nickte bloß und Anne ging mit ihr außer Sichtweite der Reporter.
Nach einer Weile kamen sie bei einer kleinen Gruppe von Bäumen an. Sie hielten an und nahmen die Position ein, die sie auch bei der Abreise von zu Hause eingenommen hatten. Sie sahen sich gegenseitig in die Augen und nahmen sich bei der Hand.
,,Bereit?"
,,Ja."
Lizzi spürte ein leichtes Kribbeln in ihren Bauch und alles begann sich zu drehen. Sie fühlte sich, als würde sie eingesaugt werden. Der Boden fiel unter ihren Füßen weg und die Gegend verschwamm.
❧♕☙
Sekunden später standen sie ihm Wohnzimmer. Das fahle Licht fiel durch das alte Fenster in den Raum und erhellte ihn etwas. Während Lizzi ihr Kleid richtete, ging Anne in die Küche. Langsam folgte Lizzi ihrer Tante und sah, wie sie sich aus dem Schrank holte. Während sie mit einer großen Flasche da stand und sich umdrehte um ein Glas aus einem anderen Schrank zu holen, fragte sie: ,,Willst du auch was?"
Sie hob die Flasche hoch und sah Lizzi gespannt an.
,,Nicht wirklich, danke", antwortete Lizzi verwirrt. Sie wusste, dass Anne Alkohol meinte. Sie hatte diesen Blick, den ihr Vater oft nach einem Streit hatte und sich in der Küche Alkohol einschenkte.
Anne zuckte mit den Schultern und schenkte sich eine große Menge ein ein Whiskeyglas und kippte es mit einem Mal runter. Sie verzog ihr Gesicht und fluchte leise.
,,Jetzt weiß ich wieder, warum es "Feuerwhiskey" heißt."
Feuerwhiskey. Von dem hatte sie schon mal gehört. In der Zaubererwelt war dieser sehr beliebt. Und auch auf Hogwarts. So ziemlich auf jeder Party kam Feuerwhiskey zum Einsatz. Und so ziemlich jedes Mal endet es nicht besonders gut.
,,Ist alles in Ordnung?", fragte Lizzi ihre Tante vorsichtig. Natürlich war es eine blöde Frage. Offensichtlich ging es ihr nicht gut.
,,Ja-Nein-Verdammt", antwortete sie nach kurzem Zweifeln.
,,Nein, nicht wirklich. Es ist einfach viel passiert."
Lizzi nickte bloß. Anne hatte recht. Es war viel passiert und offensichtlich setzte es Anne ziemlich zu. Anne stellte die Flasche wieder zurück in den Schrank und wusch das Glas aus.
,,Ich würde sagen, wir machen für heute nichts mehr. Es war ein sehr anstrengender Tag", schlug die junge Hufflepuff vor. Anne, welche mittlerweile über dem Waschbecken hing und angespannt aus dem Fenster sah, nickte leicht.
,,Da hast du recht. Dieser Tag anstrengend." Sie drehte sich zu ihr um setzte fort: ,,Für uns beide."
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