Der krönende Abschluss

Irgendwie entwickelt sich das in Richtung Nazi-Karaoke. Als dann Günther irgendwann eine sehr emotionale Darbietung von "Ich hatt' einen Kameraden" zum Besten gibt, sehe ich zu Irenka. Die hat gerade unauffällig ihre Kamera ausgepackt und filmt mit. "Det landet auf YouTube!"

"Was oder wer ist denn ein Jutup?", höre ich Adolf fragen. Aber er ist zu betrunken als dass man sich da irgendwelche Sorgen machen müsste.

Natürlich bin ich hier vor Siegrieds schlechten Anmachsprüchen wieder mal nicht sicher und betrunken ist er um einiges penetranter. Ich werde damit noch schlimmer bombardiert als Polen 1939!
Johann sitzt noch immer stillschweigend an der Bar und beobachtet Siegfried mit einem finsteren Blick.

In ungefähr fünf Minuten bekomme ich ständig etwas zu hören wie "Ach zu gerne würde ich die Grenzen Ihres Reichs erforschen, Fräulein Elena." Oder "Ihre Eltern, verehrtes Fräulein, müssen Soldaten gewesen sein, denn Sie sind so scharf wie ein Sturmgewehr 44." Oder, wenn er's mal romantischer versuchen will "Ihr wunderschöner Anblick entzündet mein Herz wie tausende Granaten!"

Ja, ich glaube jetzt ist Zeit endlich das Weite zu suchen! Irgendwann müssen wir ja auch mal in unsere Zeit zurück.

"Können wir gehen?", frage ich Irenka leise und sie nickt. "Klaaaaaro!" Wieder mal viel zu laut, wie immer. Leise schleichen wir uns davon. Oder vielleicht doch nicht so leise..."Wo geht ihr denn hin?", Johann steht plötzlich vor uns und sieht uns etwas misstrauisch an.

"Äh... nur auf die Toilette", antworte ich schnell und als er dann mal endlich wegsieht, schlüpfen wir durch den Eingang und laufen los. Natürlich Richtung Bunker, wobei wir uns gefühlte 100 Mal verlaufen. Orientierung ist nicht so meins.

Schließlich erreichen wir den Bunker. Vom Laufen ist mein Gesicht jetzt wahrscheinlich genauso rot wie die Hakenkreuzflagge an der nächsten Straßenecke. Sport ist eben auch nicht so meins...

"Na hoffentlich klappt das auch. Ich würde gerne mal wieder zurück", sage ich, während wir reingehen.

"Hey, dann kann ick ja endlisch wieda ins Intanet! Und Keeping up with the Kardashians gucken!", ruft Irenka fröhlich aus. Ja, genau da liegen natürlich die Prioritäten! Ich verdrehe die Augen.
Im Inneren des Bunkers finden wir auch unsere Taschen, unsere Handys sind beinahe leer und haben, wie erwartet kein Netz.

Drinnen warten wir und warten und warten und es passiert... nichts.

"wie machen wir das jetzt eigentlisch?", fragt Irenka plötzlich in die Stille.

"Was?"

"Na det Zeitreisen!" Damit stellt sie endlich mal eine vernünftige Frage... ich weiß es nämlich auch nicht. Ich seh mich in dem düsteren Bunker um, in dem, wie in unserer Schule, nur eine kleine Glühbirne brennt. "Naja...gute Frage... wie haben wir's denn letztes Mal gemacht?"

"Öh... isch hab die Kamara angemacht und 'Action' gesagt... und dann hab isch irgendwie det Blitzlischt angemacht", rekonstruiert Irenka die Situation genau. "Und dann war's richtisch hell und dann plötzlich voll dunkl und isch hab gesagt, dass wir sicha sterben und isch nie wieder Keeping up with-"

"Ja ja, so genau wollte ich das jetzt auch nicht wissen. Also mach das einfach nochmal. Schalte die Kamera ein und dann seh'n wir ja, was passiert." Gesagt getan. Wie auf Befehl ruft Irenka laut "Action!", was total unnötig war, aber bitte.

Und dann leuchtet der Kamerablitz auf. Ich höre ein komisches Klicken und Knarzen, das ich so nicht mehr in Erinnerung gehabt habe. Es wird heller... und plötzlich erlischt das Licht der Glühbirne.

Natürlich, wie könnte es auch anders sein, brüllt Irenka wieder wie eine Verrückte los, wie das erste Mal. Genau neben meinem Ohr. "Irenka, ich mein's ernst! Halt die Fresse!"

"Was is' wenn wir hier nie wieder rauskommen? Wir werden hier drinnen sterben!", meint sie ganz panisch. Genau wie beim ersten Mal, als hätte man einen Film plötzlich wieder an den Anfang zurückgespult. Jetzt hätte ich Adolf gut gebrauchen können oder zumindest gerne den Trick gewusst, wie man aus ihr einen normalen Menschen macht!

"Irenka... wir müssen nur den Lichtschalter finden oder die Tür. So schwer kann das ja nicht sein!" Sage ich und renne im nächsten Moment gegen die Wand. Autsch! Okay... vielleicht doch nicht so leicht.

"Isch glaub, da isse!" Triumphierend öffnet Irenka die Tür und helles Licht strömt uns entgegen. Wir flüchten aus dem Bunker ohne zurückzusehen als wäre die gesamte deutsche Wehrmacht hinter uns Heer- hoppla, her. Könnte ja sein, dass wir doch wieder in der Vergangenheit landen.

"Wir sin aus Narnia zurückgekehrt!", ruft Irenka aus und fühlt sich dabei wieder extrem lustig.

"In Narnia war das ein Schrank, kein grusliger staubiger Nazi-Bunker", meine ich nur trocken.

Kurz sehe ich auf mein Handy. Wir waren wochenlang weg... und doch sehe ich auf dem Display dasselbe Datum. Hier ist also keine Zeit vergangen? Als wären wir nie weg gewesen?

Ich will schon gehen...bis ich bemerke, dass Irenka nicht da ist. "Äh... Irenka? Wo bleibst du denn?"

Mit hängenden Schultern steht sie vor der geschlossenen Bunkertür. "Isch det nich voll traurig? Wir werden die alle nie wieda sehn...Auch wenns Nazis sin, waren die voll nice", meint sie schniefend. Unsere verrückte Nazi-Truppe ist ihr anscheinend ans Herz gewachsen.

Aber ich kann sie verstehen. Ich vermisse sie auch...irgendwie. Günthers schräge Fröhlichkeit und noch schrägere Liebe zu den Nazi-Führern. Adolfs Panzermodelle und seinen Vodka, der uns einmal dank Irenka den Tag gerettet hat. Klaus... naja den betrunkenen Klaus zumindest, der war lustig. Herbert, der ja recht sympathisch ist. Den etwas dämlichen Horst. Engelbert. Und Johann... nur Siegfried und seine gruseligen Nazi-Anmachsprüche, die vermisse ich wirklich nicht!

"Ach mach dir nichts draus, Irenka. Komm jetzt, wir sollten dringend das Videomaterial schneiden. Lindemann mutiert vielleicht noch zum gruseligen Nazi-Doktor, wenn wir das nicht rechtzeitig fertig haben."

"ja! Am beschten mach ick det so voll mit Special-Iffekts!", ruft sie begeistert und mit schlechtem Englisch aus und ist wieder ganz die Alte.

Als wir gehen, bemerke ich nicht, dass sich die Tür des Bunkers schon kurz darauf wieder öffnet...

- --

"Und? Was ist euer Thema?", fragt uns Lindemann, dem ich mittlerweile nicht mehr in die Augen sehen kann ohne die Nazi-Version von ihm vor mir zu sehen, neugierig. Wir sind die letzten, die ihren Film heute vortragen müssen.

"Zweiter Weltkrieg... also genauer, Propagandafilme im zweiten Weltkrieg und Blicke hinter die KuliSSen der SS." Das kann ich mir nicht verkneifen, denn ich hab stundenlang überlegt wie wir unser Führer...äh... Meisterwerk denn nun nennen sollen. Ja...Ich glaube, diese Zeit hat zu viel auf mich abgefärbt! Irgendwie werde ich diesen braunen Humor nicht mehr los.

"Interessant, interessant. Na dann los."

Irenka drückt auf Play und es beginnt. Also bekommt man zu sehen... nun, fast alles, was ihr bis jetzt gelesen habt. Irenka hat immerhin ständig heimlich mitgefilmt. Und ich muss sagen, es ist doch ganz lustig geworden.

Lindemann klappt die Kinnlade immer weiter runter und als der Film vorbei ist, starrt er uns mit großen Augen an, während sich der Rest der Klasse gut amüsiert hat. "Das...das...ist..."

"Isch weß, is ganz toll gewordn, ne?" Irenka grinst breit.

"Ungeheuerlich! Rufschädigung!", beendet Lindemann dann seinen Satz und wir werden beide leichenblass. "Ich weiß zwar nicht wie ihr so viele Schauspieler auftreiben konntet, geschweige denn wie ihr MICH in diesen Film gebracht habt...aber das ist doch fast schon Verunglimpfung ernster Deutscher Geschichte! Dieses Regime so ins lächerliche zu ziehen! Ja, seid ihr denn Verrückt geworden!? Wenn der Fü...Direktor davon erfährt, fliegt ihr hochkant von der Schule!"

Darauf waren wir nun echt nicht gefasst.

"Ne wir sin doch nich von alln gutn Goebbels verlassen!", meint Irenka dann lachend, was sie wohl mal bei Klaus aufgeschnappt hat. Damit ist Lindemanns Geduldsfaden endgültig gerissen. "Nach den Osterferien möchte ich einen fertigen neuen Film sehen! Und wehe ihr haltet mir nochmal so etwas vor!" Während er rausgeht höre ich ihn noch murmeln "Einfach so die Geschichte mit Stiefeln zu treten" Moment mal, Stiefel? " und dann auch noch Ich in einer Nazi-Uniform... das geht nun aber echt zu weit."

Na ganz toll... Das werden ja mal schöne Ferien.

Irenka murmelt immer noch betroffen Beleidigungen über Lindemann, während wir die Schule verlassen. Kurz fällt mein Blick auf den Bunker. Die Tür steht offen. Seltsam, dabei bin ich mir sicher, dass wir sie geschlossen haben...



__________________________________________

nun da ihr alle lange auf den letzten Teil unserer Geschichte warten musstet - hier! Hier ist unser vollendetes Meisterwerk. 

Aber ihr könnt noch immer gespannt auf den 2. Teil unserer Geschichte warten! Denn Irenka und Elena sind noch immer unterwegs und müssen nun versuchen ihren Lehrer zu besänftigen...und was hat es wohl mit der offenen Bunkertür auf sich?

Viel Spaß!

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top