XIV - Kaiserin Auguste Viktoria
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Time is jealous of you and wars against your lilies and your roses.
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Die übrigen Lehrerinnen warteten bereits an der Treppe der Eingangshalle als die Oberin und Manuela zu ihnen stießen. Die Mädchen strömten nacheinander in den Theatersaal zur Rechten des Eingangs. Man merkte ihnen die Vorfreude an, welche sie unruhig werden ließ. Elisabeth beobachtete sie eine Weile, bevor sie sich umwandte: „Meine Damen, bitte.", mit einer freundlichen Geste bedeutete sie allen sich ebenfalls in das Theater zu begeben, während sie auf die Eingangsportale zutrat. Die Kutschen der wohlhabenden Familien waren bereits vorgefahren und sie konnte die Stimmen der Damen hören. Vereinzelt meinte sie sogar Männerstimmen vernehmen zu können. Sie atmete noch ein letztes Mal tief durch und öffnete die Tore.
Während Elisabeth die Eltern begrüßte, traft Manuela letzte Vorbereitungen hinter der Bühne und half den Mädchen beim Anlegen ihrer Kostüme. „Mädchen bitte vergesst nicht die Ruhe zu bewahren!", rief Manuela und klatschte in die Hände. Es wurde ruhig. „Ich verstehe eure Aufregung sehr, aber es bringt euch nicht euch auszumalen, wie es sein könnte, wenn etwas schief geht", sie sah Bourscheid an, welche nervös von einem Fuß auf den anderen tippelte und sich selbst auf Lippe herumbiss. „Vertraut auf euch. Mir hat es immer sehr geholfen, zwar in die Richtung des Publikums zu sehen, aber nicht direkt in dessen Mitte. Am allerbesten, blendet ihr es direkt aus." „Aber was, wenn doch etwas schief geht", fragte Ingrid und griff sich an den Kopf. Ein mehr als klassischer Fall von Lampenfieber, dachte sich Manuela und legte ihre Hand auf Ingrids Schulter. „Das wird nicht passieren", versicherte sie dem Mädchen und wagte einen Blick auf die Uhr. Zehn Minuten noch. Die Stimmen der Eltern drang aus dem Theater zu ihnen in den hinteren Raum. Magdalena von Weidenberg trat zu ihnen. Sie war eine wundervolle Wahl für Julia gewesen, wie Manuela sich eigestehen musste. Die roten Haare waren zwar etwas unkonventionell für diese Rolle, aber die hatte die Eleganz und die Stimme einer Julia und ihre grünen Augen hatten einen wahrhaft unschuldigen Ausdruck an sich. „Fräulein von Meinhardis?" Manuela lächelte ihr zu. „Könnten Sie mir kurz mit der Schnürung helfen?" Das beige Kleid, welches sie für Julia ausgesucht hatte, hatte eine Schnürung am Rücken, welche, durch das Alter des Kleides, manchmal etwas schwer zu schnüren ging. Während Manuela also das Kleid von Magdalena zuschnürte, wurde Ingrid von Minute zu Minute unruhiger. Sie begann bald schon andere Mädchen mit ihrem Wahn anzustecken, was Manuela so nicht mehr ersehen konnte. „Bourscheid!", rief sie streng, „Solltest du dich nicht augenblicklich beruhigen, muss ich dich des Raumes verweisen!" Sie wusste gut, das ein lauter Ton ihr nicht helfen würde. Im Theater wurden die jungen Schauspieler an die Vorführungen gewöhnt, indem sie erst in kleineren Vorstellungen spielen durften und sollte es einem allzu schlecht werden half oft ein kaltes Glas Wasser. „Macht euch schon einmal bereit", sagte Manuela zu den anderen Mädchen, welche ihre Hefte weglegten und sich zur Treppe begaben, welche auf die Bühne führte. Sie räusperte sich kurz und ging dann zu Bourscheid, welche gerade von Maria getröstet wurde. „Ich glaube nicht, dass sie sich beruhigen wird", sagte Maria und wandte sich der Lehrerin zu. Man sah ihr an, dass sie noch immer peinlich berührt war, von jenem Gespräch, welches sie eher am Tag geführt hatten. Sie blickte immer wieder an ihr vorbei, statt in ihre Augen und holte wesentlich öfter Luft, als notwendig gewesen wäre. Manuela verschränkte die Arme vor der Brust. In drei Minuten musste Ingrid auf die Bühne. Als Romeo. „Ich kann ihre Rolle übernehmen", schlug Maria vor, „Ich habe mit ihr gelernt und ihr beim Proben zugesehen. Ich verspreche Ihnen, ich kann das." Kurz überlegte Manuela. „Beeilt euch.", gab sie ihre Zustimmung, machte auf dem Absatz kehrt und konzentrierte sich darauf, den anderen letzte Hinweise zu geben. Sie war etwas nervös. Nicht unbedingt allein wegen des Schauspielerwechsels, sondern wegen des Spiels selbst. Schauspielerwechsel waren eine Seltenheit, allerdings wurde die Wechsel meist einen Tag vor Aufführung vorgenommen, wenn überhaupt. Viele Schauspieler spielten ihre Rollen lieber krank, als gar nicht.
Das Spiel begann, alles schien allzu wunderbar zu laufen. Manuela saß in der vorderen Reihe, ihre Augen fixiert auf die jungen Schülerinnen gerichtet, welche die Bühne betraten. Angespannt bewegten sich ihre Lippen synchron zu denen des Mercutio, welcher das Stück einleitete. Nie hätte sie geglaubt, dass am Ende sie selbst es sein würde, welche nervös werden würde und dabei stand sie gar nicht selbst auf der Bühne. Ein Phänomen, welches sie schon früher bei ihrer Schauspiellehrerin hatte beobachten können, welche, wenn nicht selbst spielend, mit dem Text in der Hand nervös hinter der Bühne stand, hoffend keines ihrer kleinen Schützlinge würde eine Stelle vergessen. Genauso ging es Manuela jetzt, nur dass es ihr nicht erlaubt war, hinter der Bühne zu verweilen.
Als Maria die Bühne betrat, gekleidet als Romeo hielt Manuela kurz die Luft an. Sie spürte Elisabeths Blick auf sich ruhen, welche, getrennt durch einen Gang, in der Reihe neben ihr saß. Sie sah nicht rüber, beobachtete stattdessen jede Bewegung der Lippen und des Körpers, die das Kind tat und stellte schon sehr bald fest, ihr Talent übertraf das von Bourscheid, obgleich sie zu feminine Züge besaß und ihr das Kostüm, ihrer schmalen Figur zum Dank, nicht recht passen wollte. Manuela atmete durch und lächelte erleichtert, als das Mädchen für einen kurzen Moment den Blick ihrer Lehrerin suchte. Ein solches Talent notierte sich Manuela gedanklich, das konnte sie fördern, den Eltern vielleicht sogar eine Empfehlung aussprechen, alsbald sich die politische und gesellschaftliche Lage wieder beruhigt hatte und die Menschen sich wieder Dingen, wie dem Theater widmen konnten.
Die Szenen, in welchen Romeo und Julia gemeinsam auftraten, ließ in Manuela ein beklemmtes Gefühl aufsteigen. Sie fühlte sich in die Vergangenheit versetzt, nur, dass sie jetzt wie das Fräulein von Bernburg damals, selbst im Publikum saß. Doch dachte sie nicht nur daran. Für einen kurzen Moment tauchte vor ihrem geistigen Auge, die Bilder der vergangenen Nacht auf. Wie sie und Elisabeth auf der Bühne lagen und miteinander Spiele der Leidenschaft spielten. Wie sie nahezu unbekleidet unter ihr lag, in der Hand jene Zigarette, deren Duft sie noch immer riechen konnte, wenn sie die Augen schloss, deren Duft noch immer an Elisabeths Haaren zu haften schien.
„Nein, Pilger, lege nichts der Hand zuschulden für ihren sittsam-andachtsvollen Gruß. Der Heil'gen Rechte darf Berührung dulden, und Hand in Hand ist frommer Waller Kuss". Es war soweit. Jene Szene, welche den Mädchen in der Probe besonders schwer gefallen war. Was sie nicht wussten war, dass auch in ihrer jungen Lehrerin diese Szene innerliche Unruhe hervorrief. Sie sog scharf die Luft ein und schloss angespannt ihre Hand um den blauen Stoff ihres Rockes. Maria trat vor, nahm Magdalenas Hände in ihre und sprach voller Inbrunst: „So reg dich, Holde, nicht, wie Heil'ge pflegen, derweil mein Mund dir nimmt, was er erfleht..." In den Proben hatten sie einen eleganten Handkuss geübt, da Manuela den Mädchen einen echten Kuss nicht zumuten wollte, doch Maria... Manuela wusste um Marias sapphische Neigung und somit überraschte es sie weniger, als alle anderen im Raum, als sie sanft das Gesicht von Magdalena in ihre Hände nahm und ihr einen sanften Kuss auf die Lippen hauchte. Manuela wandte kurz den Blick von der Bühne ab, senkte den Blick und drehte ihren Kopf sanft in die Richtung der Oberin. Elisabeth wirkte angespannt, der Rücken durchgedrückt in gerader Haltung und der Blick flackerte zu Boden, bevor sie kurz den Kopf zu Manuel wandte.
Schließlich kam das Schauspiel seinen Ende entgegen und die Mädchen traten zusammen auf die Bühne, um sich zu verbeugen. Lauter Applaus hallte durch den Saal und erst in diesem Moment sahen sich Elisabeth und Manuela direkt in die Augen. Ein warmer Blick, welcher der jungen Lehrerin zu dem Erfolg gratulierte, doch konnte Manuela die Fragen sehen, welche Elisabeth hatte. Warum Maria? Was war mit Ingrid? Wieso der Kuss? Als die Mädchen von der Bühne traten, eilte Manuela hinter die Bühne und streifte dabei scheinbar zufällig die Hand der Oberin, welche kurz den kleinen Finger anhob, um den flüchtigen vertrauten Kontakt zu erwidern.
„Ein wirklich ausgezeichnetes Stück, Frau Oberin". Elisabeth wandte sich um. Eine Frau mittleren Alters stand vor ihr, gekleidet in ein dunkles Grün. „Gräfin von Weidenberg", begrüßte Elisabeth die Frau und gab ihr die Hand. „Ich wusste gar nicht, dass Magdalena mitspielt, sie hat davon gar nichts erzählt, aber sie war ja ganz hervorragend als Julia." „Wohl wahr". Elisabeth nickte bestätigend, „Fräulein von Meinhardis hat mit ihr eine hervorragende Wahl getroffen". Die Frau sah begeistert auf das Fräulein hinter sich, bevor sie sich wieder der Oberin zuwandte. „Die Schauspielerin?" „Ganz recht". Vor Freude klatschte die Gräfin in die Hände. „Hörst du das Augusta? Wie wundervoll. Sagen, Sie, Frau Oberin, wie haben Sie es geschafft sie zu überreden dieses Stück einzustudieren? Das erklärt natürlich wieso es so hervorragend war." Elisabeth schmunzelte in sich hinein. „Fräulein von Meinhardis ist Lehrerin an dieser Schule, sie unterrichtet seit September das Fach Literatur und ist die Klassenleiterin von ihrer Tochter, Gräfin." Gräfin von Weidenberg schien aus ihrer Freude nicht mehr herauszukommen. „Magdalena erzählt mir nun wirklich überhaupt nichts, ach wenn ich das gewusst hätte...", sie rückte ihren Hut zurecht. „Aber sagen sie Frau Oberin, was hat es mit der Französin auf sich?", frage die Dame hinter Gräfin von Weidenberg, bei der es sich um das Fräulein von Wülknitz, der Mutter von Elise Wülknitz, handelte. „Verzeihung?", fragte Elisabeth nach, nachdem sie der Frau einen festen Händedruck zur Begrüßung gegeben hatte. „Na, die Lehrerin. Elise schrieb mir, dass ihre Lehrerin für Etikette ganz plötzlich den Stift verlassen musste. Sie war doch Französin, nicht wahr?" Die streng wirkende blonde Frau, verschränkte sie Arme vor der Brust. Sich räuspernd, holte Elisabeth unbemerkt tief Luft. „Ihr habt wohl ganz recht. Das Fräulein Dumais, musste aus gesundheitlichen Gründen den Stift leider verlassen. Das Schicksal ihrer Familie in Verdun hatte ihr physisch wie psychisch schwer zugesetzt und ich konnte es nicht weiter verantworten, sie in ihrem Zustand mit den schweren Pflichten einer Klassenlehrerin zu betrauen und entsandte sie, damit sie sich hoffentlich schnell wieder erholen möge." Die beiden Damen sahen sich an. „Verdun... Furchtbar, was die Franzosen unseren Männern antaten. Sie gehören bestraft dafür, wenn Sie mich fragen." Elisabeth geriet in Verlegenheit um eine Antwort: „Es bekommt am Ende wohl jeder, was er verdient", sagte sie vorsichtig, ließ Raum für Interpretationen. Musik ertönte von nebenan. Dankbar für die Unterbrechung wandten der Herrschaften ihre Köpfe. „Wie es aussieht haben die Mädchen bereits begonnen", stellte Elisabeth fest. „Lassen wir den Kindern diese Freude", sprach die Gräfin, als das Fräulein von Wülknitz die Kinder schon zurechtweisen wollte, „Sie müssen bald schon früh genug erwachsen werden".
Mit sanften Schritten begannen die Damen den Raum zu durchmessen und in den großen Salon zu treten, um in den gegenüberliegenden großen Speisesaal zu treten, wo die Mädchen ausgelassen zu fröhlicher Musik zu tanzten begonnen hatten. Elisabeths Blick wanderte zur Bühne, sie lächelte und gerade als sie sich wieder zu den anderen begeben wollte, erhaschte sie einen flüchtigen Blick aus dem Fenster. Eine fremde Kutsche stand vor den Toren des Stiftes. Eine Kutsche aus dunklem Holz, schlichte Ornamente verzierten sie, der Innenraum ausgestattet mit weichsten Stoffen von Purpur. Augenblicklich rutschte Elisabeth das Herz in den Rock, kannte sie diese Kutsche doch nur allzu gut. Vor nicht allzu langer Zeit noch, war sie selbst mit ihr gefahren worden. Sofort raffte Elisabeth die Röcke zu trat zu den Anderen in die Eingangshalle und sofort als sie eintrat schienen alle stehenzubleiben. Die Blicke wandten sich der Treppe zu und auch Elisabeth sah zu ihr auf. Augenblicklich sanken sie alle in einen tiefen Knicks, senkten den Blick. Auch Elisabeth sank nieder, doch ihr Blick war wie ungläubig an der Frau hängengeblieben, welche gekleidet in einen tief braunen Pelz, einem rabenschwarzen Kleid in typischer Mode, die Hände bedeckt von schwarzen Lederhandschuhen und mit einem schwarzen Hut mit weißen Federn auf dem schneeweißen Haar auf die Anwesenden herabsah. Ihre Eisblauen Augen überblickten die Menge gütig, eine gewisse Warmherzigkeit und Erleichterung lag in ihrem Blick, was jedoch ihrer majestätischen Strenge keinerlei Abbruch tat. Mit einer geschwungen-eleganten Handbewegung erlaubte sie, dass sie die Anwesenden erhoben. „Hoch lebe die Kaiserin!", rief jemand und alle folgten sie diesem Ruf, nur Elisabeth wusste sich nicht zu regen. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals und sie fühlte sich plötzlich so schwindelig, als fehle ihr Luft zum Atmen. Was tat sie hier?
„Ihr seid zu gütig", sprach die Kaiserin, ein sanftes Lächeln auf den Lippen, „Es freut mich zu sehen, dass es noch immer treue Bürger dieses Reiches gibt." Ihre Stimme ließ Elisabeths Knie zittern, sie hatte den Drang sich an etwas festzuhalten, vielleicht sogar wegzugehen, doch da sprach sie weiter: „Ich bin hier, um mit der Oberin dieses Stiftes zu sprechen. Wo ist sie aufzufinden?" Scharf zog Elisabeth die Luft ein, straffte ihre Haltung und trat langsam durch die Halle. Man wich ihr aus, machte Platz, sah sie neugierig an. Am Fuß der Treppe sah sie scheinbar selbstsicher nach oben, sank erneut nieder. Die Mundwinkel der Kaiserin zuckten ein wenig nach oben. „Geht zu euren Mädchen, ich wünsche mit der Oberin von Bernburg allein zu sprechen". Sofort löste sich die Ansammlung auf, zog weiter in den Speisesaal. Elisabeth verharrte in ihrer Position bis sie hörte, wie die Türen ins Schloss fielen. Erst in diesem Moment erhob sie sich langsam, getraute sich den Blick zu heben. Auguste Viktoria sah friedlich auf sie herab. Ihre Hand machte eine heranholende Geste, bevor sie sie etwas von sich streckte. Elisabeth erklomm die wenigen Treppen, welche sie höher stand. Mit jeder Treppe pochte ihr Herz stärker in ihrer Brust. Sie ergriff die ausgestreckte Hand und auch, wenn es die Etikette nicht von einer Frau verlangte, so hauchte sie einen sanften Kuss auf die von Leder umschlossene Hand. „Wie ist es Ihnen ergangen, Elisabeth?", fragte die Kaiserin und blickte ihr direkt in die Augen. Dem Blick standzuhalten fiel Elisabeth schwer, sie konnte in ihnen eine tiefe Trauer ausmachen. „Eure kaiserliche Hoheit sind zu gütig sich nach meinem Wohlbefinden zu erkundigen. Ich danke der Nachfrage, es geht mir ausgezeichnet. Darf ich Euch denn fragen, was uns die Ehre verschafft?" Ein amüsierter Laut verließ, die doch so kontrollierte Miene. „Ich bitte Sie, ich war mir sicher, Ihnen bereits einmal erlaubt zu haben, diese Formalitäten sein zu lassen. Mehrmals.", das letzte Wort betonte sie besonders und sah sie eindringlich an. Elisabeth spürte wie ihr die Röte in die Wangen stieg. „Selbstverständlich, Auguste". Zufrieden nickte die Kaiserin und seufzte. „Ich bin hier um Ihnen Auf Wiedersehen zu sagen", sprach sie schließlich und ließ ihren Blick in der Halle umher wandern. Überrascht verlor Elisabeth das Lächeln, welches ihre Lippen geziert hatte. „Ihr verlasst uns?", fragte sie und klang dabei bedrückter, als sie die Absicht zu zeigen gehabt hatte. August wandte sich ihr wieder zu. „Ja, meine Liebe, ich folge meinem Gatten, dem Kaiser, wenn auch schweren Herzens". Die Kaiserin tat einen kleinen Schritt auf Elisabeth zu, stumm blickten sie sich an. „Ist es das warum Ihr Trauer tragt, meine Kaiserin?", fragte Elisabeth und verschränkte angespannt die Hände vor ihrem Bauch ineinander. Sie nickte. „Ja, ich habe mein Land verloren, der tragischste Verlust von allen." Plötzlich wirkte die sonst so unerschütterliche Frau so traurig, dass Elisabeth vorsichtig ihre Hand ausstreckte, um sie auf die der Kaiserin zu legen, welche es ihr augenblicklich mit einem Lächeln dankte und ihre andere Hand über die der jüngeren Oberin legte. „Ihr seid nicht allein", sprach die Jüngere, versuchend die Ältere aufzumuntern, welche sie anlächelte, ihre eisigen Augen suchten ihre. „Ihr positives Gemüt war mir schon immer eine Wohltat", gestand sie und ließ sich von Elisabeth die Treppe hinunter führen. „Ich hoffe eines Tages wiederzukehren", sagte die Kaiserin, ihre elegante Haltung wieder aufnehmend. „Ihr werdet stets willkommen sein", versprach Elisabeth. „Ich weiß", versicherte die Kaiserin und beide Frauen wussten, dass sie es nicht auf Landesebene meinte. „Ich fürchte ich muss nun gehen, Elisabeth", gestand die Kaiserin und fühlte wie sich der Griff um ihre Hand etwas verstärkte. Sanftmütig musterte sie die Frau vor sich, sah in ihr junges, schönes Gesicht. „Werden Sie glücklich Elisabeth und wahren Sie alte Traditionen, können Sie mir das versprechen?" „Aber natürlich", antwortete Elisabeth ohne nachzudenken und küsste die Hand der Kaiserin, welche kurz darauf den Handschuh der rechten Hand ablegte und mit bloßer Hand sanft das Kinn der Oberin umfasste, jedes Detail ihres Gesichtes anzusehen schien. „Sie werden mir fehlen, Elisabeth", sagte sie schließlich, den aufgebauten Blickkontakt nie unterbrechend. Mit ihrer Hand strich sie langsam und bedacht ihren Hals hinab, stoppte an den Perlen. „Ich werde Euch ebenso vermissen, Auguste", gestand Elisabeth ehrlich, bemüht dem Blick ihrer blauen Augen Stand zu halten. „Du warst stets eine meiner Lieblinge, weißt du das?" Der plötzlich vertraute Ton ließ Elisabeth aufhorchen. Seit Jahren hatte sie diesen Ton nicht mehr gehört und sie befürchtete ihre Knie würden nachgeben. „Ich fühle mich sehr geehrt". Die Kaiserin lächelte: „Natürlich tust du das. Du warst die Einzige, die meine Gunst je zu schätzen wusste" Elisabeth wurde warm und um ihre roten Wangen zu verbergen sank sie in einen Knicks mit den Worten: „Ihr seid zu gütig", doch kaum, dass sie den Knicks nur begonnen hatte, hauchte die Kaiserin ein sanftes: „Nein" und erhob Elisabeth sofort wieder aus dem Knicks. Verwundert sah Elisabeths der Kaiserin in die Augen, welche ihr mit ihrer freien Hand über die warmen Wangen strich, in Gedanken versunken lächelte und einen der Ringe von ihrem Ringfinger streifte. Vorsichtig, als sei sie aus Porzellan, nahm sie Elisabeths linke Hand und schob den goldenen Ring, welchen ein Diamant zierte, über den Ringfinger. „Ich wünschte Du würdest mich begleiten, Elisabeth", sagte die Kaiserin bestimmt. „Ich fürchte, ich kann nicht, Auguste", sagte Elisabeth mit Blick auf den Ring an ihrem Finger. Wieder lächelte die Kaiserin. „Das fasziniert mich so sehr an Dir, egal was ich Dir bot, Du hast den Hof trotzdem verlassen, dabei hättest Du alles haben können". Gerade als Elisabeth etwas darauf erwidern wollte, öffnete sich die Tür, welche zum Theater führte und Manuela trat in den Eingangsbereich. Sofort wollte Elisabeth einen Schritt zurück tun, um den Abstand zwischen sich und der Kaiserin zu vergrößern, doch diese verfestigte ihren Griff um ihre Hand und so blieb sie stehen. Manuela stoppte sofort und sank augenblicklich nieder unterbrach aber nicht den Blickkontakt mit der Kaiserin, hielt ihren eisig blauen Augen eisern stand. „So habt ihr euch letzten Endes also doch gefunden", schmunzelte Auguste und wandte ihren Blick wieder Elisabeth zu, deren Atmen sich beschleunigt hatte. Ein letztes Mal noch strich die Kaiserin mit ihrem Daumen über Elisabeths Handrücken, bevor sie ihr Gesicht in beide Hände nahm und ihr einen sanften Kuss auf die Stirn gab. „Lebe wohl, Elisabeth", flüsterte sie. „Lebt wohl, Auguste", erwiderte sie, sank nieder und küsste die freie Hand. „Werde glücklich". Damit wandte sich die Kaiserin um und verließ stolzen Ganges den Stift.
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