XII - Begegnung im Theater

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Elegance is the only beauty that never fades.

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Die auf diese Nacht folgenden Tage waren geprägt von versteckten Lächeln, unbemerkten sanften Berührungen und vielsagenden Blicken. Gemeinsame Zeit war rar, denn Vieles gab es zu tun. Die Aufführung des Schauspiels kam näher und es musste eine neue Lehrerin gefunden werden, welche Adrienne ersetzen sollte. Dazu kamen Konferenzen, welche die Oberin veranlassten den Stift zu verlassen. Die junge Republik forderte Reformen im Schulsystem und das, obwohl sie sich mit sich selbst noch nicht einig schien, was sie genau eigentlich sein wollte. Die Reformer waren so klar in alle dem was sie nicht wollten, dass sie vergessen zu haben schienen darüber nachzudenken, was sie eigentlich wollten. Wenn Elisabeth von diesen Konferenzen in den Stift zurückkehrte, war sie oft müde. Mental wie Physisch.
„Diese Republik hat keine Zukunft", sagte sie eines Abend als Manuela sie auf der Treppe am Eingang in Empfang nahm, „Die haben keine Ahnung wer oder was sie als ihre Ziele beschreiben wollen. Sie spielen Vorstand, mehr nicht", ein schwerer Seufzer verließ ihre Kehle. Er klang müde. Manuela trat ihr entgegen und nahm ihr den Koffer ab. „Es wird besser werden. Am Ende ist es für uns alle etwas Neues" Elisabeth lächelte zart: „Ich wünschte, ich hätte noch deinen Optimismus, Manuela, aber vielleicht bin ich einfach zu alt dafür geworden". „Zu alt?", lachte Manuela sah Elisabeth erstaunt an, „Man könnte meinen du wärst nicht älter als ich es bin. In Sachen Schönheit hältst du mir allen im Nichts mit." Beide gingen die Treppen hinauf. „Du schmeichelst mir, Manuela, aber du weißt so gut wie ich es weiß, dass ich straff auf die fünfzig zugehe und die weißen Haare müssen dir auch aufgefallen sein." „Aber das Äußere allein bestimmt doch nicht die Schönheit einer Person", wandte Manuela ein, als die Köchin des Stifts ihnen im Flur begegnete. „Mutter Oberin! Wie schön es doch ist Sie zu sehen. Ich habe keine Ahnung was sie gemacht haben, aber die Vorräte sind nun endlich wieder aufgefüllt worden." Elisabeth lächelte und nahm die Hände der Köchin in ihre. „Das ist erleichternd zu hören, Anneliese, ich glaubte schon meine Bemühungen seien völlig umsonst gewesen." Die Köchin schüttelte energisch ihren Kopf. „Mit Nichten, Mutter, Ihre Bemühungen waren wahrlich äußerst erfolgreich. Kann ich Ihnen denn etwas Gutes tun zum Dank?" Die Oberin lächelte. ,,Eine Tasse Tee für mich und Fräulein von Meinhardis wäre lieb". Die Köchin machte einen leichten Knicks und verschwand in Richtung der Küche.
,,Mutter...", wiederholte Manuela leise als sie das Büro betraten, "Das klingt seltsam, wenn man es mit dir verbindet". Elisabeth kicherte: "Du scheinst zu vergessen, dass ich eine religiöses Amt begleite" Die Ältere legte ihren Mantel ab, enthüllte eine schwarz-weißes Robe, welche trotz des etwas lockeren Schnitts die Taille der Frau zu betonen wusste. Um ihrem Hals hing ein kleines silbernes Kreuz und Manuela wusste, dass in dem Koffer, welchen sie gerade bei Seite stellte, sich ein schwarzer Schleier befand. „Religiös...", sagte Manuela spielerhaft, trat hinter den Schreibtisch und lehnte sich provokant nach vorn. "Ich bin mir sicher, du bist eine wahrhaft gottesfürchtige und nahezu biblische Frau". Während sie sprach strich sie sanft mit ihrem Zeigefinger Elisabeths Bauch nach oben und umgriff das silberne Kreuz. "Zumindest aussehen tust du wie eine Heilige", hauchte sie. Elisabeth umgriff mit beiden Händen Manuelas Gesicht und sah liebevoll in ihre grünen Augen. "Wenn ich eine Heilige bin, musst du ein Engel sein", flüsterte sie. Noch bevor die beiden sich küssen konnten, klopfte es an der Tür. Manuela nahm sofort höflichen Abstand zu Elisabeth ein, während Anneliese, die Köchin zwei Tassen Tee auf dem Schreibtisch abstellte, sich noch einmal bei der Oberin bedankte und wieder nach unten ging.
Mit einem sanften Seufzen sank die Ältere auf ihren Stuhl, bevor sie sich wieder Manuela zuwandte. Manuela...in ihrem hellgrauen Rock, der grau-blauen Bluse, die Spottdrossel über ihrem Herzen. Eine schöne Frau, so viel schöner noch als das Kind von damals. So viel reifer, verantwortungsvoller. Niemals hätte sie geglaubt, sich selbst je diese Art der Beziehung erneut zu erlauben, sich einer Frau hinzugeben, einer zwanzig Jahre jüngeren Frau.
"Komm zu mir", sagte sie und streckte ihre Arme nach Manuela aus. Diese trat vor sie, nahm ihre Hände und küsste diese zärtlich. „Manchmal vergesse ich wie jung du bist", hauchte Elisabeth zärtlich, den Blick in das junge Gesicht gerichtet. „Das tut nichts zur Sache", versicherte Manuela sanft. „Nicht was uns betrifft vielleicht, aber was die Schönheit einer Frau anbelangt durchaus", ihr Blick löste sich von Manuelas Augen und wanderte zum Fenster, zu ihrer Spiegelung. Die Jüngere nahm das Gesicht der Oberin in ihres.
„O, Elisabeth, was ist jugendliche Schönheit gegen göttliche Eleganz?" Die Oberin ließ die Worte in ihrem Inneren nachwirken, schloss kurz die Augen. „Du hättest Poet werden sollen", sagte sie dann und ließ ihre Fingerspitzen Manuelas Hals hoch wandern, „Du hättest die Stimme und Worte dazu" „Wenn ich das geworden wäre, handelten all meine Gedichte von dir. Wären Hymnen an deine Eleganz und deine Schönheit", sprach sie, senkte ihren Oberkörper herab, eine Hand stütze sie auf den Tisch zu ihrer linken, den anderen auf die Lehne des Stuhles, auf welchem Elisabeth saß. „Du weißt mich zu bezirzen", sagte die Ältere spielerisch und richtete sich gerade auf. Ihre Lippen nur Zentimeter entfernt voneinander. „Zu bezirzen? Da sprach die wahre Meisterin, denn auch ohne deine Anwesenheit, all die Jahre vor unserem Wiedersehen, wann immer ich eine Liebe spielen sollte, so war es dein Gesicht, welches ich vor mir sah, deine Augen, welche ich sah vor einem Kuss."
Sie verbanden ihre Lippen in einen ach so zarten Kuss, welcher durch seine Sanftheit eine wahrlich ersehnte Intensität mit sich brachte. Elisabeths Finger, welche sich noch immer an Manuelas Hals befanden, schlossen sich nur allzu sanfte um diesen. Umschloss ihn fast gänzlich mit den langen Fingern, während sie Manuela bestimmend weiter zu sich runter zog, bevor sie sich langsam erhob. Auch nach all der Zeit, war sie noch immer etwas größer als Manuela, blickte leicht auf sie herunter als sie sich lösten, genoss den verschleierten Blick der Jüngeren unter ihrer sanften Berührung. „Du hast mich wirklich sehr vermisst, nicht wahr, Manuela?", fragte sie und strich mit ihrer freien Hand über die Wange der jungen Lehrerin. „Ja, sehr", gab diese zu. Erneut küssten sie sich, doch diesmal nur kurz bevor Elisabeth den Kuss unterbrach. „Ich weiß, was in deinem hübschen Köpfchen vor geht, ich weiß, was du dir wünschst, aber ich werde es dir nicht geben. Noch nicht". Damit ließ sie von Manuela ab und setze sich wieder an ihren Schreibtisch, nahm einen Schluck von ihrem Tee, als wäre nie etwas gewesen. Manuela seufzte frustriert. „Was soll das heißen: ‚Noch nicht'?", sie nahm auf einem anderen Stuhl Platz. „Ich möchte morgen eine gelungene Vorstellung sehen. Wenn ich dir jetzt gebe, was du willst, bist du mit den Gedanken vielleicht nicht ganz bei der Sache. Danach kann ich mich vielleicht überreden lassen, dich zu belohnen". „Du und deine Spielchen", sagte Manuela und verschränkte die Arme vor der Brust, während Elisabeth kicherte.
Sie hatte nicht vor Manuela zu erzählen, wie schwer es ihr selbst fiel sich zurückzuhalten. In Wahrheit wollte sie nichts mehr, als Manuela in ihre Arme zu schließen, mit ihren Händen jeden Winkel ihres Körpers zu erkunden. Sie wollte die Blume in ihrem Inneren wieder zu blühen bringen, wollte dieses Gefühl ihrer ersten gemeinsamen Nacht, welche nun schon wieder eine Weile her war, wiederverspüren. Doch sie wollte sich selbst etwas beweisen. Sie hatte die Kontrolle über ihre Emotionen. Jedoch mit jedem Tag, jeder Stunde und jeder Minute, fühlte sie die Hitze in ihrem Inneren ansteigen, fühlte, wie sie mehr und mehr Besitz von ihr ergriff. Selbst wenn Manuela weit weg war im Stift, und sie bei einem Kongress, gehüllt in den Kleidern einer Oberin, die Haare von einem schwarzen Schleier verhüllt und das Kreuz auf der Brust, konnte sie nicht anders als an diese Frau zudenken, daran zu denken, was sie am liebsten mit ihr tun würde.
Später am Abend erhob sich Manuela schließlich, um sich in ihre Gemächer zurückzuziehen, nicht aber ohne vorher einen letzten Versuch zu starten, Elisabeth doch noch von sich zu überzeugen. Langsam trat sie um den Tisch herum, knöpfte mit einer Hand die obersten Knöpfe ihrer Bluse auf und lehnte sich scheinbar einfach so nach vorn. „Und du bist dir sicher, dass du nicht willst?", hauchte sie in das Ohr der Oberin, deren Blick auf ein Dokument vor ihr gerichtet war. „Ja, Manuela", gab diese zurück, ohne einmal aufzusehen. Manuela schlang ihre Arme von hinten um die Schultern der Älteren, ein verführerisches Grinsen auf den Lippen. Langsam senkte sie ihre Lippen, sodass sie direkt neben Elisabeths Ohren waren. „Wie schade", flüsterte sie leise, küsste sanft das Ohr und den Hals direkt darunter. Sie spürte wie sich die Nackenhaare der Anderen aufstellten und ihr ein schwerer Atemzug entwich. Nach dieser Reaktion sah sie sich schon als Sieger, doch umfasste Elisabeth schließlich ihre Bluse und zog sie an ihre Seite. Der feste Griff machte es Manuela unmöglich sich aufzurichten. Streng fixierten die eisblauen Augen der Älteren die waldgrünen der Jüngeren. Der Blick war so intensiv, dass Manuela das Atmen mit einem Mal schwer fiel. „Ungeduldiges Mädchen", kam es tief von den roten, lächelnden Lippen. Elisabeth zog weiter an der Bluse. Manuela musste sich auf den Tisch und die Rückenlehne des Stuhles stützen, um nicht nach vorn zu kippen. Sie glaubte, ihre Beine müssten nachgeben bei der Intensität des Blicks. Elisabeth drehte sich auf dem Stuhl, sodass sie gerade vor Manuela saß, legte ihre freie Hand ihre Taille und verstärkte den Griff. Die junge Lehrerin versuchte den Abstand zwischen ihnen zu schließen, doch Elisabeth lehnte sich entspannt etwas zurück und wich den Lippen der Jüngeren aus. Ein amüsiertes Lächeln zierte ihre Lippen, als Manuela nach unten auf die Knie sank, ihre Blicke noch immer fest verbunden. „Wie ergeben du bist", hauchte die Ältere und beugte sich vor, verband ihre Lippen, fühlte die Ungeduld in dem Kuss und zog sich doch bald zurück. Manuela sah bittend zu ihr herauf. Ein wenig genoss Elisabeth es ja, sie so zu sehen, zugeben würde sie das natürlich niemals. „Ich sagte: ‚Noch nicht'", gab sie von sich, drehte sich zurück, löste den Blickkontakt. „Elisabeth, bitte...", kam es verführerisch von Manuela, welche sich leicht hochstützte, ihren Arm um Elisabeth schlug und Küsse auf ihrem Oberkörper verteilte. „Bitte", flüsterte sie, während sie sich mit ihren Küssen langsam hoch arbeitete. Für einen Augenblick genoss die Oberin die Zärtlichkeiten, ließ sich für wenige Sekunden in ihnen fallen, atmete tief, genießend ein und schloss kurz die Augen. Dann nahm sie Manuelas Gesicht in ihre Hände, sah in das Gesicht mit den erröteten Wangen, gab ihr einen langen, sanften Kuss und flüsterte: „Gute Nacht, Manuela."
Eine kurze Weile später, stand sie von ihrem Schreibtisch auf, trat in ihr Schlafgemach und entkleidete sich. Obwohl sie müde war, ging ihr ihre junge Liebhaberin nicht aus dem Kopf. Es war ihr so schwer gefallen nicht sofort ihrem Innersten zu folgen als sie sich ihr so bereitwillig anbot, sich nicht ihren zarten Küssen zu ergeben, welche sie so heiß hatten fühlen lassen. Am liebsten hätte sie sie auf den Schreibtisch gedrückt, die Hände links und rechts im festen Griff und sie dort für sich und sich allein beansprucht. Sie hatte dem nicht nachgegeben, doch das Gefühl aus ihrem Innersten blieb, das Verlangen ließ sich unterdrücken, aber nicht stillen. Die Tür zu ihrem Büro schließend, erhaschte sie einen Blick in den Spiegel. „Warum tust du dir das selbst an?", fragte sie ihr Spiegelbild mit einem verschmitzten Lächeln auf den Lippen. „Für die Aufregung dahinter, ich weiß", beantwortete sie sich selbst ihre eigene Frage und fühlte sich dabei wie eine junge Frau, welche sich zum ersten Mal den Abenteuern der Liebe hingab. Vielleicht war es aber auch eben jene Selbstfolter Manuela von sich zu stoßen, welche ihr innerliche Lust brachte. Die flehenden Blicke und sich nach Erwiderung sehnenden Berührungen. Vielleicht war es die Kontrolle, welche sie durch ihre kleinen Spielchen erlangte, welche ihr so gefiel und sie hatte das Gefühl, Manuela genoss es ebenso. Sie sah es daran wie ihre Augen zu glühen begannen, wenn sie sie abwies, sanft von sich schob und wieder an sich zog.
Elisabeth biss sich auf die Unterlippe, als sie ihren Gedanken weiter freien Lauf ließ und als sie sich schließlich auch ihres Korsetts entledigte, war die innere Lust so stark, dass sie versucht war, nach ihrer Morgenrobe zu greifen und zu Manuela hinunter zu gehen. Langsam streckte sie ihre Hand nach der seidig schwarzen Robe aus, welche sich immer wie gewebte Luft auf ihrer Haut anfühlte. Die Versuchung war groß.

Eine Etage tiefer war Manuela noch dabei, den Unterricht für die kommenden Tage vorzubereiten. Es standen mehrere Kontrollen an und nicht zuletzt das Schauspiel, für welches sie noch letzte Vorbereitungen zu treffen hatte. Es war spät, aber sie verdankte die Tatsache noch wach sein zu dürfen, ihren immer wieder in gefährliches Territorium abschweifenden Gedanken. Immer wieder dachte sie an Elisabeth, welche ihr so nah und doch so fern war. Sie frustrierten die Spielchen so sehr wie sie sie auch zeitgleich anzumachen wussten. Die Spiele der Oberin waren anders als alles was sie vorher erlebt hatte und sie fand sie aufregend. Wie eine Wette, wer länger die Hände vom jeweils anderen lassen würde. Und sie gestand sich selbst ein: Es war schwer. Sie hatte sie nun schon über zwei Wochen nicht mehr so berühren können, wegen der Konferenzen, der Arbeit, welche beide Frauen stets auf Trapp hielt und nun, da sie endlich wieder die Gelegenheit zu haben schienen, spielten sie Spiele mit den Sinnen und dem Verstand der jeweils anderen.
Manuela seufzte und ließ sich nach hinten gegen die Lehne fallen, den Stift fest in ihrer Hand, den Blick gen Decke gerichtet, wissend das genau über ihr die Frau schlief, nach welcher sie sich so sehr sehnte. Sie räusperte sich nach einem Moment, schlug die Hefte zu, legte die vorbereitete Arbeit in einen Hefter und stand auf. Mit schnellen Schritten durchmaß sie den Raum und griff nach einer anderen Mappe, welche sich auf ihrem Nachttisch befand. Vielleicht konnte sie den Kopf frei bekommen, wenn sie unten im Theater noch einmal alles auf seine Richtigkeit überprüfte.
So verließ die junge Lehrerin also ihr Zimmer, die strenge Aufmachung gegen einen langen weiten, schwarzen Rock und eine locker sitzende weiße Bluse getauscht, deren obere Knöpfe leicht geöffnet waren. Ihre Schritte waren die Einzigen, welche sie hören konnte, als sie die Treppe nach unten in die Haupthalle und von dort aus in das Theater trat. Da es schon spät war, entschloss sie sich nur eine der Öllampen zu entzünden und den Raum genug erleuchten um alles erkennen zu können. Den Rock raffend, trat sie die Stufen, in dem nahezu leeren Raum, zur Bühne hinauf. Die Stühle für die Vorführung würden erst morgen Vormittag von den Mädchen in den Raum gebracht werden, da sie des Frühs noch für den Unterricht benötig wurden. Mit einem kritischen Blick sah Manuela über die Bühne, besah sich der Requisiten und Bühnenbilder, welche bereits aufgebaut waren. Die Kostüme hingen noch neben der Bühne und nicht dahinter, also beschloss sie diese zuerst zu überprüfen. Sie erinnerte sich, dass das Kostüm des Romeo bei einer der letzten Proben einen kleinen Schaden davongetragen hatte und sie hatte darum gebeten, diesen zu reparieren. So trat sie also an die Kostüme heran, suchte das des Romeo heraus und sah es sich an. Dabei kam sie nicht umhin an ihre eigene, ihre erste Darstellung des Charakters zu denken und an die mit ihr verbundene Tragödie im Marienstift. In weiser Voraussicht und im Bedenken auf ihre eigene Vergangenheit, hatte sie die Küche angewiesen es mit dem Alkohol im Punsch nicht allzu sehr zu übertreiben und es gemächlich angehen zulassen, da die meisten Mädchen größere Mengen Alkohols nicht gewöhnt waren und sie war guter Dinge, dass es verstanden worden war.
Da sie keine Mängel mehr an dem Kostüm fand, hing sie es zurück an seinen Platz und wollte gerade nach einem anderen greifen, als sie das leise Knarren der Tür wahrnahm. Manuela wirbelte herum in der Erwartung eine ihrer Schülerinnen zu sehen doch..: „Elisabeth?"
Dort, die Tür hinter sich ins Schloss drückend, stand das Fräulein Elisabeth von Bernburg, gekleidet in eine schwarze Seidenrobe, welche ihr bis knapp über die Knie fiel. Ein leichtes Lächeln umspielte die roten Lippen und ein sanftes Leuchten erhellte die blauen Augen.
„Du bist noch wach?", fragte Manuela, ihre Augen wanderten unauffällig an Elisabeth auf und ab. „Ich habe nach dem Rechten gesehen." Manuela hob eine Augenbraue, während sie zusah wie Elisabeth auf sie zu schlenderte. „In diesem Aufzug?", fragte die Jüngere und griff hinter ihrem Rücken nach dem Stoff eines Kostümes als würde es ihr den Halt geben, den sie brauchte. „Normalerweise ist ja auch niemand mehr wach, wenn ich meine Runde gehe", lächelte sie und blieb vor der Bühne stehen, auf welcher Manuela stand und deutlich schwerer Schlucken musste als davor. Elisabeth lehnte sich vor, stützte sich auf der Bühne mit beiden Händen ab, dabei löste sich der Stoff der Robe etwas von der Haut der Älteren, sodass Manuela ihr ein wenig nur ins Dekolletee sehen konnte. „Und was machst du um die Zeit noch hier? Es ist fast Mitternacht." „Ich wollte, ähnlich wie du, noch einmal nach dem Rechten sehen. Ob alles richtig vorbereitet wurde." Elisabeth kicherte tief und drehte sich wieder um, die Ellenbogen auf der Bühne abstützend, den Kopf in den Nacken gelegt, sah sie zur Decke auf, deren Kronleuchter nur dämmrig schimmerte, nicht einmal den Stuck der Decke auszuleuchten wusste. Das Blau ihrer Augen leuchtete abwesend, als schweife ihr Blick ab, jenseits des Schleiers dieser Zeit. „Vor noch gar nicht allzu langer Zeit, hast du dieses Kostüm selbst getragen", ein sanftes Lächeln breitete sich auf den roten Lippen aus. Manuela holte tief Luft. „Acht Jahre sind eine lange Zeit, Elisabeth", langsam trat sie von den Kostümen weg, lief auf die Treppe der Bühne zu. „Für dich mag es lang sein, für mich nur ein kleiner Buchteil. Aber das ist es nicht. Du warst du begeisternd in der Rolle". Ein leichtes Schmunzeln schlich sich auf die Lippen der Jüngeren, während ihr Blick den seidigen Stoff entlang glitt. „Ich war erleichtert, dich am Hoftheater zu wissen, du bist die geborene Schauspielerin." Manuela trat die Treppe hinab, ihr Blick suchte Elisabeths. Eine Frage tauchte in ihrem Kopf auf. Sie streckte ihre Hand aus, fuhr mit ihren Fingerspitzen den Arm der Oberin auf und ab. „Warst du je bei Hof?" Endlich löste sich ihr gedankenverlorener Blick von der Decke. „Natürlich", war die Antwort, aber sie war ihr nicht genug. „Ich meine, im Theater". Elisabeths Augen schlossen sich kurz. Verführerisch funkelten sie als sie sagte: „Ja, war ich. Ihre königliche Hoheit, die Kaiserin, bestand darauf". Die Jüngere runzelte ihre Stirn. „Aber sie erlaubte nie Außenstehende in ihrer...privaten Loge...", noch während sie sprach erinnerte sich Manuela an einen ganz besonderen Abend. Ein Abend, in welchem in der Loge der Kaiserin eine weitere Person auftauchte.

[Berlin, Staatsoper 1915]
„O, niemals soll die Sonne den Morgen sehn! Dein Gesicht, mein Thane, ist wie ein Buch, in dem man seltsame Dinge lesen kann. Um die Zeit zu betören, schau wie die Zeit. Trage Willkommen in deinem Auge, deiner Hand, deiner Zunge. Seht aus wie die unschuldige Blume, doch seid die Schlange unter ihr. Er, der kommt, muss versorgt werden, und du sollst das große Geschäft dieser Nacht in meine Depesche setzen, die all unseren kommenden Nächten und Tagen allein souveräne Herrschaft verleihen soll.", rief Manuela aus, gekleidet in ein mittelalterlich anmutendes ausgestelltes Kleid aus dunkelrotem Samt mit weißem Kragen. Ihre langen Haare geflochten, hoch imponierend hochgesteckt, das liebliche Gesicht mit Schatten reifer gemacht und die Lippen geschminkt in einem blutigen Rot. Sie war den Zuschauern leicht zugewandt, ein verheißungsvolles Lächeln zierte die Lippen. Ihr gegenüber stand ein gut gebauter Mann, ebenso altertümlich gekleidet und die Wangen mit Rouge betont. Es war das erste Mal diesen Herbst, dass sie Lady Macbeth verkörpern durfte. Eine hoch angesehene Stelle, welche hart umkämpft wurde von den Damen des Theaters. Sabotage war zuweilen an der Tagesordnung, wenn es um die Hauptrollen eines Stückes ging. Besonders, wenn es eine war, welche die kaiserliche Familie sehr zu mögen schien. Manuela ließ sich fallen in der Rolle der Lady, genoss jede Zeile und jeden Akt. Nie sah sie dabei in das Publikum und schon gar nicht in die Logen. Sie fand, dass es einen aus dem Konzept brachte, die Zuschauerschaft zu genau zu beachten, besonders die besonders hohen Besuche. Dennoch war ihr aufgefallen, dass in der kaiserlichen Loge heute Licht zu sein schien. Dass die Kaiserin, welche im Land geblieben war, ihr heute zu sah, ließ ihr Herz höher schlagen und war ein Grund mehr für sie, die Loge nicht zu beachten, auch dann nicht, wenn sie dem Publikum vollends zugewandt stand. Erst als der Applaus dröhnte und sie gemeinsam mit ihren Kollegen die Bühne betrat, an der Hand des Macbeth, wagte sie einen Blick in die kaiserliche Loge in der Mitte der oberen Reihen. Zu ihrer Überraschung sah sie zwei Silhouetten in der Loge. Die Kaiserin war doch aber stets darauf bedacht nie jemanden mit in die Loge zu nehmen, wer sollte das sein? Die Lichter machten es ihr schwer etwas zu erkennen, aber neben der Kaiserin, welche erhaben klatschte stand eine Frau. Eine Frau mit einer geraden, eleganten Haltung, gekleidet in ein königsblaues Samtkleid, Perlen zierten das Handgelenk der Hand, welche auf dem Geländer ruhte. In der anderen Hand hielt sie ein goldenes Opernglas und sah auf die Bühne, jenes verdeckte ebenso ihr Gesicht, eine Kette geziert von dunklen Diamanten in blauer Farbe zierte ihren grazilen Hals. Manuela verbeugte sich und gerade als die Frau das Opernglas sinken lassen wollte, fiel der Vorhang.

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