7. Sterben
Ben POV
Es war ein Zimmer.
Er blickte sich um.
Zwei Betten und in der Mitte ein kleines Fenster, durch das spärliches Licht hereinschien. Auf einem der Betten lag restliches Untersuchungszeug, das Medi-Droiden benutzten.
Er stockte, als er sich weiter umsah.
Auf dem anderen Bett lag sein Körper. Und daneben saß Rey, den Kopf auf seinen Bauch gelegt. Sie weinte.
Warum weinst du? ,fragte ich, doch meine Stimme war nur wie ein Hallen im Raum.
Sie weint, weil du tot bist. , sagte eine männliche Stimme. Es war dasselbe Hallen, das auch meine Stimme widergegeben hatte, doch sie war tiefer als meine.
Ich drehte mich um. Es war ein Jedi. Er erkannte diese Robe, die er trug. Es war ein attraktiver Mann Mitte zwanzig, er hatte braunes, gewelltes Haar, genau wie ich. Er war groß und muskulös, verschränkte die Arme vor der Brust.
Dieser Mann... er erinnerte mich... an mich selbst.
Bin ich denn tot? , fragte ich mit zusammengezogenen Augenbrauen und betrachtete den Mann genauer. Konnte ich ihm vertrauen?
Der Mann rollte nur mit den Augen.
Das kriegst du schon selber raus. , schmunzelte er und blieb weiter mit verschränkten Armen an der Tür stehen.
Idiot. Was machte der überhaupt hier? Wenn ich wirklich tot wäre, dürfte ich meine Zeit dann nicht wenigstens mit Geistern verbringen die nicht ganz so schnippisch waren wie dieser hier?
Ich nahm mir vor ihn erst einmal zu ignorieren.
Ein erstickter Schluchzer zog meine Aufmerksamkeit wieder auf Rey und meinen toten Körper.
„Ben, wieso? Wieso hast du es nicht geschafft? Wie konntest du mich hier einfach zurücklassen!?", flüsterte Rey. Ich trat näher zu ihr heran und legte eine Hand auf ihre Schulter. Sie bemerkte mich nicht.
Ihre Augen waren rot und weitere Tränen rannen über ihr Gesicht.
Warum war sie so traurig? War nicht gerade ihr größter Feind gestorben? Stand denn nun dem Widerstand gar nichts mehr im Wege? Sie sollte sich freuen. Sie war stärker als ich, sie hatte gewonnen.
Oder...
...könnte es sein, dass sie mich vielleicht mochte?
Sie hat mich ein Monster genannt. Bei der Erinnerung wurde mein Gesicht ganz heiß.
Warum trauert sie so um mich? Obwohl es eigentlich eher als eine rhetorische Frage gemeint war, hoffte ich trotzdem, dass mir dieser Mann meine Wunschgedanken bestätigte. Ich sah ihn an.
Ein verschmitztes Lächeln breitete sich über seinem Gesicht aus.
Du scheinst dem Jedi-Mädchen jedenfalls nicht egal gewesen zu sein.
Ich schaute wieder zu Rey. Es tat mir weh sie so zu sehen. Dunkel erinnerte ich mich an den Kuss im Wald. Hatte sie mich etwa auch küssen wollen? Wie konnte ich mir sicher sein?
Ich sollte über diesen Gedanken und Gefühlen stehen. Schließlich war ich einer der mächtigsten Männer in der Galaxis und wurde trainiert solchen Gefühlen zu wiederstehen. Gefühle führten zu Schmerz, Verrat und Enttäuschung.
Und doch... wenn ich sie ansah dachte ich nicht an Schmerz, Verrat und Enttäuschung. Ich dachte an Liebe, Wärme und Geborgenheit.
Ich war innerlich zerrissen.
Und genau das ist der Grund, warum du hier bist. , sagte der Geist hinter mir.
Ich drehte mich zu ihm um, ließ Rey, die immer noch schluchzte und weinte aber nicht aus den Augen. Was meinte er?
Du stehst in einem inneren Macht-Konflikt. Einem sehr starken sogar. Traurig sah mich der Mann an.
Langsam setzten sich die Puzzelteile zusammen...
Ben, du bist an einem Punkt angekommen, an dem die Macht dich zerreißt. Du musst dich entscheiden, oder du wirst sterben. , sagte er mit ernstem Gesicht.
Deine Gefühle für das Mädchen waren nur der Auslöser.
Endlich verstand ich alles.
Seitdem ich Snoke getötet hatte, hatte ich die leichten Schmerzen, die mit der Zeit immer schlimmer wurden. Ab dem Zeitpunkt musste der Konflikt also angefangen haben. Ab dem Zeitpunkt hatte ich auch viel über Rey nachgedacht.
Das heißt, ich musste mich jetzt entscheiden. Die Helle Seite. Oder die Dunkle. Ansonsten würde ich sterben.
Diese Macht-Vision soll dir helfen dich zu entscheiden, sprach der Mann weiter.
Sie zeigt dir drei Wege. Drei zukünftige Paralleluniversen, die von deiner Entscheidung bedingt entstehen können. Diese hier ist die erste. Kannst du dich nicht entscheiden, oder willst du dein Leben nicht mehr weiterführen, wirst du sterben.
Ich wünsche dir viel Glück bei deiner Entscheidung. Möge die Macht mit dir sein.
Langsam senkte er respektvoll den Kopf und verblasste allmählich, bis er verschwunden war.
Verwirrt blieb ich zurück.
Meine Gedanken wurden von einer kleinen Person unterbrochen, die hastig ins Zimmer geeilt kam. Sie erkannte wohl die Situation sofort, denn ohne große Fragen zu stellen, nahm sie die schluchzende Rey in den Arm.
„Maz... er hat es nicht geschafft...", sagte Rey unter Tränen und drückte die Frau an sich.
„Mein armes Kind... es tut mir so leid. Ich wünschte ich hätte mehr tun können.", auch ihre Stimme klang brüchig und eine Träne rann über ihre Wange.
„Er ist jetzt bei seinem Vater."
Bei diesen Worten zog sich mir das Herz zusammen. Mein Vater. Ich bereute die Tat, ihn getötet zu haben so sehr. Ich hätte ihm noch so viel sagen wollen...
Rey zitterte weiter, obwohl Maz sie weiter fest an sich drückte.
„Hat er dir etwa doch so viel bedeutet?", fragte Maz verwirrt. „Ich dachte du konntest ihn nicht leiden... hat er nicht sogar öfter versucht dich umzubringen?"
„Das war alles so kompliziert... ich wünschte es wäre einfacher gewesen. Aber anscheinend war er mir doch wichtiger als ich dachte.", brachte Rey nur brüchig hervor.
Maz nickte. „Bringen wir euch erst einmal zum Widerstandsschiff. Ich werde mit dir kommen. Du musst es nicht auch noch Leia beibringen. Ruh dich aus und versuche zu schlafen."
Rey versuchte so gut wie möglich die Tränen wegzuwischen und folgte Maz aus dem Zimmer. Kurz bevor sie die Tür erreichte sah sie sich nochmal im Zimmer um. Zuerst sah sie meinen toten Körper an. Danach schaute sie in meine Richtung.
Mir war nicht klar gewesen, dass auch ich weinte. Erst, als mir eine warme Träne die Wange hinunterlief. Ich schaute sie einfach nur an. Versuchte mir jedes kleine Detail einzuprägen, für den Fall ich würde sie nie wieder sehen. Ich bildete mir ein, dass sich ihr Mund zu einem traurigen kleinen Lächeln verzog.
Sie drehte sich um und ging weg.
Der Raum wurde dunkel. Er veränderte sich und ich war in einem Wohnzimmer. Diese Vision war also noch nicht zu Ende. Ich sah mich um. Es war ein kleines Zimmer. Schlicht gehalten mit einem Sofa in der Mitte des Raumes, davor einem kleinen niedrigem Tisch, auf dem unterschiedliche Unterlagen lagen, am anderen Ende des Raumes ein kleiner Flachbildschirmfernseher. Wie man es auch in einem Wohndepartment eines Schiffes fand. Ich musste mich auf einem anderen Schiff des Widerstands befinden, denn die Schiffe der ersten Ordnung waren weniger individuell gestaltet und meist schlief man mit mehreren. In diesem Raum fand man verschiedene Helme der ehemaligen Rebellenallianz, die ordentlich in einer Reihe auf einem Bücherregal aufgestellt wurden. Außerdem gab es ganz viele Bücher. Ich wanderte zu dem kleinen Tisch und ließ meinen Blick darüber wandern. Ich stockte und zog eine halbfertige Zeichnung unter den verstreuten Unterlagen heraus. Es war eine Zeichnung von meinem Gesicht. Eine ziemlich gute sogar. Darunter stand in säuberlicher Handschrift geschrieben: „Ben Solo". Ich suchte nach einer Unterschrift des Künstlers, fand aber keine. Die brauchte ich aber auch nicht. Nur einer hatte mich so aus der Nähe betrachten können, um mich so zu zeichnen. Ohne Maske.
Rey.
Das musste ihr Zimmer sein.
Plötzlich ging die Tür auf und Rey stürmte hinein. Sie hatte tiefe Ringe unter den Augen und das Leuchten, das ich oft darin gesehen hatte, war erloschen. Sofort machte ich mir Sorgen um sie. Irgendetwas musste passiert sein, seitdem sie aus der Tür mit Maz gegangen war.
Sie bemerkte mich nicht, sondern schritt an mir vorbei in einen anderen Raum, aus dem man wenig später das Brummen einer Kaffeemaschine hörte. Kurz darauf kam sie mit einer vollen Tasse zurück und ließ sich aufs Sofa plumpsen. Sie stellte die Tasse auf einem der Papiere ab und bemerkte dabei die obenliegende Zeichnung. Schnell ließ sie sie wieder unter den anderen verschwinden. Sie atmete tief aus und vergrub das Gesicht in den Händen. Wie gerne hätte ich sie jetzt getröstet. Ihr einfach eine Hand auf die Schulter gelegt, um ihr zu zeigen, dass sie nicht allein war.
Dabei kam mir der Gedanke, wie sie sich fühlen musste. Ich hatte durch unsere Machtverbindung tief in ihr Innerstes blicken können. Ich hatte ihre größten Wünsche und Ängste sehen können. Vor allem, als sie auf dem Planeten bei Luke war, hatte sie sich sehr einsam gefühlt. Damals war ich durch die Machtverbindung da gewesen. Ich hatte sie so gut verstanden. Oft hatte ich mich genauso gefühlt. Genau diese Einsamkeit musste sie wieder durchmachen. Nur, dass ich diesmal nicht da sein konnte, um ihr zu sagen, dass sie nicht allein war.
Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als die Tür plötzlich aufsprang und ein junger Mann hereingestürzt kam. Ich erkannte ihn natürlich sofort. Es war der Verräter, der desertiert war, um dem Widerstand beizutreten. Ich konnte ihn nicht leiden. Aber das war nicht der einzige Grund. Auf der Brücke, als ich meinen Vater getötet hatte, sah ich ihn zusammen mit Rey. Und später dann im Wald.
Misstrauisch betrachtete ich ihn, wie er zu Rey zum Sofa lief und sich neben sie setzte.
Erst öffnete er den Mund, als wollte er etwas sagen, ließ es dann aber doch bleiben und wartete. Rey nahm die Hände aus dem Gesicht und sah ihn an.
„Rey, so habe ich das doch nicht gemeint.", flüsterte er. „Ich mache mir doch einfach nur Sorgen um dich. So wie wir alle." Traurig schaute er sie an und legte eine Hand auf ihre. Bei dieser Berührung zog sich mein Bauch zusammen. Ich wartete darauf, dass sie mit der Hand wegzucken würde, was sie zu meinem Ärger allerdings leider nicht tat. Ohne ihn anzuschauen sagte sie nur: „Finn, ich kann ihn nicht so einfach vergessen. Es mag schwer für dich sein das zu verstehen, aber er war für mich nicht länger ein Monster. Durch unsere Machtverbindung haben wir so viel vom anderen erfahren... er gab mir das Gefühl nicht mehr so allein zu sein."
„Aber du bist doch nicht allein! Du hast Poe und Rose und Leia und mich! Außerdem hast du wohl vergessen, was dieser Mann getan hat?! Er hat kaltblütig seinen eigenen Vater umgebracht!"
Seine Stimme wurde lauter.
„Er hat sogar mehrmals versucht dich umzubringen! Rey, wach auf! Er war ein furchtbarer Mensch, eingenommen von der dunklen Seite! Nichts hätte ihn bekehren können, das weißt du! Er hätte sicher nie so etwas wie Liebe fühlen können! Versteh das doch endlich! Du musst ihn vergessen!"
Er sprang auf und verließ den Raum.
„Nein, es war noch Gutes ihn ihm", flüsterte Rey, auch wenn sie wusste, dass er sie nicht mehr hörte.
Sie besaß dieses unerschütterliche Vertrauen und Hoffnung, die er so sehr bewunderte. Er hatte die Hoffnung schon lange aufgegeben. Sie versprach einem nur etwas Unrealistisches und führte zu nichts. Auch wenn er wusste, dass seine Mutter da eine ganz andere Ansicht vertrat.
Wieder wurde der Raum dunkler und ich fand mich in einer bergigen Umgebung wieder. Ich sah mich um und sah am Fuß des Berges ein Schiff. Über mir wanderte Rey zu einem kleinen Plateau, auf dem viele Steine verstreut lagen. Ich folgte ihr und so langsam kam mir der Gedanke, dass diese Vision viel mit ihr zu tun hatte. Es wirkte beinahe so, als wäre mein Schicksal maßgeblich mit ihrem verbunden. Was bei genauerem Nachdenken allerdings nichts Überraschendes war, da wir zur Zeit das Gleichgewicht verkörperten und durch die Macht verbunden waren. Trotzdem durfte ich das nicht vergessen, wenn ich am Ende meine Entscheidung traf.
Sie ging ganz langsam, mit einer stoischen Ruhe bis an den Rand des Plateau, die stark einer Klippe ähnelte. Unten klatschte das Wasser an den steinigen Fels. Das waren gute dreißig Meter nach unten.
Rey kramte einen kleinen Zettel aus ihrer Tasche. Sie faltete ihn auf und ich stellte mich hinter sie, um sehen zu können, was sie da betrachtete. Es war die Zeichnung, die ich schon in ihrem Zimmer gesehen hatte, mit dem Unterschied, dass sie nun vollendet war.
Seitlich betrachtete ich ihr Gesicht. Tiefe Trauer stand darin, doch keine einzige Träne floss über ihr Gesicht. Entschlossenheit, löste die Trauer ab.
„Wächst die dunkle Seite, erhebt sich dafür die helle Seite. Es muss ein Gleichgewicht geben. Wir waren dieses Gleichgewicht. Nun ist es Zeit für die Jedi... zu enden." Sagte sie mit fester Stimme.
Sie faltete das Blatt wieder zusammen und steckte es in ihre Tasche zurück.
Sie machte zwei weitere Schritte nach vorne, bis sie ganz am Rand der Klippe stand. Kurz vor dem Abgrund.
Mein Kopf war leer. Meine Gedanken formten sich zu langsam zu dem, was gleich passieren würde.
„Möge die Macht mit mir sein", flüsterte Rey, bevor sie einen Schritt nach vorn machte und damit von der Klippe stürzte.
Neeeiiiin!!! Schrie ich und rannte zum Felsvorsprung, doch es war zu spät.
Ich sah nach unten, doch es war kein Platschen zu hören gewesen und es war auch keine Spur von Reys Körper zu sehen, den ich noch hätte retten können.
Bevor ich das Geschehen begreifen konnte, wurde mir der Boden unter den Füßen weggezogen und es fühlte sich an, als würde ich hundert Meter tief ins Dunkle fallen, bis ich hart mit dem Kopf aus Stein stieß.
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