Kapitel 7
Lisa
Was machte Joint denn hier? Und das noch an meinem ersten Abend?! Mein Leben stellte mich wirklich auf die Probe. Als wäre der Tag nicht schon schlimm genug gelaufen, musste ich Joint dabei zu sehen, wie er mit seinem Date flirtete. Ich hatte wirklich Pech im Glück. Nachdem ich mich einigermaßen in dem hektischen Betrieb eingefunden hatte, musste ich mir jetzt auch noch die Genugtuung in seinem Blick antun, den er mir zugeworfen hatte, als der ältere Gast sein Bier verlangte. Mist, wäre er ein paar Stunden früher gekommen, hätte er mich in einer besseren Form vorgefunden.
Im Augenblick jedoch versuchte ich mir halbwegs die Cocktails zu merken, die Gläser beim Tragen nicht umzuwerfen und mich von den lüsternen Blicken der älteren Herrschaften zu wappnen. Als ich hinter die Bar trat, um Andi abzulösen, standen die Drinks der beiden schon vor meiner Nase, ich musste sie ihnen nur noch hinstellen.
Leichter gesagt als getan, um dies zu tun, musste ich mich näher auf ihn zu bewegen, worauf ich wirklich keinen Bock hatte. Doch als gute Barkeeperin durfte ich keinen Gast verärgern. Auch wenn es sich dabei um ein Arschloch handelte. Bedacht darauf nicht in sein Gesicht zu starren, bewegte ich mich auf die beiden zu. Ich musste mich echt zusammen reißen, uns trennte doch noch ein guter halber Meter, das war wirklich kein Grund auszuflippen.
„Hier eure Getränke." Schnell stellte ich die Gläser vor ihnen ab.
„Äh, eigentlich habe ich den Captain bestellt." Joint sah mich herausfordernd an. War das wirklich sein Ernst? Anstatt die Getränke selbst zu vertauschen, wartete er auf eine Reaktion von mir. Bleib ruhig, Lisa. Er testet dich nur.
„Sorry" murmelte ich und wechselte die Gefäße aus. Währenddessen konnte ich den musternden Blick der Blondine auf mir spüren. Ich hätte nie im Leben gedacht, dass Joint sich mit dieser Sorte von Frauen abgab. Sie war so stark geschminkt, dass man ihre echte Hautfarbe nur erahnen konnte. Zudem wirkte ihr blondes Haar viel zu kühl, damit es natürlich sein konnte. Von den viel zu großen Brüsten mal abgesehen, hatte sie dennoch eine gute Figur, die einem Model glich. Auf so einen schlanken Körper stand er früher schon, das dürfte mich also eigentlich gar nicht mehr überraschen.
Bevor er mich noch weiter ärgern konnte, entfernte ich mich wieder von den beiden, und widmete mich den anderen Bestellungen. Langsam aber sicher bereute ich es, den Pulli angezogen zu haben. Die ganze Rennerei hatte mich ziemlich zum Schwitzen gebracht, was man wahrscheinlich schon deutlich in meinem Gesicht erkennen konnte. Zudem fühlte ich mich zunehmend unwohl in dem feuchten Pullover, aber was sollte ich machen, Wechselklamotten hatte ich nicht eingepackt.
Während ich ein Bier eingoss, nahm ich aus dem Augenwinkel wahr, wie Joint seiner Begleitung immer näher kam. Oh Gott, wenn er sie direkt vor meinen Augen küsste, dann würde ich mich augenblicklich auf den Tresen übergeben. Diesen Anblick hielt ich nicht aus, konnte dennoch die Augen nicht von dem Geschehen abwenden. Verfolgte jede seiner Bewegungen, wie er sich vorbeugte, den Finger hob, nur um ihr damit über den Träger ihres Kleides zu fahren. Erleichtert darüber ließ ich beinahe das Glas in meiner Hand fallen, in der letzten Sekunde jedoch konnte ich es noch erwischen. Was machte ich hier bloß? Wenn ich ihn weiter so anstarrte, würde er mit Sicherheit auf falsche Gedanken kommen und das wollte ich mit aller Kraft vermeiden. Allgemein hatte ich doch beschlossen, mich von ihm fern zu halten, und das musste ich jetzt auch durchhalten.
Mit einem Tablet voller Getränke marschierte ich auf den Tisch zu, der mit vier Männern besetzt war. Einem nach dem anderen stellte ich das Glas vor die Nase, beim Letzten musste ich mich dabei weit über den Tisch beugen. Plötzlich spürte ich etwas Nasses an meinem Bauch, dass sich immer mehr ausbreitete.
„Vorsicht, Süße." Einer der Männer machte mich auf das umgefallene Glas aufmerksam.
„Scheiße" rutschte es mir heraus, als ich es ebenfalls sah. Das musste echt ein schlechter Scherz sein. Ich hatte doch keine Wechselklamotten dabei!
„Das kann doch mal passieren." Die Männer lächelten mich freundlich an. Schnell entschuldigte ich mich für die Sauerei und versprach ihnen, dass ich mich sofort um ein neues Getränk kümmern werde.
In der Zwischenzeit war Andi auch wieder aus der Küche gekommen, sah mich erschrocken an, als ich mich zu ihm gesellte.
„So läufst du mir aber nicht mehr hier rum. Geh dich umziehen! Ich halte hier solang die Stellung."
Entgeistert sah ich ihn an. „Das geht nicht, Andi. Ich habe doch keine Wechselklamotten dabei", sagte ich so leise, dass die anderen Gäste mich nicht verstehen konnten. Trotzdem spürte ich den aufdringlichen Blick von Joint, der mich wahrscheinlich wieder abschätzig musterte.
„Oh, stimmt ja." Ich sah zu, wie Andi in die Hocke ging, in seinem Rucksack wühlte und mir dann einen schwarzen Stofffetzen entgegen streckte. „Hier, das kannst du anziehen. Aber beeil dich."
Da sich mein Pullover immer mehr vollsaugte, zögerte ich nicht lange, ergriff die Klamotte und ging schnurstracks auf die Toiletten zu. Nach zwei Minuten hatte ich das Teil von Andi auch schon übergeworfen, doch es hing wie ein nasser Sack an mir herunter. So konnte ich auf keinen Fall raus gehen, ich sah aus wie ein Penner. Zuerst versuchte ich das Teil in meine Hose zu stecken, doch das sah noch blöder aus, dann machte ich an dem Saum so lange herum, bis ich einen Knoten zu Stande bekam. Das ging schon eher. Wenn ich meine Arme hob, sah man zwar ein Stück von meinem Bauch, doch mein Körper sah nicht so unförmig aus wie ein großer Karton.
Ja, so müsste es gehen. Nach einem letzten prüfenden Blick in den Spiegel, verließ ich die Toilette und marschierte wieder zur Bar. Die neugierigen Musterungen entgingen mir dabei gewiss nicht, auch nicht Joints erstaunter Ausdruck im Gesicht, den ich im Vorbeigehen bemerkte. Mit großen Augen starrte er mich an, verstummte mitten im Satz und ließ seinen Blick an mir herunter wandern. Lass dich nicht von ihm ablenken, er ist wie immer nur von dem Äußeren einer Frau angetan. Obwohl es mich insgeheim freute, dass er dabei seine Begleitung links liegen ließ, musste ich immer noch vorsichtig bei diesem Mann sein.
Außerdem musste ich wieder an die Arbeit, die ich auf keinen Fall vermasseln durfte. Als ich bei Andi angekommen war, hörte ich sogar anerkennende Pfiffe.
„So gefällst du uns schon besser." Hörte ich einen der Gäste rufen und konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken. Männer konnten manchmal so oberflächlich sein, dass es schon wieder lächerlich war. Eine gute Beziehung bestand nun mal nicht nur aus zwei großen Brüsten und einen strammen Arsch, nein, dazu gehörten ebenso die inneren Gefühle. Mein Blick fiel auf Joint, der mich immer noch beobachtete. Aber das konnte man nicht einmal von den jungen Männern erwarten.
Ohne einen weiteren Zwischenfall hatte ich den Abend nach weiteren zwei Stunden überstanden. Mit einem Grinsen im Gesicht kam Andi auf mich zu.
„Das war wirklich nicht schlecht für deinen ersten Arbeitstag." Ich brauchte eine Weile bis ich die eigentliche Bedeutung seiner Worte erkannte.
„Heißt das, ich bin eingestellt?" Mein Lächeln musste von einem bis zum anderen Ohr reichen.
„Aber so was von, Hase." Ich umarmte ihn stürmisch.
„Danke!" Noch einmal drückte ich ihn an mich. Damit hatte ich wirklich nie im Leben gerechnet.
„Das nächste Mal ziehst du aber gefälligst etwas Kürzeres an. Du hast dich heute doch zu Tode geschwitzt." Mit glühenden Wangen nickte ich ihm bestätigend zu. Natürlich hatte er meinen Schweiß bemerkt, wer nicht, es war nicht zu übersehen gewesen, dass ich das falsche Oberteil anhatte.
„Gut", Er nahm mir die Schürze ab. „Dann entlasse ich dich hiermit in deinen wohlverdienten Feierabend." Wieder dieses Grinsen. Kannte dieser Typ überhaupt etwas anderes als Freude?
Mit leichtem Druck schob er mich in Richtung Ausgang. „Wir sehen uns morgen." Ich hatte es tatsächlich geschafft, ihn von meinen Fähigkeiten zu überzeugen.
„Bis morgen." Nachdem ich mich verabschiedet hatte, bahnte ich mir einen Weg durch die Kneipe zur Tür, es saßen nur noch vereinzelt Gäste an den Tischen, das konnte Andi auch alleine schaffen. Joint war schon vor einer Stunde mit diesem Mädchen verschwunden, ich hatte mir jedoch nichts anmerken lassen. Deren Beziehung ging mich ja auch nichts an. Nein, ich sollte keine Gedanken mehr an diesen blöden Typen verschwenden, heute hatte ich einen Job bekommen und darauf konnte ich stolz sein.
Zufrieden trat ich in die kühle Nachtluft, sog den erfrischenden Sauerstoff in meine Lungen und machte mich auf den Heimweg. Ich musste unbedingt Vani von meinem Erfolg berichten.
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