Kapitel 40

Joint

Was zum Teufel machte ich eigentlich gerade? Ich blieb mitten im Laufen stehen. Wenn ich jetzt weg ging, würde mir Lisa das niemals verzeihen. Ich würde den gleichen Fehler wiederholen wie damals. Entschlossen drehte ich mich um, rannte das Stück, das ich gelaufen war, wieder zurück, überquerte den mit Unkraut bewucherten Weg und blieb vor der kleinen Tür stehen. Ehe ich mich noch anders entschied, drückte ich energisch den Knopf der Klingel und wartete ungeduldig darauf, dass sich die Tür öffnete. Als sich nach ein paar Sekunden nichts regte, klopfte ich zusätzlich mit der Faust gegen das schwere Holz.

„Ich komme ja schon", hörte ich eine weibliche Stimme.

Dann stand auf einmal Lisas Mutter vor mir und schaute mich überrascht an. „Hast du etwas vergessen?", fragte sie mich, ohne mich herein zu bitten.

„Ja," sie blickte mich verdutzt an. „Ihre Tochter." Ein kleines Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht.

„Meine Tochter?"

Wieder nickte ich zur Bestätigung. „Ich habe sie in der Vergangenheit sehr verletzt, indem ich einfach weggelaufen bin und das möchte ich ihr nicht noch einmal antun."

Erleichtert blies ich meinen Atem aus, als sie einen Schritt rückwärts machte. „Na, wenn das so ist, will ich dir nicht im Weg stehen." So schnell ich konnte, hastete ich an ihr vorbei, die Treppe hoch, da hielt sie mich auf. „Lisa ist im Wohnzimmer."

Dankend lächelte ich ihr zu, während ich kehrt machte und das besagte Zimmer ansteuerte. Dort sah ich sie Tee schlürfend auf dem Sofa sitzen. Bevor sie mich wahrnahm, stellte ich mich vor sie und versuchte meinen hektischen Atem unter Kontrolle zu bringen.

„Hey."

Sie quiekte erschrocken auf, ließ beinahe die Tasse aus ihrer Hand fallen, konnte sie jedoch noch rechtzeitig am Henkel erwischen. „Was ... was machst du denn hier?"

„Dich für unser Date abholen."

Sie schaute mich verwirrt an. „Unser Date?" Dann, als sie verstand, weiteten sich ihre Augen. „Du meinst, du willst mit mir Schwimmen gehen?" Ich nickte. „Jetzt?"

„Wann sonst, kleine Maus?", ich ging in die Knie und nahm ihr die Tasse ab. „Ich denke ich muss bei uns noch einiges wieder gut machen. Also warum fange ich nicht schon heute damit an?" Langsam strich ich ihr über ihre gerötete Wange. „Natürlich, nur wenn du willst."

Eifrig nickte sie mit einem breiten Grinsen im Gesicht. „Ich hole nur schnell meinen Bikini, dann können wir los."

Nachdem ich meine Schwimmsachen geholt hatte und zum einzigen Hallenbad in der Stadt gefahren war, wartete ich nun schon seit einer halben Ewigkeit ungeduldig auf Lisa, die jeden Moment in einem knappen Bikini im Bad auftauchen musste.

Verdammt, noch nie in meinem Leben wollte ich so sehr, dass Frauen die Fähigkeit besaßen, sich in Lichtgeschwindigkeit umzuziehen. Als ich es nicht mehr aushielt, einfach herum zu stehen, sprang ich kurzerhand in das größte Becken und stellte mich so, dass ich eine gute Sicht auf die Umkleidekabinen hatte.

Hatte Lisa wohl einen Rückzieher gemacht und war wieder nach Hause gegangen? Noch ehe sich die Zweifel in meinem Kopf einnisten konnten, vergaß ich im nächsten Moment, in dem sie aus der Tür trat, völlig zu denken. Heißer Wasserdampf umgab sie, als sie mit dem sexysten Bikini, den ich jemals gesehen hatte, die Glastür schloss und den Blick suchend über die einzelnen Menschen wandern ließ. Sobald sie mich gefunden hatte, setzte sie sich in Bewegung und schritt mit nervösem Blick auf mich zu. Ein Glück, dass ich schon im Wasser und bis zur Hälfte verborgen war, denn bei ihrem Anblick und dem knappen roten Etwas an ihrer Haut, hatte sich deutlich eine bestimmte Körperregion bemerkbar gemacht.

Lisa ließ sich mit einem schüchternen Lächeln auf den Beckenrand gleiten, direkt vor mich und schob langsam ihre Beine ins Wasser.

„Wartest du schon lange?", fragte sie etwas unsicher. Dass ich derjenige war, der sie so aufgeregt fühlen ließ, war einfach ein unglaublich tolles Gefühl. Ich hatte es mir lange nicht eingestanden, doch bei Lisa wollte ich unbedingt der einzige sein, der irgendwelche Gefühle in ihr weckte.

„Das Warten hat sich auf jeden Fall gelohnt", meine Augen bekundeten ihren Körper und blieben besonders an ihren heißen Kurven hängen. Als sie meinem Blick erwiderte, fingen ihre Wangen an zu glühen und sie kaute nervös auf ihrer Unterlippe. Wie gerne hätte ich jetzt mit ihren Zähnen getauscht. Wieso nur, hatte ich sie auch ins Schwimmbad mitgenommen und nicht gleich in mein Zimmer?

„Joint, bitte, wir sind hier nicht allein", während sie sprach, schaute sie sich um und musterte die wenigen Besuchern, die sich an diesem Nachmittag hier versammelt hatten.

Langsam machte ich einen Schritt auf sie zu, legte beide Hände seitlich neben ihre Oberschenkel, sodass sie nun von diesen gefangen wurden.

„Ich kann aber nicht anders, du siehst besser aus als in meinen kühnsten Träumen", gestand ich, woraufhin sich ihre dunkelgrünen Augen auf meine senkten.

„Du träumst von mir?", flüsterte sie mit leiser Stimme, als könnte sie es nicht so recht glauben.

„Seitdem wir unsere Verabredung ausgemacht hatten, wurde ich das Bild, du in einem Bikini, nicht mehr los und meine Erwartungen wurden mehr als nur übertroffen." Bei meinen letzten Worten keuchte sie auf.

„Georg, das ist ..."

„Das ist die Wahrheit", wie zur Bestätigung strich ich sachte mit meinem Daumen die weiche Haut ihrer Beine entlang. Auf einmal war mir die Distanz, die sie durch ihr Sitzen gewählt hatte, zu groß und ich legte automatisch meine Hände um ihre Taille. „Wieso kommst du nicht mit ins Wasser?"

Sie sah mich immer noch mit leicht geöffnetem Mund an, überlegte anscheinend fieberhaft, ob sie sich in meine Nähe wagen sollte.

Schließlich nickte sie und ließ sich mit meiner Hilfe ins Wasser gleiten. Dabei hatte ich mich so positioniert, dass sie bei der Bewegung vollends meinen Körper streifen musste. Erschrocken zuckte sie zusammen, als sie meine Erregung spürte.

„Oh Gott, das ist nicht dein Ernst oder?", trotz ihrer Schärfe in der Stimme, konnte sie ein Schmunzeln nicht unterdrücken.

„Er hat ebenfalls von dir geträumt", scherzte ich und wackelte mit den Augenbrauen.

„Hör auf damit", spielerisch schlug sie mir gegen die Brust. „Sag deinem kleinen Freund, dass hier auch Kinder anwesend sind."

„Mein großer Freund hört aber nur auf deine Befehle", konnte ich mir nicht verkneifen, woraufhin sie genervt mit den Augen rollte.

„Das könnte dir so passen."

Immer wieder zierte ihr Mund ein leichtes Lächeln, doch die ganze Zeit hatte ich nicht einmal ihr helles, wunderschönes Lachen gehört. Warum ich es mir zur Mission gemacht hatte, dieses unbedingt aus ihrem Munde zu hören, konnte ich mir auch nicht erklären. Trotzdem war ich bei noch keiner Mission gescheitert.

„Was ist der Unterschied zwischen einem schlechten Kanzler und einem Bikini?", fragte ich sie kurzerhand. Sie runzelte nur verwirrt die Stirn, wusste nicht, worauf ich hinaus wollte.

„Es gibt keinen. Jeder wundert sich wie er sich hält und jeder hofft das er fällt", schloss ich meinen schlechten Witz und ließ demonstrativ meinen Blick auf ihren Brüsten verweilen.

„Bitte was? Sollte das witzig sein, Joint?" Eigentlich schon, ja.

„Warum können Blondinen kein Brustschwimmen?", versuchte ich erneut mein Glück, diesem bezauberten Mund ein Lachen zu entlocken.

Skeptisch hob sie die Augenbrauen, verschränkte sogar demonstrativ die Arme vor der Brust. „Wirklich jetzt, ein Blondinenwitz?"

„Wenn es zwischen den Beinen feucht wird, drehen sie sich sofort auf den Rücken", zugegebenermaßen bereute ich den Witz sofort, als er auch schon verbal meinen Mund verlassen hatte, doch da war es schon zu spät und ich kassierte einen heftigen Schlag gegen mein Schlüsselbein.

„Au", jammerte ich gespielt auf. Als könnte sie mich mit dieser kleinen Faust jemals ernsthaft verletzen.

„Die Schmerzen hast du ja wohl verdient", mit aufrechtem Kinn sah sie mir empört in die Augen. „Willst du mit diesem miesen Witz auf etwas bestimmtes anspielen?"

„Dass du meine einzige Blondine bist?", stellte ich etwas verzweifelt fest. Ich wollte sie zum Lachen bringen und nicht Verärgerung stiften.

„Was sollen die Witze, Joint. Und ich möchte eine ehrliche Antwort hören."

Also, gut. Jetzt musste ich die Wahrheit sagen, ein Stück meiner Gefühle ihr gegenüber preis geben. Das hatte ich in Bezug auf meinen Vater schon einmal getan, das war also gar nicht so schwer, wie ich immer gedacht hatte.

„Ich hol mir dein Lächeln zurück", ich rückte zu ihr auf, während sie geräuschvoll schluckte.

„Du machst was?", wisperte sie, unfähig den Blick von meinem Mund zu nehmen.

Vorsichtig legte ich meine Hände auf ihre verschränkten Arme und zog diese sanft auseinander. „Ich habe dir so viele verletzende Worte an den Kopf geknallt, dabei mag ich an dir besonders dein ehrliches Lachen, das ich viel zu selten höre und das du mir schon lange nicht mehr geschenkt hast. Also, hole ich es mir wieder."

„Wenn das so ist, dann sei einfach du selbst, sei einfach Joint, das ist das, was ich an dir besonders mag." Unter meinen Fingerspitzen spürte ich wie sie sich allmählich entspannte.

„Einfach so?"

„Einfach so", wiederholte sie atemlos, während ich ihr immer näher kam.

„Einen hab' ich noch: Was macht eine wunderhübsche Blondine, die von einem ebenso gutaussehenden Mann geküsst wird?" Langsam, ganz langsam beugte ich meinen Kopf nach unten, stützte beide Hände am Beckenrand hinter ihrem Rücken ab.

„Sie würde den Kuss wahrscheinlich erwidern". Lisa streckte sich und kam mir gierig entgegen. Unsere Münder schwebten nur noch wenige Millimeter voneinander entfernt, stumm öffnete sie die Lippen, entfachte in mir ein Verlangen, das ich nur bei ihr verspürte. Und welches sich in mir ohne jegliche Berührung ausbreitete. Wie magisch von ihr angezogen, näherte ich mir ihrem Mund, spürte ihre weichen Lippen schon auf meinen, da wurden wir von einem schrillen Lachen unterbrochen.

„Joint? Bist du das?", eine schlanke Brünette hatte sich zu mir gewandt und sah mich überrascht an. Lisa zuckte merklich zusammen, als ich mich nur widerwillig von ihr entfernte. Keiner störte mich in dem Vorhaben meine Traumfrau zu küssen und würde damit ungestraft davonkommen. Dementsprechend befand sich meine zuvor gute Stimmung nun schlagartig auf dem Gefrierpunkt.

„Tut mir leid, da musst du mich mit jemandem verwechseln". Ihr Gesichtsausdruck versprach jedoch, dass sie mich zu Hundertprozent wiedererkannte.

„Joint, ich bin's Jessy". Ungläubig sah ich ihr dabei zu, wie sie einige Züge auf mich zu schwamm, spürte gleichzeitig wie Lisa sich in meinen Armen versteifte. Das durfte doch jetzt alles nicht wahr sein. Auf keinen Fall wollte ich, dass sich Lisa unwohl auf unserem ersten Date fühlte.

„Nimm's mir nicht übel, Jessy, aber verzieh dich einfach wieder, ok?", warf ich ihr schroff entgegen.

„Joint", ermahnte Lisa mich leise, jedoch bestimmt.

„Oh und wie du Georg Schwarz bist, Herzensbrecher erster Klasse. Soll ich deine Erinnerung etwas auffrischen, oder erkennst du mich endlich wieder?", sie machte keine Anstalten, endlich zu verduften. Tja, anscheinend war ich noch nicht deutlich genug gewesen.

„Hör mir mal zu, du blöde Kuh, entweder bist du zu dumm zu verstehen, dass ich nicht mit dir reden will oder du stehst einfach drauf, ignoriert zu werden."

„Du hast dich kein Stück verändert", schnaubte sie zurück, richtete ihre nächsten Worte jedoch an Lisa, die während des Gesprächs den Kopf abgewandt hatte. „An deiner Stelle wäre ich bei diesem Kerl vorsichtig, der lässt nichts anbrennen." Damit schenkte sie mir noch einen wütenden Blick und schwamm dann in das Loch zurück, aus dem sie zuvor aufgetaucht war.

„Lisa, es tut mir ...", setzte ich an, da unterbrach sie mich.

„Du hattest was mit ihr, oder?", ihre Augen spiegelten tiefe Traurigkeit wider, sodass ich sie automatisch fester umklammerte.

„Ja, hatte ich, aber bei keiner habe ich mich so gefühlt wie bei ..."

„Nein, sag es nicht", ihre Stimme klang brüchig. „Sag nicht einfach irgendwas, was du nicht ernst meinst, nur um die Situation für mich angenehmer zu machen. Ich weiß, habe es immer gewusst, dass du außer mir natürlich noch andere Mädchen hattest. Ich mache dir auch keinen Vorwurf deswegen, wir waren schließlich nie wirklich fest zusammen."

Sie drehte ihren Kopf in die Richtung, in der sich der Störenfried befand. Sie sprach es nicht aus, doch meine Frauengeschichte hinterließ bei ihr einen bitteren Beigeschmack, den ich unbedingt in etwas Süßes umändern musste.

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