Kapitel 38
Lisa
Als ich aufwachte, verspürte ich wie jedes Mal dieses leere dumpfe Gefühl tief in meiner Brust, doch heute schlich sich ein neues Gefühl in mein Innerstes. Etwas Weiches, Zärtliches, das mich auf eine angenehme Art beruhigte. Mit einem zufriedenen Seufzer kuschelte ich mich weiter in mein Kissen, genoss die Wärme, die mich zunehmend erfüllte. Ich konnte nicht sagen, woher es kam, warum ich mich auf einmal so geborgen fühlte, es war jedenfalls eine ansprechende Abwechslung zu den Tagen, an denen ich vor lauter Schmerz und Trauer nicht aufstehen konnte. Die Minuten zogen sich wie Stunden, ehe ich eine leichte Bewegung an meinem Rücken spürte.
Plötzlich wurde ich stocksteif, als ich eine Schwere an meinem Kopf wahrnahm, die durch meine Haare fuhr. Ich war nicht allein. Bevor ich über gestern Abend nachdenken konnte, machte ich eine Hand aus, die mir sachte einzelne Strähnen von der Stirn wischte. Unfähig etwas zu tun, hielt ich den Atem an, traute mich nicht die Augen zu öffnen, um mich der Situation zu stellen. Mein Herz pochte wild gegen meine Brust, als ich leichte Berührungen auf meiner Haut spüren konnte, raue Finger fuhren meine Schläfe hinab, zeichneten in kreisenden Bewegungen meine Wangenknochen nach und verweilten nur ein paar Millimeter neben meinem Mund.
Wieder regte sich etwas hinter mir, schob sich näher an meinen Körper, sodass ich trotz Shirt und Hose eine Gänsehaut bekam. Die Hand setzte sich währenddessen wieder in Bewegung, lenkte mich sofort ab, als sie meinen Hals entlang strich. Die Berührungen waren so leicht und flüchtig, dass ich sie mir fast eingebildet hätte, wäre da nicht der spezielle Geruch gewesen. Mir war bewusst, wer hinter mir lag, wer mich mit seinen Berührungen innerlich aufseufzen ließ. Dabei war ich diejenige gewesen, die ihn gestern Nacht in mein Haus gelassen und ihn in mein Zimmer geführt hatte. Das bekannte, traurige Gefühl, das sich bei dem Gedanken in mir ausbreitete, ließ mich sauer werden. Ich durfte nicht schon wieder denselben Fehler begehen, was hatte ich mir nur dabei gedacht, ihn übernachten zu lassen? Am liebsten hätte ich den Kopf über mich selbst geschüttelt, doch dann würde ich bekannt machen, dass ich schon wach war und alles mitbekommen hatte. Das konnte ich nicht. Ich musste so tun, als ob ich gerade erst aufgewacht war. Das konnte wohl nicht so schwer vorzutäuschen sein.
Ehe ich jedoch mein Schauspiel beginnen konnte, spürte ich seinen warmen Atem direkt über meiner Halsbeuge, an der ich so empfindlich war. Er wird doch nicht... Seine Lippen legten sich warm und weich auf meine Haut, ein klarer Gedanke war in diesem Moment nicht mehr möglich zu fassen. Viel zu sehr war ich von seiner Berührung gefangen genommen. Jetzt küsste er mit mehr Druck, und sein tiefes Seufzen vibrierte an meinem Rücken. Das war eindeutig zu viel für mich, für meinen Körper, der wie ein williger Gefangener auf ihn reagierte. Doch bevor ich ebenfalls einen Laut von mir geben konnte, lösten sich seine Lippen auch schon von der Stelle und hinterließen ein aufregendes Prickeln.
Ich hörte ihn leise einatmen, als wäre er bedacht darauf, mich nicht aufwecken zu wollen. Mist! Lange würde ich seine Nähe nicht mehr aushalten können, ehe ich mich noch mit meinen automatischen Reaktionen verriet. Egal wie schön sich seine Berührungen angefühlt hatten, ich musste schleunigst einen Schlussstrich ziehen. Nach allem, was passiert war, durfte ich meine Vorsicht und Bedenken ihm gegenüber doch nicht einfach so über Bord werfen.
Bevor mich meine zunehmend glühenden Wangen verraten konnten, versuchte ich eine natürliche Bewegung zu machen, stöhnte dabei übertrieben laut auf. Sofort rutschte er ein Stück von mir weg, auch seine Hände ruhten nicht mehr auf meinem Körper. Enttäuschung keimte in mir auf, doch ich ignorierte es weitgehend, konzentrierte mich wieder auf mein „Aufwachen". Langsam öffnete ich ein Auge, streckte mich dabei, sodass er endlich verstand, drehte mich leicht auf die Seite und sah direkt in seine braunen Augen.
„Guten Morgen", musterte er mich mit tiefer Stimme. Bei seinem sexy Anblick musste ich schlucken. Er sah mit seinen verwuschelten dunklen Haaren, dem leichten Bartschatten und dem verschmitzten Grinsen wirklich zum Anbeißen aus.
„Was machst du in meinem Bett?" Ich rückte zur Sicherheit ein Stück von ihm weg, krampfhaft versucht, seinem Charme zu entgehen.
Er lachte über meine Frage leise auf. „Du hast mir gestern dein Einverständnis gegeben. Hast du gedacht, dass ich auf dem harten Boden schlafe?"
Ich nickte heftig, was ihm ein weiteres Lachen entlockte. Lass dich davon nicht einlullen, Lisa. „Du kannst nicht einfach so nah bei mir liegen!" Ich setzte mich auf.
„Du tust ja jetzt so, als hätten wir etwas Verbotenes getan." Seine Augen blitzten mich frech an und Bilder an unsere gemeinsame Nacht schossen in meinen Kopf. Wie er meinen ganzen Körper mit seinen gierigen Küssen bedeckte, wie ich ihn mit meinem Stöhnen anfeuerte. Wieder heftiges Kopfschütteln. Ja, ich hatte ihm verziehen, aber die Geborgenheit und Anziehung die seine Nähe in mir plötzlich auslöste, überrumpelten für einen kurzen Moment meinen Verstand.
„Du...du kannst das nicht einfach tun!" Meine Stimme klang lauter als beabsichtigt.
Verwirrt sah er mich an. „Ich habe doch nur neben dir geschlafen, komm mal wieder runter, Lisa."
„Es hätte aber weiß Gott was passieren können" Verdutzt über meine eigenen Worte schloss ich die Augen. Wahrscheinlich reagierte ich gerade ziemlich über, aber ich war mir bei diesem Mann einfach in keinster Weise sicher.
„Was genau meinst du?" fragte er mich belustigt.
„Du weißt, was ich meine, Joint!" Er war näher gerückt, richtete seinen Blick auf meine Augen.
„Komm schon, Lisa. Wir sind doch jetzt Freunde, ich würde dir nichts tun."
„Ich weiß", sagte ich etwas zögernd, was er bemerkte. Ich dachte an den gestrigen Abend zurück, als wir uns zärtlich geküsst und uns dadurch gegenseitig Trost gespendet hatten. Richtige Freunde hätten sich doch bloß umarmt, nicht wahr?
„Ich hüpfe nicht mit meinen Freunden in die Kiste." Er fuhr sich durch seine Haare. Mit der Hand, die mich vor ein paar Minuten noch berührt hatte. „Also brauchst du auch keine Angst zu haben, dass ich bei dir die Beherrschung verliere." Er lachte zwar auf, doch ich durchschaute ihn.
Instinktiv wanderte meine Hand zu der Stelle, an der er mich geküsst hatte, und legte meine Finger auf meinen pochenden Hals. Ich konnte immer noch seine Wärme spüren. Er verfolgte meine Bewegungen und sah mich daraufhin geschockt an. Ich hatte mich verraten, hatte ihm damit gezeigt, dass ich seine Berührung doch wahrgenommen hatte. Weder er, noch ich bekamen einen Ton heraus, stumm sah ich ihn an, während er sich wiederholt nervös durch die Haare fuhr. Würde er es zugeben? Würde er mich noch einmal dort berühren? Würde er endlich zu seinen Gefühlen stehen? In seinen Augen erkannte ich seine gemischten Emotionen, sein Blick wanderte immer wieder zwischen meiner Hand und meinem Gesicht hin und her.
„Ich muss los", sagte er nach einer Weile kurz angebunden, sprang vom Bett, nahm seine Jacke und verließ das Zimmer ohne einen weiteren Blick. Hätte ich ihm hinterhergehen sollen? Mit der Hand an meinem Hals blieb ich auf dem Bett sitzen, lauschte seinen Schritten, die sich polternd die Treppe hinunter bewegten.
Es war ein Fehler gewesen, ihm deutlich zu machen, dass ich seine Nähe gespürt hatte. Dabei wollte ich ihn nicht überrumpeln, insgeheim hatte ich es genossen, doch sein geschockter Gesichtsausdruck sprach Bände. Trotz unseres gestrigen Gesprächs würde er es nie zugeben, dass er kein so eiskalter Mensch war, der keine Gefühle zuließ.
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