Kapitel 31

Lisa

„Du musst mich nicht nach Hause fahren, ich kann auch laufen", startete ich den Versuch mich aus dieser unangenehmen Situation zu winden, doch da war Joint auch schon auf die Straße gefahren.

„Ich mache das gerne." Darauf wusste ich keine Antwort. Heute hatte er mich wieder berührt, mich unter der Berührung aufseufzen lassen, und ich hatte es genossen. Das war das Schlimmste von dem Ganzen. Ich konnte mich bei ihm einfach nicht beherrschen, egal wie sehr ich mich anstrengte, irgendwann würde ich nachgeben und mich in seine Arme stürzen.

„Was möchtest du von mir hören, Lisa?" Ich sah in den Rückspiegel und traf auf seinen Blick.

„Was meinst du?"

„Was soll ich tun, damit du die Vergangenheit vergisst?"

„Nichts. Du kannst nichts dagegen tun, was geschehen ist, Joint."

„Was kann ich dann...wie kann ich dir dann beweisen, dass es nicht wieder vorkommen wird?"

„Joint, worauf willst du hinaus? Es wurde gestern schon alles gesagt, findest du nicht?", den Seitenhieb konnte ich mir nicht verkneifen.

Er stöhnte genervt auf, dann senkte sich seine Stimme, bis es nur noch ein raues Vibrieren war. „Ich kann nicht ohne dich leben, Lisa. Das geht nicht, ich habe es versucht."

Sein Geständnis löste das bereits bekannte Kribbeln in mir aus.

„Du musst das nicht sagen, wenn du es ..."

„Es ist mein Ernst." Er bog scharf rechts ab, fuhr meine Straße entlang. Konnte ich ihm trauen? Ich wollte es so sehr, wollte dass es sich zwischen uns wieder alles richtig anfühlte, doch würde mein Herz eine weitere Runde mit diesem Mann aushalten?

„Wie wäre es dann, wenn wir erst einmal versuchen Freunde zu sein?"

„Freunde?" Er hielt ruckartig vor meinem Haus an, drehte sich mit geschocktem Gesichtsausdruck in seinem Sitz um. „Lisa, ich kann nicht nur mit dir befreundet sein."

„Ich ertrage deine Berührungen aber nicht mehr", log ich, um vor allem meinem wildklopfenden Herzen einen Dämpfer zu verpassen. Er verzog gekränkt das Gesicht, und ich rechnete schon mit einer fiesen Antwort, da nickte er bloß mit dem Kopf.

„Ok. Gut. Freunde." Er sah mich aus seinen dunklen Augen aufrichtig an. „Ich werde mich bessern, Lisa, das verspreche ich dir."

Ich nickte, öffnete die Tür und trat an die frische Luft. Woher sein Sinneswandel kam, wusste ich nicht, wollte es auch gar nicht hinterfragen. Vielleicht konnten wir unsere verkorkste Beziehung doch noch irgendwie hinbiegen.

„Hey, Mäuschen", begrüßte mich meine Mutter, als ich in der Küche ankam.

„Hi." Ich öffnete den Kühlschrank, inspizierte den Inhalt, obwohl ich nicht einmal Appetit verspürte.

„Wie geht's dir?", wollte meine Mutter wissen, da riss mich der Klingelton meines Handys aus meinem Starren.

Ich wischte über den Bildschirm und eine Nachricht ploppte auf.

< hey, Lisa, ich hätte heute Abend Zeit mit deiner Mutter ins Kino zu gehen.

Gruß Anton >

Ich las die Nachricht ein zweites Mal bis mir einfiel, dass ich heute mit dem Mann, den ich in der Kneipe kennen gelernt hatte ein Date ausgemacht hatte. Mit meiner Mutter. Aufgeregt schickte ich ihm meine Adresse und wäre fast vor Freude  an die Decke gegangen, wäre da nicht noch die Sache mit meiner Mutter gewesen. Ihr hatte ich von meinem Plan leider noch nichts erzählt.

„Lisa? Stimmt was nicht?" Völlig vernarrt in die Nachricht, hatte ich vergessen ihr zu antworten.

„Eigentlich hatte ich was mit dir geplant, heute Abend."

Sie schenkte mir ein Lächeln. „Das ist aber schön zu hören, was möchtest du denn machen?"

„Wir beide machen nichts zusammen, sondern du und ein anderer Mann."

Ihr Lächeln verschwand und meine Freude bekam einen Dämpfer.

„Was meinst du?", fragte sie argwöhnisch.

„Es könnte sein, dass ich deinem Glück auf die Sprünge helfen will und dir dafür ein Date organisiert habe." Mit viel Enthusiasmus warf ich die Hände in die Höhe, senkte sie jedoch wieder, als mich der entsetzte Gesichtsausdruck meiner Mutter traf.

„Du hast was? Bist du jetzt vollkommen von allen guten Geistern verlassen?!" Sie stapfte aus der Küche, doch ich folgte ihr, blieb ihr dicht auf den Fersen.

„Du kannst es doch wenigstens einmal versuchen."

„Nein, Lisa. Ich werde nicht mit einem fremden Mann ausgehen!"

„Er ist aber wirklich nett und hat auch seine Frau vor ein paar Jahren verloren, da dachte ich..."

Sie blieb auf der Stelle stehen. „Maus, du kannst doch nicht von mir verlangen, dass ich durch einen anderen Mann deinen Vater vergesse."

„Das will ich doch auch gar nicht."

„Was willst du dann damit bezwecken?" Sie verschränkte die Arme, ihre grünen Augen sahen mich geduldig an.

„Ich möchte mich nur für die Zeit revanchieren, in der du versuchst hast einen neuen Mann kennen zu lernen."

„Ach, Lisa, das ..."

„Nein, ich habe mich furchtbar aufgeführt, habe die Männer und dich schlecht behandelt." Sie schwieg, was mich zum Weiterzählen bewegte. „Das alles tut mir so leid, Mom. Ich weiß, dass ich dir die einzige Chance um mit dem Tod von Dad abzuschließen kaputt gemacht habe, darum dachte ich, dass es schön für dich wäre, wenn du dich mit jemandem austauschen könntest, der das gleiche durchgemacht hat wie wir."

„Ich finde es ja ganz rührend, dass du dich so um mich sorgst, doch es geht mir gut, so wie es jetzt ist." Sie kam auf mich zu, nahm meine Hand in ihre. „Ich vermisse deinen Vater, sehr sogar. Niemand wird ihn ersetzten können, und das will ich auch gar nicht versuchen, verstehst du. Ich brauche keinen Mann an meiner Seite, nicht mehr."

„Aber..."

„Kein Aber. Sag dem Mann ab. Ich werde mich nicht mit ihm treffen."

Damit war das Gespräch beendet, sie ging in ihr Schlafzimmer und ließ mich alleine zurück. So sollte es aber ganz und gar nicht laufen.

Schnell schickte ich Anton eine SMS, in der ich ihn fragte, ob er nicht schon eher kommen konnte.

Und bevor ich mich für die Arbeit zurecht machte, klingelte es auch schon an der Tür. Ich ließ mir absichtlich Zeit, aus meinem Zimmer und die Treppe hinunter zu kommen, sodass meine Mutter vor mir an der Tür war.

Ich beobachtete auf der obersten Stufe, wie sie diese öffnete und ein sich ihr unbekannter Mann vor ihr befand. Er trug wieder ein kariertes Hemd, das er in seine dunkle Jeans gesteckt hatte. Sein braunes Haar hatte er nach hinten gegelt und im Großen Ganzen sah er nicht schlecht aus.

„Hallo, Sie müssen Stefanie sein. Ich weiß, das klingt jetzt etwas komisch, aber ihre Tochter hat mich hierher bestellt."

Mit einem finsteren Blick drehte sich meine Mutter um. „Lisa!" rief sie ohne auf den Mann vor ihr zu achten. Ich rührte mich nicht von der Stelle, da rief sie noch einmal meinen Namen, diesmal mit mehr Nachdruck, sodass ich mich ihr wohl stellen musste. „Komm sofort her Fräulein!"

Ok, ich war zwar schon 20 Jahre alt, doch der strenge Ton meiner Mutter ließ mich dann doch etwas frösteln.

Sie fand mich genau in dem Moment, in dem ich die Treppe hinunter stieg. Kurz vor ihr blieb ich stehen, winkte Anton schüchtern zu. „Hi."

„Hallo, Kleines", lächelte er, doch meine Mutter versperrte mir die Sicht.

„Was um Himmelswillen hast du an meinem Nein nicht verstanden?"

„Mom, ich ..."

„Lisa, er ist ein wildfremder Mann! Ein Fremder! Habe ich dich als Kind denn nicht gut genug aufgeklärt?" Sie steigerte sich immer mehr in ihren Zorn.

„Doch, aber er ist wirklich sympathisch. Lern ihn doch erstmal kennen, bevor du ihn abweist."

„Ich würde auch nicht mit ihm mitgehen, wenn er superreich wäre." Sie warf beide Hände in die Luft. „Schick ihn wieder nach Hause, sofort."

Entschuldigend blickte ich an ihrer Schulter vorbei, Anton an, der uns etwas hilflos beobachtete.

„Tut mir Leid, Anton, dass du dir die Mühe gemacht hast und extra hergekommen bist. Aber anscheinend klappt es doch nicht."

„Wenn ich mich da mal einschalten darf." Er zwinkerte mir zu, bevor er sich meiner Mutter zuwandte, die ihn angespannt musterte. Ich wusste, dass sie Angst davor hatte, einen weiteren Menschen in ihrem Leben zu verlieren. Doch ich konnte auch nicht zulassen, dass sie irgendwann alleine in diesem Haus lebte.

„Sehen Sie es einmal so, jetzt wo ich doch schon mal hier bin können wir es doch mit dem Date versuchen. Sie dürfen sich auch den Film aussuchen, ich bin da nicht so wählerisch. Und wenn Sie finden, dass ich ihre Zeit nicht Wert bin, dann können Sie einfach gehen und Sie sehen mich nie wieder."

Ich bemerkte, dass meine Mutter mit ihrer Antwort zögerte.

„Obwohl Sie wirklich nett wirken, geht es nicht."

„Mom, bitte tu es für mich. Bitte, gib ihm eine Chance. Was hast du schon groß zu verlieren? Ein kostenloser Kinobesuch, klingt das nicht verlockend?"

Sie sah mich an, unschlüssig, was sie tun sollte. Dann wandte sie sich Anton zu und überraschte mich mit ihren nächsten Worten.

„Und ich darf den Film aussuchen, ja?"

Glücklich fiel ich ihr um den Hals, holte ihre Jacke und ihre Tasche, drückte ihr beides in die Hand und gab ihr einen raschen Kuss auf die Wange.

Anton hielt ihr den Arm hin und nach einigem Zögern hakte sie sich schließlich bei ihm ein.

„Dafür machst du für einen Monat den Abwasch", verlangte sie von mir, bevor sie den kleinen Weg entlang lief.

Wenn es weiter nichts war. „Geht klar. Amüsiert euch schön!" Sie winkte mit der Hand ab, stieg in Antons Auto und in der nächsten Minute waren sie auch schon verschwunden. Hoffentlich wird das Date gut laufen und sie mir nicht später doch noch den Kopf abreißen.

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