Kapitel 29

Lisa

„Lisa?" ich schreckte auf, als Luis in die Kneipe kam. Ich musste mich endlich zusammenreißen. Was hatte ich mir auch gedacht? Dass Joint sich verändert hatte? Dass ich ihn womöglich verändern konnte? Das alles wusste ich doch schon vorher. Doch obwohl mich seine Worte wirklich getroffen hatten, sehnte ich mich mit jeder Minute, die er nicht mehr hier war, nach seinen Berührungen. Wollte ich mich wirklich so sehr in mein eigenes Unglück stürzen?

„Ja?" ich setzte ein unechtes Lächeln auf.

„Oh gut, du weinst nicht." Er atmete erleichtert aus.

„Bitte?" verwirrt sah ich ihn an.

„Ach, nichts." Er setzte sich auf einen der Hocker und beobachtete mich. Nachdem ich die Gläser aufgeräumt hatte, lächelte er mich schelmisch an.

„Kann ich dich nach Hause begleiten?" Ich war hin und her gerissen. Auf der einen Seite wollte ich nicht, dass er in meiner Nähe war, doch andererseits wollte ich auch nicht so spät alleine laufen und dann vielleicht noch Joint begegnen. Eine weitere Auseinandersetzung würde ich nicht verkraften.

Nickend wandte ich mich ihm zu, löschte das Licht, sperrte ab und ging mit ihm durch die dunkle Straße. Im Augenwinkel nahm ich kein Anzeichen auf Joints Anwesenheit wahr. Um hundertprozentig sicher zu sein, drehte ich mich schnell einmal um meine eigene Achse, konnte ihn jedoch nirgends entdecken.

„Läuft da eigentlich was zwischen dir und Joint?", fragte Luis, während ich wieder zu ihm aufschloss.

„Da läuft nichts. Absolut nichts." Ich klang immer noch verärgert.

„Das ist gut.", sagte er leise, worauf ich zustimmend nickte.

„Das kannst du laut sagen."

„Hättest du dann Lust mit mir ins Kino zu gehen?" Kleine weiße Wolken hatten sich vor seinem Mund gebildet.

„Nur wir beide?" Wollte ich denn mit ihm ausgehen?

„Wäre das so schlimm?" er schenkte mir ein schiefes Lächeln, doch es erreichte nicht seine Augen. Nicht wie bei Joint, dessen Augen dabei immer aufgeregt leuchteten. Oh nein! Ich tat es schon wieder, ließ meine Gedanken freien Lauf. Bevor ich noch verräterische Bilder vor meinem inneren Augen bekam, drehte ich mich zu Luis.

„Ich weiß nicht, ob ich dazu schon bereit bin." Ich wollte ehrlich mit ihm sein, da er es auch die ganze Zeit über zu mir war. „Ich habe mich gerade erst von meinem Freund getrennt."

„Oh", er machte einen Schritt zur Seite. „Natürlich, nimm dir so viel Zeit wie du brauchst."

Glücklich über seine Worte schenkte ich ihm ein Lächeln. Joint könnte sich ruhig einmal eine Scheibe von ihm abschneiden.

Danach sprachen wir über Fußball, wobei Luis mehr erzählte und ich ihm zuhörte. Es tat gut, einmal keinen Streit mit einem Mann zu haben. Als wir an meinem Haus ankamen, verabschiedete ich mich schnell von Luis und verschwand kurzerhand im Inneren. Das mit dem Date ließ ich mir auf jeden Fall noch einmal durch den Kopf gehen.

Am nächsten Morgen hatte ich drei abwesende Anrufe von Vanessa auf meinem Handy. Sofort rief ich zurück, doch sie hob nicht ab. Obwohl ich ein weiteres Treffen mit Joint vermeiden wollte, machte ich mich nach dem Frühstück auf den Weg zu dessen Haus. Alle Fenster waren dunkel, daher vermutete ich schon, dass mir niemand aufmachen würde, als sich plötzlich die Tür öffnete und mir eine schlanke Frau mit pechschwarzen Haaren gegenüber stand.

„Lisa?" Ihre Haut wirkte fahl, auch ihre Stimme klang extrem schwach.

„Hi, ich wollte zu Vani." Sie trat beiseite und deutete mit einem dünnen Zeigefinger auf die Treppe.

„Sie ist oben in ihrem Zimmer."

Ich nickte ihr dankend zu und stieg die Treppe hinauf. Oben angekommen konzentrierte ich mich nur auf die Tür meiner Freundin, verschwendete keinen Blick an die nebenanliegende.

Ich klopfte vorsichtig an die Tür und wartete auf ein Herein, das jedoch nicht ertönte. Einen Spalt breit öffnete ich die Tür, lugte ins Zimmer, nahm aber nichts als Dunkelheit wahr.

„Vani?", flüsterte ich in den Raum.

„Hm?" Als ich Vanessas verschlafene Stimme hörte, setzte ich mich in Bewegung und ging zu ihrem Bett, in dem sie unter der Decke eingekuschelt lag.

„Tut mir leid, ich habe deine Nachrichten erst heute früh gelesen. Was ist denn passiert?" Die Matratze unter mir gab einen Ruck von sich und dann konnte ich Vanis Gesicht sehen.

„Wir haben uns gestritten", stöhnte sie leise auf.

„Du und Niklas?" ein Nicken ihrerseits. „Weswegen denn?" Mit einem Finger zog ich die Decke ein Stück nach unten, damit ich sie besser verstehen konnte.

„Ich habe raus gefunden, dass er sich mit Michelle getroffen hat."

„Wieso das denn?"

„Um zu Reden." Sie verdrehte die Augen. „Wenn du Michelle kennen würdest, wüsstest du, dass sie nicht die Person ist, die gerne plaudert."

„Aber du vertraust ihm doch, oder?"

„Natürlich, tue ich das." Sie setzte sich auf, ihr Gesicht war komplett voller roter Flecken. So hatte ich sie schon lange nicht mehr gesehen. Nicht seitdem sie mit Niklas zusammen war. „Aber ich vertraue ihr kein Stück."

„Hast du ihm das denn auch gesagt?"

„Ja. Nein. Ich weiß es nicht." Sie warf ihre Hände vors Gesicht. „Wir haben uns so arg gestritten, das ich gar nicht mehr weiß, was wir uns alles an den Kopf geworfen haben." Das kam mir bekannt vor. „Letztendlich habe ich ihn raus geworfen." Sofort musste ich an den Streit von gestern denken. Ich hatte in Bezug auf Joint genauso reagiert.

Ihr kullerte eine Träne die Wange hinab, daraufhin nahm ich sie in den Arm.

„Ich habe es mal wieder vermasselt", schluchzte sie.

„Nein, Süße, das hast du nicht. Ihr zwei bekommt das sicher wieder hin." Ich streichelte ihr sanft über den Kopf.

„Weißt du, nachdem wir miteinander geschlafen haben, hat sich endlich alles so richtig und vollkommen angefühlt." Ich wusste genau, welches Gefühl sie da gerade beschrieb.

„Ihr hattet Sex?" Plötzlich stand Joint, nur in Boxershorts gekleidet im Zimmer. Hatte er uns etwa belauscht?

„Ihr hattet Sex?" wiederholte er immer noch mit diesem erschrockenen Ausdruck im Gesicht.

„Das geht dich nichts an", sagte ich streng. Als Vanessa neben mir aufschluchzte, sich in ihr Kissen warf und sich wieder unter der Decke verkroch, strafte ich ihn mit einem bösen Blick.

Toll gemacht, Joint. Ich stand auf, ging mit bestimmen Schritten auf ihn zu. Er machte schon den Mund auf, um etwas zu sagen, da kam ich ihm zuvor.

„Kann ich kurz mit dir reden?" Fasste ihn am Arm und zerrte ihn auf den Flur.

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