Kapitel 24
Joint
Sie sagte, sie wolle Abstand von mir, wolle Zeit für sich, Zeit zum Nachdenken. In dem Moment, in dem ich mich entschieden hatte, mich ihr zu öffnen, wies sie mich zurück und all meine Hoffnungen auf ein ruhigeres Leben verpufften mit dahin. Als ich ihr nachgeschaut hatte, wie sie schnellen Schrittes die Straße entlang gerannt war, wie sie sich so schnell wie möglich von mir entfernen wollte, war die Wut mit einem Schlag wieder zurück gekehrt. Hatte sich seitdem fest in meinem Körper eingenistet, und ich war unfähig, sie wieder zu verbannen. Konnte nur dabei zu sehen, wie sie sich immer weiter ausbreitete, Besitz von mir nehmen wollte. Mit Lisas Berührungen hätte ich mich dagegen wehren können, hätte dem Sturm in meinem Körper die Stirn geboten, doch ohne sie, ertappte ich mich sogar dabei, wie ich den Zorn willkommen hieß.
Es war vernünftig von ihr, sich vor mir zu verstecken, sich mir nicht hinzugeben. Das war es, was ich die ganze Zeit wollte. Doch jetzt, wo ich sie nicht mehr sah, ihre grünen Augen nicht mehr aufblitzen sah, sie nicht mehr ärgern konnte, steigerte ich mich nur noch mehr in mein Training. Jeden Tag verausgabte ich mich, um mich dem morgigen Fight gestärkt stellen zu können.
Dann war es soweit und ich ging kurz vor Mitternacht aus dem Haus, die dunkle Straße entlang und bog dann in die Gasse ab, in der ich vor einer Woche gewesen war. Es hatten sich einige Menschen an einem breiteren Stück versammelt, unterhielten sich, als wäre der heutige Tag wie jeder andere. Ich bahnte mir einen Weg durch die Menge, schaute nach Bones Ausschau und erspähte ihn am Rand mit einem weiteren Typen. Als er mich entdeckte, kam er mit langen Schritten auf mich zu. Er wirkte heute noch schlaksiger als das letzte Mal, seine dünnen Arme lugten aus einem viel zu großen Shirt hervor, sein blaues Auge war immer noch deutlich zu sehen.
„Hey, Joint, schön, dass du es einrichten konntest." Er klopfte mir auf die Schulter, während ich meine Umgebung in Beschlag nahm. Es waren mehr Leute anwesend als noch vor einer Woche. Hatte mein Gegenüber wohl mit diesem Fight geprahlt?
„Wer ist mein Gegner?", fragte ich ihn, musterte jeden, der für mich in Frage kam. Da blieb mein Blick an einem muskulösen Mann mit Rasterlocken hängen, der eine kurze Hose und ein Sweatshirt trug. Das musste er sein.
„Der da drüben." Bones deutete auf ihn und ich sah zu, wie er sich warm machte. Er war mindestens einen Kopf größer als ich, doch das durfte mich nicht einschüchtern. Nein, ich war hier um zu gewinnen, was anderes würde ich nicht zulassen. Nach allem, was ich mit meinem Vater durchgemacht hatte, würde ich aus dieser Auseinandersetzung als Sieger hervorgehen.
„Das wird ein Kinderspiel", sagte ich mit einem Schulterzucken und zog meine Jacke aus.
Bones sah mich misstrauisch, aber mit einem schiefen Lächeln auf den Lippen an. „Ok, hör mir zu. Das ist nicht so einfach, wie du dir es wahrscheinlich vorstellst." Er stellte sich breitbeinig vor mich, versperrte mir die Sicht auf meinen Gegner.
„Der Typ da drüben, hat schon unzählige Fights gewonnen, trotzdem ist er schlagbar. Wenn du weißt wie du es angehen musst."
„Wie?", fragte ich ihn.
Er lachte kurz auf, dann verschränkte er seine langen Arme vor der Brust. „Wenn ich es dir verraten würde, wäre es nur halb so lustig."
Ich ließ mir meine Verärgerung nicht anmerken, solle er doch denken, was er wollte. Ich würde heute als Sieger aus diesem Kampf gehen. Was anderes kam einfach nicht in Frage.
Ehe noch einer von uns etwas sagen konnte, trat ein Mann mittleren Alters in die Mitte, bedeutete uns zu ihm zukommen.
„Wir sind heute zusammenkommen, um eine weitere legendäre Nacht zu erleben." Ich stellte mich gegenüber Rasterlocker, der mich angriffslustig anstarrte.
„Heute treten an: Ty, der Terrier." Die Menge jubelte, als mein Gegner die Faust in die Luft streckte.
Nachdem sich die Menge etwas beruhigt hatte, sprach der Mann im gelassenen Ton weiter. „Und Neuling Joint." Ein Raunen erfüllte die Nachtluft, als die Zuschauer mich musterten. Das war mein Fight-Name? Neuling? Hinter mir hörte ich das laute Klatschen von Bones.
„Yeah, zeig's ihm, Neuling." Rief er, während ich meine Schultern lockerte. Langsam mochte ich den Spargel. Ich war bereit, loszulegen. Auch mein Gegenüber trat jetzt unruhig von einem Fuß auf den anderen.
„In diesem Fight ist fast alles erlaubt, aber kein Augenstechen, kein Schlag in die Weichteile und kein Beißen." Die Menge buhte auf, doch er ließ sich davon nicht beeindrucken. „Der Fight endet entweder durch K.O. oder Aufgeben." Er sah uns nach einander an. „Fertig?" Als wir beide unser Ok gaben, trat er einen Schritt nach hinten. „Gebt alles!", damit gab er die Sicht frei und die Menge brach in lautes Gröhlen aus.
Mein Herz pochte wild gegen meine Brust, als ich mein Gegenüber anvisierte. Hochkonzentriert umkreisten wir einander, warteten auf den ersten Schlag. Dann plötzlich kam er auf mich zugeschossen und holte mit der Faust nach mir aus. In der letzten Sekunde konnte ich seinem Schlag ausweichen, wandte mich mit einer Drehung zu ihm um. Da stürmte er wieder auf mich zu, und traf mich unvorbereitet. Seine Faust prallte gegen meine Stirn, sodass ich benommen rückwärts stolperte.
Fuck! Binnen kurzer Sekunden schüttelte ich meinen Kopf, stellte mich ihm wieder gegenüber.
Mit einer rasanten Geschwindigkeit kam er auf mich zu, rammte mir seine Schulter gegen den Bauch, dass ich Atemnot bekam. Fuck! Fuck! Fuck! Wir stürzten beide zu Boden, auf dem er mich mit seinen Beinen fixierte und auf mich einschlug.
„Verdammt, Joint. Steh auf!", hörte ich Bones brüllen und er hatte Recht, was machte ich hier eigentlich? Ich sollte der Überlegenere sein.
Mit einem starken Ruck warf ich mich auf die Seite, mein ganzes Körpergewicht traf hart auf seinen Oberkörper, während ich ihm einen Kinnhaken verpasste. Mit großer Genugtuung sah ich zu, wie sein Kopf mit einem kräftigen Aufprall auf dem Pflaster landete. Schnell schob ich einen zweiten Schlag hinterher, traf ihn diesmal an der Schläfe.
Doch als ich meine Faust zu einem weiteren Schlag ausholte, stemmte er mit voller Wucht seine Knie gegen meinen Rücken, und brachte mich somit zu Fall. Er spuckte Blut, als er sich aufrappelte und auf mich zu stürmte. Ich hatte seine Bewegungen verfolgt, hatte mit dem Angriff gerechnet, rollte mich hastig zur Seite, bevor er mich treffen konnte, sprang auf und schlug ihm mit meinem Bein in den Magen, sodass er keuchend aufschrie.
„Mach weiter so! Blockier seine Beine!", schrie Bones, und die Menge pflichtete ihm bei. Ich konnte das Ding rocken, ich konnte ihn besiegen. Ehe er sich ausruhen konnte, packte ich ihn an seinen langen Haaren, zog ihn mit solch Härte nach hinten, dass sich sein Gesicht schmerzhaft verzog und sich mit den Händen abstützte. Das war meine Chance!
Ehe er es kommen sah, warf ich mich auf ihn, dass seine Arme knackende Geräusche von sich gaben und er auf den Boden sank. Diesmal machte ich nicht noch einmal den Fehler und verlagerte daher mein Gewicht auf seine Beinen. Dann schlug ich zu. Ich ließ meine Fäuste in kurzen Bewegungen gegen sein Gesicht schnellen bis meine Knöchel aufplatzen, auch dann hörte ich nicht auf, war gefangen in dem berauschenden Gefühl der Macht, die durch meine Adern rauschte. Alles, was tief in mir verborgen war, schoss jetzt an die Oberfläche. All die Wut, die sich in mir angestaut hatte, setzte ich in jeden Schlag, der die Haut meines Gegners auf brutalste Weise verunstaltete.
Nur am Rande bekam ich das Schreien und Jubeln der Menge mit, nahm auch nicht das zweimalige Klopfen meines Gegners war, der seine Hand schlaff gegen den Asphalt schnellen ließ.
Mit einem Ruck wurde ich nach hinten gezogen, wurde an meinem Vorhaben ihn zu besiegen, verhindert. Dann packte mich jemand am Arm, zog daran bis ich nachgab und reckte meine Hand in die Höhe.
„Der Gewinner ist: Joint!"
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