Kapitel 19

Joint

„Wann soll es heute Abend losgehen?", fragte ich Vanessa, als sie in die Küche kam. Schweiß tropfte mir von der Stirn und ich wischte ihn schnell mit meinem Handtuch weg.

„Wir glühen bei Nik und Markus vor, bevor wir dann in den Klub gehen." Diese Antwort brachte mir rein gar nichts. Erstaunt darüber, dass sie nichts Weiteres hinzufügte beobachtete ich sie, wie sie sich ein Glas Milch einschenkte.

„Aha."

Erst jetzt sah sie zu mir auf und musterte mich eingehend. „Warum bist du so verschwitzt?"

„Warum glühen wir nicht hier vor?", fragte ich anstatt auf ihre Frage einzugehen.

Sie rollte mit den Augen, tunkte einen Keks in ihre Milch und biss genüsslich ab. Während sie kaute, bedachte sie mich mit einem strengen Blick.

„Bitte, lass es mich nicht bereuen, dich eingeladen zu haben." War das eine Herausforderung?

Ich schenkte ihr ein breites Grinsen. „Dir ist schon klar, dass du gerade mit dem größten Partymacher der Welt sprichst, oder?"

Sie lachte. „Der Welt?"

„Nagut, der Stadt." Wieder ein herzliches Lachen ihrerseits. Ich wurde immer besser in meiner Rolle, sie glücklich zu machen. „Ich werde schon nichts zu Nik sagen, versprochen."

„Nein." Sie riss die Augen auf. „Ich möchte, dass du mit ihm redest."

„Wieso sollte ich?"

Sie sah mich bestürzt an. „Weil er dein bester Freund ist."

„War", korrigierte ich sie, bewegte mich in Richtung Tür.

„Joint", rief sie mir warnend hinterher.

„Keine Panik, ich werde nett zu ihm sein", versicherte ich ihr.

Sie folgte mir in den Flur. „Bitte, sei zu allen nett, ja?", bat sie.

„Was muss ich nur für ein schlechter Mensch sein", bemerkte ich sarkastisch.

„Du weißt, was ich meine." Sie biss von ihrem Keks ab.

Warte. Ich blieb abrupt stehen. „Was heißt alle?"

Sie zuckte mit den Schultern. „Lisa und Markus kommen auch mit. Lisa müsste eigentlich auch jede Minute hier eintreffen." Lisa kam mit? Ich ließ mir meine Überraschung nicht anmerken.

Ohne einen weiteren Kommentar schlurfte ich ins Badezimmer. Kurz bevor ich in die Dusche stieg, ertönte unsere Klingel. Vielleicht wurde der Abend interessanter als ich gedachte hatte.

Nachdem ich den Schweiß von meinem Training abgewaschen hatte und mich wieder in meinem Zimmer befand, konnte ich das Gelächter der beiden nicht mehr ignorieren. Immer wieder drangen die fröhlichen Laute an mein Ohr, der helle Klang von Lisas Lachen ließ mich kurzzeitig alle Sorgen vergessen.

Verdammt, vielleicht sollte ich eine Erkältung vortäuschen und doch lieber zu Hause bleiben. Ob sie wusste, dass ich mit von der Partie war? Wahrscheinlich eher nicht, sonst hätte sie sich bestimmt schon bei Vanessa beschwert.

Ich wollte mir gerade eine Cola holen, da öffnete sich genau in diesem Moment die Tür meiner Schwester.

„Joint, da bist du ja", sagte Vanessa erleichtert, mich endlich gefunden zu haben.

„Ich war die ganze Zeit nebenan", erwiderte ich barsch. Laute Musik strömte aus ihrem Zimmer, die mit einer rockigen Note unterlegt war und ich konnte aus dem Augenwinkel Lisas rhythmische Bewegungen dazu erkennen. Schnell riss ich mich davon los. Vielleicht sollte ich mir statt einer Cola doch lieber ein Bier gönnen.

„Wieso machst du dich nicht mit uns fertig?", fragte mich meine Schwester erheitert.

Entgeistert sah ich sie an. „Seh ich denn aus wie eine Tussi?"

„Ach, komm schon Joint." Schmollend zog sie ihre Unterlippe hervor. „Du hast versprochen nett zu sein."

Genervt seufzte ich auf, würde sie mir das jetzt den ganzen Abend vorhalten? Doch meine patzige Antwort blieb mir wortwörtlich im Hals stecken, als Lisa in der Tür auftauchte. Sie trug ... verdammt, an ihrem Körper befand sich genau das blaue Kleid, das sie damals auf der Party getragen hatte. Es passte immer noch, schmiegte sich genauso perfekt an ihre Kurven wie damals.

„Vani, was machst du denn da? Sicher, dass ich das Kleid anbehalten ..." Sie stockte, als sie mich erblickte. Ihre Wangen waren leicht errötet, ihre Haare standen auf eine sexy Art vom Kopf ab.

„Natürlich, es sieht heiß aus." Vanessa stellte sich an ihre Seite, blickte zu mir auf. „Was meinst du? Die Farbe passt doch perfekt zu ihr, oder?"

Oder? Sie sah atemberaubend aus, doch das würde ich nicht zugeben, nicht vor meiner Schwester.

Lässig lehnte ich mich ans Treppengeländer, betrachtete Lisa von oben nach unten, ließ mir Zeit dabei, weil ich wusste, dass sie sich darüber aufregen würde.

„Also, eigentlich bevorzuge ich die Farbe Durchsichtig, aber das ist auch ganz passabel." Ich tat so als würde mir der Anblick nicht im Geringsten gefallen. „Es ist ja dunkel im Klub."

Vanessa sah mich empört an. Lisas grüne Augen wiederum blitzen verärgert auf. Sie würde meinen Kommentar auf keinen Fall auf sich sitzen lassen, das wusste ich.

Mit einem anmutigen Schwung wandte sie sich meiner Schwester zu, sodass ich nur noch auf ihren Rücken starren konnte.

„Du hast Recht, ich sollte die Unterwäsche weglassen", sagte sie scheinheilig zu Vanessa. Mir blieb der Mund offen stehen, daran hatte ich gar nicht mehr gedacht. Sofort blickte ich auf ihre dünnen Träger, ihr schmaler Rücken, wo sich kein Abdruck von einem BH abzeichnete.

Noch ehe ich etwas erwidern konnte, drehte sie sich wieder um, fixierte mich mit einem herausfordernden Blick. „Was meinst du dazu?" Flirtete sie etwa gerade mit mir?

Ich zuckte gelassen mit den Schultern, als würde mich die Tatsache, dass sie vollkommen nackt unter diesem Kleid war, kalt lassen und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Du musst mich nicht um Erlaubnis fragen." Vanessa starrte uns nur stumm an.

„Das habe ich nicht." Lisa schnaubte auf. „Ich dachte nur, dass du Erfahrung in Sachen Stilberatung hast."

Was? Sah ich etwa schwul aus. „Willst du damit sagen, dass ich auf Männer stehe?" Ich löste meine Hände von meiner Brust, kam ihr entgegen.

„Oh, tust du das nicht?" sie schlug sich gespielt schockiert die Hand vorm Mund. „Mein Fehler, dabei würdest du so einen guten schwulen Freund abgeben."

Das reichte, dicht vor ihr blieb ich stehen, sie wich keinen Schritt zurück. „Du weißt mit am besten, dass ich jede Frau glücklich machen kann."

Sie lachte humorlos auf. „Woah, soll ich dir vielleicht einen Rucksack besorgen, damit du dein großes Ego mit dir rumtragen kannst?", blaffte sie mir sarkastisch ins Gesicht.

„Einer reicht gewiss nicht. Besorg zwei", sagte ich mit einem frechen Grinsen. Ihre grünen Augen musterten mich stumm, senkten sich für einen kurzen Augenblick auf meinen Mund, sodass sich Verlangen in mir regte. Die Atmosphäre zwischen uns hatte sich schlagartig verändert, knisterte zwischen uns, schnell schob ich beide Hände in meine Hosentaschen, um nicht auf falsche Gedanken zu kommen. Sie stand nur noch ein paar Zentimeter vor meinem Körper, es wäre ein Leichtes gewesen, sie an mich ran zu ziehen, ihr zu zeigen, dass ich gewiss nicht schwul war.

„Ookay." Vanessa sah uns verdattert an. „Ich denke, wir sollten uns doch getrennt fertig machen." Damit hatte sie Lisas Aufmerksamkeit gewonnen. Nickend folgte sie Vanessa ins Zimmer ohne einen letzten Blick.

Meine Schwester jedoch fixierte mich böse. „Das nennst du nett?" Damit ließ sie mich alleine im Flur zurück.

Für einige Sekunden blieb ich an Ort und Stelle stehen. Sie hatte mich eindeutig provoziert, da konnte ich nicht einfach klein bei geben.

Ok, ich hatte angefangen, aber ... Nein, kein aber, ich hatte es Vanessa versprochen und daran würde ich mich jetzt den restlichen Abend halten.

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