Kapitel 17

Lisa

War ich denn nun wirklich von allen guten Geistern verlassen? Hatte ich gerade zu einer Verabredung mit Joint, dem Mann zugesagt, der mir das Herz gebrochen hatte? Ohne auch nur mit der Wimper zu zucken? Völlig überfordert ließ ich mich gegen die Bar sinken. Was stimmte bloß nicht mit mir? Hatte ich denn auch rein gar nichts aus der Vergangenheit gelernt?

Ich konnte mich unmöglich vor ihm in einem Bikini zeigen, auch ein Badeanzug war keine bessere Option, zumal er immer noch viel zu viel Haut freigab.

„Hi."

Dabei wusste ich, warum er mir das antat. Das war eines seiner Spielchen, um sich –oder weiß Gott wem- zu beweisen, dass er unwiderstehlich war. Da musste ich ihm einen Strich durch die Rechnung machen. Bei mir schlug er da auf Granit, ich würde ihm schon zeigen, dass er mich nicht um den Finger wickeln konnte. Dass er überhaupt dachte, dass ich noch einmal auf seine Masche reinfallen würde, ließ mich wütend werden. Kam ich denn wie so ein dummes Blondchen rüber, oder was?

„Hi, du."

Erschrocken quiekte ich auf, als mich etwas an der Schulter berührte. Hastig drehte ich mich um, und sah einen jungen Mann vor mir stehen, dessen Gesicht von kleinen Locken eingerahmt wurde. Sein breites Grinsen machte dem von Joint wahrhaftig Konkurrenz.

„Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken." Noch dazu besaß er eine echt angenehme Stimme, nicht so rau und tief wie die von ... Wow, ich musste unbedingt damit aufhören, jeden mit Joint zu vergleichen.

„Alles gut." Ich strich mir über die Schürze und setzte ein Lächeln auf. „Was kann ich dir bringen?"

Seine blau-grauen Augen blitzten mich frech an. „Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du umwerfend aussiehst?"

Ich musste über seine direkte Art lachen. Er hatte wohl schon Einen sitzen. „Tatsächlich höre ich das jeden Tag. Aber danke."

Jetzt lachte er auf, was ihn jünger wirken ließ. „Heiß und schlagfertig." Er sah mich bewundernd an. „Ich bin Luis."

Da ich seine lockere Art angenehm fand, entspannte ich mich etwas und ließ mich auf seinen Flirt ein. Vielleicht hatte Vanessa Recht und ich sollte mir wirklich mal ein bisschen Spaß gönnen.

„Lisa", sagte ich knapp.

„Lisa, was für ein bezaubernder Name", säuselte er, woraufhin ich wieder lächeln musste. Er ließ wirklich nichts unversucht.

„Also, Luis, was kann ich dir Gutes tun?" Sein Blick blieb bei meinen Worten an meinem Ausschnitt hängen.

„Oh, da fällt mir Einiges ein, was du tun könntest."

Mit einem Lappen schlug ich ihm gegen die Schulter. „Hey, hier spielt die Musik", sagte ich streng und wedelte mit dem Stoff vor meinem Gesicht.

Er riss den Blick los und strahlte bis über beide Ohren. „Ich nehm einen Bloody Mary, und ich trinke ihn mit viel Tabasco, also keine Scheu." Er wackelte mit den Augenbrauen.

Sollte mich das etwa beeindrucken? Ohne ein weiteres Wort bereitete ich seinen Cocktail zu, schüttete mehr als normal von der scharfen Paste hinein und stellte ihm das Glas vor die Nase.

Er nippte kurz daran, verzog jedoch keine Miene.

„Geh mit mir aus", sagte er so unverfroren, dass ich zuerst dachte, mich verhört zu haben.

Langsam schüttelte ich den Kopf. „Nein."

Enttäuscht sah er mich an. „Warum hast du dann gezögert?"

„Ich kenne dich doch gar nicht", erwiderte ich, während ich mit dem Lappen über den Tresen wischte.

„Na und." Er sah sich kurz in der Bar um. „Das macht es doch so aufregend."

Lachend warf ich den Lappen in die Spüle. „Nein, ich gehe nicht mit dir aus."

Er öffnete schon den Mund, da rief jemand seinen Namen. „Luis, wo bleibst du?"

Ein großer Mann stand von seinem Platz auf und richtete seinen Blick auf uns. Seine Haare waren raspelkurz, was das Kantige an seinem Gesicht nur noch mehr verstärkte. „Du hast doch eh keine Chance bei der Braut." Er klang ebenfalls angetrunken, doch Luis ignorierte ihn, richtete sich auf und sah mir unverwandt in die Augen.

„Ich krieg dich schon noch dazu." Als hätte er gerade eine Herausforderung angenommen, nickte er, hob das Glas auf und bewegte sich auf seinen Freund zu.

Zwei Männer an einem Abend? Ich musste doch träumen, seit wann zog ich denn die Aufmerksamkeit der Männer auf mich?

Andi war an meine Seite getreten und legte zwei leere Bierkrüge in die Spüle. Gleich machte ich mich daran, diese zu säubern.

„Alles klar, bei dir?", fragte er mich, nachdem er einen Schluck von seiner Cola getrunken hatte.

„Klaro, wieso nicht?" ich versuchte unbeeinflusst zu wirken.

„Die Männer scharen sich heute ja nur so um dich." Er klang amüsiert, was meine Stimmung hob. „Vielleicht liegt es ja an deinem neuen Outfit." Er deutete auf mein kurzes Top, jedoch ohne anzüglich rüber zukommen.

„Na, hoffentlich springt auch mehr Trinkgeld dabei raus.". Lachend klopfte er mir auf die Schulter.

„Dafür musst du nur noch die Bar verlassen." Mit hochrotem Kopf wandte ich mich ihm zu.

„Es tut mir leid ...", setzte ich an, doch sein Lachen ließ mich verstummen.

„Alles, gut. Ich hab schon gemerkt, dass du alle Hände voll zu tun hattest." Er zwinkerte mir zu und verschwand dann in der Küche. Ich war so in meinen Gedanken versunken gewesen, dass ich völlig vergessen hatte, die Bestellungen der anderen Gäste aufzunehmen.

Mein Glück sollte ich wohl nicht noch weiter strapazieren, also machte ich mich auf zu den Tischen und ging endlich mal meiner eigentlichen  Arbeit nach.


Ich war völlig erschöpft, als ich zu Hause ankam. Mit trägen Bewegungen streifte ich mir meine Schuhe ab, hing meine Jacke auf und warf meine Tasche auf den Boden. Obwohl heute nicht viel los war, taten mir die Füße vom ganzen Stehen so sehr weh, dass ich mich gleich auf der Stelle hinlegen konnte.

Ein bläulicher Schimmer drang aus dem Wohnzimmer und zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Leise schlich ich hinein, um meine schlafende Mutter auf dem Sofa vorzufinden. Sie hatte eines Tages damit angefangen, nicht mehr in ihrem Bett zu schlafen, sondern auf dem Sofa, das wirklich unbequem war. Trotz ihrer ständigen Ausreden, wusste ich, dass sie das nur tat, um nicht alleine in dem großen Bett liegen zu müssen. Was ich nachvollziehen konnte. Sie war es jahrelang gewohnt gewesen, mit ihrem Partner darin zu schlafen, dass es so leer nur beängstigend war.

Ein Grund mehr, sie wieder unter die Männer zu schicken. Ich würde nicht ein Leben lang hier wohnen und dann wäre sie ganz alleine in diesem Haus. Doch ich musste das Thema behutsam anschneiden, sonst würde sie nicht einverstanden sein.

Heute jedoch war es schon zu spät, also zog ich die dicke Wolldecke über ihren restlichen Körper, gab ihr einen leichten Kuss auf die Wange und machte mich dann selbst bettfertig.

Morgen Abend konnte ich mal meine Sorgen vergessen, mich mit meinen Freunden amüsieren und den ganzen Frust abtanzen, worauf ich mich schon am meisten freute.

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