Kapitel 61

Irritiert sehe ich in Marcos Koffer, wo ausschließlich kurze Sachen drin sind. Wieso um Himmels Willen will er denn kurze Klamotten in Deutschland anziehen? "Schatz?", rufe ich ihn. "Ja?", ruft er zurück und kommt mit seine Waschtasche angehumpelt. "Wieso sind hier nur kurze Klamotten drin?" Er zieht irritiert die Augenbrauen zusammen. "Ja wieso denn nicht? Mit langem Klamotten gehe ich doch ein.", "Das denke ich nicht, denn in Deutschland sind um die minus zwei Grad.", "Hä?" Ich lache, als mir klar wird, was gerade sein Denkfehler ist. "Es ist Dezember, Marco. Hier sind zwar über zwanzig Grad aber in Deutschland ist es mittlerweile sehr kalt." Man sieht ihm an, wie es in seinem Kopf rattert. "Stimmt ja.", murmelt er schließlich und seufzt, als er den Inhalt seines Koffers begutachtet. "Also nochmal von vorne." Er leert seinen Koffer, ehe er in neu packt. Schmunzelnd schüttle ich den Kopf und hole meine Waschtasche aus dem Bad. Wir wohnen noch immer bei meinen Eltern, weil ich wir noch nichts geeignetes gefunden haben. Aber wenigstens konnten wir uns schon mal mit Daves Geld neue Klamotten zulegen. Das Geld von der Versicherung kam vor einer Woche. Ich habe es aber Timo und Jette komplett überlassen, da Marco und ich ja schon Hilfe von Dave bekommen, womit wir sehr viel Glück haben. Er blüht richtig auf in seiner neuen Rolle als Opa. Oscar vergöttert ihn. Nur musste er letzte Woche vorerst wieder nach Hause fliegen. Aber er hat für Oscar ein Ticket nach Deutschland bezahlt. In der Zeit wo Marco und ich also zum Klassentreffen gehen, wird Oscar bei seinem Opa bleiben. Judith findet das alles sehr bescheiden aber Dave hat ihr den Mund verboten und ihr gedroht sie rauszuschmeißen, wenn sie etwas dagegen hat, dass er uns hilft und für uns da sein will.

"Ist das cool mit dem Flugzeug?", fragt Oscar ganz aufgeregt. Marco hat ihn sich auf die Hüfte gesetzt und steht mit ihm an der Glaswand, sodass er die Flugzeuge beobachten kann. Seinen Rollstuhl mussten wir vorhin zusammen mit dem Gepäck abgeben. "Ja, das ist total cool. Du bist sogar schon mal geflogen. Aber da warst du noch ein Baby." Er beobachtet nachdenklich die Flugzeuge. "Er guckt wie du, wenn du grübelst.", schmunzle ich. Marco lacht. "Stimmt." Mein Verlobter lächelt mich an und küsst mich kurz. "Aber ist das Fliegen überhaupt gut für dich und das Baby?", "Uns wird schon nichts passieren.", versichere ich ihm. Er seufzt misstrauisch. Tja, so ist das, wenn der Papa sich Sorgen um die Mama macht.

Timo und Jette sind vom Flughafen aus zum Hotel gefahren, wir zum Anwesen von Marcos Eltern. "Das ist aber ein großes Haus.", staunt Oscar und sieht aus dem Fenster. Das Taxi hält vor dem Haus meiner Schwiegereltern. Hier sieht es aus wie vor acht Jahren. Oder sind es schon neun? Schwer zu sagen. "Hier hat sich nichts verändert.", murmelt Marco. "Wie geht's dir? Also ich meine damit wieder hier zu sein." Er zückt ratlos mit den Schultern. "Ist schwer zu sagen. In meinem Kopf herrscht ein ordentlicher Sturm." Oscar kichert. "In deinem Kopf ist ein Sturm? Aber das geht doch gar nicht." Marco und ich müssen lachen. "Du hast recht. Das geht gar nicht, oder?" Marco steigt aus und hebt Oscar aus dem Auto. "Nee, weil dann wäre das da drin ja voll windig.", gibt er irritiert von sich und tippt Marco gegen die Stirn. "Stimmt. Wollen wir zu Opa reingehen?" Oscar nickt wild, als Dave auch schon in der Tür erscheint und Marco Oscar abnimmt. "Na, mein Großer? Alles klar?", "Klar.", lacht er seinen Opa an. "Hallo Dave.", begrüße ich ihn mit einem Küsschen links und rechts auf die Wange. "Gut siehst du aus. Ist dein Bauch gewachsen?", "Es ist eine Woche her, Dad, so viel mehr ist da noch nicht passiert.", schmunzelt Marco. "Na gut. Ähm, Tom? Kannst du bitte das Gepäck unserer Gäste nach oben ins Gästezimmer bringen?" Besagter nickt und eilt zum Taxi, um unser Gepäck zu holen. So viel ist es ja nicht. Zwei kleine Koffer. Die hätte ich auch noch alleine hochgebracht, aber gut. "Kommt rein. Ich habe Tee vorbereitet." Dave geht mit Oscar auf dem Arm in Richtung Kaminzimmer und setzt sich auf eines der Sofas. Mein letztes mal in diesem Raum war nicht sehr toll. "Wollt ihr etwas essen?", fragt Dave uns alle. Oscar nickt sofort. "Was möchtest du denn essen?", "Nudeln.", lautet wie immer seine Antwort. "Oha. Mit was denn? Mit Carbonara? Bolohnese? Tomatensoße? Käsesoße", "Opa, jedes Kind isst doch Tomatensoße.", erklärt mein Sohn so, als wäre das doch logisch. Dave lacht herzhaft. "Wäre es okay, wenn wir uns noch ein wenig hinlegen, Dad? Der Flug war sehr anstrengend und ich Miley und ich müssen dann ja heute Abend zu dem Klassentreffen.", "Aber natürlich. Fühlt euch wie zuhause, Kinder. Ich bleibe mit dem Sportsfreund hier hier unten und sorge dafür, dass sein knurrender Magen gefüllt wird.", "Oh ja!", ruft Oscar begeistert. Lächelnd gebe ich ihm einen Kuss auf den Kopf, ehe ich mit Marco nach oben ins Gästezimmer gehe.

"Was meinst du wie werden sie reagieren, wenn sie uns zusammen sehen?", frage ich Marco unsicher, während ich ins Bett unter die Decke krieche. "Schwer zu sagen. Wussten die denn damals, dass wir zusammen waren?" Ich stoße nachdenklich Luft aus. "Das weiß ich ehrlich gesagt gar nicht mehr. Ich weiß aber, dass die auch davon ausgegangen sind, dass du tot bist." Marco hebt überrascht die Augenbrauen und legt sich zu mir. "Ich finde, dass du etwas enges anziehen solltest heute Abend. Dann sieht man deinen winzigen Babybauch." Ich muss lächeln. "Das werde ich. Aber erstmal muss ich etwas schlafen, denn ich bin total müde." Ich gähnen herzhaft und kuschle mich an meinen Verlobten. "Okay, schlaf gut." Er küsst mich liebevoll und legt sich dann auch etwas bequemer hin.

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