Kapitel 50

Marco kommt den Gang entlang gelaufen und bleibt schwer atmend vor mir stehen. "Was ist passiert?", ist das einzige, was er herausbekommt, ehe ich mich bitterlich weinend in seine Arme werfe. "Alles wird gut.", murmelt er, doch ich schüttle den Kopf. "Nichts wird gut. Es ist alles meine Schuld. Ich hätte besser aufpassen müssen und-", "Was ist eben überhaupt passiert? Was hat Oscar denn?", unterbricht er mich. "Wir sind rausgefahren und ich habe Oscar verboten während der Fahrt aufzustehen, weil er heute irgendwie so aufgedreht war. Kaum haben wir gestanden ist er dann los und ich habe ihm gesagt, dass er auf dem Boot nicht rennen soll. Aber er hat nicht auf mich gehört und ist hinten herumgerannt. Dann habe ich mit ihm geschimpft deswegen, woraufhin er sich erschrocken hat und dann ausgerutscht ist." Ich muss eine Pause machen, um Luft zu holen und muss schluchzen. "Oh Gott. Hat er sich den Kopf aufgeschlagen?", fragt Marco besorgt, doch ich schüttle den Kopf. "Er ist ins Wasser gefallen und ich bin sofort hinterher. Er hat gestrampelt und gestrampelt ich konnte ihn einfach nicht beruhigen. Dann muss ein Hai ihn gestreift haben, denn plötzlich war überall Blut. Ich habe Oscar immer wieder gesagt, dass wenn er mal im Wasser ist, dass er niemals herumhampeln soll und in seiner Panik hat er es doch getan! Er hat so sehr geblutet und hat noch auf dem Boot das Bewusstsein verloren." Mein Schluchzen hallt durch den Flur und Marco versteift sich. "Er wurde von einem Hai gebissen?", "Nein, nicht gebissen.", schüttle ich den Kopf, doch Marco sieht mich wütend an und löst sich von mir, ehe er sich aufgebracht durch die Haare fährt und hin und her tigert. "Ich habe dir tausend mal gesagt, dass es zu gefährlich für euch ist.", knurrt er vor sich hin. "Ist das dein Ernst? Scheiße, unser Sohn verblutet und du machst mir eine Szene? Jetzt?" Er bleibt stehen und sieht mich mit aufeinander gepresst Lippen an. "Können wir uns bitte später streiten, wenn ich weiß, dass Oscar die Scheiße hier überleben wird?" Marco seufzt und setzt sich auf einen der Stühle, die hier an der Wand stehen. "Du hast ja recht, es tut mir leid." Ich setze mich neben ihn und er nimmt mich in den Arm. "Wo ist Oscar jetzt?", "Im OP. Sie müssen die Blutungen stoppen und er wird wahrscheinlich eine Bluttransfusion brauchen. Er hat so stark geblutet, dass er das Bewusstsein verlor." Marco drückt meinen Kopf an seine Brust und küsst meinen Scheitel. "Wo war denn Timo?", "Der war auf dem Boot und hat mir 'ner Harpune die Haie von uns fern gehalten, die von Oscars Gestrampel aufmerksam geworden sind. Den einen hat's nur nicht sonderlich gekratzt." Ich seufze erschöpft und wische mir zum wiederholten male die Tränen weg. "Nicht weinen, Schatz, er wird das schaffen. Wie geht es dir denn? Ist mir dir und dem Baby alles gut?" Ich nicke. "War nur ziemlich viel auf einmal. Aber ich glaube uns geht's gut. Mir ist nur so viel Adrenalin durch den Körper geschossen, dass mir die Schwester vorhin erstmal etwas pflanzliches zur Beruhigung gegeben hat. Mein Puls war nämlich ganz schön hoch und naja, das ist eben nicht so gut. Aber jetzt geht es wieder." Marco nickt erleichtert und streichelt über meinen Bauch. "Du darfst nicht so viel Stress haben. Das tut weder dir noch unserem Baby gut." Die Tür des OP-Raumes geht auf und der Arzt kommt raus. Er zieht sich die Handschuhe aus und sieht mich seufzend an. "Dein Sohn hatte Glück, Miley. Wir konnten sein Bein wieder herrichten aber sein wir ehrlich: er wird für den Rest seines Lebens eine Narbe haben." Ich nicke traurig. "Er hat eine Bluttransfusion bekommen, da er zu viel Blut verloren hat. Momentan ist er im Aufwachraum und erholt sich von der OP. Er wird noch ein paar Tage hierbleiben müssen und dann darf er nach Hause. Sein Bein war auch leicht gebrochen. Nicht sehr doll, eine einfache Schiene reicht. Das Problem ist aber, dass wir mit einer Schiene die Wunden verdecken und wir den Gips jeden Tag abmachen müssten, damit wir die Wunden versorgen können. Deswegen wird er eine Schiene zum Umschnallen bekommen. Mal siehen, wie er damit klarkommt. Laufen ist aber erstmal nicht drin. Der kleine Mann wird für eine Weile in den Rollstuhl müssen, damit er sein Bein auf gar keinen Fall belastet, denn der Muskel ist kaputt. Es wird also eine harte Zeit für ihn, in der er laufen lernen muss." Ich schniefe und nicke. "Aber er wird schon wieder laufen können, oder?", fragt Marco. "Natürlich. Nur wird er dafür sehr hart arbeiten müssen. Eine Schwester wird Ihren Sohn in ein Zimmer bringen. Sie können dann auch zu ihm, okay?" Marco und ich nicken und stehen auf. "Danke, Stefan.", hauche ich. Er lächelt mich an und geht. "Du kennst ihn?", "Ja, wir sind öfter hier. Weißt du doch.", lächle ich Marco an. Dieser schmunzelt und küsst meine Schläfe. Besagte Schwester kommt mit dem Bett, in welchem unser Sohn liegt aus dem Raum und schiebt ihn zu einem Zimmer. Oscar hat die Augen zu, sein verbundenes Bein liegt frei, während sein restlicher Körper zugedeckt ist.

Marco und ich warten seit Ewigkeiten darauf, dass Oscar aufwacht. Ich sitze an seinem Bett und halte seine Hand, während Marco mit vor der Brust verschränkten Armen am Fenster steht und hinaussieht. Draußen geht mittlerweile die Sonne unter und färbt den Himmel in wunderschöne Orange,- Türkis-, und rosatöne. Dieser Anblick erinnert mich immer wieder daran, weshalb ich in dieses wunderschöne Land auswandern wollte. Kapstadt hat zwar auch seine Schattenseiten aber die hat jede Stadt. Mein Magen knurrt schon die ganze Zeit über und auch Marco scheint Hunger zu haben. Allerdings will keiner von uns beiden das Zimmer verlassen, da wir beide da sein wollen, wenn Oscar aufwacht. Er hatte einen harten Tag hinter sich, es ist also kein Wunder, dass er so lange seine kleinen Äuglein geschlossen hält. Ich habe Angst, dass er große Schmerzen hat, wenn er aufwacht. Nur werden diese wohl nicht ausbleiben.

Marco dreht sich nach langer Zeit zu uns um und mustert erst Oscar, dann mich. "Soll ich uns beiden mal etwas zu essen holen?" Ich nicke und streichle die kleine Hand meines Sohnes. "In Ordnung, ich bin gleich wieder da." Er küsst meine Stirn und geht schnell los. Marco und ich sind unglaublich müde und erschöpft. Für uns war der Tag nämlich auch kein Zuckerschlecken. Allerdings ist wollen wir nicht gehen, bevor uns Oscar nicht gesagt hat, wie es ihm geht.

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