Kapitel 49
Neugierig beobachte ich meinen Bruder dabei, wie er das Boot aus dem Hafen fährt. Er sieht entspannt aus. "Ist zwischen dir und Jette wieder alles gut?" Timo dreht sich leicht zu mir um und nickt lächelnd. Dann bin ich ja beruhigt. "Wieso dachte sie, dass du fremd gehst?" Er seufzt und runzelt leicht seine Stirn. "Sie hat mitbekommen, wie ich mit einer Frau geschrieben habe. Sie war eine aus der letzten Tauchgruppe. Die wollte, dass ich ihr den Standpunkt des Bootes schicke, damit sie halt dort hinfinden. Das habe ich dann gemacht und sie hat mir ein Danke zurück geschrieben mit einem strahlenden Smiley. Naja, und Jette ist eben momentan ziemlich empfindlich." Da hat er recht. Ich habe zwar auch so meine Launen aber Jette ist echt hardcore. "Aber das habt ihr geklärt, ja?" Er nickt und hält das Boot an. "Mama? Darf ich jetzt herumlaufen?", "Ja, darfst du. Aber sei vorsichtig und nur gehen, hast du verstanden?" Oscar nickt und verlässt die Fahrerkabine. Er sollte während der Fahrt sitzen bleiben, da er heute - warum auch immer - total hibbelig ist. "Du solltest den Zwerg im Auge behalten. Der hat glaube ich zu viel Hafer gegessen." Ich verdrehe schmunzelnd die Augen und gehe nach draußen, um Timos Rat zu befolgen. "Oscar, ich sagte du sollst auf dem Boot nicht rennen.", schimpfe ich, als er gerade am Ende des Bootes entlangläuft, wo das Geländer etwas abgesenkt ist, damit man leichter ins Wasser kommt. Doch Oscar erschreckt sich, als er mich hört, rutscht aus und fällt ins Wasser. "Oscar!", rufe ich hysterisch und laufe ans Ende. "Hol ihn raus! Da sind locker 7 Haie unten!", brüllt Timo geschockt und kommt mir hinterher. Ich springe ins Wasser und packe mir meinen vor Panik strampelnden Sohn. "Du musst ruhig bleiben, Schatz, nicht zu doll bewegen.", rede ich auf ihn ein, doch er wird noch panischer, als er sieht, wie einer der Haie direkt auf uns zu kommt. "Scheiße.", fluche ich und schwimme los, meinen strampelnden Sohn im Schlepptau. "Oscar, ganz ruhig, dir wird nichts passieren.", rede ich weiter auf ihn ein, während Timo von oben mit einer Art Harpune die Haie von uns fernhält. Doch einer von ihnen lässt sich nicht beirren und kommt den strampelnden Beinen von Oscar ziemlich nahe. "Mom!", kreischt er und fängt sofort an zu brüllen. Das Wasser um uns herum färbt sich langsam rot. "Oscar!" Ich ziehe ihn näher an mich und am Boot angekommen drücke ich ihn hoch zu Timo, der ihn sofort hochzieht. Ich nehme mir die Harpune und wehre den Hai ab, der mir ziemlich nahe ist. Dann klettere ich so schnell es geht aus dem Wasser und schmeiße die Harpune achtlos zur Seite, um zu Oscar zu laufen, der vor Schmerzen schreit. "Oh Gott, Oscar.", schluchze ich und hebe ihn hoch. "Verbinde es. Ich fahre sofort zurück und verständige einen Notarzt.", sagt Timo und startet das Boot. Ich setze meinen blutenden Sohn auf der Bank in der Fahrerkabine ab und hole mit zitternden Händen den Erste-Hilfe-Koffer heraus. "Ganz ruhig, mein Schatz, Mami ist ja da. Du musst jetzt ganz stark sein. Sieh mich an." Oscar klimpert schwach mit seinen Augen und droht das Bewusstsein zu verlieren. "Mach schneller!", fahre ich meinen Bruder an. "Ich mach ja schon!", schnauzt er angespannt zurück. "Schatz, sieh mich an. Alles ist gut.", rede ich ruhig auf ihn ein. Er nickt und eine dicke Träne rollt über seine Wange, während er erschöpft schluchzt und wimmert. Schnell desinfiziere ich alles und verbinde sein Bein, welches extrem doll blutet. "Mami?", "Ja, mein Schatz?", "Es tut so weh.", keucht er erschöpft und macht müde seine Augen zu. "Ich weiß, Schatz, aber bitte sieh mich an. Komm schon, Oscar, sieh mich an!" Er atmet schwer und schwitzt. "Ich habe dich lieb, Mami." Seine nassen Haare tropfen und seine nasse Kleidung klebt an seinem Körper. "Ich hab dich auch lieb, Oscar, also bitte tu mir den Gefallen und sieh mich an." Er öffnet noch einmal kurz die Augen, schließt sie dann aber wieder und scheint komplett das Bewusstsein zu verlieren. Der Verband ist blutgetränkt und sein Atem ist ganz flach. "Timo!", schreie ich meinen Bruder panisch an. "Wir sind gleich da, okay? Ein Rettungsteam ist schon am Steg.", redet er auf mich ein und versucht nicht panisch zu werden. "Oscar, bitte bleib bei mir.", schluchze ich und streichle meinem Sohn durch seine nassen Haare. "Ich liebe dich so sehr, mein Schatz, bitte verlass mich nicht.", flehe ich ihn an, doch er regt sich nicht. Sein Puls ist ganz schwach. Ich nehme ganz schnell den Verband ab und mache einen neuen Druckverband um sein Bein. "Bleib bei mir.", flüstere ich ihm zu. "Miley, wir sind da.", ruft Timo und rennt nach draußen, um das Boot zu befestigen. Ich nehme meinen Sohn ganz schnell hoch und renne an die Seite, wo bereits der Notarzt steht. Oscar wird auf die Trage gelegt und zum Wagen geschoben. "Es ist alles meine Schuld.", schluchze ich. Timo nimmt mich fest in den Arm und schüttelt seinen Kopf. "Er hätte nicht rennen dürfen und das weiß er eigentlich auch.", "Ich habe aber zugelassen, dass er alleine losrennt. Und das obwohl ich wusste, dass er meine Worte missachten wird, weil er heute so aufgedreht war. Ich hätte ihn im Auge behalten müssen." Mein Bruder drückt mich fester an sich und seufzt. "Er wird es schaffen. Der Zwerg hat schon so viel geschafft." Ich schluchze erneut und laufe zum Wagen. "Darf ich mitfahren?" Der Notarzt nickt. "Natürlich. Steigen Sie schnell ein, Miss Green." Ich steige in den Wagen und schnalle mich an. Die Sanitäter und der Arzt kümmern sich um meinen Sohn, der noch immer bewusstlos ist. "Was ist passiert?", werde ich von der Frau gefragt. Ich wische mir mit dem Handrücken meine Tränen weg. "Er ist auf dem Boot herumgelaufen, obwohl er weiß, dass er auf dem Boot nicht laufen soll. Und dann hat er sich erschreckt, als ich schimpfte, er solle nicht laufen. Daraufhin rutschte er aus und fiel ins Wasser. Überall waren Haie. Er war so hysterisch und strampelte. Kein schlaues Verhalten, wenn fünf Meter lange Haie einen umkreisen. Sie hätten vermutlich nichts getan, wenn wir beide stillgehalten hätten. Aber ich konnte ihn einfach nicht beruhigen. Er stand unter Schock. Er schrie und strampelte weiter. Dann wurde er offenbar kurz gebissen. Der Hai kann nur kurz das Maul aufgemacht und Oscar dabei berührt haben. Hätte der richtig gebissen, dann wäre das Bein ab." Ich schluchze mal wieder und wische erneut Tränen weg. "Wir werden alles dafür tun, dass ihr Sohn es schafft. Es sieht zwar momentan sehr kritisch aus, da er zu viel Blut verloren hat, aber wir werden alles tun, versproch.", redet die Frau auf mich ein. Ich nicke und sehe meinen Sohn an, der um sein Leben kämpft.
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