Kapitel 47
Entschlossen lasse ich mich rückwärts ins Wasser fallen und ziehe Luft über die Sauerstoffflaschen in meine Lunge. Vorsichtig nähere ich mich dem vier Meter langen Weibchen und hänge mich an ihre Rückenflosse, ehe ich ihr einen neuen Sensor verpasse. Sie ist ganz eindeutig tragend. Der Sensor zeichnet nämlich unter anderem Puls, etc. auf und sendet regelmäßig Blutwerte auf Timos Laptop. Ihr alter Sensor hat allerdings eine Störung, weshalb ich ihr jetzt einen neuen dran machen musste. Ich würde so gern mal eine Geburt miterleben. Nur ist das nahezu unmöglich, da man nicht einmal genau weiß, wie lange ein weißer Hai tragend ist. Man schätzt die Tragezeit auf ein Jahr oder länger.
Ich tauche wieder auf und klettere aufs Boot. "Ich finde, dass du das jetzt nicht mehr machen solltest.", meldet Marco sich zu Wort und verschränkt seine Arme vor der Brust, während er dieses meiner Meinung nach wunderschöne Weibchen beobachtet, wie es anmutig durch das klare Wasser gleitet. "Wieso?", frage ich belustigt. "Weil du jetzt nicht mehr nur noch dein Leben aufs Spiel setzt.", antwortet er mir. Ich seufze und verdrehe meine Augen. Mir ist in den Jahren nur ein einziges mal etwas passiert. Und das war meine eigene Schuld. Ich bin im Urlaub auf den Bahamas mit ein paar Tigerhaien getaucht und war unachtsam. Da hat mir einer leicht in die Flosse gebissen. Es war ziemlich weit oben, wo schon mein Fuß angefangen hat. Durch die Flosse und den Stiefel war es dann aber nicht ganz so schlimm. Der Fuß hat stark geblutet und war gebrochen aber es war toll dort unten. Ich habe bis heute die Narben vom Biss auf meinem Fuß. Mama war danach so geschockt, dass sie mir verboten hat je wider mit Tigerhaien zu tauchen. Gegen die weißen Haie sagt sie jedoch nichts. Schon witzig, wenn man bedenkt, dass die weißen Haie doch größer und kräftiger sind und bulliger aussehen.
Ich schüttle meinen Kopf und sehe das Weibchen an. "Ich werde nicht aufhören. Mir passiert nichts. Ich habe genug Erfahrung." Marco schnaubt und geht mit vor Entsetzen schüttelndem Kopf ins Fahrerhaus. "Ärger im Paradies?", schmunzelt Timo und holt die Köderleinen aus dem Wasser, damit wir wieder zurück können. "Nein, alles gut.", sage ich zu meinem Bruder und lasse mir von ihm beim Abnehmen der Flaschen helfen, da diese einiges wiegen. "Als alles gut würde ich das aber nicht bezeichnen." Ich presse meine Lippen aufeinander und ziehe mir den nassen Neoprenanzug aus, ehe ich mich abtrockne. "Was weißt du denn schon.", murre ich so leise, dass er es nicht hören kann.
Zurück Zuhause angekommen gehe ich direkt zum Kühlschrank, um mir eine Wiener herauszuholen und sie zu essen. Keine Ahnung wieso aber ich stehe auf Wiener Würstchen. Vor allem jetzt, wo ich schwanger bin. Ich habe war - nachdem meine Mutter mir ewig auf den Ohren hing - beim Arzt und der sagte mir, dass ich nun in der siebten Woche bin. Ich bekam einen neuen Mutterpass und ein paar schicke Bilder, wo man noch nicht viel drauf sieht. Marco hat letzte Woche - also viel später als abgemacht - endlich mal bescheid bekommen, dass er in der Schule anfangen kann zu arbeiten, wo er sich beworben hat. Im Prinzip ist es eine Art Internat, wo nur Kinder reicher Familie drauf sind. Aber die Bezahlung ist gut also warum nicht dort arbeiten? Marco war ganz aus dem Häuschen und ist am selben Tag noch zur Schule hin, um sich zu erkundigen, wie der Ablauf in der Schule ist und so weiter. Und ich bin froh, dass er arbeiten geht, denn wir hocken einfach zu viel aufeinander. Und das tut uns echt nicht gut, was wir beide vor kurzem bemerkt haben. Ich gehe ihm total auf den Sack und er mir. Das kommt eben davon, wenn man jeden Tag durchgehend aneinander hängt.
Marco stellt sich hinter mich und legt seine Hände auf meinen Bauch, während er meinen Hals küsst. "Ich mache mir doch nur Sorgen um dich und das Baby. Die Tauchausrüstung ist viel zu schwer und wenn doch etwas passieren sollte, dann verlieren wir unser Kind vielleicht. Ich möchte nichts riskieren, Baby." Ich seufze gestresst und schiebe seine Hände von mir. "Es ist aber mein Job, Marco.", "Ist es nicht. Du erforschst das Verhalten dieser Tiere und veranstaltest Touristenausflüge, wo die Touries im Käfig tauchen können. Da musst du nicht mit dieser hammerschweren Ausrüstung ins Wasser zu diesen Bestien!" Ersetzt drehe ich mich um und sehe Marco fassungslos an. "Hast du gerade Bestien gesagt?" Er nickt wütend. "Weißt du was? Kannst heute Abend auf der Couch schlafen." Ich schubse ihn von mir weg und verlasse die Küche. "Ist das dein Ernst? Willst du jetzt ernsthaft streiten?", brüllt er mir hinterher. "Nein, aber du offensichtlich. Wieso schnallst du es nicht, dass das mein Traum ist? Mein Leben! Es ist mein Leben dort draußen mit diesen faszinierenden Tieren zu tauchen!" Marco schnaubt. "Kannst du nicht einfach mal neun Monate lang warten? Es sind ja nicht einmal mehr ganze neun Monate." Ich schüttle meinen Kopf und setze meinen Weg nach oben ins Schlafzimmer fort. "Jetzt sei doch nicht so stur.", stöhnt Marco genervt. Abrupt drehe ich mich um und funkle ihn wütend an. "Ich bin stur?", "Ja, das bist du! Und du zickst gerade herum wie ein kleiner naiver Teenager." Ich sehe ihn entsetzt an. "Wie ein naiver Teenager also, ja? Dann solltest du mal aufpassen, dass der naive Teenager dich nicht vor die Tür setzt.", zische ich und schubse ihn zurück, sodass er wieder außerhalb des Schlafzimmers steht und ich die Tür zuknallen kann. "Jetzt sei doch mal vernünftig!", "Geh einfach! Ich habe keinen Bock auf die Scheiße. Du wirst mir nicht verbieten zu tauchen!", schreie ich ihn durch die Tür an und schließe sie ab. Marco versucht sie zu öffnen und drückt immer wieder die Türklinke herunter. Ich ziehe mir zum schlafen ein Top an und gehe dann Zähne putzen, ehe ich mich ins Bett lege. "Komm schon, Miley, mach die Tür auf.", fleht Marco mich an. "Nein.", antworte ich und bleibe standhaft. "Es tut mir leid, okay? Bitte mach auf und lass uns reden. Ich will nicht streiten." Seufzend verziehe ich traurig das Gesicht und stehe wieder auf, um die Tür aufzuschließen. Sofort stürmt Marco herein und schließt mich in seine Arme. "Es tut mir leid. Ich bin momentan etwas leicht zu reizen.", murmle ich beschämt. "Schon okay. Mir tut es auch leid." Ich muss dringend meine Launen in den Griff bekommen.
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