Eins

Nur einen Tag später sitze ich auf dem Rücken meines Pferdes und treibe es nach Süden. Mein Zuhause, das Schloss, wird hinter mir immer kleiner.
Unser Schloss und dessen Dorf sind von den Bergen der Luftbändiger umgeben. Ich stehe auf einem dieser und schaue über mein Zuhause Richtung Meer.

Das Meer hat mich schon immer fasziniert, die unendlichen weiten und die wunderschöne Farbe, ganz ab gesehen davon wie viel Macht es für die Wasserbändiger aus strahlte.

Ich wende mich ab, das machte es nur noch schwerer zu gehen und ich musste fort, auch wenn mich der Gedanke plagte das ich all dies vielleicht nie wieder sehen könnte.

Mittlerweile stand die Sonne hell über mir im Zenit. Doch Nachtschatten, mein Hengst, lief noch immer unermüdlich. Wohin ich lief vermag ich nicht zu sagen. Hauptsache weg, raus aus dem Königreich. Doch der einzige Bereich der nicht unter die Herrschaft meines Vaters fiel waren die, die gegen meinen Vater rebellieren. Die Feuerbändiger. Unsere Feinde.

Ich schluckte. War ich dort wirklich sicherer? Ich brachte Nachtschatten zum stehen und rutschte von ihm herunter, setzte mich ans Ufer eines kleinen Bachs. In meiner Manteltasche kramte ich nach dem weißen Briefumschlag.

Meine liebe Tochter,
mit Sicherheit hast du viele Fragen..

Plötzlich höre ich hinter mir Schritte. Hektisch stopfe ich den Brief weg und stellte mich in Angriffsposition, langsam ließ ich Wasser aus dem Bach schweben und hielt es vor mich, wie einen Schild.

Hinter den Bäumen trat ein schönes Mädchen hervor, neben ihr ein braunes Pferd. Ich ließ das Wasser auf den Boden platschen und es sprizt in alle Richtungen. Das Mädchen hält einen Bogen und der Pfeil ist auf mich gerichtet.
"Verá." Bringe ich hervor und starre sie überrascht an. Sie lässt den Bogen sinken und ein lächeln stehlt sich auf ihre Lippen.
"Eure Hoheit." Sie macht einen Knicks.

Ich laufe auf sie zu und falle ihr um den Hals. Sie lacht leise und erwidert die Umarmung.
"Was machst du hier?" Frage ich vorsichtig als ich mich von ihr löse um sie ansehen zu können.

Viele Bedienstete meinten wir könnten Schwestern sein, meine Eltern natürlich nicht. Aber wir haben beide braune Locken und wir waren fast gleich groß. Selbst unsere Gesichter hatten eine gewisse Ähnlichkeit, bis auf die Augen natürlich. Sie konnte kein Element bändigen, war aber sehr geschickt mit Pfeil und Bogen. Einiges hatte sie mich gelehrt, doch als mein Vater von meinem Interesse erfuhr kümmerte er sich um jemanden professionellen. Einen seiner Jäger.

Tyler Leger. Ty zeigte mir den Umgang mit Pfeil und Bogen, Schwert und Dolche. Dolche hatte ich seiddem immer dabei, sie waren leicht unter breiten Röcken zu verstecken. Trotzdessen das mein Vater mir einen Lehrer besorgt hatte, betonte er das ich im Falle eines Kampfes stets meine Bändigungskräfte einsetzten solle.

"Deine Mutter hat mich geschickt." Beantwortet sie meine Frage, ich verdrehe verbittert die Augen. Sie traute mir wohl gar nichts zu. "Aber ich wäre dir auch so gefolgt." Sagt sie sanft als sie meinen Blick bemerkt und legt eine Hand auf meine Schulter. Ich schaue ihr tief in die Augen und lächle matt. Traut sie mir auch nichts zu oder will sie mich nur beschützen, so wie eigentlich immer?

Sie schaut mir ebenfalls tief in die Augen, doch plötzlich verändert sich ihr Blick.
Verwirrung und Fassungslosigkeit. Fragend schaue ich sie an, doch sie weicht bereits panisch einige Schritte zurück.
"D-deine Augen.." setzt sie an ohne weiter zu reden. Etwas ängstlich deutet sie auf den Bach.

Vorsichtig gehe ich auf diesen zu und lasse mich auf die Knie sinken. Dann schaue ich auf die ruhige Wasseroberfläche, die einem Spiegel gleicht. Meine braunen Locken fallen wie Wasser über meine Schultern.
In meinem Gesicht kann man die Erschöpfung deutlich sehen, meine sonst so rosigen Lippen haben ihre Farbe verloren und sind teilweise eingerissen. Und dann meine Augen: Mein blaues Auge strahlt wie eh und je und würde wohl jeden zum Neid bringen, aber mein linkes Auge hatte aufgehört zu schimmern, was aber nicht unbedingt einen Verbesserung ist, denn jetzt ist es golden.
Golden wie das eines Feuerbändigers.

Ich weiche vom Wasser zurück.
Das kann nicht sein! Nein nein! Ich kneife die Augen zusammen.

Tränen laufen an meinen Wangen herunter und ich schaue zu Verá, sie kniet neben mir und zieht mich in eine Umarmung. "Das erklärt einiges..", beginnt sie leise. "Heute morgen wurde die Eilmeldung verbreitet das du eine Bedrohung des Friedens wärst.. jeder der dich unterstützt wird zum Tode verurteilt. Die Anklage: Zusammenarbeit mit dem Feind."

Sie schluckt schwer und streicht über meinen Rücken. Irgendwas fehlte scheinbar noch.
"Was noch?" Frage ich ängstlich. Es gab eigentlich nur eine Möglichkeit:
"Der König hat seine besten Jäger auf dich angesetzt. Sie werden von Mr. Leger angeführt.", erzählt sie hastig, so als wäre die Nachicht dann weniger unheilvoll.

Ich befreie mich aus ihrer Umarmung, um ihr in die Augen zu schauen. Tyler war auf Jagd und dieses Mal war ich die Beute. Noch nie ist ihm seine Beute entkommen, ich bezweifle das es dieses mal anderes laufen würde.
Mich überläuft eine Gänsehaut. Verá hält mich an den Oberarmen fest und schaut mich intensiv an. "Er wird dich nicht kriegen. Ich werde dich beschützen.", sagt sie mit fester Stimme und lächelt mich aufmunternd an, doch ich schüttel den Kopf. "Ich liebe ihn doch.."

Das war die unschöne Wahrheit, unsere Liebe stand schon immer unter einem schlechten Stern, schon immer verboten und zum scheitern verurteilt, doch ich hatte nie die Kraft gehabt ihn los zu lassen. Und diese Kraft hatte ich auch jetzt noch nicht, vielleicht würde ich sie auch nie haben.

Sie schüttelt ungläubig den Kopf: "Du musst aufhören ihn zu lieben! Es geht nicht mehr. Ich kann dich nicht mehr unterstützen...", ich wende den Blick ab. "Ich weiß Verá."
"Wir müssen nach Süden. Sofort!" Sie lässt mich ruckartig los und steigt wieder auf den Rücken ihres Pferdes.
Ich nicke schwach und schaue nochmal auf den Bach, aus diesem Winkel sehe ich den gespiegelten hellblauen Himmel. "Was machen wir mit meinem Auge?", frage ich leise und wende meinen Blick wieder zu ihr. Sie erstarrt in ihrer Bewegung und mustert mich nachdenklich. "Augenklappe?"

Ich ignoriere ihren Einwand und setzte mich auf Nachtschattens Rücken. Ich klopfe sachte auf seinen Hals. Mein Leben war perfekt gewesen, zumindest für den Moment, doch nun gerät alles in schwanken und alles scheint sich aufzulösen. Nachdenklich lasse ich meinen Blick durch den tiefen Wald wandern.

Überall wimmelt es von Tieren und der Wind rauscht durch die Blätter der Bäume. Manche Sonnenstrahlen banhen sich ihren Weg durch die Blätterdecke. Ich schloss die Augen um das alles in mir aufzunehmen, werde aber jäh aus diesem friedlichen Paradies gerissen. Ein Horn ertönt in der Ferne und es ist mir nur zu bekannt.
Die Jäger kommen.
Neben mir treibt Verá ihr Pferd zur Eile an und galoppiert in den Dunkeln Wald. Ohne auf ein Kommando zu warten, folgt Nachtschatten ihr. Oder hatte ich ihm doch den Befehl erteilt? Ich schaue über meine Schultern, auch wenn ich die Jäger nicht sehen konnte, wusste ich das sie näher waren als wir zunächst gedacht.

Ich spüre Tyler. So als stünde er neben mir und nimmt meine Hand, streicht mir durchs Haar oder küsst mich. Ich schüttel den Kopf um die Gedanken zu verbannen, vor mir höre ich Verá fluchen: "Scar! Verdammt nochmal! Du musst dich beeilen!" Selbst meinen Titel hat sie nicht mehr genannt, das zeigte nur wie sehr sie sich sorgte und wie sehr ich eigentlich neben mir stand. Ich gab Nachtschatten die Sporen und langsam verschluckte uns der Wald.

Das Horn der Jäger schien sich zu entfernen, immer leiser wurde dessen Klang. Nachtschatten schwitze mittlerweile heftig und die Sonne war am unter gehen. Sie tauchte alles in ein blutrotes Licht.
Erst da legte Verá eine Rast für uns ein.
Erst da brach ich erschöpft zusammen.

"Wir werden bald aus dem Wald kommen. Ab da wird es gefährlich." Sagt Verá, ich hebe den Kopf um sie anzusehen. Sie steht neben unseren Pferden die friedlich grasen und macht keine Anstalten zu schlafen, verwirrt schaue ich sie an. Sie erwidert meinen Blick und scheint gleich zu verstehen.
"Schlaft Prinzessin, ihr braucht das." Sagt sie sanft und breitet eine Pferdedecke auf dem Boden auf und bedeutet mir mich dort hinzulegen.
"Nicht mehr als du auch, Verá.", erwidere ich, doch sie schüttelt den Kopf und ich lege mich auf die Decke, den Kopf in den Armen gebettet. "Ich muss Wache halten Scar. Schlaf einfach." Ich schließe die Augen, jedoch mehr weil ich einfach zu müde bin als das ich wirklich schlafen will.
"Weck mich, ich löse dich ab.", Murmel ich schlaftrunken und drifte dann völlig in einen fest Schlaf.

Der erste Gedanke am nächsten morgen ist mein Ärger darüber das sie mich nicht geweckt hat. Müde reibe ich meine Augen und stehe auf. "Verá?" Frage ich leise und schaue mich um, beide Pferde grasen, doch von Verá keine Spur.

Ich gehe keine paar Schritte da sehe ich auch schon Spuren im Boden. Es sieht nicht wirklich wie ein Kampf aus, sondern eher wie ein Angriff ohne das sich jemand verteidigt hätte. Panisch schaue ich mich nach meiner Freundin um, doch überall ist nur Wald und Vogelgezwitscher.

Bis ich ein schluchzen höre. Ein schluchzen meiner besten Freundin. Schnell finde ich sie, am Bach knien, ihre Hände ins Wasser getaucht, mit dem Rücken zu mir.
Ausversehen trete ich auf einen Ast, der Augenblicklich geräuschvoll zerbricht. Panisch dreht sie sich zu mir und schießt einen Pfeil auf mich, erschrocken weiche ich aus und schaue sie mit weit aufgerissen Augen an. Der Pfeil hätte mich zweifellos im Herz durchbohrt.

Als sie mich erkennt lässt sie ihren Bogen sinken und hält ihre Hände wieder wortlos ins Wasser, besorgt lasse Ich mich neben ihr sinken. "Was ist passiert Verá?" Frage ich vorsichtig und ziehe ihre Hände aus dem Wasser. Ihre Handflächen sind knallrot und schwer verbrannt, sie zittert. Da sie nichts sagt bändige ich vorsichtig Wasser auf ihre Handflächen und heile sie sanft.

Diese Fähigkeit des Wasserbändigens mochte ich am liebsten, andere Lebewesen heilen zu können. Verá sagt nichts und sieht nur wortlos zu, ich weiß das ich ihre Wunde nicht vollständig heilen kann, nicht an einem Tag, aber zumindest die Wunden würden sich oberflächlich schließen.

"Wie ist das passiert?" Frage ich erneut und will in ihre braunen Augen schauen, doch sie wendet den Blick ab und schaut auf ihre Hände, die noch immer knallrot sind und nur langsam verheilen. "Ich habe mich ungeschickt verbrannt. Nichts schlimmes.", behauptet sie ohne mich anzusehen und ich weiß das sie lügt. Nicht nur weil ich Lügen schon immer gut erkennen konnte sondern auch weil sie mir nicht in die Augen schaut, doch vielleicht war es ihr unangenehm, also drängte ich sie nicht weiter.

Ich hebe ihre Hand und begutachte sie, die Wunden sind geschlossen auch wenn man noch deutlich sieht das sie sich verbrannt hat. "Ich werde dreimal am Tag deine Hand versorgen, dann müsste es bald weg sein.", sage ich ihr optimistisch und stehe mit ihr auf. Sie schüttelt den Kopf: "Da haben wir keine Zeit für. Du machst es wenn die Zeit ausreicht."

Erst jetzt schaut sie mir ins Gesicht, jedoch nicht in die Augen. Ihre Wangen sind von Tränen genässt, ihre Augen vom weinen rot geschwollen. Sie wischt ihre Wangen trocken und schluckt einmal stark: "Ich habe mir etwas wegen deinen Augen überlegt. Kannst du nicht vielleicht eine dünne Wasserschicht auf dein goldenes Auge bändigen?" Ich überlege kurz und knie mich wieder vor den Bach um es zu testen. Es ist ziemlich anregend aufrecht zu erhalten und es fühlt sich fremd an, aber als Verá mich ansieht funkeln ihre Augen so begeistert das ich nur als Bestätigung nicke. Endlich schaut sie wieder in meine Augen.

Verá redete seid sie geweint hatte kaum noch mit mir. Sie schwieg und oft erwischte ich sie dabei wie sie ihre Hände betrachtet, so als stimmte etwas nicht mit ihnen, aber ich traute mich nicht, sie darauf anzusprechen.
Und so driften auch meine Gedanken irgendwann ab und wir schweigen nur noch. Im Hintergrund höre ich verschiedene Tiere doch sie klingen weit entfernt und verklungen. Tyler spukt in meinem Kopf herum, schließlich war er alles für mich gewesen, mein Bezug zur Wirklichkeit. Auch wenn ich schon immer wusste das es irgendwann endet. Wieso jetzt schon und warum auf diese Weise?


~ K

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