Acht

Vielleicht hatte ich verdrängt das Chris der Prinz ist. Vielleicht hatte ich es vergessen wollen, weil seine Kälte mich so in die Realität zurück geworfen hat. Ich mache meinen Rücken, falls es überhaupt möglich ist, noch gerader und setze mein damenhaftes Lächeln auf. Das konnte ich gut, die vornehme Prinzessin spielen.

Die Königsfamilie beendet Ihre Gespräche sofort und so werde ich angeschwiegen. Julé, immer noch an meiner Seite, bedeutet mir unbemerkt von den anderen, ihr zum Tisch zu folgen. Langsam schreiten wir durch den Raum zu der riesigen Esstafel.
Der ganze Raum ist strahlend golden, von der Decke hängt ein großer Kronleuchter mit scheinbar hunderten Kerzen. An den Bodentiefen Fenstern hängen, wir in jedem Raum, blutrote Vorhänge.

Ich schlucke, der König scheint mich mit seinem prüfenden Blicken gar ausziehen zu wollen, die Königin fehlte und Chris würdigte mich keines Blickes. Neben Chris saß nur noch ein kleiner Junge, kaum älter als vier. Doch er ist viel zu sehr damit beschäftigt, mit seinem kleinen Holzritter zu spielen, als mich auch nur wahrzunehmen. Das ist sie also, die Königsfamilie unserer Feinde. Ich mache dem König zugewandt einen Knicks, er neigt kurz den Kopf. Ein Diener schiebt meinen Stuhl zurück und ich lasse mich zur rechten von Julé sinken. Diese saß neben dem leeren Platz der Königin. Uns gegenüber die männliche Hälfte.

"Prinzessin Scarlett, ich freue mich Sie hier in meinem Schloss willkommen zu heißen.", beginnt überraschender Weise der König und ich wende ausschließlich ihm meinen Blick zu. Auch wenn dies mehr als schwer ist, bei der Tatsache das Chris direkt neben ihm sitzt. Die Stimme des Königs erfüllt den ganzen Raum, tief und Rau. "Die Freude hier sein zu dürfen ist groß, euer Majestät.", meine ich, auch wenn es eine Lüge ist und der König fängt überraschend an zu lachen.
"Machen wir uns nichts vor, Prinzessin. Ihnen fehlt es hier an Vertrautheit, ohne diese können sie sich unmöglich wohlfühlen. Und denken wir daran, dass sie lange bei uns bleiben werden, ist jetzt die rechte Zeit Wünsche zu äußern.", erklärt er mir beinah feierlich.

Ich muss keine Sekunde nachdenken, um zu wissen was ich will. "Meine Zofe, Verá.", sage ich und tue dabei so als wäre ich mir unsicher, einen solch großen Wunsch zu äußern. Er lacht wieder und seltsamer Weise wird er mir immer sympathischer. Auch wenn ich ihn nicht wirklich kenne, er kommt mir nicht vor wie ein Mann der gerne Kriege führt.
"Die Rolle als schüchterne Prinzessin beherrscht ihr gut! Meiner Frau würde das gefallen, nur Bitte unterlassen Sie das bei mir. Ich liebe Menschen mit Humor.", erklärt er grinsend und reibt sich über seinen dicken runden Bauch. Ich erwidere sein grinsen einfach und er beginnt wieder herzlich zu lachen. "Fantastisch!", ruft er laut aus und haut lachend auf den Tisch. Ich mustere ihn nur amüsiert.

Er entspricht dem Klischee König wirklich perfekt. Sein Haar, sowie sein Bart sind vom Alter mittlerweile weiß geworden. Auf seinem Haupt erstrahlt eine große, wahrscheinlich schwere, goldene Krone. Sein runder Bauch wird in roten Samt gequetscht. Er sieht aus wie ein wahrer König, doch in ihm sehe ich auch einen Vater. Verständnisvoll und voller Liebe.

Automatisch schwenkt mein Blick zu Chris. Dieser scheint weniger amüsiert. Beinah vernichtend schaut er auf sein Frühstück. Man sieht ihm die Anspannung deutlich an und ich kann nur erahnen wie seine Hände unter dem Tisch zu Fäusten geballt sind. Trotzdessen sieht er gut aus, seine Haare kurz geschnitten und deutlich frisierter als vorher, auch wenn mir seine Haare im Wald besser gefallen haben. Generell wirkt er mir hier fehl am Platz, als wäre ihm dies alles zu förmlich, zu schick.

"Mein liebes Kind, eure Zofe wird bald auf eurem Gemach sein. Wünscht Ihr noch etwas?", fragt er freundlich während ich mich zwinge meinen Blick von Chris abzuwenden.
"Ich würde gerne lernen Feuer zu bändigen, euer Majestät.", gestehe ich und beobachte seine Reaktion genau.
"Klingt hervorragend, mein Sohn wird sich euer annehmen.", meint er und widmet sich dann seinem Essen. Mein Zeichen es ihm gleich zu tun. Ich merke wie Julé mich lächlend von der Seite ansieht. Doch noch mehr spüre ich den hasserfüllten Blick von Chris.

Ich schaue nur auf mein Essen, versuche den Blicken zu entgehen indem ich sie ignoriere und genieße das leckere Essen. Lange hatte ich nicht so etwas gutes.

-

Mr. Leger wartet bereits an der Tür des Speisesaals. "Ich geleite euch, Prinzessin.", erklärt er bevor wir uns langsam entfernen.
Als ich einen Schlag höre drehe ich mich schlagartig um und Mr. Leger tut es mir nach. Julé hatte Chris eine gewaltige Ohrfeige verpasst und schimpfte jetzt aufgebracht auf ihn ein. Was sie sagte verstand ich nicht. Chris verdreht zwischen durch nur die Augen und erwidert irgendetwas seelenruhig. Diese Gelassenheit scheint Julé nur noch wütender zu machen. Mr. Leger zieht sanft an meinem Arm und bedeutet mir weiter zu gehen. Nur schwer kann ich den Blick abwenden und mit ihm schweigsam durch die Gänge schreiten.

Erst vor meinem Gemach macht er wieder den Mund auf. "Ich werde vor ihrer Tür Wache stehen, Prinzessin. Sie können sich absolut sicher fühlen.", meint er zwar freundlich, doch ich weiß das er auch auf meinen Wunsch hin nicht weichen würde.
"Okay.", sage ich also nur leicht genervt. Dann öffne ich die Tür und schließe sie direkt hinter mir wieder. Erleichtert atme ich aus.
Ich stand so unter Druck, wahrscheinlich hätte der kleinste Fehler von mir alles zerstört.

"Rot ist ja so gar nicht deine Farbe.", sagt eine vertraute Stimme und ich erschrecke mich. Sie lacht und ich werfe ihr einen gespielt bösen Blick zu, doch dann fallen wir uns in die Arme. "Ich bin so froh das du am Leben bist, Verá.", sage ich leise und spüre Tränen der Freude meine Wangen hinab fließen. Fest drücke ich sie an mich. "Ich bin so froh das du am Leben bist.", meint sie leicht lachend. Wahrscheinlich weil sie wusste wie aufgeschmissen ich ohne sie war. Ich atme erleichtert ihren Geruch ein und genieße diese Umarmung mehr als alles sonst.

Irgendwann löst sie sich und hält mich an den Schultern fest. "Was haben die nur mit dir gemacht?", sagt sie gespielt verzweifelt und beginnt die Nadeln aus meinem Haar zu sammeln. Endlich fallen mir meine Haare wieder über die Schultern.

Während Verá versucht alles zu entfernen was Celiné vorhin so mühsam geschminkt hatte, mustere ich sie eindringlich. Sie trug die gleiche Tracht wie Celiné, auch wenn ich wusste wie sie in dieser Farbe wahrscheinlich durch drehte. Ihr Gesicht schien ein wenig eingefallen und generell wirkte sie abgemagert. "Verá?", frage ich also besorgt.
"Hm?", antwortet sie beschäftigt an meiner Frisur.
"Hast du Hunger gelitten?"
Kurz hält sie inne. So wie ich sie kenne überlegt sie, ob sie mir eine Lüge auftischen sollte. Doch Erstaunlicher Weise nickt sie, jedoch ohne mit der Wimper zu zucken. Gerade als ich etwas fürsorgliches sagen will hebt sie die Hand um mich direkt wieder zum schweigen zu bringen.

"Mir geht es gut. Meine einzige Sorge lag bei Euch.", sagt sie und signalisiert mir dann, dass sie nicht weiter mit mir darüber reden würde. Sie flechtet meine Haare zu einer Seite und bindet mir meine Kette um. Ein kleiner silberner Delfin mit einem blauen Auge. "Woher?", bringe ich nur staunend hervor. Ich war mir sicher sie Zuhause zurück gelassen zu haben.

"Ich trug sie die ganze Zeit bei mir, jetzt ist die rechte Zeit sie Euch zurück zu geben.", meint Verá lächelnd und ich beuge mich vor um sie im Spiegel besser betrachten zu können. Mein Familien Wappen bei mir zu tragen stärkte mich ein wenig. "Dank--", setzte ich an, werde aber durch ein Klopfen an der Tür unterbrochen.
"Der König bittet um eure Anwesenheit beim Tee.", lässt mich Mr. Leger wissen und ich drehe mich zu Verá. Sie nickt und setzt sich aufs Bett, so weiß ich, dass sie hier auf mich warten wird.

Ich trete raus in den Flur und Mr. Leger führt mich in den Garten. In dessen Mitte steht ein weißer Pavillon. Im Garten wimmelt es nur so vor roten Rosen, verankert in einem Labyrinth aus Hecken.
"Ah Prinzessin!", ruft der König schon von weitem. Langsam laufe ich auf ihn zu, bin mehr als erleichtert das Verá mir rote Ballerina anstatt der hohen Pumps gegeben hatte. Bei Tisch saßen nur Chris und der König. Langsam lasse ich mich gegenüber von Chris sinken.

Sein Hasserfüllter Blick macht mir beinah Angst. "Meine Frau entschuldigt sich erneut. Morgen Abend auf dem Ball wird sie zu uns stoßen.", erklärt der König. Ich nippe an meinem Tee, Pfefferminze.
"Ein Ball?", frage ich gespielt interessiert und schaue zu dem König, versuche Chris aus meinem Blickfeld zu verbannen. Bewundere scheinbar die weiße Tischdecke oder das goldene Gedeck.

"Ein Ball zu Ehren der Verlobung meines Sohnes.", feierlich reibt sich der König die Hände und mein überraschter Blick schwenkt zu Chris. "Wer ist die Glückliche?", frage ich ohne wirklich darüber nach zu denken und könnte mich nur eine Sekunde später selbst dafür schlagen. "Ihr natürlich."
Ich verschlucke mich fast an meinem Tee, hastig stelle ich die Tasse ab und starre zum König. Doch bevor ich etwas sagen kann, knallt Chris seine Fäuste auf den Tisch.
"Ich werde diese unwürdige Feindin sicher nicht heiraten, Vater!", schreit er dunkel, dann steht er auf und stürmt durch den Garten zurück ins Schloss. Verwirrt schaue ich ihm nach.

Erst als der König seine Hand auf meine legt komme ich wieder in die Wirklichkeit. "Prinzessin?", es klingt als hätte ich seine Frage überhört.
"Er hat es nicht so gemeint, Prinzessin.", ich schaue wieder zu ihm als er das sagt. Konnte seinen Worten keinen Funken Glauben schenken.
"Doch, euer Majestät. Er hat es genau so gemeint wie er es auch gesagt hat. Wenn sie mich nun entschuldigen.", er nickt und das ist meine Erlösung.

Damenhaft erhebe ich mich und schreite langsam durch den Garten zurück ins Schloss. Bis ich in meinem Gemach bin werde ich diese Maske aufrecht erhalten. Ich versuche all meine Emotionen zu verbannen. Doch plötzlich werde ich ruckartig gegen eine Wand gedrückt. Durch den Schmerz stöhne ich leicht auf. Chris hat seine Hände rechts und links neben meinem Kopf an die Wand gepresst, er ist mir unangenehm nah.

"Du bist Schuld.", zischt er wütend, seine Augen funkeln bedrohlich und unabsichtlich zucke ich zusammen.
"Ich will das doch genauso wenig wie du!", meine ich dann wieder mutiger, fester. Als Antwort spüre ich seine Hand an meiner Wange, ein Schlag.
"Ehe ich dich heirate, stirbst du!", knurrt er tief und ist wenige Sekunden darauf verschwunden. Mein Atem geht Viel zu schnell und ich raffe meinen Rock, hastig renne ich in mein Gemach und stürze mich in Verás Arme.

Eine Morddrohung.
Eine Morddrohung von dem Mann, wo ich einst dachte ich hätte so etwas wie Liebesgefühle für ihn. Vertrauen, ich hätte ihm damals zweifellos mein Leben anvertraut. Und nun?
Nun hasst er mich und nur meine Gefühle scheinen weiterhin verwirrt.

~ K

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