Kapitel 38

Randon Banks

Max sitzt entspannt auf seinem Bett und lacht mich aus, als hätte ich etwas Lustiges getan. Ich dagegen sitze auf seinem Schreibtischstuhl und versuche ihn zu verstehen.

>Ich wette, dein Gesicht war unbezahlbar, als sie dir von deinen himmlischen Muffins erzählt hat. Du hörst ja nie auf mich, wenn ich dich vor der Brille warme. Es ist jedes Mal dasselbe.< Seufzend lasse ich die Schultern sinken, betrachte eines der Poster von unserem Sonnensystem an seiner Zimmerwand. Mir ist nicht danach, mit ihm über meine Dummheit zu lachen. Am liebsten würde ich mich einfach in Tränen auflösen und mich für meine Fehler verprügeln lassen. Alles würde mir mehr helfen, als weiter das Chaos in meinem Kopf ordnen zu wollen.

>Wie ist sie so?<, frage ich ihn, ohne von dem Poster wegzusehen. Ich weiß nicht genau warum, aber ich möchte Max nicht ansehen, wenn er mir die Frage beantwortet.
>Genau so, wie du sie mir beschrieben hast. Mehr kann ich dir nicht sagen, sonst verrate ich sie.< Er hat mir schon erklärt, dass er ihr versprochen hat, mir von Anna zu erzählen, aber gleichzeitig auch ihr Geheimnis zu wahren. Ich verstehe das. In den wenigen Tagen, in denen wir miteinander geschrieben habe, hat sie mir immer wieder gezeigt, wie selbstlos aber auch schüchtern sie ist. Sie ist in einigen Punkten wie Clara, aber sie sind nicht gleich.

>Ich habe mich in sie verliebt, glaube ich.< Ich habe es gesagt, ohne es zu wollen. Es sollte eigentlich nur ein Gedanke sein, den ich noch Tagelang hinterfragen wollte, bevor ich ihn jemandem mitteile.

>Wir beide wissen, dass du dich in sie verknallt hast. Das ist nichts neues<, meint er nur schulterzuckend, lässt sich zurück sinken, bis er in seinem Bett liegt. Langsam löse ich den Blick von dem Poster, sehe zu Max.

>Ich rede von Clara.< Innerhalb einer Sekunde sitzt er wieder aufrecht, starrt mich an. Er wirkt, als wüsste er nicht, was er sagen soll und das kann ich ihm nicht verübeln. >Ich bin mir nicht sicher. Eigentlich ist mir so was nie in den Sinn gekommen, sie war die ganze Zeit einfach eine Freundin, der ich helfen wollte, weil sie so verletzlich gewirkt hat. Dabei war ich die ganze Zeit derjenige, den sie beschützt hat. Sie hat mir von Lesley und Phil erzählt, war danach für mich da. Auf ihre Weise hat sie mir beigestanden, ohne wirklich etwas dazu zu sagen oder zu tun. Sie hat sich sogar mit Phil angelegt, als er auf mich losgegangen ist, obwohl das überhaupt nicht zu ihr passt<, erzähle ich ihm und versuche so, auch mir meine Gefühle zu erklären. >Ich habe versucht, für sie da zu sein, weil sie immer so verängstigt war, aber ich konnte es nicht. Stattdessen habe ich mich auf Anna eingeschossen, ihr jedes Wort geglaubt und Clara schon wieder fast vergessen. Bis dieses Gefühl aufgetaucht ist, das ich vorher noch nie hatte. Ich war eifersüchtig auf dich.< Mittlerweile bin ich mir da sicher. Meine Mutter hat es sofort erkannt, aber ich dachte nicht, dass ich so bin. Dass ich auf meinen besten Freund eifersüchtig sein würde, weil er sich mit „irgendeiner" Freundin von mir trifft.

>Du warst was?<, hakt Max nach, der einfach nur vollkommen verblüfft da sitzt und mich ungläubig anstarrt.
Kurz hebe ich die Schultern, lächle verlegen, denn mir ist das zugegeben doch etwas peinlich.

>Ich dachte, ihr hättet ein Date, wegen der Torte. Als ihr dann Dana abgeholt habt, dachte ich, dass ihr beiden euch viel näher seid, als ich vermutet habe und sie dich mir vorzieht. Und ich-< Er lacht, rauft sich die Haare und schüttelt den Kopf.

>Ich glaube das nicht<, meint er, lacht weiter.

Ich würde zu gern in seinen Kopf sehen und verstehen, was schon wieder so lustig ist.

>Was glaubst du nicht?< Er springt auf, läuft in seinem Zimmer umher, als hätte er zu viel Energie.

>Kannst du dich eigentlich auch mal entscheiden? Lesley muss dich betrügen, bis du ihren Charakter erkennst. Auf Anna bist du reingefallen, weil du wieder blind losgerannt bist und nicht auf mich gehört hast und am selben Tag, an dem du das herausfindest, erzählst du mir, du hast dich in Clara verliebt?<, will er wissen, sieht mich eindringlich an. >Was ist nur los mit dir in letzter Zeit? Seit wann bist du denn so sprunghaft?< Mein erster Impuls ist es, ihm zu wiedersprechen, wobei mir auch etwas einfällt.

>Du erinnerst dich doch an unsere Wanderung in die Stadt, wo wir Clara und ihrem Therapeuten begegnet sind.< Verwirrt starrt er mich an, nickt aber.

>Was hat das-<

>Wir sind danach zu ihr gelaufen, sie und ich. Ich habe sie auf sie angesprochen und dann ist da etwas passiert, was ich vollkommen vergessen habe<, erkläre ich langsam, schließe meine Augen, um mich besser erinnern zu können.

~Flashback~

>Den Rest kann ich auch allein gehen.< Es trifft mich, dass sie nicht mit mir weitergehen will, aber ich kann sie auch verstehen. Es war überhaupt nicht in Ordnung, sie zu bedrängen. Sie hat ihrer Freundin oder Bekannten versichert, das Geheimnis zu wahren und ich habe nicht das Recht, mich da einzumischen.

>Es tut mir wirklich leid.< Langsam hebt sie den Kopf, sieht mich an. Sie ist ganz ruhig, sieht nicht wieder weg, sondern versucht etwas in meinem Gesicht zu lesen. Oder in meinen Augen.

Plötzlich überläuft mich eine Gänsehaut und ich muss den Blick abwenden. Ich habe keine Ahnung, was da eben passiert ist, aber ich muss einen kleinen Schritt zurückweichen, ehe ich sie wieder ansehen kann.

>Wir sehen uns am Montag<, sagt sie, wendet sich ab und geht. Eigentlich will ich etwas sagen, mich verabschieden oder ihr einen schönen Abend wünschen, aber aus meinem Mund kommt nichts raus.

Stumm stehe ich einfach da, sehe ihr nach. Sie geht seelenruhig davon, sieht nicht zurück. Diesmal bin ich derjenige von uns beiden, der sprachlos ist und merkwürdig reagiert.

~Flashback ende~

>So lange magst du sie schon?<, hakt Max nach, der aus dieser kurzen Geschichte nach einer Sekunde mehr Informationen ziehen kann, als ich nach mehreren Tagen. Mir ist eben erst klar geworden, was da mit mir los war.

>Ich hatte das vorher noch nie<, versuche ich mich zu verteidigen, aber er lacht nur wieder.

>Wer von uns beiden hat denn ständig eine neue Freundin? Ich hatte erst eine und der einzige Grund, warum ich mit ihr zusammen war, ist genau das, was du da für Clara empfindest. Mir war nicht klar, dass du ohne echte Gefühle mit den Mädchen ausgehst.< Diesmal bin ich derjenige, der aufspringt, denn das kann ich nicht so stehen lassen.

>Ich habe Gefühle für sie gehabt. Ich-<

>Aber du warst noch nie verliebt. Wenn du noch nie eifersüchtig, sprachlos oder einfach nur glücklich in der Nähe von einer deiner Freundinnen warst, dann warst du noch nie verliebt. Dann hast du das vielleicht gedacht, weil du sie gemocht hast und da gibt es auch nichts, was man dir vorwerfen könnte, aber Liebe hat nichts mit Logik zu tun. Eigentlich dachte ich, dass grade du das weißt.<

>Kann ich sie nicht einfach mehr lieben als meine Exfreundinnen?< Er stockt, sieht mich an, aber ich kann seine Mine nicht lesen. Auch das wollte ich so eigentlich gar nicht sagen. Bei den Gesprächen mit Max, die sich so hoch schaukeln wie dieses hier, rutscht mir häufiger etwas raus, aber selten so viel wie heute.

>Mach das nicht<, bitte er mich, kommt auf mich zu, bis er direkt vor mir steht. >Lass doch nur dieses eine Mal diese dumme, rosarote Brille weg. Ich kann verstehen, was du an Clara findest, sie ist ein wundervolles Mädchen, aber renn nicht schon wieder etwas nach, das du nicht verstehst. Du kennst sie fast überhaupt nicht. Du kannst niemanden lieben, den du nicht kennst.< Ich weiß nicht, wie ich ihm wiedersprechen soll. Was ich machen kann, um ihn davon zu überzeugen, dass es diesmal anders ist.

>Ich-< Er schüttelt den Kopf und ich unterbreche mich, lasse ihn reden.

>Versteh mich nicht falsch, okay? Ich wünsche mir, dass du Recht hast, ihr zusammen kommt und zusammen alt werdet. Das würde ich euch beiden wirklich gönnen, aber nicht so. Lern sie kennen, finde raus, was du wirklich fühlst und ob du deine Idee von ihr magst, oder sie, wie sie wirklich ist. Und erst, wenn du dir ganz sicher bist, dass du sie wirklich kennst, dann sagst du ihr, was du fühlst. Wenn du es vorher tust, sie sich auf dich einlässt und du sie verletzt, verkraftet sie das nicht.< Seine Worte treffen mich so sehr, dass ich einen Schritt zurück machen muss. Ich verstehe nicht, wie er so von mir denken kann. Dass ich etwas tun würde, das Clara nicht verkraften könnte. >Das war nicht böse gemeint<, erklärt er ruhig, hebt abwehrend die Hände. >Aber du weiß genau so gut wie ich, dass sie schon einige, schlechte Erfahrungen gemacht hat und verletzt worden ist. Du hast ihr doch auch angemerkt, dass sie zerbrechlich ist und nichts tut so weh, wie von einem geliebten Menschen verlassen oder verraten zu werden.< Er hat Recht. Natürlich hat er Recht, so wie immer.

>Ich weiß.< Er lässt seine Hände sinken, atmet tief durch. >Ich werde machen, was du gesagt hast und es ihr erst sagen, wenn ich ganz sicher bin. Dann, wenn ich weiß, dass ich sie nicht verletzten werde.< Er wirkt zu Frieden, lässt die Schultern sinken, den Kopf in den Nacken fallen.

>Wie ist der Abend nur schon wieder so ernst geworden?<, will er wissen, sieht mich wieder an. >Und warum dreht sich bei uns alles nur noch um die Weiber? Wir sind beide Single, wir sollten uns betrinken und Videospiele spielen.< Mit einem Lächeln boxe ich ihm gegen die Brust, weil ich ihm genau das vor Monaten abgewöhnt habe. In den letzten Ferien hat sich das bei ihm eingeschlichen und nachdem seine Noten schlechter geworden sind, habe ich ihm ein Alkoholverbot für unter der Woche erteilt, damit er sich wieder in den Griff bekommt. Wir haben eine Wette daraus gemacht und noch ist nicht entschieden, wer gewinnt. Es wird sich noch zeigen, ob er zu erst wieder unter der Woche etwas trinken wird oder ob ich eine Nacht lang durchgehend an Videospielen hänge.

>Lass uns den Kühlschrank plündern, ich habe Hunger<, wechsle ich das Thema und versuche die Stimmung etwas zu heben, was mir gelingt, wenn ich mir sein breites Grinsen so ansehe. Bis morgen früh will ich mir keine Gedanken mehr um das alles machen und auch erst morgen entscheiden, wie ich mit Clara umgehen soll. Schließlich kann ich sie schlecht bitten, mit mir auf ein Date zu gehen. So schüchtern wie sie ist, würde sie niemals zusagen.

-------------
29.12.2019

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top